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VwGH vom 28.06.2001, 2000/16/0560

VwGH vom 28.06.2001, 2000/16/0560

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde der R Betriebsges.m.b.H. in W, vertreten durch Mag. Dr. Thomas Keppert, Wirtschaftsprüfer in Wien VI, Theobaldgasse 17/11, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission Wien vom , Zl. MD-VfR - S 60 und 61/98, betreffend Haftung für Getränkesteuer ( bis ), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Stadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur verfahrensrechtlichen Vorgeschichte wird auf den hg. Akt VH 99/16/0015 und den hg. Beschluss 2000/16/0559-5 WE verwiesen.

Zu FN 116926a (früher: HRB 2413) des LG Wr. Neustadt war die "Birgit Yildirim GmbH" registriert, die ihren Sitz in Tribuswinkel, Gemeinde Traiskirchen, hatte. Diese Gesellschaft wurde am von Amts wegen gelöscht.

Zu FN 109215k (früher: HRB 20511a) des HG Wien war ebenfalls eine "Birgit Yildirim GmbH" mit dem Sitz in 1232 Wien, Laxenburgerstraße 365 registriert, wobei unter der FN 109215k jetzt eine "Messan Handelsges.m.b.H." ausprotokolliert ist.

Dazu findet sich in den Verwaltungsakten folgender undatierte Vermerk:

"Übersicht über Gesellschaftsentwicklung betreffend

SELINA Gastronomiebetriebs GmbH und BIRGIT YILDIRIM GmbH.

Frau Maria Wieser war in ihrer Vorehe mit Herrn Yildirim verheiratet, ihr Ehename war Birgit Maria Yildirim. Nach der Scheidung wollte sie weder mit ihrem Ehemann noch mit ihrem Ehenamen etwas zu tun haben und beantragte eine Namensänderung (Kopie der Bestätigung vom Magistrat der Stadt Wien vom und vom Bescheid der MA 61 vom 29.59.1995 liegen bei).

Damals wurden zwei Firmen Birgit Yildirim GmbH gegründet:

1.) Birgit Yildirim GmbH mit dem Sitz in Wien FN 109 215 des HG Wien

2.) Birgit Yildirim GmbH mit dem Sitz in Niederösterreich HRB 2413 des HG beim KG Wr. Neustadt

Die unter 1.) angeführte Firma befasste sich nicht mit dem Restaurantbetrieb, hatte auch kein Konto bei der WGKK und niemals Dienstnehmer.

Die unter 2.) angeführte Firma war die Betreiberfirma des Restaurants und hatte das Konto bei der WGKK, auf welchem die Beitragsschulden bestehen.

Schon vor der Scheidung der Ehegatten Yildirim am nahmen die Firmen unterschiedliche Entwicklungen.

Bei der unter 2.) angeführten Firma war es bereits vor Jahren zu einem Gesellschafter und Geschäftsführerwechsel gekommen. Allein verantwortlich war seit Herr Öztürk, der auch die Beitragsschulden zu Lasten der WGKK zu verantworten hat. Herr Öztürk hat Rechnungen über die Lebensmittel und Getränke unterschrieben, die als Kaufvertrag gewertet werden können.

Die unter 1.) angeführte Firma wurde in die Messan Handels GmbH umgewandelt, deren Geschäftsführer ein Herr Ahmet Cengiz Yildirim ist.

Zur Verwechslung geeignet sind die beiden namensgleichen Firmen Birgit Yildirim GmbH und ,"die Übersiedlung beider Firmen nach 1232 Wien, Laxenburgerstraße 365 (es handelt sich um den Großmarkt).

Eine Betriebsübernahme bzw. Weiterführung liegt nicht vor. Der frühere Küchenchef, Herr G. Nagl ist bereits im März 1995 vom damaligen Geschäftsführer Öztürk gekündigt worden; ohne einen Küchenchef, der die wichtigste Person im Restaurantbetrieb ist, kann ein Restaurants nicht weitergeführt werden."

Mit Bescheid vom setzte die Abgabenbehörde erster Instanz gegen die "Birgit Yildirim Ges.m.b.H." (8., Laudongasse 13) für die Zeit vom bis Getränkesteuer fest. Am Ende dieses Bescheides ist unter "Ergeht an" nach der Firma der Bescheidadressatin die Anschrift:

"Werkgasse 5, 2512 Tribuswinkel" genannt.

Mit Haftungsbescheid vom zog die Abgabenbehörde erster Instanz die Beschwerdeführerin gemäß § 12 Abs. 1 WAO mit folgendem Spruch zur Haftung heran:

"Die Selina Gastronomiebetriebs GmbH. wird auf Grund des § 12 Abs. 1 und §§ 2 und 5 der Wiener Abgabenordnung - WAO, LGBl. für Wien Nr. 21/1962, in der geltenden Fassung, zur Zahlung der für die Zeit von bis im Betrieb in Wien 8, Laudongasse 13 entstandenen Getränkesteuerschuld der Vorgängerin Messan Handels GmbH. (vormals: Birgit Yildirim GmbH.), im Betrage von

35.662,-- S

herangezogen und gleichzeitig gemäß § 171 WAO aufgefordert, diesen Betrag binnen einem Monat nach Zustellung dieses Bescheides zu entrichten."

Begründet wurde dies damit, die Beschwerdeführerin habe den Betrieb im Mai 1995 käuflich erworben, es liege eine Übereignung im Ganzen vor.

Die Beschwerdeführerin erhob sowohl gegen den Abgabenbescheid vom als auch gegen den Haftungsbescheid Berufung (und zwar mit zwei getrennten Eingaben vom ), wobei in beiden Rechtsmitteln unter anderem ausdrücklich die Kollission der Getränkesteuer mit dem Gemeinschaftsrecht geltend gemacht wurde.

Die belangte Behörde fällte über beide Berufungen (nach Wiedergabe des Spruches des erstinstanzlichen Haftungsbescheides) folgenden Spruch:

"Über die dagegen sowie gegen den Abgabenanspruch vor der Selina Gastronomiebetriebs GesmbH, vertreten durch Herrn Mag. Dr. Thomas Keppert, beeideter Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, fristgerecht eingebrachten Berufungen hat die Abgabenberufungskommission in ihrer Sitzung vom entschieden wie folgt:

Gemäß § 224 Abs. 2 der Wiener Abgabenordnung - WAO, LGBl. für Wien Nr. 21/1962, in der geltenden Fassung, wird die Berufung gegen den Abgabenanspruch (Bescheid der Magistratsabteilung 4, Referat 7, vom , Zl. MA 4/7 - 906/96) als unbegründet abgewiesen.

Die Berufung gegen den Haftungsbescheid wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass im Spruch der Name der Vorgängerin 'Birgit Yildirim GesmbH mit Sitz in Tribuswinkel' zu lauten hat."

Die vorgenommene Spruchkorrektur wurde wie folgt begründet:

"Der Umstand, dass im angefochtenen Bescheid die Messan Handels GesmbH (vormals: Birgit Yildirim GesmbH) als Vorgängerin angeführt ist, ist offensichtlich auf ein Vergreifen im Ausdruck der Behörde erster Instanz zurückzuführen. Bei der Berufungswerberin konnte jedoch dennoch kein Zweifel entstehen, für wessen Abgabenrückstände sie zur Haftung herangezogen wird, zumal ihr als Beilage zum angefochtenen Bescheid auch der diesem zugrundeliegende Bemessungsbescheid zugestellt wurde, der an die Birgit Yildirim GesmbH mit Sitz in Tribuswinkel gerichtet ist. Der angefochtene Bescheid war daher diesbezüglich richtig zu stellen."

In der Sache selbst erachtete die belangte Behörde die Haftungsvoraussetzungen betreffend die Beschwerdeführerin für gegeben und verneinte ausdrücklich die geltend gemachte Gemeinschaftsrechtswidrigkeit.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht darauf verletzt, nicht zur Haftung für eine gegen das Gemeinschaftsrecht verstoßende Getränkesteuerschuld herangezogen zu werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde begehrt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Auszugehen ist davon, dass die Beschwerdeführerin im Wege der gemäß § 193 Abs. 1 WAO auch gegen den Abgabenbescheid erhobenen Berufung vom rechtzeitig einen Rechtsbehelf i.S. des Urteiles des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom in der Rs C-437/97, eingelegt hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinen auf Grund des zitierten Urteiles des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften ergangenen Erkenntnissen vom , Zl. 2000/16/0117 (vormals Zl. 97/16/0221) und Zl. 2000/16/0116 (vormals Zl. 97/16/0021) ausgeführt, dass die belangte Behörde dann, wenn sie auf Basis des von ihr angewendeten innerstaatlichen Rechtes die Vorschreibung der Getränkesteuer auf alkoholische Getränke billigte, ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet hat. Dies ist auch im hier zu beurteilenden Fall erfolgt, weshalb der angefochtene Bescheid bereits aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben ist.

Im Hinblick auf die Frage, inwieweit durch spätere, rückwirkend erlassende landesgesetzliche Bestimmungen die sich aus Punkt 3. des zitierten Urteiles des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften ergebende Rückzahlungspflicht davon abhängig gemacht wird, wer die Abgabe wirtschaftlich getragen hat, wird auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen, dass es für den anzuwendenden Prüfungsmaßstab unmaßgeblich ist, wenn der Gesetzgeber das von der Behörde angewendete Gesetz nach Erlassung des angefochtenen Bescheides, aber vor der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes rückwirkend ändert (vgl. dazu die bereits oben zitierte hg. Judikatur, auf die gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird).

Mit Rücksicht darauf, dass der angefochtene Bescheid bereits aus den vorstehenden Gründen als inhaltlich rechtswidrig aufzuheben ist, erübrigt sich ein weiteres Eingehen auf die Frage, ob die belangte Behörde durch die von ihr vorgenommene Änderung der Bezeichnung der Primärschuldnerin nur eine zulässige Bescheidberichtigung oder aber eine unzulässige Änderung der Identität der Sache durch Austausch des Haftungstatbestandes vorgenommen hat (vgl. dazu z.B. Ritz, BAO-Kommentar2 Rz 4 Abs. 1 und Rz 5 zu § 289 BAO und die dort jeweils angeführte hg. Judikatur).

Die vorstehende Entscheidung konnte mit Rücksicht auf die zitierte hg. Rechtsprechung in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden, wobei von der Durchführung der beantragten Verhandlung aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z. 4 und Z. 6 VwGG Abstand genommen werden konnte.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am