VwGH vom 06.03.2001, 2000/05/0243

VwGH vom 06.03.2001, 2000/05/0243

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):

2000/05/0244

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerden des Dr. Erwin Vogler in St. Pölten, vertreten durch Dr. Herbert Hochegger und Mag. Markus Kajaba, Rechtsanwälte in Wien IV, Brucknerstraße 4, gegen die Bescheide des Stadtsenates der Landeshauptstadt St. Pölten vom , jeweils Zl. 00/37/9d-1999/Mag.De./Ku, betreffend Parteistellung in einem Baubewilligungsverfahren bzw. Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: Allgemeine Gemeinnützige Wohnungsgenossenschaft m.b.H. in St. Pölten, Josefstraße 70-72), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Landeshauptstadt St. Pölten Aufwendungen in der Höhe von S 8.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Ansuchen vom , eingelangt bei der Behörde am , beantragte die mitbeteiligte Partei die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung eines Mansardendachstuhles über den Bestandsobjekten Block A und B sowie die Errichtung eines Pultdaches über den Erdgeschoßvorbauten im Block A und dem Wandelgang, betreffend das Seniorenwohnheim St. Pölten. Mit einem am eingelangten Schreiben übermittelte die Mitbeteiligte eine Änderung des Einreichplanes im Bezug auf Schnitt 1/1 und 2/2, woraus im Wesentlichen hervorgeht, dass beim Mansarden-Dachstuhl eine Zwischendecke eingezogen werden soll.

Der Beschwerdeführer ist Eigentümer eines unmittelbar an das zu bebauende Grundstück östlich im Bereich der Herderstraße anschließenden Grundstückes.

Mit einem am bei der Behörde eingelangten Schreiben teilte der Beschwerdeführer dem Magistrat der Landeshauptstadt St. Pölten mit, dass die Heimverwaltung des Seniorenwohnheimes die Anrainer schriftlich von einem Bauvorhaben verständigt habe. Nach dieser Mitteilung werde das Dach durch Aufsetzen eines Mansardendachstuhles und dessen Eindeckung saniert. Mit der Errichtung eines Mansardendachstuhles sei der Beschwerdeführer nicht einverstanden. Der geplante Mansardendachstuhl sei höher als das bisherige Flachdach, dadurch werde die bisherige Bauhöhe überschritten. Das Einfamilienhaus des Beschwerdeführers stehe östlich der beiden Häuserblöcke A und B, wodurch in den Nachmittags- und Abendstunden die Belichtung des Gartens, des Hauses und der Wohnung des Beschwerdeführers durch die größere Höhe der beiden Mansardendächer vermindert werde. Nach § 6 Abs. 2 der NÖ Bauordnung gehörten die Bebauungshöhe und die Belichtung zu den subjektiv-öffentlichen Rechten der Anrainer und auch wenn eine Bauverhandlung entfallen sei, habe der Beschwerdeführer Parteistellung und das Recht, seine subjektivöffentlichen Anrainerrechte schriftlich geltend zu machen. Er ersuche daher die Baubehörde, das gegenständliche Bauansuchen abzuweisen. Falls bereits ein Baubewilligungsbescheid ergangen sein sollte, beantrage er, diesen Bescheid aufzuheben und eine Bauverhandlung durchzuführen. Sollte dies nicht möglich sein, ersuche er die Behörde, ihm den Baubewilligungsbescheid mit einer Rechtsmittelbelehrung zuzustellen. Mit Schreiben vom bestätigte der Magistrat der Landeshauptstadt St. Pölten den Erhalt des Schreibens des Beschwerdeführers und teilte ihm mit, dass die Mitbeteiligte mit Bauansuchen vom eine baubehördliche Bewilligung für die Errichtung eines Mansardendachstuhles beantragt habe. Am seien neue Einreichpläne vorgelegt worden. Auf Grund der vorgelegten Einreichunterlagen sei ein Vorbegutachtungsverfahren gemäß § 20 der NÖ Bauordnung 1996 eingeleitet worden. Die Begutachtung sei jedoch noch nicht abgeschlossen. Aus diesem Grund sei bis dato noch keine baubehördliche Genehmigung erteilt worden.

Mit Bescheid vom wurde der Mitbeteiligten die beantragte Baubewilligung erteilt. Mit einem Schreiben vom hat der Beschwerdeführer nochmals die Abweisung des Bauansuchens und die Durchführung einer Bauverhandlung bzw. die Aufhebung eines allenfalls ergangenen Baugenehmigungsbescheides sowie eine allfällige Zustellung des Baubewilligungsbescheides beantragt.

Mit Bescheid des Magistrates der Landeshauptstadt St. Pölten vom wurden die im Schreiben des Beschwerdeführers vom gestellten Anträge als unzulässig zurückgewiesen. Dem Beschwerdeführer komme im gegenständlichen Verfahren keine Parteistellung zu. Da die Vorprüfung unter anderem ergeben habe, dass Nachbarrechte nach § 6 Abs. 2 NÖ Bauordnung 1996 nicht berührt würden, habe der Abs. 1 des § 22 leg. cit. angewendet werden müssen. Nachbarn würden nur dann Parteien, wenn sie durch das Bauwerk und dessen Benützung in den in § 6 Abs. 2 erschöpfend festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechten berührt würden. Aus den Einreichunterlagen sei ersichtlich, dass die Gebäudehöhe (zur Definition siehe § 53 Abs. 1 der NÖ Bauordnung 1996) nicht verändert werden solle. Damit könne kein subjektiv-öffentliches Recht nach § 6 Abs. 2 leg. cit. verletzt worden sein.

Der Beschwerdeführer erhob sodann Berufungen sowohl gegen den Baubewilligungsbescheid vom als auch gegen den Bescheid vom .

Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden vom wurden beide Berufungen als unbegründet abgewiesen. Die Behandlung der gegen diese Bescheide gerichteten Beschwerden hat der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom , B 2024/99, B 2027/99, abgelehnt und die Beschwerden dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

In den über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerden wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat zu jeder Beschwerde eine Gegenschrift eingereicht, die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerden beantragt und den Verwaltungsakt vorgelegt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Das gegenständliche Bauansuchen ist seit anhängig. Durch die geringfügige Modifikation des Baugesuches mit der Einreichung neuer Schnitte im Dezember 1998 wurde kein neues Baugesuch anhängig gemacht, weil die geplante Einziehung einer Zwischendecke im Bereich des Mansardendaches keine wesentliche Änderung des Bauvorhabens darstellt.

Auf das Bauvorhaben ist hinsichtlich der Frage der Parteistellung § 6 Abs. 1 der NÖ BO 1996 in der Stammfassung anzuwenden (vgl. dazu Art. II der ersten Novelle der NÖ BO 1996, LGBl. 8200-3). Gemäß § 6 Abs. 1 zweiter Satz leg. cit. sind Nachbarn nur dann Parteien, wenn sie durch das Bauwerk und dessen Benützung in den in Abs. 2 erschöpfend festgelegten subjektivöffentlichen Rechten berührt sind. Der dritte Satz dieser Bestimmung normiert, dass die Nachbarn im Baubewilligungsverfahren nur dann Parteien werden, wenn sie diese Rechte spätestens in der Bauverhandlung geltend machen.

Die AVG-Novelle 1998, BGBl. I Nr. 158/1998, ist am in Kraft getreten. Sie bestimmt in ihrem § 82 Abs. 7, dass alle in Vorschriften des Bundes und der Länder enthaltenen Bestimmungen, die von den §§ 13 Abs. 3 bis 8, 14, 18 Abs. 3 und 4, 37 zweiter Satz, 39 Abs. 2 und 3, 42, 43, 44, 44 a bis 44 g, 59 Abs. 1 erster und zweiter Satz, 61 Abs. 1 zweiter Satz, 63 Abs. 2, 64 a, 66 Abs. 1 und 2, 69 Abs. 2, 71 Abs. 1 Z. 2, 73 Abs. 2 und 3 und 76 Abs. 1 erster Satz in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 158/1998 abweichen, mit Ablauf des außer Kraft treten. Dies gilt nicht, wenn diese Bestimmungen nach dem kundgemacht worden sind.

Die Regelungen über die Parteistellung im § 6 Abs. 1 dritter Satz der NÖ BO 1996 weichen von der Regelung des § 42 Abs. 1 bis 3 AVG in der Fassung der Verwaltungsverfahrensgesetznovelle 1998 ab. Sowohl die belangte Behörde als auch der Beschwerdeführer haben übersehen, dass daher grundsätzlich der Bestimmung des § 6 Abs. 1 dritter Satz NÖ BO 1996 durch § 42 Abs. 1 bis 3 AVG derogiert wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/05/0052).

In beiden Beschwerdeverfahren ist daher nicht maßgeblich, ob der Beschwerdeführer seine Rechte spätestens in einer Bauverhandlung geltend gemacht hat, weil keine Kundmachung bzw. Ladung im Sinne des § 42 AVG vorgenommen wurde. Entscheidend ist auch nicht, ob die Voraussetzungen des § 22 NÖ BO 1996 (Entfall der Bauverhandlung) vorlagen, da diese Bestimmung keinen Hinweis auf den Verlust der Parteistelltung enthält.

Die materielle Umschreibung des in Betracht kommenden Kreises der Nachbarn obliegt entsprechend dem Art. 15 B-VG dem Landesgesetzgeber. Der Bestimmung des § 6 Abs. 1 zweiter Satz NÖ BO 1996, wonach Nachbarn nur dann Parteien werden, wenn sie durch das Bauwerk und dessen Benützung in den in Abs. 2 erschöpfend festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechten berührt werden, wurde durch die Verfahrensgesetznovelle nicht derogiert. Es war daher zu prüfen, ob der Beschwerdeführer durch eines der in Abs. 2 des § 6 leg. cit.genannten Rechte berührt werden konnte. Wie die belangte Behörde zutreffend ausgeführt hat, wurde durch das beantragte und bewilligte Bauvorhaben keine Änderung der Gebäudehöhe bewirkt. Es ist ein Mansardendach geplant, ohne dass den eingereichten Plänen zufolge eine Vergrößerung der Gebäudefront eintreten würde (vgl. § 53 Abs. 1 NÖ BO 1996), womit eine Verletzung im Recht auf Einhaltung der Gebäudehöhe nicht möglich ist. Eine Verletzung von anderen im § 6 Abs. 2 leg. cit. taxativ aufgezählten subjektiv-öffentlichen Nachbarrechten kommt im Beschwerdefall nicht in Betracht.

Da das Bauvorhaben somit nicht geeignet ist, eine Berührung auch nur eines der taxativ festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechte des Beschwerdeführers herbeizuführen, kam ihm im Baubewilligungsverfahren tatsächlich keine Parteistellung zu. Mit Recht wurde daher seine Berufung gegen den Baubewilligungsbescheid mangels Parteistellung als unzulässig zurückgewiesen. Ebenso rechtmäßig war die Zurückweisung der mit Schreiben vom gestellten Anträge des Beschwerdeführers.

Da sich die Beschwerden somit als unbegründet erweisen, waren sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Das Mehrbegehren der Landeshauptstadt St. Pölten war abzuweisen, weil die Aktenvorlage nur einmal erfolgte. Wien, am