VwGH vom 08.11.1995, 95/03/0017
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde der Beschwerdeführer 1. W und I A in B, 2. O und U H in B, 3. H und M P in S 4. W und C P in B, alle vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr vom , Zl. 225.553/6-II/2/94, betreffend eisenbahnrechtliche Baugenehmigung (mitbeteiligte Partei:
Eisenbahn-Hochleistungsstrecken AG, 1120 Wien, Vivenotgasse 10, vertreten durch Dr. H, ebendort), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführenden Parteien haben dem Bund Aufwendungen von insgesamt S 3.035,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 13.160,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der mitbeteiligten Partei für die Errichtung der Linienverbesserung B-S gemäß den §§ 35 und 36 des Eisenbahngesetzes, BGBl. Nr. 60/1957, (EG) und gemäß § 127 Abs. 1 lit. b des Wasserrechtsgesetzes 1959 die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung und die wasserrechtliche Bewilligung erteilt. Zu Punkt VIII Z. 8 Punkt 1 wurde im Spruch dieses Bescheides festgestellt, daß - unter anderem - die Beschwerdeführer keine Parteistellung gemäß § 34 Abs. 4 EG hätten. Ihr Vorbringen werde daher als unzulässig abgewiesen. In der Begründung heißt es hiezu, daß die Beschwerdeführer mit ihren Grundstücken nicht Eigentümer (oder dinglich Berechtigte) vom Bahnbau betroffener Liegenschaften seien und auch nicht durch eine Beschränkung oder ein eisenbahnrechtliches Bauvorbot berührt seien. Ihr Vorbringen habe daher als unzulässig abgewiesen werden müssen.
Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluß vom , B 1591/94, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung dieser Beschwerde ab und trat sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof ab.
Vor dem Verwaltungsgerichtshof erachten sich die Beschwerdeführer "in den in den §§ 8 AVG und § 34 Abs 4 EisbG normierten Rechten verletzt, als Eigentümer bzw. dinglich Berechtigte von betroffenen Liegenschaften im eisenbahnrechtlichen Baugenehmigungsverfahren die Parteistellung zuerkannt zu erhalten. Weiters erachten wir uns in den aus unserer Parteistellung resultierenden Rechten (normiert insbesondere in § 35 EisbG) verletzt, wonach die Behörde im eisenbahnrechtlichen Baugenehmigungsverfahren unseren berechtigten Einwendungen gegen das verfahrensgegenständliche Projekt entweder durch Versagung der eisenbahnrechtlichen Baugenehmigung oder durch Vorschreibung geeigneter Auflagen Rechnung zu tragen hat".
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie die mitbeteiligte Partei eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 34 Abs. 4 EG sind im eisenbahnrechtlichen Baugenehmigunsverfahren insbesondere der Bauwerber, die Eigentümer der betroffenen Liegenschaften, die an diesen dinglich Berechtigten, die Wasserberechtigten und die Bergwerksberechtigten Parteien im Sinne des § 8 AVG. Betroffene Liegenschaften sind außer den durch den Bau selbst in Anspruch genommenen Liegenschaften auch die, die in den Bauverbotsbereich (§ 38) oder in den Feuerbereich (§ 40) zu liegen kommen, sowie die, die wegen ihrer Lage im Gefährdungsbereich (§ 39) Veränderungen oder Beschränkungen unterworfen werden müssen.
Gemäß § 35 Abs. 2 leg. cit. ist in der eisenbahnrechtlichen Baugenehmigung über alle gegen das Bauvorhaben erhobenen Einwendungen sowie über alle sonst vom Bauvorhaben berührten Interessen zu entscheiden, soweit es sich nicht um zivilrechtliche Ansprüche handelt; diese sind auf den Zivilrechtsweg zu verweisen.
Einwendungen, die eine Verletzung subjektiver öffentlicher Rechte zum Inhalt haben, sind gemäß § 35 Abs. 3 leg. cit. als unbegründet abzuweisen, wenn der durch die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung entstehende Vorteil für die Öffentlichkeit größer ist als der Nachteil, der der Partei durch die Genehmigung des Bauvorhabens erwächst.
§ 19 EG sieht folgendes vor:
"(1) Das Eisenbahnunternehmen ist verpflichtet, die Eisenbahn einschließlich der Betriebsmittel und des sonstigen Zugehörs unter Berücksichtigung der Sicherheit, der Ordnung und der Erfordernisse des Eisenbahnbetriebes und des Eisenbahnverkehrs zu bauen, zu erhalten, zu ergänzen und nach Maßgabe der Rechtsvorschriften und der Konzession zu betreiben.
(2) Das Eisenbahnunternehmen hat Vorkehrungen zu treffen, daß durch den Bau, Bestand oder Betrieb der Eisenbahn keine Schäden an öffentlichem und privatem Gut entstehen. Es haftet, unbeschadet der Haftung nach anderen gesetzlichen Vorschriften, für Schäden, die durch den Bau oder Bestand der Eisenbahn an den benachbarten Liegenschaften verursacht werden.
..."
Die Beschwerdeführer behaupten nicht, daß ihre Liegenschaften durch den Bau selbst in Anspruch genommen würden, in den Bauverbotsbereich (§ 38 EG) oder in den Feuerbereich (§ 40 leg. cit.) zu liegen kämen oder wegen ihrer Lage im Gefährdungsbereich (§ 39 EG) Veränderungen oder Beschränkungen unterworfen werden müßten. Es ist somit nicht strittig, daß die Beschwerdeführer nicht Eigentümer von "betroffenen Liegenschaften" im Sinne des § 34 Abs. 4 EG sind. Auf diese Rechtsposition können sie sich daher nicht zur Begründung einer Parteistellung im eisenbahnrechtlichen Baugenehmigungsverfahren berufen.
Dies versuchen die Beschwerdeführer auch gar nicht, sondern leiten ihre Parteistellung daraus ab, daß es sich bei den im § 34 Abs. 4 EG angeführten Betroffenen lediglich um eine demonstrative Aufzählung handle. Es seien daher auch andere Betroffene, die den Kriterien des ausdrücklich im § 34 Abs. 4 leg. cit. bezogenen § 8 AVG unterfielen, Parteien im eisenbahnrechtlichen Bauverfahren. Dazu seien nach Meinung der Beschwerdeführer auch die "durch § 19 Eisenbahngesetz begünstigten Personen" zu zählen. Zu diesem Personenkreis gehörten aber nicht nur die Eigentümer (oder dinglich Berechtigten) von unmittelbar angrenzenden Grundstücken, sondern auch all jene Personen, die der Einwirkung der Eisenbahn unmittelbar ausgesetzt seien. Jeder, der durch das Eisenbahnprojekt in seinen subjektiven öffentlichen Rechten, die ihm durch § 19 EG eingeräumt würden, beeinträchtigt werden könne, sei daher als Partei im eisenbahnrechtlichen Bauverfahren beizuziehen. Da von den im § 19 Abs. 2 erster Satz EG erwähnten "Schäden" jegliche Immissionen, welche die Eisenbahn verursache, umfaßt seien, könne der Nachbar im Bauverfahren die Befürchtung der Belästigung durch alle Immissionen einwenden. Die von den Beschwerdeführern in der eisenbahnrechtlichen Verhandlung erhobenen "umfangreichen Einwendungen in diesem Sinne (Immissionen)" seien berechtigt gewesen (bzw. seien von der belangten Behörde zu Unrecht verworfen worden), sodaß die Parteistellung der Beschwerdeführer im eisenbahnrechtlichen Bauverfahren feststehe.
Mit diesem Vorbringen sind die Beschwerdeführer nicht im Recht. Es trifft zwar zu, daß die in § 34 Abs. 4 EG enthaltene Aufzählung demonstrativ ist; damit ist für die Beschwerdeführer aber noch nichts gewonnen. Entgegen ihrer Auffassung vermag ihnen die Berufung auf § 19 Abs. 2 EG nämlich nicht die Parteistellung im eisenbahnrechtlichen Baugenehmigungsverfahren zu verschaffen. Dies deshalb, weil den in der genannten Bestimmung erwähnten Schäden durch die Vorschreibung entsprechender Auflagen nach ständiger hg. Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom , Zl. 92/03/0084) von Amts wegen zu begegnen ist, ohne daß den betroffenen Personen darauf ein Rechtsanspruch zustünde. Räumen die in der Rechtssache anzuwendenden Vorschriften aber dem Einzelnen keine Berechtigung ein, dann kommt ihm auch in dem betreffenden Verwaltungsverfahren keine Parteistellung im Sinne des § 8 AVG zu (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/03/0077). Darüber hinaus ist auf die ständige hg. Rechtsprechung (vgl. neben dem schon erwähnten Erkenntnis vom auch das Erkenntnis vom , Zl. 86/03/0050) zu verweisen, durch die klargestellt ist, daß Einwendungen, mit denen Immissionen geltend gemacht werden, keine Verletzung subjektiver öffentlicher Rechte zum Inhalt haben, weil sie nicht auf eine aus öffentlich-rechtlichen Regelungen erwachsene Rechtsstellung abgestellt sind, sondern - allenfalls - zivilrechtliche Ansprüche, etwa nach § 364 a ABGB, betreffen. Wenn daher die Einwendungen der Beschwerdeführer, die die Abwehr von Immissionen zum Gegenstand hatten, nicht der von den Beschwerdeführern angestrebten Behandlung und Erledigung zugeführt wurden, so wären die Beschwerdeführer - auch wenn ihnen Parteistellung im eisenbahnrechtlichen Baugenehmigungsverfahren zugekommen wäre - durch diese Vorgangsweise in keinem Recht verletzt worden.
Auf dem Boden dieser Rechtslage erweist sich die Beschwerde somit als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen. Ein Eingehen auf das weitere Vorbringen in der Beschwerde, welches sich auf die von den Beschwerdeführern erhobenen Einwendungen bezieht, erübrigt sich.
Die Kostenentscheidung beruht - hinsichtlich der belangten Behörde im Rahmen des Begehrens - auf den §§ 47 ff in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Dem Kostenzuspruch an die mitbeteiligte Partei war die Erstattung einer Gegenschrift im verwaltungsgerichtlichen Verfahren samt Beilagen zugrundezulegen, die in zweifacher Ausfertigung zu erfolgen hatte.