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VwGH vom 29.05.1998, 95/02/0438

VwGH vom 29.05.1998, 95/02/0438

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräisident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Riedinger, Dr. Holeschofksy und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde des Bundesministers für öffentliche Wirtschaft und Verkehr (nunmehr Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr) gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-02/11/00083/94, betreffend Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in einer straßenpolizeilichen Angelegenheit (mitbeteiligte Partei: Dr. H, Rechtsanwalt in B), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde einer gemäß § 67 Abs. 1 Z. 2 in Verbindung mit § 67c AVG erhobenen Beschwerde des Mitbeteiligten statt und erklärte die Festnahme des Mitbeteiligten sowie die daran anschließende Verwahrung am von 14.13 bis 15.53 Uhr wegen Verstoßes gegen Art. 1 des "Gesetzes" (gemeint wohl: Bundesverfassungsgesetzes) zum Schutz der persönlichen Freiheit, BGBl. 684/1988, sowie gegen Art. 5 MRK und als Verstoß gegen die im Art. 6 StGG garantierte Freiheit der Erwerbsausübung als rechtswidrig. Ferner wurde "der Bund (Bundesminister für Inneres)" zum Ersatz der Kosten des Verfahrens gemäß § 79a AVG verpflichtet.

In der Begründung führte die belangte Behörde u.a. aus, sie gehe aufgrund der von beiden Verfahrensparteien vorgebrachten Sachverhaltsdarstellungen davon aus, daß sich der Mitbeteiligte als Beifahrer der, wegen einer vermeintlichen Geschwindigkeitsüberschreitung angehaltenen, näher genannten Lenkerin als deren Rechtsanwalt und Vertreter vorgestellt und ausgewiesen habe und mit mehreren Sicherheitswachebeamten (insbesondere mit Insp. B.) "am Anhalteort" "eine Diskussion" über die Rechtmäßigkeit und Richtigkeit der durchgeführten "Lasermessungen" geführt habe. Diese "Diskussion" habe teilweise "im Grünstreifen bzw. auf dem Parkstreifen der Fahrbahn" stattgefunden. Der Mitbeteiligte sei vom "Parkstreifen" wiederholt weggewiesen worden; er sei dieser Aufforderung jedoch nicht nachgekommen, weshalb er letztlich - nach Anzeige und wiederholter Androhung der Festnahme - festgenommen und in das Bezirkspolizeikommissariat Liesing überstellt worden sei, wo er - wenn auch nur kurzfristig - in den Arrest abgegeben worden sei. Nach Vorführung vor die Behörde sei der Beschwerdeführer um 15.53 Uhr wieder "entlassen" worden.

Die Divergenzen in der Darstellungen aus der Sicht des Mitbeteiligten und der einvernommenen Sicherheitswachebeamten, ob "verbaliter" und wann nun die Festnahme ausgesprochen worden sei, ändere nichts an deren rechtlicher Beurteilung, weil "von der Faktizität der erfolgten Festnahme" jedenfalls auszugehen gewesen sei.

In der Folge geht jedoch die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid von einer Festnahme des Mitbeteiligten am um 14.13 Uhr und dessen anschließender Verwahrung bis 15.53 Uhr aus. Aufgrund der "unbestrittenen Sachverhaltslage" könne die belangte Behörde dem Vorbringen der Bundespolizeidirektion Wien (= belangte Behörde im Maßnahmenbeschwerdeverfahren) bezüglich des Vorliegens einer Verwaltungsübertretung nach § 76 Abs. 1 und § 97 Abs. 4 StVO nicht beitreten.

Es sei der Entscheidung der belangten Behörde zugrundezulegen, daß der (nunmehr) Mitbeteiligte "vor der Festnahme bereits längere Zeit am Festnahmeort (Parkstreifen/Fahrbahn), während des "Gesprächs und mit dem Meldungsleger" verweilt sei. Die Anwendung des § 76 Abs. 1 StVO sei (in Verbindung mit der hiezu ergangenen "Wegweisung" gemäß § 97 Abs. 4 StVO) selbst unter dem durch die Bundespolizeidirektion Wien relevierten Aspekt der Gleichsetzung eines Parteienvertreters mit einem sich auf der Fahrbahn (Parkstreifen) befindlichen Fußgänger - im Hinblick auf das Fehlen des Tatbestandselementes des "überraschenden Betretens dieser Fahrbahn" - schlechtweg eine "denkunmögliche Anwendung dieser Bestimmung". Die Festnahme und darauf gründende Anhaltung seien daher rechtswidrig gewesen.

Es würde den Wesensgehalt des Grundrechtes des Schutzes der freien Erwerbsausübung im Sinne des Art. 6 StGG unterlaufen, wenn man das Recht auf angemessene und berufsmäßige Verteidigung vor Ort - "ja selbst die freie Meinungsäußerung" - durch die von der belangten Behörde vorgenommene Gesetzesauslegung der StVO dadurch einschränkte, daß man die Ausübung von Verteidigungsrechten an die Voraussetzungen des § 76 Abs. 1 StVO knüpfe. Nach Ansicht der belangten Behörde würde durch eine solche Vorgangsweise das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht der Erwerbsausübungsfreiheit ausgehöhlt. Die Festnahme mit ihren unmittelbaren Auswirkungen würde daher einen nicht zu rechtfertigenden Eingriff "in die Grundrechtsposition der Erwerbsfreiheit" des Mitbeteiligten, der seinem beruflichen Auftrag nach den Bestimmungen der RAO nach Meinung der belangten Behörde in angemessener Weise nachgekommen sei, darstellen. Die vorgenommene Auslegung könne mit dem Schutzzweck der Norm des § 76 Abs. 1 StVO nicht in Einklang gebracht werden, weshalb das einschreitende Sicherheitswacheorgan in unvertretbarer Weise von der Annahme des Vorliegens eines Verwaltungsstraftatbestandes ausgegangen sei. Die "nicht mehr adäquate und sachlich nicht gerechtfertigte Einschränkung (ja Verunmöglichung) der Ausübung des Berufes" sei demnach durch die denkunmögliche Anwendung der straßenpolizeilichen Normen und "der damit korrelierenden Festnahme" keinesfalls nur mittelbar gegeben.

Gegen diesen Bescheid erhob der beschwerdeführende Bundesminister gestützt auf Art. 131 Abs. 1 Z. 2 B-VG Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Die belangte Behörde habe die Rechtsfrage insofern verkannt, als bei richtiger Auslegung der genannten Bestimmungen (gemeint: § 76 Abs. 1 und § 97 Abs. 4 StVO) vom Vorliegen einer Verwaltungsübertretung und in der Folge vom Vorliegen der Voraussetzungen für die Zulässigkeit der Festnahme gemäß § 35 Z. 3 VStG auszugehen gewesen wäre. Der Bescheid der belangten Behörde werde daher im gesamten Umfang vom beschwerdeführenden Bundesminister angefochten.

Der Mitbeteiligte sowie die belangte Behörde erstatteten eine Gegenschrift, in der sie jeweils die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrten; die belangte Behörde legte ferner nur jene Verwaltungsakten, die sich unmittelbar auf das Verfahren nach § 67c AVG vor der belangten Behörde selbst beziehen, vor. Seitens des beschwerdeführenden Bundesministers erfolgte - entgegen der diesbezüglichen Mitteilung der belangten Behörde in der Gegenschrift - jedoch keine ergänzende Vorlage jener Verwaltungsakten, die die Verwaltungsvorgänge vor der Bundespolizeidirektion Wien unmittelbar betreffen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 2 B-VG kann gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit u.a. in den Angelegenheiten des Art. 11 der zuständige Bundesminister, soweit die Parteien den Bescheid im Instanzenzug nicht mehr anfechten können, Beschwerde (an den Verwaltungsgerichtshof) erheben.

Der Mitbeteiligte vertritt in seiner Gegenschrift die Auffassung, die Amtsbeschwerde nach Art. 131 Abs. 1 Z. 2 B-VG sei nicht zulässig, wenn ihm als Partei die Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof offengestanden sei, er von dieser Möglichkeit aber (mangels Beschwer) nicht Gebrauch gemacht habe. Dieses Vorbringen entfernt sich jedoch vom Wortlaut des Art. 131 Abs. 1 Z. 2 B-VG. Die Beschwerde ist nämlich zulässig, "soweit die Parteien den Bescheid im Instanzenzug nicht mehr anfechten können", unabhängig davon, ob der Instanzenzug erschöpft ist (vgl. Walter, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, System S. 672; Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, S. 3, FN 4 zu Art. 131 Abs. 1 Z. 2 B-VG; Oberndorfer, Die Österreichische Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 69). Im Beschwerdefall war aber der Instanzenzug vor dem Verwaltungsgerichtshof erschöpft. Die Amtsbeschwerde erweist sich daher als dem Grunde nach zulässig.

Ferner wendet der Mitbeteiligte ein, daß bei grundsätzlicher Zulässigkeit der Amtsbeschwerde nicht der Bundesminister für öffentliche Wirtschaft und Verkehr (nunmehr: Bundesminister für Wissenschaft und Verkehr), sondern der Bundesminister für Inneres beschwerdelegitimiert sei, weil die Festnahme auf § 35 VStG gestützt und durch Polizeiorgane vorgenommen worden sei, die in Vollziehung dieser gesetzlichen Bestimmung dem Bundesminister für Inneres unterstehen würden.

Sachverhaltsbezogen ging die Bundespolizeidirektion Wien von der Rechtmäßigkeit der erfolgten Festnahme des Mitbeteiligten nach § 35 Z. 3 VStG "wegen Verdacht der Übertretung nach § 76 Abs. 1 und § 97 Abs. 4 StVO" sowie von der Rechtmäßigkeit der im Anschluß daran erfolgten Anhaltung des Mitbeteiligten aus. Auch die belangte Behörde befaßte sich im angefochtenen Bescheid im wesentlichen mit der Frage, ob die Bundespolizeidirektion Wien vertretbarer Weise von einer rechtlichen Deckung der vorgenommenen Festnahme und Verwahrung des Mitbeteiligten wegen Übertretung der genannten Vorschriften der StVO ausgehen konnte. Da die Organwalter der Bundespolizeidirektion Wien hinsichtlich der Festnahme und Anhaltung des Mitbeteiligten funktionell im Rahmen einer Angelegenheit der Straßenpolizei, sohin in einer unter Art. 11 (Abs. 1 Z. 4) B-VG fallenden Angelegenheit tätig wurden, war nach Art. 131 Abs. 1 Z. 2 B-VG in Verbindung mit der nach dem Bundesministeriengesetz für diese Angelegenheit vorgesehenen Ressortzuständigkeit (vgl. Z. 3 des Abschnittes M des Teiles 2 der Anlage zu § 2 in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 21/1997) der Beschwerdeführer zur Erhebung einer Amtsbeschwerde als "zuständiger Bundesminister" legitmiert (vgl. etwa hiezu einschlußweise das hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/02/0256). Die vom Mitbeteiligten vertretene - jedoch nicht zutreffende - Rechtsmeinung für die Lösung der Frage, welcher Bundesminister zur Erhebung der Amtsbeschwerde berechtigt sei, komme es anstatt auf den funktionellen auf den organisatorischen Zusammenhang an, würde schon deshalb ins Leere gehen, weil etwa Angelegenheiten der Organisation und Führung der Bundespolizei unter Art. 10 Abs. 1 Z. 14 B-VG fallen, jedoch in Angelegenheiten des Art. 10 leg. cit. eine Amtsbeschwerde nach Art. 131 Abs. 1 Z. 2 leg. cit. nicht vorgesehen ist.

Die belangte Behörde vertritt in der Gegenschrift die Ansicht, die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof sei möglicherweise deshalb verspätet eingebracht worden, weil die Beschwerdefrist schon mit Zustellung des angefochtenen Bescheides an die seinerzeitigen Verfahrensparteien am und nicht erst mit der am erfolgten Kenntnisnahme des beschwerdeführenden Bundesministers zu laufen begonnen habe.

Die Ausführungen der belangten Behörde zur Rechtzeitigkeit der erhobenen Amtsbeschwerde treffen nicht zu.

Gemäß § 26 Abs. 1 Z. 2 VwGG beginnt die sechswöchige Beschwerdefrist in Fällen des Art. 131 Abs. 1 Z. 2 B-VG dann, wenn der Bescheid aufgrund der Verwaltungsvorschriften dem zuständigen Bundesminister zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung, sonst mit dem Zeitpunkt, zu dem der zuständige Bundesminister von dem Bescheid Kenntnis erlangt hat.

Da eine Zustellung an den zuständigen Bundesminister nicht erfolgte, kam es im Sinne des letzten Teilsatzes von § 26 Abs. 1 Z. 2 VwGG auf den Zeitpunkt der Kenntnis des angefochtenen Bescheides durch den zuständigen Bundesminister an, welche im Beschwerdefall erst am erfolgte, sodaß die erhobene Amtsbeschwerde jedenfalls rechtzeitig war.

Der beschwerdeführende Bundesminister bringt zunächst vor, die belangte Behörde vertrete im angefochtenen Bescheid die Ansicht, daß der Mitbeteiligte die Fahrbahn "nicht überraschend" betreten habe, weshalb keine Übertretung des § 76 Abs. 1 StVO vorliege und die Festnahme infolge denkunmöglicher Anwendung des § 76 Abs. 1 StVO rechtswidrig gewesen sei.

Nach Ansicht des beschwerdeführenden Bundesministers habe die belangte Behörde verkannt, daß § 76 Abs. 1 erster Satz StVO zwei Verhaltensnormen enthalte. Wenn die belangte Behörde davon ausgehe, daß eine Übertretung des § 76 Abs. 1

erster Satz leg. cit. nur vorliegen könne, wenn das Tatbestandselement des "überraschenden Betretens" der Fahrbahn erfüllt sei und in der Folge zur Ansicht komme, das Verhalten des Mitbeteiligten könne nicht unter § 76 Abs. 1 StVO subsumiert werden, weil der Mitbeteiligte die Fahrbahn nicht überraschend betreten habe, wende die belangte Behörde die Bestimmung des § 76 Abs. 1 StVO ihrerseits denkunmöglich an.

Gemäß § 35 Z. 3 VStG dürfen Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes außer (in) den gesetzlich geregelten besonderen Fällen Personen, die auf frischer Tat betreten werden, zum Zweck der Vorführung vor die Behörde festnehmen, wenn der Betretene trotz Abmahnung in der Fortsetzung der strafbaren Handlung verharrt oder sie zu wiederholen sucht.

Die Festnahme einer Person durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gemäß § 35 VStG setzt demnach voraus, daß die festzunehmende Person "auf frischer Tat betreten" wird. Das heißt, diese Person muß eine als Verwaltungsübertretung strafbare Handlung verüben und bei Begehung dieser Tat betreten werden, wobei das erste dieser beiden Erfordernisse bereits erfüllt ist, wenn das Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Verübung einer Verwaltungsübertretung mit gutem Grund - und damit vertretbar - annehmen konnte (vgl. etwa das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , VfSlg. 10.681, sowie die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens,

5. Auflage, S. 941 unter E 6 zu § 35 VStG wiedergebene hg. Judikatur).

Gemäß § 76 Abs. 1 erster Satz StVO haben Fußgänger, auch wenn sie Kinderwagen oder Rollstühle schieben oder ziehen, auf Gehsteigen oder Gehwegen zu gehen; sie dürfen nicht überraschend die Fahrbahn betreten.

Gemäß § 99 Abs. 3 lit. a StVO begeht u.a. eine Verwaltungsübertretung, wer als Fußgänger gegen Vorschriften dieses Bundesgesetzes verstößt und das Verhalten nicht nach den Abs. 1, 2, 2a, 2b oder 4 zu bestrafen ist.

Gemäß § 2 Z. 2 StVO ist Fahrbahn der für den Fahrzeugverkehr bestimmte Teil der Straße.

Gemäß § 2 Z. 5 StVO ist der Fahrstreifen ein Teil der Fahrbahn, dessen Breite für die Fortbewegung einer Reihe mehrspuriger Fahrzeuge ausreicht.

Gemäß § 2 Z. 10 StVO ist Gehsteig ein für den Fußgängerverkehr bestimmter, von der Fahrbahn durch Randsteine, Bodenmarkierungen oder dgl. abgegrenzter Teil der Straße.

Unter Gehweg ist gemäß § 2 Z. 11 StVO ein für den Fußgängerverkehr bestimmter und als solcher gekennzeichneter Weg zu verstehen.

Wie die beschwerdeführende Partei zutreffend ausführt, ergibt sich aus § 76 Abs. 1 erster Teilsatz StVO für Fußgänger das grundsätzliche Gebot des Gehens auf (der Benützung von) Gehsteigen oder Gehwegen. Die belangte Behörde ging sachverhaltsbezogen davon aus, daß sich der Mitbeteiligte im Zuge der von ihm mit mehreren Sicherheitswachebeamten geführten "Diskussion" teilweise auf dem Grünstreifen und auf dem "Parkstreifen" der Fahrbahn befunden habe. Der Beschwerdeführer sei "vom Parkstreifen wiederholt weggewiesen worden", jedoch dieser Aufforderung nicht nachgekommen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom , Slg. Nr. 7832 (nur auszugsweise Wiedergabe) ausgeführt hat, fehlt in der StVO eine Begriffsbestimmung, wer Fußgänger ist. Es wird als Fußgänger jener anzusehen sein, der den Weg zu Fuß zurücklegt, sich also lediglich auf seinen Füßen fortbewegt, losgelöst von jeder Verbindung mit anderen Fortbewegungsmitteln irgendwelcher Art. Ferner hat der Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang festgehalten, daß ein Lenker, der seinen Kraftwagen anhält, diesen verläßt, sich aber unmittelbar - ohne den Weg zu Fuß fortzusetzen - bei diesem aufhält, in der Regel dann auch als Lenker im weiteren Sinne des Wortes bleibt und daher auch noch nicht den für den Fußgängerverkehr geltenden Bestimmungen der StVO unterliegt.

Den Mitbeteiligten, der - wie er auch selbst nicht bestreitet - seinerzeit lediglich Mitfahrer war, treffen daher - entgegen seiner in der erstatteten Gegenschrift diesbezüglich erfolgten Äußerung - nach Verlassen des Fahrzeuges zu Zweckes des Aufsuchens der die Geschwindigkeitsmessungen vornehmenden Sicherheitswachebeamten die in der StVO festgehaltenen Verhaltensvorschriften für den Fußgängerverkehr (vgl. insbesondere § 76 Abs. 1 StVO). Auch das Einschreiten des Mitbeteiligten als Rechtsanwalt entband diesen nicht, die entsprechenden Bestimmungen der StVO zu beachten.

Da sich die Bundespolizeidirektion Wien - wie den dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Verwaltungsakten zu entnehmen ist - in ihrer Stellungnahme an die belangte Behörde im Rahmen des Maßnahmebeschwerdeverfahrens u.a. mit einer "Übertretung nach § 76 Abs. 1 StVO" rechtfertigte und keine Einschränkung auf ein etwaiges "überraschendes Betreten der Fahrbahn" erfolgte, lag auf der Basis des von der belangten Behörde als erwiesen angenommenen Sachverhaltes eine denkunmögliche Annahme des Vorliegens einer Übertretung des § 76 Abs. 1 erster Satz (in Verbindung mit § 99 Abs. 3 lit. a) StVO nicht vor. Der sogenannte "Parkstreifen", auf dem sich der Mitbeteiligte nach den getroffenen Sachverhaltsfeststellungen der belangten Behörde längere Zeit infolge seiner "Diskussion" mit Sicherheitswachebeamten befand, gehört nämlich begrifflich bereits "zur Fahrbahn" (vgl. etwa Messiner, StVO, 9. Auflage FN 6 zu § 2 Z. 2 StVO, S. 22).

Der Mitbeteiligte versuchte bereits in der Maßnahmenbeschwerde an die belangte Behörde, durch Verweis auf die ihn als Rechtsanwalt nach § 9 Abs. 1 RAO treffenden gesetzlichen Verpflichtungen sein Verhalten zu rechtfertigen.

Diese Bestimmung lautet:

"Der Rechtsanwalt ist verpflichtet, die übernommenen Vertretungen dem Gesetz gemäß zu führen und Rechte seiner Partei gegenüber jedermann mit Eifer, Treue und Gewissenhaftigkeit zu vertreten. Er ist befugt, alles was er nach dem Gesetz zur Vertretung seiner Partei für dienlich erachtet, unumwunden vorzubringen, ihre Angriffs- und Verteidigungsmittel in jeder Weise zu gebrauchen, welche seinem Auftrag, seinem Gewissen und den Gesetzen nicht widerstreiten."

Gerade der letzte Satz dieser Bestimmung zeigt, daß der Gebrauch der Angriffs- und Verteidigungsmittel einer Partei nur in jener Weise durch den Rechtsanwalt zu erfolgen hat, die u.a. den Gesetzen - sohin auch der StVO - nicht widerstreiten.

Die vom Mitbeteiligten diesbezüglich ins Treffen geführte Rechtspflicht der Wahrung der Interessen seiner Mandantin vermag jedoch nicht die begangene Übertretung der StVO zur rechtfertigen.

Da das längere Verweilen eines Fußgängers - auch wenn dieser als Rechtsanwalt tätig ist - zu Zwecken einer "Diskussion" mit Sicherheitswachbeamten auf der Fahrbahn (Parkstreifen) vertretbarerweise als Übertretung nach § 76 Abs. 1 erster Satz in Verbindung mit § 99 Abs. 3 lit. a StVO qualifiziert werden kann, und der Mitbeteiligte trotz Abmahnung in Fortsetzung dieser Verwaltungsübertretung verharrte, lagen die rechtlichen Voraussetzungen für die Festnahme des Mitbeteiligten nach § 35 Z. 3 VStG im Beschwerdefall vor.

Gemäß § 97 Abs. 4 StVO sind u.a. die Organe der Straßenaufsicht, wenn es die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des sich bewegenden oder die Ordnung des ruhenden Verkehrs erfordert, berechtigt, einzelnen Straßenbenützern für den Einzelfall Anordnungen für die Benützung der Straße zu erteilen, und zwar auch solche, die von den sonstigen diesbezüglichen Bestimmungen abweichen. Diese Anordnungen dürfen

a) nur gegeben werden, wenn ihre Befolgung ohne Gefährdung von Personen und ohne Beschädigung von Sachen möglich ist,

b) nur befolgt werden, wenn dies ohne Gefährdung von Personen und ohne Beschädigung von Sachen möglich ist.

In diesem Zusammenhang führt die beschwerdeführende Partei aus, die belangte Behörde habe es als erwiesen angenommen, daß der Mitbeteiligte auf der Fahrbahn gestanden und am Tatort von den anwesenden Sicherheitswachebeamten zum Verlassen der Fahrbahn aufgefordert worden sei. Die belangte Behörde setzte sich - abgesehen von der Feststellung, daß die Anwendung des § 76 Abs. 1 StVO "in Verbindung mit der hiezu ergangenen Weisung gemäß § 97 Abs. 4 StVO" denkunmöglich gewesen sei, mit § 97 Abs. 4 leg. cit. ohne nähere Begründung nicht weiter auseinander. Insbesondere beschäftige sich die belangte Behörde nicht mit den Voraussetzungen für die Anwendung des § 97 Abs. 4 StVO.

Es könne nach Auffassung des beschwerdeführenden Bundesministers weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinn dieser Bestimmung abgeleitet werden, daß ihre Anwendung eine Übertretung eines in der Straßenverkehrsordnung enthaltenen Ge- und Verbotes voraussetze. Vielmehr könne Inhalt einer solchen Anordnung sogar ein Verhalten sein, das ansonsten in der StVO gerade nicht vorgesehen sei.

Auch mit diesem Vorbringen zeigt die beschwerdeführende Partei eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Die diesbezügliche Begründung des angefochtenen Bescheides läßt erkennen, daß die belangte Behörde deshalb auch von einer denkunmöglichen Anwendung des § 97 Abs. 4 StVO ausgegangen ist, weil das "Tatbestandselement des überraschenden Betretens dieser Fahrbahn" gefehlt habe. Daß es auf dieses Tatbestandselement im Hinblick auf den dargestellten Wortlaut des § 97 Abs. 4 StVO nicht ankommt, ist evident. Da die belangte Behörde offenbar in Verkennung der Rechtslage eine Prüfung des möglichen Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen nach § 97 Abs. 4 StVO gänzlich unterließ und auch den diesbezüglichen Sachverhalt - trotz erkennbarer divergenter Aussagen etwa zur Frage der möglichen Behinderung des Zufahrens von Fahrzeugen zum Parkstreifen aufgrund des dort stehenden Mitbeteiligten - keiner Beweiswürdigung unterzog, war die Annahme einer "denkunmöglichen Anwendung" dieser Bestimmung rechtlich nicht nachvollziehbar und daher rechtswidrig.

Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes gewährt Art. 6 Abs. 1 StGG keinen Schutz gegen Amtshandlungen, die die Erwerbsbetätigung nicht unmittelbar betreffen, deren Objekt - dem äußeren Ablauf des Verwaltungsgeschehens nach und der Absicht der Behörde entsprechend - also ein davon verschiedenes ist, mögen auch die Nebenwirkungen mittelbar die Erwerbstätigkeit verhindern; die Erwerbsbetätigungsfreiheit wird somit nicht verletzt, wenn der Verwaltungsakt die Realisierung einer bestimmten Erwerbsbetätigung lediglich faktisch verhindert (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshof vom , Slg. 8.309, m.w.N.). Der beschwerdeführende Bundesminister weist zutreffend in der Beschwerde darauf hin, daß nicht zu erkennen sei, inwieweit der Mitbeteiligte durch das Verlassen der Fahrbahn in seiner Tätigkeit als Parteienvertreter einer näher genannten Lenkerin eingeschränkt gewesen sei. Auch aus dem erkennbaren Schutzzweck des § 76 Abs. 1 StVO, nämlich einer insbesondere im Interesse der Verkehrssicherheit möglichst weitgehenden Trennung des Fußgängerverkehrs vom Fahrzeugverkehr, ist zu ersehen, daß die daraus resultierenden Einschränkungen für Fußgänger nicht unmittelbar auf die Beschränkung der Erwerbsausübung abzielen. Eine Rechtswidrigkeit des Festnahme des Mitbeteiligten ist daher auch unter diesem Gesichtspunkt für den Verwaltungsgerichtshof nicht ersichtlich.

Da die Rechtswidrigkeit der Festnahme und der daran anschließenden Anhaltung des Mitbeteiligten - wie dargelegt - auf der rechtlich unzutreffenden Annahme einer "denkunmöglichen Anwendung der Bestimmungen der StVO" beruht, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne daß darüber hinaus noch auf die vom Mitbeteiligten aufgeworfene Frage einer allfälligen Rechtswidrigkeit seiner Anhaltung, die von der belangten Behörde im Rahmen des angefochtenen Bescheides nicht behandelt wurde, näher einzugehen war.