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VwGH vom 18.05.1993, 92/05/0098

VwGH vom 18.05.1993, 92/05/0098

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Gritsch, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Stadtsenates der Stadt Krems/Donau vom , Zl. MD-S-1/92, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: S-GmbH in Krems, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in Krems), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Stadt Krems hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte ist auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 89/05/0212, zu verweisen. Auf Grund der Beschwerde des Beschwerdeführers hatte der Verwaltungsgerichtshof damals den Bescheid der belangten Behörde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes mit der Begründung aufgehoben, eine Präklusion der Einwendungen des Beschwerdeführers im durchgeführten Baubewilligungsverfahrens sei zu Unrecht angenommen worden. Die Berufungsbehörde sei daher verpflichtet gewesen, das Berufungsvorbringen auf seine sachliche Berechtigung hin zu prüfen.

Im fortgesetzten Verfahren behob der Stadtsenat mit Bescheid vom die in erster Instanz erteilte Baubewilligung und verwies die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Entscheidung an die Baubehörde erster Instanz zurück.

Schon vor Durchführung der mündlichen Verhandlung am erhob der Beschwerdeführer schriftlich eine Reihe von Einwendungen gegen das Bauvorhaben der mitbeteiligten Partei. Bei der Verhandlung am beschrieb der die Verhandlung leitende bautechnische Amtssachverständige zunächst die Lage der Liegenschaft und das Bauvorhaben betreffend Sanierung eines Flachdaches. Hiebei wurde festgestellt, daß für diesen innerhalb des geschlossenen Altortkernes gelegenen Baukomplex nach dem Flächenwidmungsplan die Widmung Bauland-Kerngebiet festgesetzt sei. Ein Bebauungsplan existiere nicht. Mit Bescheid vom sei die gegenständliche Filiale genehmigt worden, wobei die räumliche Aufteilung gegenüber dem heutigen Bestand nahezu unverändert sei. Sanierungsmaßnahmen betreffend das seinerzeit schadhafte Dach seien Gegenstand der Baubewilligung vom gewesen. Im Zuge dieser Umbauarbeiten sei auch die derzeit bestehende Deckenkonstruktion in Form einer Tramtraversendecke eingebaut bzw. die bestehende Tramtraversendecke umgebaut worden. Im Jahre 1988 sei eine neuerliche Sanierung des Daches erforderlich geworden, welche Gegenstand des Baubewilligungsverfahrens sei. Noch vor Abschluß des Baubewilligungsverfahrens seien die Arbeiten vorgenommen worden. Die Sanierung sei dadurch erfolgt, daß die bestehenden Lichtkuppeln durch ein geschlossenes Lichtkuppelband überdacht worden seien; durch diese und weitere Sanierungsmaßnahmen sei in die Deckenkonstruktion nicht eingegriffen worden. Die Überdachung der bestehenden Lichtkuppeln habe eine Erhöhung des Aufsatzkranzes von 20 cm gegenüber den seinerzeitigen Lichtkuppelaufsatzkränzen von 14 cm mit sich gebracht. Bedingt durch die örtliche Situation würden die Lichtkuppelbänder unmittelbar bis an die den Innenhof umschließenden Hausmauern reichen. Im Bereich der Außenmauern des Hauses des beschwerdeführenden Nachbarn und eines weiteren Nachbarn seien jeweils Haupt- und Nebenfenster vorhanden, wobei die Parapethöhe der Fenster des Beschwerdeführers in der Höhe des Flachdaches liege. In seinem Gutachten vertrat der technische Amtssachverständige die Auffassung, daß nur die Sanierung des bestehenden Daches Gegenstand des Baubewilligungsverfahrens sei. Bei der Durchführung und Planung der Adaptierungsarbeiten sei der vorbeugende Brandschutz nicht berücksichtigt worden. Im Falle eines Brandereignisses wäre in jedem Fall mit einem direkten Durchbrand durch die Lichtkuppeln und die unmittelbar danebenliegenden Fenster in die darüberliegenden Wohnungen zu rechnen, da die Lichtkuppelkonstruktion zusammen mit der bestehenden Dach- und Deckenkonstruktion rechnerisch als F 0 zu bezeichnen sei. Gerade jedoch auf diese Maßnahmen, im besonderen den erhöhten Brandschutz zur Sicherung bzw. zum Schutz von Personen und Sachen, sei gemäß § 63 der NÖ Bauordnung einzugehen, um eine Baubewilligung erteilen zu können. In Anbetracht dieser Tatsache erachtete der Amtssachverständige eine Reihe von Baumaßnahmen als erforderlich, die er als vorzuschreibende Auflagen in Aussicht nahm. Unter Punkt 1) wurde hiebei die Entfernung des ersten Feldes der drei Lichtkuppelbänder entlang der Mauer des Hauses des Beschwerdeführers vorgesehen, um einen direkten Übergriff beim Brand der großflächigen PVC-Felder der Lichtkuppeln auf die Fenster des Anrainers hintanzuhalten. Dadurch würden die zwei bestehenden Lichtkuppeln im Bereich jeden Lichtbandes, wie seinerzeit vorhanden, frei und seien in die neue Blechdachkonstruktion feuchtigkeitsdicht einzubinden. Unter Punkt 2) wurde im Bereich der frei werdenden bestehenden Lichtkuppeln und im Bereich anderer Lichtkuppeln die Ersetzung der bestehenden Drahtglasfelder durch G 60-Verglasungen in Aussicht genommen. In einem Punkt 3) erachtete der Amtssachverständige eine Prüfung der Tragkonstruktion der abgehängten Glasdecke auf ihre Tragsicherheit und das Standhalten einer Brandeinwirkung von mindestens 60 Minuten als erforderlich; dies sei durch ein Gutachten zu belegen, sollte die Abhängekonstruktion dem nicht entsprechen, wäre sie entsprechend zu sanieren. Auf Grund eines Vorbringens der mitbeteiligten Bauwerberin stellte der Amtssachverständige einvernehmlich mit einem Vertreter der freiwilligen Feuerwehr fest, daß bei Installation einer Brandmeldeanlage die Auflagen als erfüllt betrachtet werden könnten bzw. eine solche Installation im Hinblick auf den Brandschutz eine Verbesserung darstellen würde.

Zu den Einwendungen des Beschwerdeführers stellte der Amtssachverständige fest, daß die Verbauung des Hofes einschließlich der gegenständlichen Decke und der Flachdachkonstruktion nicht Gegenstand des Verfahrens sei, da es sich um einen konsensgemäßen Altbestand handle. In jedem Fall sei jedoch eine Hofverbauung innerhalb des geschlossenen Ortskernes möglich und auch im eingegrenzten Beurteilungsbereich vorhanden. Die Belichtung und Belüftung der Anrainerfenster werde durch die baulichen Maßnahmen nicht eingeschränkt.

Mit Bescheid vom erteilte der Magistrat Krems die nachträgliche Baubewilligung für die Sanierung des Flachdaches unter gleichzeitiger Vorschreibung von Auflagen. Weiters wurde festgehalten, daß als Alternative für die Auflagen Punkte 2) und 3) eine Brandmeldeanlage eingebaut werden könne. Die Einwendungen des Beschwerdeführers wurden zum Teil als unbegründet abgewiesen, zum Teil als unzulässig zurückgewiesen. In der Begründung vertrat die Baubehörde erster Instanz die Ansicht, nur die Sanierung des Daches sei Gegenstand des Baubewilligungsverfahrens, so daß Fragen der Zulässigkeit der Verbauung des Innenhofes nicht zu beantworten seien. Bezüglich des Brandschutzes seien die vorgeschriebenen baulichen Maßnahmen vorzunehmen, um auch dem vorbeugenden Brandschutz gerecht zu werden. Durch das Belüftungsrohr im Bereich des Küchenfensters des Beschwerdeführers seien unzulässige Immissionen nicht zu befürchten, weil es sich nur um eine Zirkulierung von Frischluft handle. Fragen des Denkmalschutzes könnten im Rahmen des Baubewilligungsverfahrens nicht geltend gemacht werden. Abschließend wurde festgestellt, daß nach den Aktenunterlagen seinerzeit die Rechtsvorgängerin des Beschwerdeführers tatsächlich dem Baubewilligungsverfahren nicht beigezogen worden sei, sie jedoch durch ihren Vertreter einen "Rekurs" erhoben habe, der in der Folge zurückgezogen worden sei.

Der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung gab der Stadtsenat mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid keine Folge. Nach einem Verweis auf die Ausführungen der Erstinstanz teilte die Berufungsbehörde ausdrücklich die Meinung, Fragen der seinerzeitigen Verbauung des Innenhofes könnten nicht Gegenstand des nunmehr durchgeführten Baubewilligungsverfahrens sein. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei auch kein Verfahrensmangel darin zu erblicken, daß der Verhandlungsleiter gleichzeitig als Amtssachverständiger fungiert habe. Bezüglich des Materials der Lichtkuppeln habe der Vertreter der mitbeteiligten Bauwerberin Prüfgutachten und Baustoffzulassungen vorgelegt, sodaß der geforderten Prüfung entsprochen worden sei. Der Berufung sei sohin ein Erfolg zu versagen gewesen.

In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt der Beschwerdeführer, den angefochtenen Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Über diese Beschwerde sowie über die von der mitbeteiligten Partei erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Nach § 118 Abs. 8 der NÖ Bauordnung 1976 (BO) genießen als Anrainer alle Grundstückseigentümer Parteistellung gemäß § 8 AVG, wenn sie in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten berührt werden. § 118 Abs. 9 BO bestimmt, daß subjektiv-öffentliche Rechte der Anrainer durch jene Vorschriften begründet werden, welche nicht nur den öffentlichen Interessen dienen, sondern im Hinblick auf die räumliche Nähe auch dem Anrainer. Hiezu gehören insbesondere die Bestimmungen über


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1.)
den Brandschutz;
2.)
den Schutz vor anderen Gefahren, die sich auf Anrainergrundstücke ausdehnen können;
3.) die sanitären Rücksichten wegen ihres Einflusses auf die Umgebung;
4.) die Bebauungsweise, die Bebauungshöhe und die Abstände der Fluchtlinien zur Erzielung einer ausreichenden Belichtung.
Aus diesen gesetzlichen Bestimmungen ergibt sich zunächst jedenfalls eindeutig, daß dem beschwerdeführenden Nachbarn ein Rechtsanspruch auf die Einhaltung von Bestimmungen über den Brandschutz zukommt. Gerade in dieser Beziehung hat nun der bautechnische Amtssachverständige im erstinstanzlichen Verfahren festgestellt, daß das Projekt der mitbeteiligten Bauwerberin den Anforderungen betreffend Brandschutz nicht entspricht, und er hat aus diesem Grunde eine Reihe von Vorschreibungen als erforderlich erachtet. Gleichzeitig hat aber der technische Amtssachverständige erklärt, daß dann, wenn eine Brandmeldeanlage installiert werde, die Auflagen als erfüllt anzusehen sind. Der Verwaltungsgerichtshof teilt im Ergebnis die Auffassung des Beschwerdeführers, daß das Gutachten des Amtssachverständigen nicht schlüssig ist. Wenn nämlich in brandtechnischer Hinsicht das Projekt als unzureichend zu beurteilen ist, dann kann eine Sanierung dieses Mangels nicht dadurch erreicht werden, daß eine Brandmeldeanlage installiert wird, kann doch diese nur den rascheren Einsatz von Brandbekämpfungsmaßnahmen ermöglichen, nicht aber den durch baurechtliche Bestimmungen gewährleisteten Schutz des Nachbarn garantieren. Jedenfalls hat der Amtssachverständige nicht in nachvollziehbarer Weise dargetan, daß der Schutz des Nachbarn dennoch ausreichend gewährleistet ist. Wenn die Mitbeteiligte in ihrer Gegenschrift in diesem Zusammenhang darauf verweist, daß jedenfalls keine Vergrößerung der Brandgefahr für das Objekt des Beschwerdeführers eintrete, so ist zu bemerken, daß es einerseits auf einen ausreichenden Brandschutz ankommt, andererseits aber unter den Voraussetzungen des § 68 Abs. 3 AVG sogar die Möglichkeit besteht, in rechtswirksame Bescheide auch einzugreifen, um konkrete Gefahren für das Leben oder die Gesundheit von Menschen hintanzuhalten. Entgegen der Meinung der Mitbeteiligten ist aber das Gutachten des Amtssachverständigen gerade in dieser Beziehung nicht schlüssig. Im übrigen hat der Beschwerdeführer darauf verwiesen, daß der Baubewilligungsbescheid vom ihm gegenüber mangels Zustellung an seine Vorgängerin keine Rechtswirkungen habe entfalten können, sodaß ihm auch die Rechtskraft dieses Bescheides nicht entgegengehalten werden kann. In diesem Zusammenhang sei bemerkt, daß bezüglich dieses Bescheides nach den eingeholten Auskünften nach wie vor ein Berufungsverfahren bei der belangten Behörde anhängig ist. Das bisher durchgeführte Ermittlungsverfahren hat zusammenfassend jedenfalls nicht ergeben, daß die Bestimmungen über den Brandschutz, auf deren Einhaltung dem Nachbarn ein subjektiv-öffentliches Recht zusteht, eingehalten sind. Dadurch, daß die belangte Behörde dies verkannte, hat sie den angefochtenen Bescheid mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet.
Zu dem weiteren Beschwerdevorbringen ist zu bemerken, daß die Funktionen eines Verhandlungsleiters und eines Amtssachverständigen entgegen der Meinung des Beschwerdeführers weder inkompatibel sind noch Befangenheit besteht, wie der Verwaltungsgerichtshof etwa schon in seinem Erkenntnis vom , Slg. N.F. Nr. 8303/A, dargetan hat. Hinsichtlich der geltend gemachten Verletzung von Abstandsvorschriften und Vorschriften über die Gebäudehöhe dürfte der Beschwerdeführer übersehen haben, daß mangels Bebauungsplanes Beschränkungen dieser Art nicht vorliegen und hinsichtlich einer Innenhofverbauung ein Widerspruch zu den Bestimmungen des § 120 Abs. 3 und 4 BO gar nicht in Betracht kommen dürfte, zumal der Beschwerdeführer die behauptete Rechtsverletzung in keiner Weise mit seinem Vorbringen dargetan hat. Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers hat die Baubehörde auch zutreffend darauf verwiesen, daß im Rahmen des durchgeführten Baubewilligungsverfahrens Bestimmungen des Denkmalschutzgesetzes nicht zu beachten sind. Diesbezüglich ist daher der Beschwerdeführer in keinem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt worden. Auf Grund des Beschwerdevorbringes ist für den Verwaltungsgerichtshof auch nicht erkennbar, inwieweit der Beschwerdeführer durch Immissionen in einem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt sein soll, sind doch nach dem unwidersprochen ermittelten Sachverhalt durch gegebene Be- und Entlüftungsrohre keine Immissionen zu erwarten.
Auf Grund der dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Von der Durchführung der beantragen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 und 6 VwGG Abstand genommen werden.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG sowie auf die Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.