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VwGH vom 18.07.1997, 95/02/0143

VwGH vom 18.07.1997, 95/02/0143

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll, Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde des Bundesministers für Inneres gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Burgenland vom , Zl. E 13/02/94.077/2, betreffend Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (mitbeteiligte Partei: DM, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird (einschließlich seines Kostenspruches) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit Bescheid der belangten Behörde vom wurde der an diese gerichteten Beschwerde der mitbeteiligten Partei des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, betreffend die am anläßlich der Einreise bei der Grenzkontrollstelle Nickelsdorf erfolgte Zurückweisung durch ein Zollwacheorgan (im Verantwortungsbereich der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See) gemäß § 67c Abs. 3 AVG Folge gegeben und diese Zurückweisung für rechtswidrig erklärt. Gleichzeitig wurde gemäß § 79a AVG der Bund zum Kostenersatz an den Mitbeteiligten verpflichtet.

In der Begründung führte die belangte Behörde in Hinsicht auf den von ihr festgestellten Sachverhalt aus, der Mitbeteiligte habe im Zeitpunkt der gegenständlichen Zurückweisung an der Grenze einen von der Bezirkshauptmannschaft Krems ausgestellten und im Reisedokument ersichtlich gemachten Sichtvermerk besessen, der ihm die mehrmalige Wiedereinreise und den Aufenthalt in Österreich bis gestattet habe. Am habe er bei dieser Bezirkshauptmannschaft einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung eingebracht. Mit Schreiben vom habe die Bezirkshauptmannschaft Krems dem Mitbeteiligten das Ergebnis der über diesen Antrag aufgenommenen Beweise mitgeteilt. Anläßlich der (am erfolgten) Einreisekontrolle beim Grenzkontrollübergang Nickelsdorf habe das Grenzkontrollorgan den Mitbeteiligten auf den abgelaufenen Sichtvermerk aufmerksam gemacht, worauf dieser zur Glaubhaftmachung seiner Wiedereinreiseberechtigung darauf hingewiesen habe, daß er rechtzeitig um eine Aufenthaltsbewilligung angesucht habe, wobei er das zitierte Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Krems vom vorgewiesen habe. "Ohne nähere Einsicht und Prüfung" dieses zur Glaubhaftmachung der Wiedereinreiseberechtigung angeführten Mittels habe das Zollwacheorgan dem Mitbeteiligten die Einreise mit der Begründung verweigert, daß nur eine von der Behörde ausgestellte Amtsbestätigung zum Nachweis der rechtzeitigen Antragstellung, betreffend die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, ausreiche. Wegen Nichtentsprechung der Sichtvermerkspflicht sei die Zurückweisung ausgesprochen und im Reisepaß ersichtlich gemacht worden.

Unter Hinweis auf § 32 Abs. 1 Fremdengesetz und § 6 Abs. 3 sowie § 10 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes legte die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides dar, weshalb sie der Ansicht gewesen sei, daß der Mitbeteiligte infolge der rechtzeitigen Antragstellung auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung aufgrund seines, wenn auch abgelaufenen Sichtvermerkes zum Aufenthalt in Österreich und zur Wiedereinreise berechtigt gewesen sei, da die sechswöchige Verlängerungsfrist (des § 6 Abs. 3 zweiter Satz des Aufenthaltsgesetzes in der Stammfassung) erst am geendet habe. Wenn auch - bei objektiver Rechtswidrigkeit - eine solche faktische Amtshandlung nur dann für rechtswidrig zu erklären sei, wenn der Organwalter nach der Lage des Falles nicht mit gutem Grunde, das heiße vertretbar, annehmen hätte können, daß der Mitbeteiligte kein Recht zur (sichtvermerksfreien) Wiedereinreise nach Österreich besessen habe, so habe der Mitbeteiligte zur Glaubhaftmachung seiner Wiedereinreiseberechtigung das erwähnte Schriftstück der Bezirkshauptmannschaft Krems vom vorgewiesen. Daß im vorerwähnten Schreiben auch zum Ausdruck gekommen sei, daß die Aufenthaltsbewilligung voraussichtlich versagt werden würde, mindere nicht die Beurteilung der Eignung dieses Schriftstückes als Mittel zur Glaubhaftmachung der rechtzeitigen Antragstellung.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf § 91 Z. 1 des Sicherheitspolizeigesetzes gestützte Beschwerde des Bundesministers für Inneres an den Verwaltungsgerichtshof.

Dieser hat erwogen:

Der Verwaltungsgerichtshof braucht sich aus Anlaß dieser Beschwerde mit der zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens strittigen Rechtsfrage, ob der Mitbeteiligte aufgrund der Bestimmungen der §§ 13 Abs. 1 und 6 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes zum Aufenthalt in Österreich und daher zur Einreise berechtigt war, nicht näher auseinanderzusetzen, wenn auch eine Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz einen gemäß dem Fremdengesetz notwendigen Sichtvermerk ersetzt (vgl. § 10 Abs. 1 zweiter Satz Aufenthaltsgesetz in der Fassung des Art. III Z. 5 des Fremdengesetzes). Dies aus folgenden Erwägungen:

Gemäß § 32 Abs. 1 erster Satz Fremdengesetz sind Fremde bei der Grenzkontrolle am Betreten des Bundesgebietes zu hindern (Zurückweisung), wenn u.a. Zweifel an ihrer Identität bestehen oder wenn sie der Paß- oder Sichtvermerkspflicht nicht genügen.

Nach § 32 Abs. 3 erster Satz Fremdengesetz hat das Grenzkontrollorgan nach Befragung des Fremden aufgrund des von diesem glaubhaft gemachten oder sonst bekannten Sachverhaltes zu entscheiden (ob ein Zurückweisungsgrund im Sinne der vorstehenden Absätze 1 und 2 gegeben ist).

Zu dieser Gesetzesstelle hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Zl. 95/02/0135, zum Ausdruck gebracht, die Regelung, daß der Fremde den (abgesehen vom sonst bekannten) Sachverhalt "glaubhaft" zu machen habe, sei als "Beweislastverteilung" dahin zu verstehen, daß das Grenzkontrollorgan nicht zu Erhebungen verpflichtet werden könne, sondern der Fremde den für die Beurteilung maßgeblichen Sachverhalt vorzubringen und glaubhaft zu machen habe; der Fremde habe daher auf die Frage des Grenzkontrollorgans über den Zweck der beabsichtigten Einreise den entsprechenden Sachverhalt in einer solchen Form darzulegen und erforderlichenfalls unter Beweis zu stellen, daß es ihm gelinge, einen Verdacht auf das Vorliegen eines Zurückweisungsgrundes sofort an Ort und Stelle zu entkräften, andernfalls die Zurückweisung berechtigt sei.

Diese Grundsätze sind auch für die Beurteilung der Frage anzuwenden, ob der Fremde einer (Paß- oder) Sichtvermerkspflicht unterliegt (vgl. § 32 Abs. 1 Fremdengesetz), was in Hinsicht auf den Mitbeteiligten auch im Zusammenhang mit der Frage zu beurteilen war, ob § 10 Abs. 1 zweiter Satz des Aufenthaltsgesetzes (in der oben erwähnten Fassung) zur Anwendung gelangt, wonach eine Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz einen gemäß dem Fremdengesetz notwendigen Sichtvermerk ersetzt. Damit reichten "Zweifel" an der Einreiseberechtigung, die der Mitbeteiligte nicht an Ort und Stelle entkräften konnte, zur berechtigten Zurückweisung aus.

Im Hinblick auf den dem Grenzkontrollorgan vorliegenden Sachverhalt kann der Verwaltungsgerichtshof nicht finden, daß die Zurückweisung des Mitbeteiligten als rechtswidrig zu erachten wäre, hatte doch das Grenzkontrollorgan trotz des ihm vom Mitbeteiligten vorgelegten Schreibens der Bezirkshauptmannschaft Krems vom jedenfalls zu Recht "Zweifel" an der Einreiseberechtigung des Mitbeteiligten die dieser nicht an Ort und Stelle zu entkräften vermochte. Ergänzend sei vermerkt, daß dem Grenzkontrollorgan jedenfalls auch nicht bekannt sein konnte, ob gegenüber dem Mitbeteiligten nicht etwa inzwischen eine abschlägige Erledigung der erwähnten Behörde ergangen war.

Die belangte Behörde hat daher die Rechtslage verkannt, indem sie die erwähnte Zurückweisung für rechtswidrig erklärte.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG - einschließlich des Kostenzuspruches an den Mitbeteiligten - wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.