VwGH vom 02.05.1995, 95/02/0018
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Holeschofsky als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Eigelsberger, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich, Außenstelle Mistelbach, vom , Zl. Senat-GF-94-407, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Angelegenheit Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung eines Einspruches gegen die Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf vom , betreffend Bestrafung wegen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, abgewiesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser hat erwogen:
Die erwähnte Strafverfügung wurde dem Beschwerdeführer am zugestellt. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde im wesentlichen damit begründet, der Beschwerdeführer habe die erwähnte Strafverfügung dem Rechtsanwalt Dr. S. per Fax mit dem Auftrag übermittelt, dagegen Einspruch zu erheben. Der Beschwerdeführer habe zu diesem Zeitpunkt nicht gewußt, daß Dr. S. verschwunden gewesen sei und in der Folge mit Wirkung per auf die Ausübung der Rechtsanwaltschaft verzichtet habe. Davon habe der Beschwerdeführer erst durch ein Schreiben des von der Rechtsanwaltskammer zum mittlerweiligen Stellvertreter bestellten Dr. R. vom Kenntnis erlangt. In diesem Schreiben habe Dr. R. unter anderem ausgeführt, daß die Bestellung in erster Linie zum Einschreiten bei Gefahr im Verzuge erfolge. Der Beschwerdeführer habe daher annehmen dürfen, daß - sofern nicht ohnehin bereits Dr. S. die erforderlichen Schritte in die Wege geleitet gehabt habe - Dr. R. sich um die Angelegenheit kümmern werde. Erst als eine Mitarbeiterin des nunmehrigen Vertreters des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit der Durchsetzung von Ansprüchen gegen den Versicherer am Akteneinsicht in den bezüglichen Strafakt hätte nehmen können, habe der Beschwerdeführer davon Kenntnis erlangt, daß sein ehemaliger Rechtsfreund keinen Einspruch gegen die Strafverfügung erhoben habe. Beim plötzlichen Verschwinden des Anwaltes handle es sich um ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis, an welchem den Beschwerdeführer kein Verschulden treffe; auch dem seinerzeitigen Rechtsanwalt sei kein Verschulden zurechenbar, da dessen Handlungsweise offensichtlich auf eine psychische Störung zurückzuführen gewesen sei.
Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft. Nach § 71 Abs. 2 AVG muß ein solcher Antrag auf Wiedereinsetzung binnen zwei Wochen nach dem Wegfall des Hindernisses gestellt werden.
Als Hindernis im Sinne des § 71 Abs. 2 AVG ist dabei jenes Ereignis nach § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG zu verstehen, das die Fristeinhaltung verhindert hat; in dem Zeitpunkt, in dem ein allfälliger Tatsachenirrtum erkannt werden konnte und mußte, hörte das Hindernis auf. Von einer solchen "Kenntnis" ist bereits dann auszugehen, sobald die Partei (bzw. deren Vertreter) die Verspätung "bei gehöriger Aufmerksamkeit" erkennen konnte und mußte (vgl. zum Ganzen in Hinsicht auf die vergleichbaren Regelungen des § 46 Abs. 1 und 3 VwGG den hg. Beschluß vom , Zl. 94/02/0270).
Im Lichte dieser Rechtsprechung wurde dem in Rede stehenden Wiedereinsetzungsantrag im Ergebnis zu Recht nicht stattgegeben. Zunächst ist nicht ersichtlich, daß der Beschwerdeführer ohne weiteres darauf vertrauen durfte, daß Dr. S. jedenfalls den ihm erteilten Auftrag, Einspruch zu erheben, übernehmen werde, zumal der Beschwerdeführer nicht behauptet hat, eine derartige Vorgangweise sei bereits vor dem in Rede stehenden Vorfall üblich gewesen. Davon ausgehend hätte der Beschwerdeführer aber jedenfalls anläßlich des im Wiedereinsetzungsantrag erwähnten Schreibens des Dr. R. vom bei der nach der obzitierten Rechtsprechung geforderten "gehörigen Aufmerksamkeit" sich vergewissern müssen, ob der Einspruch tatsächlich erhoben wurde, was der Beschwerdeführer jedoch unterlassen hat. Die Frist des § 71 Abs. 2 AVG hat daher spätestens mit Kenntnis des Schreibens des Dr. R. durch den Beschwerdeführer begonnen und wurde der mit Schriftsatz vom gestellte Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sohin verspätet eingebracht. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein weiteres Eingehen auf das Beschwerdevorbringen.
Die vorliegende Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Da sich die belangte Behörde in ihrem Schriftsatz anläßlich der Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens einer Stellungnahme zum Beschwerdevorbringen enthalten und im wesentlichen nur auf die Begründung des angefochtenen Bescheides verwiesen hat, kann dieser Schriftsatz nicht als eine den Anspruch auf Ersatz des Schriftsatzaufwandes begründende Gegenschrift angesehen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 91/19/0117).