VwGH vom 16.06.1987, 85/07/0311
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Fürnsinn, Dr. Zeizinger und Dr. Kremla als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Teissl, über die Beschwerde der Wassergenossenschaft S, vertreten durch den Obmann, dieser vertreten durch Dr. Wolfgang Berger jun., Rechtsanwalt in Salzburg, Sterneckstraße 55, gegen den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, wegen Verletzung der Pflicht zur Entscheidung über die von der verpflichteten Partei, ER in S, vertreten durch DDr. Rolf R. Schlegl, Rechtsanwalt in Ebensee, Hauptstraße 21, gegen einen Rückstandsausweis und gegen die Bestätigung der Vollstreckbarkeit desselben erhobenen Einwendungen, zu Recht erkannt:
Spruch
Gemäß § 42 Abs. 5 VwGG in Verbindung mit §§ 78, 84 und 85 WRG 1959 sowie mit § 73 AVG 1950 und § 3 Abs. 2 VVG 1950 werden in Stattgebung der Anträge der verpflichteten Partei vom der von der Beschwerdeführerin ausgestellte Rückstandsausweis vom über eine von der mitbeteiligten Partei zu entrichtende nachträgliche Anschlussgebühr in Höhe von S 118.800,-- s.N. sowie die vom Landeshauptmann von Salzburg ausgestellte Bestätigung der Vollstreckbarkeit dieses Rückstandsausweises aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 9.270,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Hinsichtlich der Vorgeschichte wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die hg. Erkenntnisse vom , Zlen. 81/07/0179, 0180, und vom , Zl. 84/07/0365, verwiesen. Mit dem letztangeführten Erkenntnis war der Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom , demzufolge einem von der Beschwerdeführerin erhobenen Devolutionsantrag gemäß § 73 AVG 1950 keine Folge gegeben worden war, behoben worden. In der Folge übermittelte die belangte Behörde die Verwaltungsakten samt einem von ihr eingeholten Gutachten des wasserbautechnischen Amtssachverständigen mit dem Auftrag, dieses Gutachten dem Parteiengehör zu unterziehen und die Beschwerdeführerin zur Beibringung von Unterlagen als Vorbereitung für eine in Aussicht genommene Verhandlung zu verhalten, an den Landeshauptmann von Salzburg. Eine Entscheidung über die Anträge der verpflichteten Partei durch die belangte Behörde erfolgte weder innerhalb der sechsmonatigen Frist des § 73 AVG 1950 noch innerhalb der der belangten Behörde auf Grund der von der Beschwerdeführerin eingebrachten, auf Art. 132 B-VG gestützten Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht eingeräumten und gemäß § 36 Abs. 2 VwGG verlängerten Frist zur Nachholung des versäumten Bescheides. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens mit dem Ersuchen vor, der Verwaltungsgerichtshof möge in der Sache selbst entscheiden.
Die Voraussetzungen des § 42 Abs. 5 VwGG zur Entscheidung in der Sache selbst sind gegeben.
Gemäß § 78 Abs. 1 WRG 1959 hat die Genossenschaft für jedes Geschäftsjahr im Voraus einen Voranschlag als Grundlage für die Verwaltung aller Einnahmen und Ausgaben aufzustellen.
Soweit die Kosten, die der Genossenschaft aus der Erfüllung ihrer Aufgaben erwachsen, nicht anderweitig gedeckt werden können, sind sie gemäß Absatz 2 dieser Gesetzesstelle nach dem durch die Satzungen oder durch besondere Übereinkommen festgesetzten Maßstab auf die Mitglieder umzulegen, wobei auch zu bestimmen ist, wieweit die Beiträge in Geld-, Dienst- oder Sachleistungen zu bestehen haben.
Gemäß Abs. 3 lit. b leg. cit. sind mangels eines derartigen Maßstabes die Kosten für die Versorgung mit Trink- und Nutzwasser nach dem Wasserverbrauch zu berechnen.
Gemäß § 84 WRG 1959 sind rückständige Genossenschaftsbeiträge (§ 78) auf Ansuchen der Genossenschaft nach den Bestimmungen des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes 1950, BGBl. Nr. 172, einzutreiben.
Gemäß § 85 Abs. 1 WRG 1959 obliegt die Aufsicht über die Wassergenossenschaften der zuständigen Wasserrechtsbehörde, die auch über alle aus dem Genossenschaftsverhältnis und den Verpflichtungen der Genossenschaft entspringenden Streitfälle zu entscheiden hat, die nicht im Sinne des § 77 Abs. 3 lit. i leg. cit. beigelegt werden.
Gemäß § 3 Abs. 2 VVG 1950 sind Bescheide und Rückstandsausweise, die von der erkennenden oder verfügenden Stelle oder von der Vollstreckungsbehörde mit der Bestätigung versehen sind, dass sie einem die Vollstreckbarkeit hemmenden Rechtszug nicht unterliegen, Exekutionstitel im Sinne des § 1 EO. Einwendungen gegen den Anspruch im Sinne des § 35 EO sind bei der Stelle anzubringen, von der der Exekutionstitel ausgegangen ist.
Gemäß § 7 Abs. 4 der Exekutionsordnung sind im Falle der gesetzwidrigen oder irrtümlichen Erteilung der Bestätigung der Vollstreckbarkeit für einen der im § 1 Z. 13 oder im § 3 Abs. 2 VVG 1950 angeführten Exekutionstitel Anträge auf Aufhebung der Bestätigung bei jener Stelle anzubringen, von der der Exekutionstitel ausgegangen ist.
Auf Grund der mit Bescheid der belangten Behörde vom erfolgten Aufhebung des Bescheides des Landeshauptmannes von Salzburg vom , mit welchem die Anträge der verpflichteten Partei auf Aufhebung des ihr gegenüber von der Beschwerdeführerin ausgestellten Rückstandsausweises und auf Aufhebung der Bestätigung der Vollstreckbarkeit dieses Rückstandsausweises abgewiesen worden waren, obliegt es nunmehr dem durch berechtigte Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht zuständig gewordenen Verwaltungsgerichtshof, über diese Anträge der mitbeteiligten Partei zu entscheiden.
Eine Überprüfung der diesen Anträgen zugrundeliegenden verwaltungsrechtlichen Akte ergibt, dass die Beschwerdeführerin als Wassergenossenschaft, der gemäß § 84 WRG 1959 die Eintreibung rückständiger Genossenschaftsbeiträge nach den Bestimmungen des VVG 1950 eröffnet ist, grundsätzlich berechtigt war, über offene Forderungen einen Rückstandsausweis auszustellen. Gemäß § 3 Abs. 2 VVG 1950 wäre die Beschwerdeführerin auch befugt gewesen, die Vollstreckbarkeit des Rückstandsausweises zu bestätigen. Demgegenüber hat im vorliegenden Fall nicht die Beschwerdeführerin, sondern der Landeshauptmann von Salzburg die Vollstreckbarkeit des Rückstandsausweises bestätigt. Diese Vorgangsweise erweist sich, ähnlich wie schon im hg. Vorerkenntnis vom , Zlen. 81/07/0179, 0180, dargelegt, auf Grund des § 15 Z. 3 der Satzungen der Beschwerdeführerin aus 1954, als nicht rechtswidrig, weil diese Bestimmung der Satzungen, - die auch durch die Änderung der Rechtslage gemäß § 141 WRG 1959 ihre Wirksamkeit noch nicht verloren hatte und an die der Landeshauptmann von Salzburg auf Grund seines rechtskräftigen Genehmigungsbescheides gebunden war,- vorsieht, dass Rückstandsausweise von der Wasserrechtsbehörde mit einer Vollstreckbarkeitsbestätigung zu versehen sind. Demgemäß gereicht der Umstand, dass die verpflichtete Partei ihre Anträge bzw. Einwendungen gegen den Rückstandsausweis und gegen die Bestätigung seiner Vollstreckbarkeit nicht wie in § 3 Abs. 2 VVG 1950 vorgesehen bei der Beschwerdeführerin als verfügender Stelle, sondern beim Landeshauptmann von Salzburg eingebracht hat, der verpflichteten Partei nicht zum Nachteil.
Wohl stellen weder Rückstandsausweise noch Vollstreckbarkeitsbestätigungen Bescheide im Sinne des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1950 dar (vgl. hg. Entscheidungen vom , Slg. N.F. Nr. 2252/A, vom , S 1g. N.F. Nr. 3714/A, vom , Slg. Nr. 10. 297/A; und zur Vollstreckbarkeitsbestätigung insbesondere das hg. Erkenntnis vom , Slg. N.F. Nr. 1098/A). Allerdings hat der Abspruch über Einwendungen gegen derartige Rechtsakte in Bescheidform zu erfolgen, weil hiedurch die Rechtsstellung der Parteien für das Vollstreckungsverfahren gestaltet wird. Da Wassergenossenschaften Behördenqualität nicht zusteht und sie sohin auch nicht zur Erlassung von Bescheiden befugt sind (vgl. hg. Entscheidungen vom , Slg. N.F. Nr. 2252/A, vom , Slg. Nr. 3714/A, vom , Slg. N.F. Nr. 10.297/A, und Beschluss vom , Slg. N.F. Nr. 10.659/A), hat über Einwendungen gegen Rückstandsausweise, die von einer Wassergenossenschaft ausgegangen sind, und somit zufolge der Regelung des § 7 Abs. 4 Exekutionsordnung auch über Einwendungen gegen Vollstreckbarkeitsbestätigungen, die Wasserrechtsbehörde, der die Aufsicht über die Wassergenossenschaft obliegt, zu entscheiden (vgl. das hg. Vorerkenntnis vom , Zlen. 81/07/0179, 0180).
Bei Überprüfung der Anträge bzw. Einwendungen der verpflichteten Partei ergibt sich zunächst, dass die verpflichtete Partei zur Einbringung dieser Anträge berechtigt war, weil über die Frage der Berechtigung des dem Exekutionsverfahren zugrundeliegenden Anspruches der Beschwerdeführerin ein behördliches Verfahren bisher nicht durchgeführt wurde (vgl. Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , VfSlg. 3648, und Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Slg. N.F. Nr. 10.297/A).
Die Entscheidung über die gegenständlichen Anträge der mitbeteiligten Partei erfordert die Überprüfung, ob die Beschwerdeführerin bei Ausstellung des Rückstandsausweises zu Recht vom Vorliegen einer vollstreckbaren Forderung gegenüber der mitbeteiligten Partei ausgehen konnte. Diese Prüfung hat unter Zugrundelegung der im Zeitpunkt der Ausführung der nach Ansicht der Beschwerdeführerin anspruchsbegründenden Maßnahmen (Errichtung von Zu- und Erweiterungsbauten) geltenden Satzungen zu erfolgen. Hiebei handelt es sich um die mit Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom genehmigten, mit datierten Satzungen der Beschwerdeführerin in der Fassung der am beschlossenen und mit Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom genehmigten Änderungen. Diese Satzungen waren im Zeitpunkt der Errichtung der Zu- und Erweiterungsbauten durch die verpflichtete Partei in den Jahren 1971 und 1972 entgegen der Vorschrift des § 141 WRG 1959 noch nicht an die durch die Wasserrechtsgesetznovelle 1959 geänderte Rechtslage angepasst und sahen keinen Maßstab für die Aufteilung der Herstellungs-, Erhaltungs- und Betriebskosten im Sinne des § 78 vor. Zufolge der Regelung des § 78 Abs. 3 lit. b WRG 1959 hätte sohin die Beschwerdeführerin eine Forderung gegen die verpflichtete Partei auf Beteiligung an den angeführten Kosten zu Recht nur unter Heranziehung des Wasserverbrauches als Maßstab für die Höhe einer derartigen Beteiligung erheben können. Demgegenüber hat die Beschwerdeführerin die Höhe des von der verpflichteten Partei geforderten Betrages nach einem pro Quadratmeter des Wohnraumes zu entrichtenden Betrag berechnet. Hiebei hat sie sich offenbar auf einen diesbezüglichen in der 19. ordentlichen Jahreshauptversammlung am gefassten Beschluss gestützt, demzufolge für größere Zu- und Neubauten pro Quadratmeter zugebauter Wohnfläche 50 Schilling als nachträgliche Anschlussgebühr eingehoben werden sollten. Dieser Beschluss zielte auf eine Festsetzung bzw. Änderung des Maßstabes für die Aufteilung der Kosten im Sinne des § 78 WRG 1959 ab. Gemäß § 77 Abs. 5 WRG 1959 bedürfen derartige Beschlüsse wenigstens der Zweidrittelmehrheit der Stimmen aller Mitglieder und werden solche Beschlüsse erst nach Genehmigung durch die Wasserrechtsbehörde wirksam. Demgegenüber enthält das Protokoll über die 19. ordentliche Jahreshauptversammlung der Beschwerdeführerin die ausdrückliche Feststellung, dass eine Zweidrittelmehrheit der Mitglieder bei dieser Versammlung nicht gegeben war. Auch kann eine Genehmigung dieses Beschlusses durch die Wasserrechtsbehörde weder dem Beschwerdevorbringen noch dem Akteninhalt entnommen werden. Dementsprechend ist dieser Beschluss nicht gemäß den gesetzlichen Erfordernissen zu Stande gekommen und hat mangels Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde keine Wirksamkeit erlangt. Abgesehen davon ist dieser Beschluss unbestrittenermaßen erst nach Errichtung der Zu- und Erweiterungsbauten durch die verpflichtete Partei gefasst worden.
Es ergibt sich sohin, dass der gegenüber der verpflichteten Partei ausgestellte Rückstandsausweis nicht auf einer durch die maßgeblichen Genossenschaftssatzungen gedeckten Forderung der Beschwerdeführerin beruht hat. Daraus folgt, dass sowohl der Rückstandsausweis wie auch die Bestätigung seiner Vollstreckbarkeit zu Unrecht ausgestellt wurden. In Stattgebung der Anträge der mitbeteiligten Partei waren sohin der Rückstandsausweis wie auch die Vollstreckbarkeitsbestätigung auf Grund der im Spruch angeführten gesetzlichen Bestimmungen ersatzlos zu beheben.
Der Ausspruch über die Verfahrenskosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere dessen § 55 Abs. 1, in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 243, über die Pauschalierung der Aufwandersätze im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof. Von der beschwerdeführenden Partei entrichtete Stempelgebühren konnten im Hinblick auf § 2 Z. 3 Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267, nicht berücksichtigt werden.
Wien, am