VwGH vom 29.06.1993, 92/05/0116
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Hauer und die Hofräte Dr. Degischer, Dr. Giendl, Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde
1. des AR und 2. der FR in W, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. MD-VfR - B XIX - 8/92, betreffend Stellplatzverpflichtung (mitbeteiligte Partei: K in W, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- und dem Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von S 11.360,--, je binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Kostenmehrbegehren des Mitbeteiligten wird abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführer sind je zur Hälfte Eigentümer der Liegenschaft W, E-Gasse 12 (EZ 296, KG X). Dem Mitbeteiligten gehört die Liegenschaft W, P-Gasse 17. Der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, erteilte hinsichtlich eines Bauvorhabens P-Gasse 17 dem Bauwerber K, der auch Eigentümer der Liegenschaft E-Gasse 12 war, mit Bescheid vom gemäß § 70 der Bauordnung für Wien und in Anwendung des Wiener Garagengesetzes die Bewilligung, bestehende Wohnräume des ebenerdigen linken Seitentraktes des Hauses in Räume für einen Heurigenbetrieb umzubauen. Mit demselben Bescheid wurde gemäß § 71 BO die Bewilligung erteilt, in Anschluß an den linken Seitentrakt einen Gartensaal mit Schankraum und Abortgruppe mit einer Länge von ca. 30 m zu errichten. Nach dem 4. Absatz des Spruches dieses Bescheides wurden entsprechend § 37 des Wiener Garagengesetzes für das Bauvorhaben in der Garage auf der Liegenschaft E-Gasse 12 drei Stellplätze zur Verfügung gestellt. Mit der Auflage Punkt 2) wurde vorgeschrieben, die drei Stellplätze in der Garage auf der Liegenschaft E-Gasse 12 dem Eigentümer der Liegenschaft P-Gasse 17 zur Benützung solange zur Verfügung zu stellen, als auf der letztgenannten Liegenschaft der Verpflichtung zur Schaffung von Einstellplätzen gemäß § 36 Abs. 6 des Wiener Garagengesetzes nicht Rechnung getragen worden sei bzw. die Verpflichtung durch den Saalzubau bestehe. In der Auflage Punkt
7) lit. b wurde vorgeschrieben, daß gemäß § 130 BO im Grundbuch KG X, EZ 296, die Verpflichtung zur Beistellung von drei Stellplätzen nach der Auflage Punkt Zweitens im Zusammenhang mit § 37 des Wiener Garagengesetzes ersichtlich zu machen sei.
Mit Eingabe vom suchten die Beschwerdeführer unter Hinweis auf den Grundbuchstand um die "Auflassung der Verpflichtung zur Verfügunghaltung der Stellplätze" an, weil aufgrund einer bestehenden Baubewilligung auf ihrem Grundstück E-Gasse 12 die Durchfahrt überbaut worden sei, diese Stellplätze nicht mehr zur Verfügung stünden und überdies im Gefolge der Baubewilligung vom nie eine Benützungsbewilligung erteilt worden sei.
Aufgrund dieses Antrages erließ der Magistrat der Stadt Wien, 37/19, am ohne weiteres Ermittlungsverfahren einen Bescheid mit folgendem Spruch:
"Gemäß § 68 Abs. 2 und 4 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991-AVG wird der 4. Absatz des Bescheides vom , Zl. M Abt. 37/19-P-Gasse 17, wonach auf der Liegenschaft 19, E-Gasse 12 drei Stellplätze zur Verfügung zu stellen sind behoben bzw. abgeändert.
Der 4. Absatz hat nunmehr wie folgt zu lauten: "Die Anzahl der Pflichtstellplätze, welche gemäß § 36 des Wiener Garagengesetzes, LGBl. Nr. 22/57, durch die Bauführung geschaffen werden müssen, bleibt um drei Stellplätze hinter der gesetzlichen Stellplatzpflicht zurück."
Da diese Stellplätze auf der Liegenschaft 19, E-Gasse 12 nicht mehr geschaffen werden können, haben die Eigentümer FR und AR den Antrag auf Löschung der ob der EZ 296 im Grundbuch der Kat.Gem. X eingetragenen Verpflichtung gestellt. Nach Bezahlung der Ausgleichsabgabe, die gemäß § 43 des Wiener Garagengesetzes mit gesondertem Bescheid den Antragstellern von der MA 4 vorgeschrieben werden wird, wird gemäß § 131 BO die Löschung der ob der EZ 296 im Grundbuch der Kat.gem. X im A2 Blatt zu OZ 1a aufgrund des Bescheides vom , Zl. M Abt. 37/19-P-Gasse 17 zu gunsten der Stadt Wien ersichtlich gemachten Verpflichtung zur Beistellung von drei Stellplätzen als zulässig erklärt. Die Löschung der Ersichtlichmachung wird von Amts wegen veranlaßt werden. Gleichzeitig werden die Auflagen Punkt 2), Punkt 3) und Punkt
7b) des genannten Baubewilligungsbescheides für nichtig erklärt."
In der Begründung dieses Bescheides wurde alleine auf die Verhältnisse auf der Liegenschaft E-Gasse 12 eingegangen und ausgeführt, daß auf dieser Liegenschaft nach den Grundsätzen einer wirtschaftlichen Bebauung die Schaffung von Stellplätzen nicht mehr möglich sei.
Gegen diesen Bescheid richtete sich die Berufung des Mitbeteiligten. Es sei durch den Bescheid vom 7. März (richtig wohl: Februar) 1963 ein Recht des jeweiligen Eigentümers der Liegenschaft P-Gasse 17, also des Mitbeteiligten, auf Benützung der erforderlichen drei Stellplätze in der E-Gasse 12 begründet worden.
Mit dem angefochtenen Bescheid hob die belangte Behörde den Bescheid vom auf. Bei Abänderung eines Baubewilligungsbescheides könne sich die Behörde erster Instanz nicht auf § 68 Abs. 2 AVG stützen, weil die dort geforderte Voraussetzung, daß aus dem Vorbescheid niemandem ein Recht erwachsen sein dürfe, deshalb nicht vorliege, weil für den Mitbeteiligten aus der Baubewilligung Rechte entstanden seien. Letzteres ergebe sich schon allein aus der Tatsache der diesem Recht des Mitbeteiligten korrespondierenden und im Grundbuch ersichtlich gemachten Verpflichtung zur Beistellung von drei Stellplätzen für die jeweiligen Eigentümer der Liegenschaft E-Gasse 12. § 68 Abs. 4 AVG könne nur von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde herangezogen werden.
Gegen diesen Aufhebungsbescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Bescheidinhaltes, hilfsweise Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten vor und erstattete ebenso wie der Mitbeteiligte eine Gegenschrift; in der Folge erstattete die Beschwerdeführerin noch eine Äußerung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der das erstinstanzliche Verfahren auslösende Antrag vom war gerichtet auf "Auflassung der Verpflichtung zur Verfügunghaltung der Stellplätze". Schon im Antrag wurde die Behauptung aufgestellt, daß nie eine Benützungsbewilligung erteilt worden sei; in der Beschwerde wurde diese Sachbehauptung dahingehend ergänzt, daß auch nie eine bauliche Maßnahme erfolgt sei, weshalb gemäß § 74 BO die Baubewilligung vom nicht mehr wirksam sei. Wenn auch vor allem auf die Verhältnisse auf dem eigenen Grundstück hingewiesen wurde, war aus dem Antrag vom durch den Hinweis auf den Grundbuchstand aber wohl auch durch das Wort "Auflassung" das Ziel erkennbar, daß eine Löschung der Ersichtlichmachung im Grundbuch angestrebt wird.
Gemäß § 131 der Bauordnung für Wien in der zum Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Fassung (LGBl. Nr. 18/1976; im folgenden: BO) muß die Behörde die Zustimmung zur Löschung erteilen, wenn die im Grundbuch ersichtlich gemachte Verpflichtung gegenstandslos wurde. Die Löschung kann auch von Amts wegen veranlaßt werden. Voraussetzung einer solchen Zustimmung, die in Bescheidform zu ergehen hat (s. Geuder-Hauer, Wiener Bauvorschriften, 527, Anmerkung 1), ist also, daß die Eintragung gegenstandslos wurde. Sollte im vorliegenden Fall tatsächlich von der Baubewilligung aus 1963 kein Gebrauch gemacht worden sein, dann liegt eine solche Gegenstandslosigkeit vor.
Die Behörde erster Instanz hat keine Sachverhaltsfeststellungen über die Rechtswirksamkeit der Baubewilligung vom getroffen und insbesondere § 131 BO nicht angewendet, sondern einerseits Bescheidabänderungen gemäß § 68 Abs. 2 und 4 AVG vorgenommen, andererseits aber, obwohl es um die Stellplätze für die Liegenschaft P-Gasse 17 geht, die (amtswegige) Löschung von der Entrichtung einer Ausgleichsabgabe durch die Eigentümer der Liegenschaft E-Gasse 12 abhängig gemacht und damit auch in diesem Bescheidteil über den eingebrachten Antrag nicht vollständig entschieden.
Da die belangte Behörde den mit Berufung bekämpften Bescheid ersatzlos behob, ist der von den Beschwerdeführern gestellte Antrag nach wie vor unerledigt. Dennoch sind sie durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten nicht verletzt worden. Soweit die Behörde erster Instanz Abänderungen gemäß § 68 Abs. 2 AVG bzw. (unzuständigerweise) gemäß § 68 Abs. 4 AVG vorgenommen hat, ging dieser Bescheid ins Leere, nämlich für den Fall, daß der Baubewilligungsbescheid tatsächlich nicht mehr dem Rechtsbestand angehören sollte; in diesem Fall konnte weder durch den erstinstanzlichen Bescheid noch durch den aufhebenden Berufungsbescheid in Rechte der Beschwerdeführer eingegriffen werden (vgl. hg. Beschluß vom , Zl. 10/2934/80). Wurde aber von der Baubewilligung Gebrauch gemacht, war die Abänderung gemäß § 68 Abs. 2 AVG wegen Eingriffes in Rechte und gemäß § 68 Abs. 4 AVG wegen Unzuständigkeit rechtswidrig. Daraus folgt aber, daß die belangte Behörde im Ergebnis zu Recht aufgrund der Berufung des Mitbeteiligten den Bescheid der Baubehörde erster Instanz aufgehoben hat.
Da somit die belangte Behörde den Bescheid der ersten Instanz zu Recht beseitigt hat, war die gegen den Aufhebungsbescheid gerichtete Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Über den Antrag der Beschwerdeführer wird freilich die Behörde erster Instanz (neuerlich) zu entscheiden haben. Sollte das Vorbringen der Beschwerdeführer zutreffen und die Baubewilligung nicht mehr Gegenstand der Rechtsordnung sein, etwa deshalb, weil sie entgegen § 74 BO gar nicht konsumiert bzw. das Gebäude wieder beseitigt worden ist, so wäre schon aus diesem Grund ihrem Antrag im Sinne des § 131 BO stattzugeben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. In diesen Bestimmungen ist der Kostenersatz im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erschöpfend geregelt; ein Streitgenossenzuschlag ist nicht vorgesehen.