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VwGH vom 27.03.1998, 95/02/0506

VwGH vom 27.03.1998, 95/02/0506

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde des M, vertreten durch Dr. Gabriel Liedermann, Rechtsanwalt in Wien X, Gudrunstraße 143, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-02/20/00101/94, betreffend Zurückweisung einer Maßnahmenbeschwerde in einer Schubhaftangelegenheit, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom , die vom Beschwerdeführer selbst als "Maßnahmenbeschwerde" bezeichnet wurde, begehrte dieser unter Punkt III. 2. von der belangten Behörde, diese wolle die Unterlassung der Vorführung zu einem Arzt seit dem , die Untersagung der Untersuchung durch einen Arzt seines Vertrauens sowie die Verweigerung der Mitteilung des am erhobenen medizinischen Befundes an den Beschwerdeführer für rechtswidrig erklären und der belangten Behörde den Ersatz der Kosten des Beschwerdeverfahrens auftragen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom wies die belangte Behörde die Beschwerde hinsichtlich der Unterlassung der Vorführung zu einem Arzt seit dem , der Untersagung der Untersuchung durch einen Arzt des Vertrauens sowie der Verweigerung der Mitteilung des am erhobenen medizinischen Befundes an den Beschwerdeführer zurück. Gleichzeitig wurde das Kostenbegehren gemäß § 79a AVG abgewiesen.

In der Begründung dieses Bescheides verwies die belangte Behörde insbesondere auf § 7 der Verordnung des Bundesministers für Inneres zur Durchführung des Fremdengesetzes, BGBl. Nr. 840/1992, wonach für die Durchführung der Schubhaft im wesentlichen die Polizeigefangenenhaus-Hausordnung (PGHO), BGBl. Nr. 566/1988, anzuwenden sei.

§ 10 der PGHO regle die ärztliche Betreuung der als haftfähig anzusehenden Häftlinge. Nach Ansicht der belangten Behörde, die insbesondere auf § 67 Abs. 1 Z. 2 AVG und die Subsidiarität von Maßnahmenbeschwerden zur Vermeidung von Zweigleisigkeiten für die Verfolgung ein- und desselben Rechtes anhand der hg. Judikatur verwies, wäre dem Beschwerdeführer hinsichtlich der behaupteten Untersagungen bzw. Unterlassungen die Möglichkeit der Austragung im Verwaltungsverfahren gemäß § 23 PGHO zur Verfügung gestanden. Für die vom Beschwerdeführer an die belangte Behörde erhobene Maßnahmenbeschwerde bestehe daher von vornherein kein Raum.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher die Behandlung derselben mit Beschluß vom , B 948/95, ablehnte und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. Dieser hat erwogen:

Gemäß Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG erkennen die unabhängigen Verwaltungssenate nach Erschöpfung des administrativen Instanzenzuges, sofern ein solcher in Betracht kommt, über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, ausgenommen in Finanzstrafsachen des Bundes.

Gemäß § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG entscheiden die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerde von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, ausgenommen in Finanzstrafsachen des Bundes.

Für den Verwaltungsgerichtshof ist aufgrund der in Beschwerde gezogenen Maßnahmen nicht ersichtlich, daß diese aufgrund der Ausübung von verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erfolgt wären, weshalb ein Anwendungsfall nach § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG (§ 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG) nicht in Betracht kommt. Auch in der ergänzten Beschwerde wird ein solcher Zusammenhang nicht aufgezeigt. Insoweit sich die Zurückweisung der "Maßnahmenbeschwerde" im angefochtenen Bescheid auf die Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt bezog, war diese schon wegen des Fehlens solcher Maßnahmen, die Befehls- oder Zwangscharakter tragen, nicht rechtswidrig.

Der Beschwerdeführer wendet gegen den angefochtenen Bescheid grundsätzlich ein, dieser verletze ihn dadurch in seinem Recht "gemäß den §§ 89 ff Sicherheitspolizeigesetz" (SPG), daß die belangte Behörde über die Behauptung der Rechtsverletzung durch die Besorgung der Sicherheitsverwaltung und insbesondere der Verletzung einer Vorschrift der RLV (gemeint: der Richtlinien-Verordnung, BGBl. Nr. 266/1993) zu entscheiden habe. Mit seiner an die belangte Behörde gerichteten Beschwerde habe er "ersichtlich" die Verletzung seines sich aus § 8 Abs. 3 RLV ergebenden Rechtes geltend gemacht. Er habe u.a. ausgeführt, daß sein rechtsfreundlicher Vertreter weder bei der vom von der Behörde beigezogenen Arzt durchgeführten Untersuchung anwesend sein habe können, noch diesem oder dem Beschwerdeführer selbst die wesentlichen Ergebnisse der Untersuchung mitgeteilt worden seien. Ferner habe er gegenüber der belangten Behörde ausgeführt, daß sich der von der Behörde beigezogene Arzt nur unzureichend bereit gefunden habe, eine "Modalität" bekannt zu geben, wie dieser durch einen Arzt seines Vertrauens kontaktiert werden könne und wann die Untersuchung im Beisein des Arztes seines Vertrauens erfolgen könne. Auch durch den "Aufnahmeleiter" im Polizeigefangenenhaus sei weder ein Termin für die Untersuchung im Beisein des Arztes seines Vertrauens noch eine "Modalität" der Terminfestsetzung mitgeteilt worden. Die belangte Behörde verkenne mit dem angefochtenen Bescheid, daß die Verletzung einer Verpflichtung gemäß der RLV im Wege der Befassung durch die belangte Behörde zufolge der Bestimmung "des § 88 Abs. 1 f SPG und allenfalls § 89 SPG" wahrzunehmen sei und für die diesbezügliche Rechtsverletzung der Weg der "Kommandantenbeschwerde" im Sinne der PGHO nicht eingehalten werden müsse.

Nach § 8 Abs. 3 RLV, BGBl. Nr. 266/1993, haben Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Angehaltenen, der von einem von der Behörde beauftragten Arzt untersucht werden soll, davon in Kenntnis zu setzen, daß es ihm freisteht, zu dieser Untersuchung auf seine Kosten einen Arzt seiner Wahl beizuziehen, sofern dies ohne wesentliche Verzögerungen der Untersuchung bewirkt werden kann.

§ 8 RLV ist mit der Überschrift "Informationspflichten" versehen. Eine insoweit gerügte Rechtsverletzung liegt schon deshalb nicht vor, weil die bei der belangten Behörde mit Datum eingereichte Beschwerde unter Punkt III. 2. der Anträge nicht etwa eine unterlassene Informationspflicht im Sinne des § 8 Abs. 3 RLV rügt, sondern die behauptete Unterlassung der Vorführung zu einem Arzt seit , die behauptete Untersagung der Untersuchung durch einen Arzt des Vertrauens des Beschwerdeführers und die behauptete Verweigerung der Mitteilung des am erhobenen medizinischen Befundes an den Beschwerdeführer.

Darüberhinaus enthalten weder der Spruch noch die Begründung des angefochtenen Bescheides Hinweise darauf, daß die belangte Behörde auch über eine allfällige Verletzung der Richtlinien-Verordnung abgesprochen hätte. Die diesbezüglich gerügte Rechtsverletzung lag daher nicht vor.

Im Zeitraum, auf den sich die an die belangte Behörde gerichtete "Maßnahmenbeschwerde" hinsichtlich des Punktes III. 2. ihrer Anträge bezog, war noch die Verordnung des Bundesministers für Inneres zur Durchführung des Fremdengesetzes, BGBl. Nr. 840/1992, anzuwenden.

Gemäß § 7 dieser Verordnung war, sofern § 47 FrG nicht anderes bestimmt, für die Durchführung der Schubhaft die Polizeigefangenenhaus-Hausordnung (kurz: PGHO), BGBl. Nr. 566/1988, mit Ausnahme jener Bestimmungen anzuwenden, die wegen ihrer Ausrichtung auf den Vollzug von Verwaltungsfreiheitsstrafen dem Sicherungszweck der Schubhaft entgegenstehen.

§ 10 der PGHO regelt die "ärztliche Betreuung der Häftlinge". Gemäß Abs. 1 dieser Bestimmung sind Häftlinge, deren Haftfähigkeit bereits festgestellt wurde (§ 7), auf begründetes Verlangen oder dann, wenn ihre weitere Haftfähigkeit in Zweifel steht, unverzüglich dem Arzt vorzuführen. Die von ihm angeordneten Maßnahmen (z.B. auch Bettruhe) sind durchzuführen.

Gemäß § 23 Abs. 1 PGHO sind Beschwerden wegen Verletzung der dem Häftling aus der Hausordnung erwachsenden Rechte vom Häftling dem Kommandanten vorzutragen oder schriftlich mitzuteilen.

Richtet sich die Beschwerde gegen Aufsichtsorgane, so hat hierüber gemäß § 23 Abs. 2 PGHO der Kommandant zu entscheiden. Richtet sie sich gegen eine von ihm oder vom Arzt getroffene Maßnahme oder Entscheidung und hilft er der Beschwerde nicht selbst ab, so ist sie der Behörde vorzulegen. Diese hat, außer bei Beschwerden über vom Arzt getroffene Maßnahmen, mit Bescheid zu entscheiden.

In der "Maßnahmenbeschwerde" vom behauptete der Beschwerdeführer, er habe im Hinblick auf seine starke Gewichtsabnahme infolge eines Hungerstreiks seit und des damit verbundenen schlechten Gesundheitszustandes in der Folge ein begründetes Verlangen auf Vorführung vor einen Arzt infolge seiner Haftunfähigkeit gestellt.

Dieses Vorbringen zielt offenbar auf eine Verletzung des § 10 Abs. 1 PGHO ab und wäre im Sinne des § 23 Abs. 1 leg. cit. zunächst an den Kommandanten heranzutragen gewesen.

Wenngleich § 10 Abs. 1 PGHO nur vom Recht auf Vorführung vor den Arzt spricht, ist der Zweck dieser Vorführung im Hinblick auf das im § 7 Abs. 1 leg. cit. enthaltene Verbot der Anhaltung von haftunfähigen Personen die vom Arzt zu beurteilende Frage der Haftfähigkeit (vgl. hier etwa auch § 7 Abs. 4 erster Teilsatz PGHO). Aus der PGHO ist somit nicht nur ein Recht auf Vorführung, sondern wie bereits aus der Überschrift zu § 10 PGHO ("Ärztliche Betreuung der Häftlinge") zu ersehen ist, ein Recht auf Untersuchung insbesondere im Hinblick auf die zu beurteilende Haftfähigkeit (siehe auch § 7 Abs. 4 erster Satz leg. cit.) einschließlich der Bekanntgabe des Untersuchungsergebnisses an den Häftling ableitbar.

Wie der Verwaltungsgerichtshof etwa in seinem Erkenntnis vom , Zl. 96/02/0318, ausgeführt hat, sieht § 23 Abs. 3 PGHO im Gegensatz zu dessen Abs. 2 keine Pflicht zur bescheidförmigen Erledigung von Vorbringen, "die eine Verletzung anderer als aus der Hausordnung erwachsender Rechte zum Gegenstand haben", vor. Die in der ergänzten Beschwerde vorgetragene Auffassung, § 23 Abs. 2 PGHO räume keine bescheidförmige Erledigung ein, kann aus dem Wortlaut dieser Bestimmung nicht abgeleitet werden und ist auch für den Verwaltungsgerichtshof nicht nachvollziehbar.

Der Beschwerdeführer hat es jedoch, wie die belangte Behörde zutreffend in Übereinstimmung mit den vorgelegten Verwaltungsakten feststellte, unterlassen, entsprechende Schritte zur Durchsetzung seiner behaupteten Rechte im Sinne des § 23 PGHO zu setzen.

Auch unter dem Gesichtspunkt der Subisidiarität von sogenannten Maßnahmenbeschwerden an den unabhängigen Verwaltungssenat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom , VwSlg. 13.994/A) begegnet die mit dem angefochtenen Bescheid erfolgte Zurückweisung von Anträgen des Beschwerdeführers angesichts der unterlassenen Ergreifung von Rechtsschutzmöglichkeiten nach § 23 PGHO keinen rechtlichen Bedenken.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.