VwGH vom 26.04.2001, 2000/16/0632
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatpräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde des A in S/CH, vertreten durch Dr. Robert Eiter, Rechtsanwalt in Landeck, Malserstraße 13/II, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat IV der Region Linz) vom , GZ: ZRV182/1-L4/1999, betreffend Beschlagnahme, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Nach der mit dem Beschwerdeführer aufgenommenen Tatbeschreibung wurden am der im Gewahrsam des Beschwerdeführers befindliche ausländische LKW (Sattelzugmaschine) mit Schweizer Kennzeichen samt Fahrzeugausweis und Fahrzeugschlüssel zur Sicherung des Verfalls und als Beweismittel beschlagnahmt, weil der Verdacht der Begehung eines Finanzvergehens nach § 35 FinStrG bestanden habe. Der Beschwerdeführer hat zu Protokoll gegeben, dass er von widerrechtlichen Kabotagefahrten mit diesem LKW gewusst habe.
Mit der an den Beschwerdeführer gerichteten Beschlagnahmeanordnung (Entscheidung) vom beschlagnahmte das Hauptzollamt Innsbruck den LKW gemäß § 26 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG). Dies mit der Begründung, nach den Ermittlungen stehe fest, dass der LKW zu Transporten innerhalb des Gebietes der Gemeinschaft sowie der Republik Österreich ohne Vorliegen der erforderlichen güterbeförderungsrechtlichen Bewilligungen (Kabotage) widerrechtlich verwendet worden sei.
Mit Bescheid vom schrieb das Hauptzollamt Innsbruck dem Beschwerdeführer gemäß Artikel "204 Abs. 1 lit. a, Abs. 3 1. Alt." Zollkodex (ZK) iVm § 2 Abs. 1 ZollR-DG die Eingangsabgabenschuld für den LKW im Gesamtbetrag von S 271.392,-- vor.
In der gegen die Beschlagnahmeanordnung erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, er sei nicht der zutreffende Bescheidadressat gewesen. Halter sei die M-GmbH mit Sitz in Samnaun und Eigentümerin sei, weil es sich um ein Leasingfahrzeug handle, die L-AG. Die Voraussetzungen für eine Beschlagnahme seien nicht gegeben. Der LKW sei in Schweden, im Gebiet der Gemeinschaft, hergestellt worden. Von der Schweiz seien dem Beschwerdeführer Transitgenehmigungen für Österreich zur Verfügung gestellt worden, die er auch bezahlt habe. In Österreich habe er sämtliche vorgeschriebenen Straßenabgaben bezahlt.
Mit Berufungsvorentscheidung wies das Hauptzollamt Innsbruck die Berufung als unbegründet ab. In der Begründung heißt es, bei der Beschlagnahme komme es zunächst nicht auf das Eigentumsrecht des Gegenstandes an. Die Behörde habe sich im Zuge der Beschlagnahme nur mit demjenigen auseinander zu setzen, in dessen Gewahrsame die Sache vorgefunden werde und dem die Beschlagnahmeanordnung bei der Beschlagnahme zugestellt werden könne. Im Zeitpunkt der Beschlagnahme habe der Beschwerdeführer Gewahrsame am LKW gehabt. Transitgenehmigungen berechtigten ausschließlich zur Durchführung von Transitfahrten. Im Fall der Kabotage wäre eine eigene Kabotagegenehmigung erforderlich gewesen, über die der Beschwerdeführer aber nicht verfügt habe.
In der dagegen erhobenen Beschwerde vertrat der Beschwerdeführer die Ansicht, dass ein Be- und Entladen in Österreich nicht stattgefunden habe und demnach die Voraussetzungen für eine Beschlagnahme fehlten.
Mit Berufungsentscheidung wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab. In der Begründung heißt es, der Beschwerdeführer habe in der Tatbeschreibung vom dargetan und bestätigt, dass der LKW wiederholt ohne die erforderlichen Bewilligungen für Kabotagefahrten in Österreich und in der Europäischen Gemeinschaft eingesetzt worden sei. Er habe gewusst, dass für solche Kabotagefahrten eigene Bewilligungen erforderlich seien und in Kauf genommen, gegen zollrechtliche und güterbeförderungsrechtliche Vorschriften zu verstoßen. Sein Verhalten lasse daher unschwer eine gleichgültige, wenn nicht sogar negative Einstellung zur Einhaltung zollrechtlicher Vorschriften und Abgabenbelange erkennen, die befürchten ließen, dass er ohne Beschlagnahme den LKW weiterhin entgegen den zollrechtlichen Bestimmungen einsetzen und verwenden werde. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass dies nach eigenen Angaben bereits wiederholt und über einen längeren Zeitraum geschehen sei. Tatsächlich lasse die Aktenlage nur den Schluss zu, dass der LKW unter Verletzung abgabenrechtlicher Vorschriften und entgegen den Bestimmungen über die vorübergehende Verwendung im Zollgebiet der Europäischen Gemeinschaft eingesetzt worden sei. Sohin seien die Voraussetzungen gegeben, das Sattelzugfahrzeug durch eine Maßnahme nach § 26 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 ZollR-DG der freien Verfügung des Beschwerdeführers zu entziehen. Andere Maßnahmen seien nicht geeignet, die abgabenrechtlichen Belange sicherzustellen und eine weitere widerrechtliche Verwendung hintanzuhalten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, mit der sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Beendigung der Beschlagnahme verletzt.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gegenstand des angefochtenen Bescheides ist die mit Beschlagnahmeanordnung vom erfolgte Beschlagnahme nach § 26 Abs. 1 Z 1 ZollR-DG.
Gemäß Artikel 37 Abs. 1 ZK unterliegen Waren, die in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht werden, vom Zeitpunkt des Verbringens an der zollamtlichen Überwachung. Sie können nach dem geltenden Recht zollamtlich geprüft werden.
Sie bleiben nach Artikel 37 Abs. 2 ZK so lange unter zollamtlicher Überwachung, wie es für die Ermittlung ihres zollrechtlichen Status erforderlich ist, und, im Fall von Nichtgemeinschaftswaren unbeschadet des Artikels 82 Absatz 1, bis sie ihren zollrechtlichen Status wechseln, in eine Freizone oder ein Freilager verbracht, wiederausgeführt oder nach Artikel 182 vernichtet oder zerstört werden.
Gemäß Artikel 4 Nr. 13 ZK sind unter dem Begriff "zollamtliche Überwachung" alle allgemeinen Maßnahmen der Zollbehörde zu verstehen, um die Einhaltung des Zollrechts und gegebenenfalls der sonstigen für Waren unter zollamtlicher Überwachung geltenden Vorschriften zu gewährleisten.
Hinsichtlich der Bewilligung, Überführung und Beendigung von ausländischen Beförderungsmitteln in das Zollverfahren der vorübergehenden Verwendung (Artikel 4 Nr. 16 Buchstabe f ZK) regelt die Zollkodex-Durchführungsverordnung (Verordnung EWG Nr. 2454/93 der Kommission vom ) vereinfachende Besonderheiten. Bei der Anmeldung und Überführung von Beförderungsmitteln in die vorübergehende Verwendung werden die Vereinfachungen über die gesetzliche Anerkennung konkludenter Verhaltensweisen als Zollanmeldung und entsprechende gesetzliche Fiktionen erreicht. So ist gemäß Artikel 735 iVm Artikel 232f ZK-DVO z.B. das schlichte Passieren einer Zollstelle mit einem Beförderungsmittel für eine Zollanmeldung (einschließlich des Antrags auf Bewilligung der vorübergehenden Verwendung) ausreichend. Die Gestellung, die Bewilligung, die Annahme der Anmeldung und die Überlassung werden im gleichen Zeitpunkt fingiert (Artikel 234 Abs. 1, Artikel 730 Unterabs. 2 ZK-DVO).
Im Grunde des Artikels 718 Abs. 3 Buchstabe d ZK-DVO unterliegt die Bewilligung der vorübergehenden Verwendung der Voraussetzung, dass die Fahrzeuge ausschließlich für Beförderungen verwendet werden, die außerhalb des Zollgebiets der Gemeinschaft beginnen oder enden.
Gemäß Artikel 742 1. Spiegelstrich ZK-DVO können die Zollbehörden die Bewilligung der vorübergehenden Verwendung insbesondere dann widerrufen, wenn sie feststellen, dass die Straßenfahrzeuge zur gewerblichen Verwendung im Binnenverkehr eingesetzt werden.
Nach Artikel 89 Abs. 1 ZK endet ein Nichterhebungsverfahren mit wirtschaftlicher Bedeutung, wozu auch das Zollverfahren der vorübergehenden Verwendung gehört, wenn die in dieses Verfahren übergeführten Waren eine zulässige neue zollrechtliche Bestimmung erhalten. Solange die Ware die neue zollrechtliche Bestimmung nicht erhalten hat, steht sie unter zollamtlicher Überwachung.
Wird die vorübergehende Verwendung bewilligungswidrig gebraucht, entsteht für das ausländische Beförderungsmittel mit dem Beginn der unzulässigen Beförderung (sog. Kabotage) nach Maßgabe des Artikels 204 Absatz 1 ZK per se eine Zollschuld, ohne dass zuvor die Bewilligung aufgehoben worden sein musste.
Gemäß § 26 Abs. 1 Nummer 1 ZollR-DG sind die Zollorgane bei Gefahr im Verzug befugt, Waren zu beschlagnahmen, wenn dies zur Ausübung der zollamtlichen Überwachung erforderlich ist und andere in diesem Bundesgesetz vorgesehene Maßnahmen zur Gewährleistung der zollamtlichen Überwachung nicht möglich oder nicht tunlich sind.
Nach § 26 Abs. 2 ZollR-DG darf ohne Gefahr im Verzug eine Beschlagnahme nur in den Fällen des Abs. 1 Nrn. 1 und 3 und nur auf Grund einer Entscheidung des Hauptzollamtes vorgenommen werden.
Die abgenommenen Waren sind gemäß § 26 Abs. 3 ZollR-DG ohne unnötigen Aufschub der Behörde, die für die weitere Maßnahme zuständig ist, abzuliefern.
Der ZK und das ZollR-DG regeln nicht, an wen eine Beschlagnahmeanordnung zu ergehen hat. Aus dem Zweck der Beschlagnahme als eine unmittelbar wirksame, aber vorläufige Maßnahme mit dem Ziel nicht das Eigentum, sondern die Gewahrsame an einer Sache zur Aufrechterhaltung der Zollaufsicht zu entziehen, hat die Beschlagnahmeanordnung grundsätzlich auf den Inhaber der zu beschlagnehmenden Sache ausgestellt zu sein. Der Behörde obliegt es in diesem Verfahrensstadium nicht, Eigentumsrechte zu prüfen oder festzustellen.
Die Beschlagnahmeanordnung hat den Beschwerdeführer, der über die Fahrzeugpapiere und die Fahrzeugschlüssel und damit auch über den LKW verfügen konnte, als Adressaten genannt und ist an ihn zugestellt worden. Dass der Beschwerdeführer nicht Inhaber des LKW gewesen sei, behauptet er nicht. Auf das Eigentum und die Haltereigenschaft kam es entgegen seiner Ansicht nicht an. Die Beschlagnahmeanordnung war daher zu Recht an ihn ergangen. Eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides liegt insofern nicht vor.
Die Beschlagnahme ist ein Verfahrensschritt zur zwangsweisen Entziehung der Gewahrsame an einer Sache. Es handelt sich dabei um eine vorläufige Maßnahme, die nach abschließender rechtlicher Beurteilung des Sachverhaltes entweder durch Freigabe der Ware oder durch eine im Gesetz vorgesehene Entscheidung, mit der die Ware auf Dauer eingezogen bleibt, endet (vgl. die zur Beschlagnahme nach dem FinStrG ergangenen Erkenntnisse, z.B. vom , Zl. 92/16/0141).
Gemäß § 85b Abs. 3 ZollR-DG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht zurückzuweisen ist, in der Sache selbst zu entscheiden. Sie hat sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung den Fall nach eigener Anschauung zu beurteilen und kann eine angefochtene Entscheidung nach jeder Richtung abändern oder aufheben oder die Berufung als unbegründet abweisen.
Im Fall der Beschlagnahme einer Ware ist nach diesen Bestimmungen des ZollR-DG die Sachlage im Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde über die im Rechtsbehelfsverfahren gegen die Beschlagnahmeanordnung erhobene Beschwerde maßgebend (vgl. hg. Erkenntnis vom , Zl. 95/16/0077).
Der LKW wurde am nach § 26 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 ZollR-DG beschlagnahmt. Die Berufungsentscheidung der belangten Behörde vom stützt sich in der Begründung auf die Befürchtung, der Beschwerdeführer werde ohne Aufrechterhaltung der Beschlagnahme den LKW weiterhin entgegen den zollrechtlichen Bestimmungen einsetzen und verwenden. Andere Maßnahmen seien nicht geeignet, die abgabenrechtlichen Belange sicherzustellen sowie eine weitere widerrechtliche Verwendung hintanzuhalten. Die belangte Behörde stellte fest, das Fahrzeug sei entgegen den Bestimmungen über die vorübergehende Verwendung im Zollgebiet der Gemeinschaft eingesetzt worden, und kommt zu dem Schluss, es seien die Voraussetzungen gegeben, den LKW durch eine Maßnahme nach § 26 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2 ZollR-DG der freien Verfügung des Beschwerdeführers zu entziehen.
Damit verkennt die belangte Behörde die Rechtslage.
Die belangte Behörde hat den LKW zur Ausübung der zollamtlichen Überwachung beschlagnahmt und hält diese Beschlagnahme mit der Begründung aufrecht, diese sei auf Dauer erforderlich, um den Beschwerdeführer von weiteren widerrechtlichen Fahrten abzuhalten. Bei einem solchen Verständnis der Beschlagnahme handelt es sich nicht mehr um eine bloß vorläufige Maßnahme, sondern die Verfügungsgewalt und das Eigentum an dem LKW soll damit als Vorbeugung für ein befürchtetes widerrechtliches Verhalten auf Dauer entzogen bleiben. Dies ist jedoch rechtswidrig, weil nach der vorläufigen Maßnahme der Beschlagnahme die abgenommene Ware ohne unnötigen Aufschub der Behörde, die für die weitere Maßnahme zuständig sind, abzuliefern ist und von dieser ist ohne unnötigen Aufschub eine Entscheidung darüber zu treffen, ob der LKW bei Wegfall der Voraussetzungen für die Aufrechterhaltung der vorläufigen Maßnahme (hier: Ausübung der zollamtlichen Überwachung) freizugeben ist oder nach den Bestimmungen des Zollrechts die Verfügungsgewalt und das Eigentumsrecht dem Berechtigten gegenüber endgültig entzogen wird. Im angefochtenen Bescheid sind in Verkennung der Vorläufigkeit der Beschlagnahme, der ohne unnötigen Aufschub endgültige Entscheidungen zu folgen haben, keine Gründe angeführt, die eine Aufrechterhaltung einer solchen Maßnahme im Zeitpunkt des Ergehens des angefochtenen Bescheides noch rechtfertigen könnten.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Kostenmehrbegehrens betrifft die geltend gemachte Umsatzsteuer, die im pauschalierten Schriftsatzaufwand bereits enthalten ist.
Wien, am