VwGH vom 18.12.1995, 95/02/0538
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des Mag. F in W, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom , Zl. Senat- P-94-034, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Beschwerdeführer einer Übertretung der StVO für schuldig befunden und hiefür bestraft.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher die Behandlung derselben - unter Hinweis auf seine Vorjudikatur "zum im wesentlichen gleichartigen Regelungssystem des § 50 Abs. 6 VStG" - mit Beschluß vom , Zl. B 2198/95, ablehnte und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abtrat. Dieser hat erwogen:
Der Beschwerdeführer bringt im wesentlichen vor, die mit der gemäß § 49a VStG erlassenen Anonymverfügung verhängte Strafe sei entgegen der entsprechenden Verordnung (§ 49a Abs. 1 VStG) überhöht bemessen worden. Da in einem solchen Fall dem Betroffenen "zur Sicherung der am Verordnungsinhalt gemessenen inhaltlichen Rechtsrichtigkeit der Verwaltungsmaßnahme" keine Verfahrenseinrichtung zur Verfügung stehe, erfordere es das "Rechtsstaatsprinzip", daß die (allenfalls) in der Folge mittels Strafverfügung oder Straferkenntnis verhängte Strafe nicht höher sein dürfe, als jene, welche in der Anonymverfügung entsprechend der gemäß § 49a Abs. 1 VStG erlassenen Verordnung festzusetzen gewesen wäre.
Dem vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht beizupflichten:
Gemäß § 49a Abs. 1 VStG kann die Behörde, soweit die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, durch Verordnung zur Verfahrensbeschleunigung einzelne Tatbestände von Verwaltungsübertretungen bestimmen, für die sie durch Anonymverfügung eine unter Bedachtnahme auf § 19 Abs. 1 im vorhinein festgesetzte Geldstrafe bis zu 1.000 S vorschreiben darf.
Nach § 49a Abs. 6 VStG ist die Anonymverfügung keine Verfolgungshandlung. Gegen sie ist kein Rechtsmittel zulässig. Sie wird gegenstandslos, wenn nicht binnen vier Wochen nach Ausfertigung die Einzahlung des Strafbetrages mittels Beleges (Abs. 4) erfolgt. Ist die Anonymverfügung gegenstandslos geworden, so hat die Behörde gemäß § 34 (leg. cit.) vorzugehen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat zur gleichartigen Regelung des § 50 Abs. 6 VStG (vgl. auch den obzitierten Beschluß des Verfassungsgerichtshofes vom , Zl. B 2198/95) die Ansicht vertreten, daß Organstrafverfügungen ohne Rücksicht auf die Ursache durch eine verspätete Einzahlung "gegenstandslos" geworden seien; daraus folge aber, daß diesen Organstrafverfügungen für die in der Folge eingeleiteten Verwaltungsstrafverfahren auch unter dem Gesichtspunkt der Höhe der sodann festgesetzten Geldstrafen keine rechtliche Bedeutung zugekommen sei (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 93/17/0010-0015, und die dort zitierte hg. Vorjudikatur). Auch der Verfassungsgerichtshof ging in seiner Rechtsprechung zu § 50 Abs. 6 VStG davon aus, daß eine gegenstandslos gewordene Organstrafverfügung keinerlei Rechtswirkungen auf das nachfolgende Strafverfahren habe (vgl. das Erkenntnis vom , Slg. Nr. 7714) und die Behörde in einem solchen Fall so vorzugehen habe, als ob eine Organstrafverfügung niemals erlassen worden wäre (vgl. das Erkenntnis vom , Slg. Nr. 7303). Wendet man diese Grundsätze auf die Vorschrift des § 49a Abs. 6 VStG an, so ist es rechtlich unerheblich, in welcher Höhe in der Anonymverfügung eine Geldstrafe festgesetzt wurde und sohin auch, ob diese Geldstrafe der gemäß § 49a Abs. 1 VStG erlassenen Verordnung entsprochen hat oder nicht. Die Anonymverfügung ist nämlich in einem solchen Fall (vgl. Mannlicher-Quell, Das Verwaltungsverfahren, 8. Auflage,
2. Halbband, Seite 197) nur ein dem nachfolgenden mit Bescheid abzuschließenden Strafverfahren vorgelagerter Verfahrensschritt, der keine weiteren Rechtswirkungen nach sich zieht.
Da bereits der Inhalt der vorliegenden Beschwerde bereits erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.