VwGH vom 22.02.1994, 92/04/0249
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Pallitsch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissärin Mag. Paliege, über die Beschwerde der Z-Gesellschaft m.b.H. in Wien, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den BMwA wegen Verletzung der Entscheidungspflicht i.A. Verfahren zur Erteilung einer Bewilligung für ein bewilligungspflichtiges gebundenes Gewerbe und Genehmigung der Bestellung eines Geschäftsführers, zu Recht erkannt:
Spruch
1. Der Beschwerdeführerin wird gemäß § 189 Abs. 2 GewO 1973, in der Fassung der Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. Nr. 29/1993, die Bewilligung für das nach § 128 Z. 15 leg. cit. der Bewilligungspflicht unterliegende gebundene Gewerbe "Überlassung von Arbeitskräften" im Standort Wien, K-Gasse 31, verweigert.
2. Gemäß § 190 Abs. 3 GewO 1973 wird die Genehmigung für die Bestellung der M in W, zum gewerberechtlichen Geschäftsführer für die Ausübung des unter Punkt 1. bezeichneten Gewerbes verweigert.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin beantragte mit Schriftsatz vom die "Erteilung der Konzession für das Gewerbe der Arbeitskräfteüberlassung im Standort Wien, K-Gasse 31". Gleichzeitig wurde "zum gewerberechtlichen Geschäftsführer ... unsere Prokuristen, Frau M, Wien, X-Gasse 401," namhaft gemacht.
In einer dem Antrag angeschlossenen Erklärung der M heißt es u.a.:
"Ich werde mich bei der Ausübung des Gewerbes im Betrieb
betätigen:
0 als Arbeitnehmer
0 als Prokurist
0 als handelsrechtlicher Geschäftsführer
0 ganztätig (dzt. 40 Wochenstunden)
0 im Ausmaß von ca. 20 Wochenstunden"
Im Rahmen ihrer Anhörung teilte die Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Wien mit Schriftsatz vom mit, daß die in Aussicht genommene Geschäftsführerin zur Ausübung des gegenständlichen Gewerbes berechtigt sei.
Im Schriftsatz vom sprach sich die Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien gegen die Erteilung der beantragten Konzession aus. Dies (zusammengefaßt) im wesentlichen mit der Begründung, "daß die Konzessionswerberin auf Grund des bisherigen Verhaltens der beiden einzigen Gesellschafter, Z und H (der auch Geschäftsführer ist), die für die Konzessionserteilung erforderliche Voraussetzung der Zuverlässigkeit nicht erfüllt; jede andere Sichtweise würde der offenkundigen Umgehung der gesetzlichen Zuverlässigkeitsbestimmungen (und im gegenständlichen Fall auch der Umgehung der zitierten rechtskräftigen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes) Vorschub leisten und dem Sinn des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes klar zuwiderlaufen". Hinsichtlich der in Aussicht genommenen Geschäftsführerin falle auf, daß diese schon für das Überlassungsunternehmen "S GesmbH" als Geschäftsführerin beantragt worden sei. Dies deute auf ihre "Strohfrau"-Funktion hin, da angenommen werden könne, daß sie schon zeitlich nicht in der Lage sei, tatsächlich die Geschäftsführung in beiden Unternehmen in voller Verantwortlichkeit und mit der erforderlichen Genauigkeit auszuüben. Die Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien erachte auch die Voraussetzungen für die Geschäftsführerbestellung der M als nicht gegeben.
Auch das Landesarbeitsamt Wien sprach sich im Schriftsatz vom in Ansehung der beiden Geschäftsführer Z und H, die gemeinsam mit 100 % Anteilen an der Beschwerdeführerin beteiligt seien, gegen die Erteilung der beantragten Konzession aus. Hinsichtlich der namhaft gemachten gewerberechtlichen Geschäftsführerin wurde (ebenfalls) darauf hingewiesen, daß M im Konzessionsansuchen der Firma "S" als gewerberechtliche Geschäftsführerin beantragt worden sei.
Mit Schriftsatz vom stellte die Beschwerdeführerin an den Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten einen auf § 73 AVG gegründeten Devolutionsantrag.
Der Landeshauptmann von Wien legte den Bezug habenden Verwaltungsakt vor und teilte zu der vom Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten gestellten Frage, ob die Verzögerung ausschließlich auf ein Verschulden der Behörde zurückzuführen sei, mit, daß dies nach der Aktenlage bejaht werde.
Mit Schriftsatz vom (beim Verwaltungsgerichtshof eingelangt am ) erhob die Beschwerdeführerin beim Verwaltungsgerichtshof Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht bezüglich ihres Antrages (vom ).
Mit Verfügung vom hat der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 35 Abs. 3 VwGG das Vorverfahren eingeleitet und der belangten Behörde gemäß § 36 Abs. 2 VwGG aufgetragen, innerhalb einer Frist von drei Monaten den versäumten Bescheid zu erlassen. Diese Verfügung wurde der belangten Behörde am zugestellt.
Mit Schriftsatz vom legte die Behörde die Akten des Verwaltungsverfahrens mit dem Bemerken vor, daß ihrerseits eine Verletzung der Entscheidungspflicht vorliege.
In weiterer Folge teilte die Beschwerdeführerin dem Verwaltungsgerichtshof mit, daß die ursprünglichen Gesellschafter der Beschwerdeführerin ihre Geschäftsanteile "in der Höhe entsprechend einer zur Hälfte bar eingezahlten Stammeinlage von S 200.000,--, je an Herrn G und Herrn F abgetreten" hätten. Zudem seien die Geschäftsführer Z und H anläßlich der außerordentlichen Generalversammlung vom abberufen worden.
Mit Verfügung vom wurde die Beschwerdeführerin u.a. ersucht, im Hinblick auf die geänderte Rechtslage durch die Gewerberechtsnovelle 1992 die entsprechenden Belege für das Vorliegen der im § 39 Abs. 2 GewO 1973 geforderten Voraussetzungen des namhaft gemachten gewerberechtlichen Geschäftsführers vorzulegen.
Diesem Ersuchen ist die Beschwerdeführerin weder innerhalb
der gesetzten Frist noch danach nachgekommen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß Art. 132 B-VG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht erheben, wer im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt war.
Gemäß § 27 VwGG kann Säumnisbeschwerde erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Wege eines Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht angerufen werden kann, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten in der Sache entschieden hat. Diese Frist läuft von dem Tage, an dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war.
Da die belangte Behörde den versäumten Bescheid auch innerhalb der ihr gemäß § 36 Abs. 2 VwGG eröffneten Frist nicht nachgeholt hat, ist die Zuständigkeit zur Entscheidung in der Sache auf den Verwaltungsgerichtshof übergegangen. Der Übergang der Zuständigkeit auf den Verwaltungsgerichtshof erstreckt sich hiebei nicht nur auf den zuständigen Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten, sondern auch auf jene Stellen, mit denen dieser bei seiner Verfügung das Einvernehmen herzustellen gehabt hätte (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zlen. 88/04/0036, 0044).
Im Beschwerdefall ist nicht darüber abzusprechen, was an einem bestimmten Stichtag oder in einem konkreten Zeitraum rechtens war. Mangels Sonderregelung in Übergangsbestimmungen, was hinsichtlich der Regelung des § 39 Abs. 2 letzter Satz näher auszuführen sein wird (siehe unten), ist daher diejenige Sach- und Rechtslage der Entscheidungsfindung zugrunde zu legen, die im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegt (vgl. dazu u. a. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Slg. N.F. Nr. 11.237/A). Im Beschwerdefall ist daher die GewO 1973 in ihrer Fassung nach der Gewerberechtsnovelle 1992, BGBl. Nr. 29/1993, anzuwenden.
Gemäß § 9 Abs. 1 erster Satz leg. cit. können (u.a.) juristische Personen Gewerbe ausüben, müssen jedoch einen Geschäftsführer oder Pächter (§§ 39 und 40) bestellt haben.
Gemäß § 39 Abs. 2 leg. cit. muß der Geschäftsführer den für die Ausübung des Gewerbes vorgeschriebenen persönlichen Voraussetzungen entsprechen, seinen Wohnsitz im Inland haben und in der Lage sein, sich im Betrieb entsprechend zu betätigen. Handelt es sich um ein Gewerbe, für das die Erbringung eines Befähigungsnachweises vorgeschrieben ist, so muß der gemäß § 9 Abs. 1 zu bestellende Geschäftsführer einer juristischen Person außerdem
1. dem zur gesetzlichen Vertretung berufenen Organ der juristischen Person angehören oder
2. ein mindestens zur Hälfte der wöchentlichen Normalarbeitszeit im Betrieb beschäftigter, nach den Bestimmungen des Sozialversicherungsrechtes voll versicherungspflichtiger Arbeitnehmer sein.
Nach § 128 Z. 15 leg. cit. darf das gebundene Gewerbe der "Überlassung von Arbeitskräften" erst nach Erlangung einer Bewilligung ausgeübt werden.
Im Grunde des § 190 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. bedarf der Inhaber einer Bewilligung für die Ausübung eines im § 128 angeführten gebundenen Gewerbes für die Bestellung eines Geschäftsführers für die Ausübung des Gewerbes einer Genehmigung.
Nach der sich so darstellenden - diesbezüglich mit in Kraft getretenen - Rechtslage genügt es nicht (mehr), daß der gemäß § 9 Abs. 1 bestellte Geschäftsführer einer juristischen Person - abgesehen von den übrigen Tatbestandsvoraussetzungen - (bloß) ein die (nunmehr geforderte) Arbeitnehmerqualifikation nicht erfüllender Prokurist einer juristischen Person ist.
Da erst mit dem Zeitpunkt der Bewilligung die Rechtsstellung des "bestellten" Geschäftsführers beginnt, kommt die Regelung des § 39 Abs. 2 letzter Satz GewO 1973 in der Fassung der Gewerberechtsnovelle 1992 bei der Genehmigung für die Bestellung eines Geschäftsführers nicht zum Tragen, wonach die bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes, BGBl. Nr. 29/1993, geltenden Bestimmungen des § 39 Abs. 2 für Personen, die am als Geschäftsführer "bestellt" sind, bis zum Ablauf des weiter gelten.
Ausgehend von der in der Sachverhaltsdarstellung wiedergegebenen "Erklärung" der M sieht es der Verwaltungsgerichtshof als erwiesen an, daß die namhaft gemachte gewerberechtliche Geschäftsführerin die (nunmehr geforderte) Arbeitnehmerqualifikation im Sinne des § 39 Abs. 2 Z. 2 GewO 1973 nicht erfüllt. Dies schon im Hinblick darauf, daß nicht einmal ein behauptungsmäßiges Vorbringen erstattet wurde, M wäre Arbeitnehmerin der Beschwerdeführerin. Davon losgelöst kann aber auch aus der bloß unbestimmten Angabe "im Ausmaß von ca. 20 Wochenstunden", noch nicht abgeleitet werden, daß es sich um eine Beschäftigung (eines nach den Bestimmungen des Sozialversicherungsrechtes voll versicherungspflichtigen Arbeitnehmers) im Betrieb im Ausmaß von mindestens der Hälfte der wöchentlichen Normalarbeitszeit handle, daß aber M dem zur gesetzlichen Vertretung berufenen Organ der Beschwerdeführerin angehörte, wurde weder behauptet noch läßt sich derartiges aus den vorgelegten Abschriften aus dem Firmenbuch erkennen.
In diesem Zusammenhang ist auch darauf zu verweisen, daß dem Grundsatz der Amtswegigkeit des Verwaltungsverfahrens eine Verpflichtung der Partei zur Mitwirkung bei der Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes korrespondiert, was insbesondere dann der Fall ist, wenn der amtswegigen Erhebung im Hinblick auf die nach den materiellrechtlichen Verwaltungsvorschriften zu beachtenden Tatbestandsmerkmalen faktische Grenzen gesetzt sind (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 84/04/0055). Wirkt in diesem Sinn die Partei bei der Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes - wie hier die beschwerdeführende Antragstellerin - nicht mit, dann steht es der Behörde bzw. dem Verwaltungsgerichtshof, wenn die Zuständigkeit zur Entscheidung in der Sache im Grunde des Art. 132 B-VG auf diesen übergegangen ist, frei, aus diesem Verhalten gemäß § 45 Abs. 2 AVG im Rahmen der freien Beweiswürdigung auch für den Antrag des Antragstellers negative Schlüsse zu ziehen.
Aus den dargelegten Gründen sieht der Verwaltungsgerichtshof die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Genehmigung der Bestellung des namhaft gemachten gewerberechtlichen Geschäftsführers als nicht erfüllt. Im Hinblick auf die Regelung des § 9 Abs. 1 GewO 1973 war damit aber auch die beantragte Bewilligung für das gebundene Gewerbe "Überlassung von Arbeitskräften" am bezeichneten Standort zu verweigern.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 55 Abs. 1 erster Satz, 47 Abs. 2 Z. 1, 48 Abs. 1 Z. 2 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Ersatz von Stempelgebühren war nur im begehrten Ausmaß zuzusprechen.