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VwGH vom 09.08.2001, 2000/16/0772

VwGH vom 09.08.2001, 2000/16/0772

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Zehetner, über die Beschwerde des M in L, vertreten durch Dr. Fritz Miller, Rechtsanwalt in Schruns, Gerichtsweg 2, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg vom , GZ RV 437/1-V5/99, betreffend Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer erwarb mit Kaufvertrag vom 33/790 Anteile an der Liegenschaft EZ 1047 Katastralgemeinde Lustenau von der D. GmbH. Als Kaufpreis war in Abgabenerklärung der Betrag von S 418.000,-- angegeben. Mit (endgültigem) Bescheid vom wurde dem Beschwerdeführer von diesem Betrag Grunderwerbsteuer vorgeschrieben. Nach der Aktenlage erwuchs der Bescheid in Rechtskraft.

Nach Durchführung einer abgabenbehördlichen Prüfung wurde in einem Bericht der Prüfungsorgane vom zur Errichtung eines Wohnhauses auf der in Rede stehenden Liegenschaft insbesondere ausgeführt, die D GmbH habe das Grundstück mit Kaufvertrag vom erworben. Am habe die D GmbH mit der H GmbH eine Vereinbarung über die Vermittlung des Verkaufes von 24 Wohnungen auf diesem Grundstück abgeschlossen. In dieser Vereinbarung sei von einer Wohnnutzfläche von 1420 m2 zum Preis von 30.500 m2 ausgegangen worden, wovon die Provisionen zu berechnen gewesen seien. Bereits im Mai 1993 sei bei der Liegenschaft eine Werbetafel für den Verkauf von 2-, 3- und 4- Zimmer-Wohnungen aufgestellt worden. Am seien mit den Wohnungswerbern Gä, Gr und I Ko. Vorverträge zu einem "Kauf- und Miterrichtervertrag" abgeschlossen worden, wobei eine Bau- und Ausstattungsbeschreibung zum Bestandteil dieser Verträge erklärt worden sei. In den Vorverträgen seien die zu erwerbenden Wohnungen durch Top. Nr. und Anteile bezeichnet worden und die kalkulierten anteiligen Baukosten ausgewiesen worden. Am sei ein solcher Vertrag mit R. Ko. abgeschlossen worden. Am sei die Baueingabe durch Dr. M. für die "MEG Wohn- und Geschäftshaus Schillerstraße" eingebracht worden. Diese Gemeinschaft habe sich aber erst am konstituiert. Am sei eine Liste der Miterrichter an das Bauamt gesandt worden. Zu diesem Zeitpunkt seien aber erst sechs Vorverträge abgeschlossen worden. Am sei der Vorvertrag mit dem Beschwerdeführer abgeschlossen worden. Die erste Sitzung der Gemeinschaft habe am stattgefunden, der "Auftrag zur Organisation", der Beschluss zur Bildung der "MEG" und der Vertrag zur gemeinsamen Errichtung seien am unterfertigt worden. Im März und April seien weitere acht Vorverträge abgeschlossen worden. Am habe die Bauverhandlung stattgefunden. In der Verhandlungsschrift scheine Rechtsanwalt Dr. M. als Bauwerber auf.

In den Akten befindet sich eine Ausfertigung des im Prüfungsberichtes erwähnten "Auftrags zur Organisation": Damit wurde Baumeister Ing. S. R. von einer "Bauherrengemeinschaft Schillerstraße" beauftragt, gemäß den vorliegenden Plänen den Bau dieser Wohnanlage durchzuführen.

Weiters befindet sich in den Akten ein Inserat, in dem neben anderen Projekten die gegenständliche Wohnanlage zum Verkauf angeboten wurde. Als Verkäufer wurde die D. GmbH angegeben, wobei darauf hingewiesen wurde, dass Informationen auch beim Planer, Baumeister Ing. S. R., eingeholt werden könnten.

Am erließ das Finanzamt gegenüber dem Beschwerdeführer unter Bezugnahme auf "Vereinbarungen mit Ing. R."

einen Bescheid betreffend Grunderwerbsteuer, wobei es von einer Gegenleistung in Höhe von S 1,614.333,67 ausging. In der Begründung vertrat die Abgabenbehörde die Auffassung, dass der Beschwerdeführer eine fertige Wohnung erworben habe.

In der Berufung gegen diesen Bescheid wurde mit ausführlicher Begründung die Ansicht vertreten, die gegenständliche Wohnanlage sei von der Gemeinschaft der Miteigentümer errichtet worden. Überdies wurde ausgeführt, der an den Beschwerdeführer gerichtete Grunderwerbsteuerbescheid sei bereits im Jahre 1994 in Rechtskraft erwachsen. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt habe sich seither nicht geändert. Die lediglich "indirekte Wiederaufnahme" sei rechtswidrig.

Nach weiteren abgabenbehördlichen Erhebungen wurde die Berufung mit dem angefochtenen Bescheid als unbegründet abgewiesen. In der Begründung wurde zunächst ausgeführt, Gegenstand des bekämpften Grunderwerbsteuerbescheids sei nicht der Erwerb des Grundstücks vom grundbücherlichen Eigentümer gemäß § 1 Abs 1 Z 1 GrEStG, sondern die Vereinbarungen mit Ing. S. R., welche als Erwerb gemäß § 1 Abs 1 Z 4 GrEStG steuerpflichtig seien. Im Übrigen wurde von der belangten Behörde die Meinung vertreten, der Beschwerdeführer sei im Zeitpunkt des Erwerbsvorganges an das bereits zur Gänze ausgearbeitete und geplante Bauprojekt gebunden gewesen. Er hätte keine Möglichkeit gehabt, einen Grundanteil zu erwerben, ohne in das bestehende Konzept eingebunden zu sein.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid erachtet sich der Beschwerdeführer unter anderem dadurch in seinen Rechten verletzt, dass ihm zusätzlich zur bereits 1994 vorgeschriebenen Grunderwerbsteuer auch von den Baukosten ein weiterer Steuerbetrag vorgeschrieben worden ist.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 1 Abs 1 Z 1 GrEStG 1987 unterliegt der Grunderwerbsteuer ein Kaufvertrag oder ein anderes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übereignung begründet, soweit sich dieser Rechtsvorgang auf inländische Grundstücke bezieht.

Unter Grundstücken iSd des GrEStG 1987 sind dabei nach § 2 Abs 1 dieses Gesetzes Grundstücke iSd bürgerlichen Rechtes zu verstehen.

Gegenstand eines der Grunderwerbsteuer unterliegenden Rechtsvorganges kann insbesondere ein Grundstück (§ 2 Abs 1 GrEStG) oder ein Anteil an einem Grundstück (§ 2 Abs 3 Satz 2 GrEStG) sein. Gegenstand eines Kaufvertrages kann auch eine künftige Sache oder eine Sache sein, hinsichtlich welcher zur Erfüllung des Vertrages bestimmte Eigenschaften durch den Verkäufer erst geschaffen werden müssen. Gegenstand ist das Grundstück in bebautem Zustand auch dann, wenn die Verträge zwar nicht durch den Willen der Parteien rechtlich verknüpft sind, zwischen den Verträgen jedoch ein so enger sachlicher Zusammenhang besteht, dass der Erwerber bei objektiver Betrachtungsweise als einheitlichen Leistungsgegenstand das bebaute Grundstück erhält. Dies ist der Fall, wenn der Veräußerer auf Grund einer in bautechnischer und finanzieller Hinsicht konkreten und bis annähernd zur Baureife gediehenen Vorplanung ein bestimmtes Gebäude auf einem bestimmten Grundstück zu einem im Wesentlichen feststehenden Preis anbietet und der Erwerber dieses Angebot als einheitliches annimmt oder nur insgesamt annehmen kann (vgl Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern, Band II (Grunderwerbsteuer), § 1, Rz 117b und 118 mit zahlreichen weiteren Hinweisen).

Die belangte Behörde vertritt die Auffassung, im Beschwerdefall sei von zwei unterschiedlichen Erwerbsvorgängen auszugehen. Sie meint, die Vereinbarungen mit Ing. S. R. unterlägen als Erwerbsvorgang iSd § 1 Abs 1 Z 4 GrEStG (rechtsgeschäftlich begründeter Anspruch auf Abtretung der Rechte aus einem Kaufanbot) der Grunderwerbsteuer. Die belangte Behörde beruft sich dabei in der Gegenschrift insbesondere auf das hg Erkenntnis vom , Zl 89/16/0156. Sie hat jedoch die Ausführungen in diesem Erkenntnis, das zu einem mit dem vorliegenden Beschwerdefall nicht vergleichbaren Sachverhalt ergangen ist, völlig missverstanden. Im Falle dieses Erkenntnisses wurde die Gestaltung der künftigen Bebauung bzw Revitalisierung des Grundstücks durch einen iSd § 1 Abs 2 GrEStG verwertungsbefugten Initiator vorgenommen, während der Verkäufer (vormaliger bücherlicher Eigentümer) nicht weiter in Erscheinung trat. Im nunmehrigen Beschwerdefall ist aber nach dem eindeutigen Ergebnis der abgabenbehördlichen Erhebungen der Verkäufer, die D GmbH, selbst als Organisator aufgetreten und hat für die Bebauung des Grundstücks durch entsprechende Vorplanung etc gesorgt. Demgegenüber wurde dem Baumeister Ing. R. lediglich der Auftrag zur Errichtung des Gebäudes erteilt. Entscheidend ist dabei, dass die Abgabenbehörden keine Feststellungen darüber getroffen haben, dass Ing. R. in irgendeiner Weise eine Verwertungsbefugnis erlangt hatte, die ihm ermöglichte, über das Grundstück selbst zu verfügen. Auch aus dem Inhalt der Akten ergibt sich kein Hinweis auf eine solche Befugnis des Ing. R. Ein weiterer, vom Erwerb des Grundanteils unabhängiger Erwerbsvorgang konnte durch die Vereinbarungen, die mit dem Baumeister getroffen wurden, nicht entstehen, da dieser über keine grunderwerbsteuerlich relevanten Rechte an dem Grundstück verfügte.

Dass mit den Vereinbarungen mit Ing. R. kein der Grunderwerbsteuer unterliegender Tatbestand erfüllt wurde, ist auch daraus ersichtlich, dass Gegenstand dieser Vereinbarung die Errichtung eines Gebäudes an sich, aber nicht ein Grundstück iSd § 2 Abs 1 GrEStG gewesen ist. Die Herstellung eines Gebäudes, das dadurch erst zu einem Bestandteil des Grundstückes wird, stellt im Verhältnis zum Auftragnehmer keinen der Grunderwerbsteuer unterliegenden Tatbestand her.

Die Vorschreibung der Grunderwerbsteuer von den Vereinbarungen mit Ing. R. steht somit mit dem Gesetz nicht im Einklang. Bei dieser Sach- und Rechtslage erübrigte es sich, auf die Frage, ob durch die Vereinbarung des Beschwerdeführers mit der D. GmbH ein Anteil an dem Grundstück mit bereits geplantem künftigen Gebäude erworben worden ist, näher einzugehen. Auch daraus, dass die belangte Behörde befugt gewesen wäre, das Verfahren des mit dem Bescheid vom abgeschlossenen Verfahrens wieder aufzunehmen, kann diese nichts gewinnen, da es eben zu einer solchen Wiederaufnahme nicht gekommen ist. Überdies bezieht sich das vorliegende Verfahren eben nicht auf den Kaufvertrag vom , sondern auf die "Vereinbarungen mit Ing. R."

Aus den angeführten Gründen war der angefochtene Bescheid somit gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am