VwGH vom 23.10.2000, 2000/17/0080
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde des R, vertreten durch D, M, Rechtsanwälte in S, gegen den Bescheid der Vorsteherin des Bezirksgerichtes Voitsberg vom , Zl. Jv 248/00, betreffend Zeugengebühren (mitbeteiligte Parteien:
1. A GesmbH, 2. A, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in H, 3. S & Co, 4. V-AG, und 5. S AG), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerium für Justiz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der in Schlins wohnende Beschwerdeführer wurde am um 11.00 Uhr als Zeuge zu einer Verhandlung des Bezirksgerichtes Voitsberg auf der Bundesstraße nach dem Ortsgebiet Krottendorf vorgeladen, vernommen und um 13.23 Uhr wieder entlassen.
Mit dem Bescheid des Kostenbeamten des Bezirksgerichtes Voitsberg vom wurden die Gebühren des Beschwerdeführers gemäß dem Gebührenanspruchsgesetz BGBl. Nr. 136/1975 (im Folgenden: GebAG) mit S 1.766,-- bestimmt. In diesem Betrag waren Reisekosten in der Höhe von S 1.472,--, nämlich die Bahnreise von Schlins nach Krottendorf und retour, und Aufenthaltskosten in der Höhe von S 294,-- enthalten. Das Mehrbegehren des Beschwerdeführers (Kilometergeld für die Fahrt mit dem eigenen PKW und ein Mehraufwand für Verpflegung) wurde abgewiesen.
In der dagegen erhobenen Beschwerde bekämpfte der Beschwerdeführer diesen Bescheid insoweit, als die Reisekosten nicht mit einem Gesamtbetrag von S 5.880,-- bestimmt worden seien. Es würden die Voraussetzungen für den Ersatz der Kosten der Benützung eines eigenen Kraftfahrzeuges vorliegen. Bei einer Inanspruchnahme von Massenbeförderungsmitteln hätte er um
19.50 Uhr, sohin mehr als sechs Stunden nach Beendigung der Verhandlung, vorerst mit dem Bus von Krottendorf nach Graz fahren müssen. Nach eineinhalb Stunden Wartezeit in Graz hätte er mit dem Nachtzug von Graz nach Bludenz fahren können, hätte dort in den Regionalzug umsteigen müssen und wäre dann um 6.47 Uhr des nächsten Tages in Schlins angekommen. Der Beschwerdeführer hätte sohin mehr als 17 Stunden gebraucht, um von Krottendorf nach Schlins zu gelangen. Mit einem eigenen PKW könne diese Wegstrecke leicht in sechs Stunden zurückgelegt werden. Der Ersatz der Kosten der Benützung eines eigenen Kraftfahrzeuges sei vorgesehen, sofern die Benützung eines solchen Beförderungsmittels notwendig sei, weil die Abfahrtszeiten so liegen, dass bei Benützung des Massenbeförderungsmittels mehrstündige Wartezeiten am Ort der Vernehmung entstünden. Der Beschwerdeführer verwies in diesem Zusammenhang auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 93/17/0001. Der Beschwerdeführer machte schließlich hilfsweise, da er für die Rückfahrt einen Nachtzug hätte nehmen müssen, die Vergütung des Fahrpreises für einen Schlafwagen, sohin einen Mehrersatzanspruch von S 1.050,--, eventualiter die Kosten für eine Nächtigung in Höhe von S 146,-- geltend.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerde teilweise Folge gegeben und die Gebühren in einer Höhe von insgesamt S 2.446,-- bestimmt. Nach Zitierung der maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen führte die belangte Behörde aus, dass andere als die in § 9 Abs. 1 GebAG genannten Umstände, insbesondere berufliche Anliegen (etwa Ordination, Kanzleibetrieb) nicht den Kostenersatz von anderen als Massenbeförderungsmitteln rechtfertigen würden, auch nicht bloße Zeitersparnis. Dies gelte auch für den Fall, dass während der Reise ein mehrmaliges Umsteigen erforderlich sein sollte oder durch Zugverspätungen Anschlusszüge versäumt werden sollten. Nach dem hg. Erkenntnis vom , Zl. 85/15/0066, sei die bloß längere Fahrtdauer (bei unbestrittenermaßen bestehender Zugverbindung der ÖBB), auch bei beträchtlichem Zeitunterschied, kein ausreichender Grund dafür, dass der Zeuge das Massenbeförderungsmittel nicht benützen könne. Auch dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 93/17/0001, auf welches sich der Beschwerdeführer berufe, sei nichts Gegenteiliges zu entnehmen. Der Beschwerde komme daher - hinsichtlich der Benützung eines Beförderungsmittels (eigener PKW), das nicht Massenbeförderungsmittel sei - mangels gesetzlicher Voraussetzungen keine Berechtigung zu.
Jedoch komme der Beschwerde hinsichtlich der Vergütung des Fahrpreises für einen Schlafwagen für die Rückreise mit einem "Nachtzug" Berechtigung zu. Der Beschwerdeführer begehre dafür einen Mehrbetrag an Reisekosten von S 1.050,--, welcher den Kosten für ein Schlafwagen-Zweibettabteil entspreche. Der Beschwerdeführer hätte für die Rückfahrt von Graz nach Bludenz aber auch die Möglichkeit in einem Schlafwagen-Dreibettabteil zu reisen und hätte so nur S 680,-- an zusätzlichen Reisekosten verursacht.
Die Zeugengebühren würden somit hinsichtlich der Reisekosten dahingehend ergänzt, dass dem Beschwerdeführer nunmehr zu den bereits bestimmten Reisekosten laut Bescheid des Kostenbeamten des Bezirksgerichtes Voitsberg vom in Höhe von S 1.472,-- auch die Vergütung für einen Schlafwagen für die Rückfahrt von Graz nach Bludenz (Dreibettabteil) in Höhe von S 680,-- zugesprochen würde. Die Reisekosten würden daher insgesamt S 2.152,-- ausmachen. Dazu würden die unbekämpften Aufenthaltskosten lt. Bescheid vom in Höhe von S 294,-- kommen, sodass die Gebühren des Zeugen nunmehr insgesamt S 2.446,-- betragen würden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem gesetzlich gewährleisteten Recht auf ordnungsgemäße Bestimmung der Zeugengebühr nach dem GebAG verletzt.
Die belangte Behörde und die zweitmitbeteiligte Partei erstatteten Gegenschriften, in welchen sie den Antrag stellten, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 6 und § 9 GebAG lauten auszugsweise wie folgt:
"§ 6. (1) Der Ersatz der notwendigen Reisekosten (§ 3 Abs. 1 Z. 1) umfasst die Kosten der Beförderung des Zeugen mit einem Massenbeförderungsmittel oder mit einem anderen Beförderungsmittel und die Entschädigung für zu Fuß zurückgelegte Wegstrecken (Kilometergeld); er bezieht sich, vorbehaltlich des § 4, auf die Strecke zwischen dem Ort der Vernehmung des Zeugen und seiner Wohnung oder Arbeitsstätte, je nach dem, wo der Zeuge die Reise antreten oder beenden muss.
...
§ 9. (1) Die Kosten für die Benützung eines Beförderungsmittels, das nicht Massenbeförderungsmittel ist, sind dem Zeugen nur zu ersetzen
1. wenn ein Massenbeförderungsmittel nicht zur Verfügung steht oder nach der Lage der Verhältnisse nicht benützt werden kann und die Zurücklegung der Wegstrecke zu Fuß nicht zumutbar ist,
.....
(3) Benützt der Zeuge ein anderes Beförderungsmittel als ein Massenbeförderungsmittel, ohne dass die Voraussetzungen nach Abs. 1 hiefür vorliegen, so gebührt ihm der Ersatz der Kosten, die er für die Benützung eines Massenbeförderungsmittels hätte aufwenden müssen."
Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage 1336 BlgNR XIII. GP zu § 9 GebAG ist der Ersatz für Kosten der Benützung eines Taxis oder eines eigenen Kraftfahrzeuges vorgesehen, sofern die Benützung eines solchen Beförderungsmittels notwendig ist, weil kein Massenbeförderungsmittel verkehrt und die Zurücklegung der Wegstrecke zu Fuß etwa wegen des Alters des Zeugen oder eines Gebrechens unzumutbar ist oder die Abfahrtszeiten so liegen, dass bei Benützung etwa mehrstündige Wartezeiten am Ort der Vernehmung entstünden.
Der Beschwerdeführer vertritt nach wie vor die Auffassung, ihm wäre der Ersatz der Kosten für die Benützung eines eigenen Kraftfahrzeuges zugestanden und beruft sich hiebei auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 93/17/0001. Zutreffend führt er aus, dass der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis die Auffassung vertreten hat, dass der Ersatz der Kosten der Benützung eines eigenen Kraftfahrzeuges etwa dann vorgesehen sei, wenn entweder die Benützung eines solchen Beförderungsmittels notwendig sei, weil kein Massenbeförderungsmittel verkehre und die Zurücklegung der Wegstrecke zu Fuß etwa wegen des Alters des Zeugen oder eines Gebrechens unzumutbar sei, oder aber, wenn die Abfahrtszeiten so liegen würden, dass bei Benützung etwa mehrstündige Wartezeiten am Ort der Vernehmung entstünden. Damit brachte der Verwaltungsgerichtshof zum Ausdruck, dass ein Massenbeförderungsmittel "nach der Lage der Verhältnisse nicht mehr benützt werden könne", wenn etwa am Ort der Vernehmung mehrstündige Wartezeiten entstehen würden. Diese Auslegung der Gesetzesbestimmung findet ihre Entsprechung in dem in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers. Sie steht auch nicht im Widerspruch zum Gesetzeswortlaut, zumal durchaus davon ausgegangen werden kann, dass ein zur Verfügung stehendes Massenbeförderungsmittel nach der Lage der Verhältnisse dann nicht benützt werden kann, wenn dessen Benützung nach Lage der Verhältnisse unzumutbar ist.
Gegenteilige Aussagen enthält zwar das hg. Erkenntnis vom , Zl. 90/17/0115; die dortigen Aussagen des Verwaltungsgerichtshofes sind jedoch nicht tragend, wurden doch in diesem Fall derartige Wartezeiten gar nicht behauptet, sondern lediglich die Unzumutbarkeit einer langwierigen Nachtfahrt mit der Eisenbahn ins Treffen geführt. Die insofern überschießenden Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofes in diesem Erkenntnis stehen der vorliegenden Entscheidung somit nicht im Sinne des § 13 Abs. 1 VwGG entgegen.
Vorliegendenfalls hat zwar die belangte Behörde die Möglichkeit dargetan, den Vernehmungsort ohne längere Wartezeit zu verlassen, was jedoch die Wartezeit an einem anderen Ort (Graz) zur Konsequenz gehabt hätte. Sowohl die Gesetzesmaterialien als auch das Erkenntnis vom , Zl. 93/17/0001, nennen die mehrstündigen Wartezeiten am Vernehmungsort nur als einen Beispielsfall des § 9 Abs. 1 Z. 1 GebAG. Darauf, ob Wartezeiten am Vernehmungsort oder am Umsteigebahnhof auftreten, kann es nicht ankommen. Vielmehr sind mehrstündige Wartezeiten am Umsteigebahnhof den Wartezeiten am Vernehmungsort gleichzuhalten.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Im Hinblick darauf, dass dem Beschwerdeführer die Kosten der Benützung eines eigenen Kraftfahrzeuges zu ersetzen sind, dies vom Wohnort und zurück, stellt sich die in der Beschwerde geltend gemachte Anspruchsprüfung gemäß § 12 GebAG (Kilometergeld für Wegstrecken, die der Zeuge zu Fuß zurücklegen muss) nicht.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am