VwGH vom 01.07.1987, 85/01/0290

VwGH vom 01.07.1987, 85/01/0290

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Draxler, Dr. Großmann, Dr. Hoffmann und Dr. Herberth als Richter, im Beisein des Schriftführers Regierungsrat Dr. Seyfried, über die Beschwerde 1. der Verlassenschaft nach dem am verstorbenen HG und 2. des Dkfm. HS in W, beide vertreten durch Dr. Peter Karl Wolf, Rechtsanwalt in Wien I, Schubertring 8, gegen den Bescheid des Berufungssenates der Stadt Wien vom , Zl. MDR-G 30/82, betreffend Anmeldepflicht von Tennisplätzen, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 2.300,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Wiener Magistrat hat mit Bescheid vom gemäß § 6 Abs. 1 Z. 6 des Wr. Veranstaltungsgesetzes festgestellt, dass entsprechend der Anmeldung des (am verstorbenen) HG und des Dkfm. HS der Betrieb der Tennisplätze in Wien n1, A-straße 1, und Wien n2, B-straße 31, der Anmeldepflicht unterliege; das auf die Feststellung des Nichtvorliegens der Anmeldepflicht lautende Ansuchen wurde abgewiesen. Begründend führte die Behörde aus, dass der Ansicht, die Vermietung derartiger Plätze sei als "freies Gewerbe" einzustufen und bedürfe keiner Anmeldung nach dem Wr. Veranstaltungsgesetz, der eindeutige Wortlaut des Gesetzes und die in der Folge darauf gestützten Anmeldungen entgegenstünden. Die Tennisplätze bestünden nicht nur aus den Spielflächen, sondern auch aus Nebeneinrichtungen wie Sanitär- und Garderobeanlagen und würden öffentlich zugänglich betrieben. Vorführungen vor Zuschauern seien nicht wesentlich, da schon der Sportbetrieb für zahlreiche Spieler als öffentliche Veranstaltung gelte.

In der gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufung wurde neben behaupteten Feststellungsmängeln im wesentlichen vorgebracht, eine richtige wörtliche Auslegung des § 6 Abs. 1 Z. 6 des Wr. Veranstaltungsgesetzes in Zusammenhalt mit dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 1809/79, müsse zum Ergebnis führen, dass die von den Beschwerdeführern betriebenen Tennisplätze nicht der Anmeldepflicht unterlägen. Es sei von der im § 6 ABGB angeordneten Wortauslegung unter Beachtung des Grundsatzes der Einheit der Rechtsprache auszugehen. "Tennisspielen" könne keinesfalls dem Begriff der "Belustigung" im Sinne des Art. 15 Abs. 3 B-VG unterstellt werden; eine entsprechende Ausnahme könne aus § 1 Abs. 2 des Wr. Veranstaltungsgesetzes abgeleitet werden, wonach die nicht vom Kompetenztatbestand des Art. 15 Abs. 3 B-VG erfassten Veranstaltungen von der Anwendung des Wr. Veranstaltungsgesetzes ausgenommen seien. Jede andere Auslegung würde den Gleichheitsgrundsatz verletzen bzw. eine verfassungsrechtliche Kompetenzwidrigkeit begründen.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde der Bescheid des Wiener Magistrates bestätigt und festgestellt, dass der öffentliche Betrieb der Tennisplätze in Wien n1, A-straße 1, und Wien n2, B-straße 31, der Anmeldepflicht unterliege. Begründend führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, dass nicht jede selbstständige und dauernde, im Interesse des Erwerbes geübte, auf Gewinn berechnete Tätigkeit ein Gewerbe im Sinne des Art. 10 Abs. 1 Z. 8 B-VG sei. Unter Hinweis auf die "Versteinerungstheorie" ergebe sich, dass die in der Regel erwerbsmäßig betriebenen Unternehmungen öffentlicher Belustigungen und Schaustellungen aller Art nicht zu den Angelegenheiten des Gewerbes und der Industrie, was auch bereits für den Anwendungsbereich der Gewerbeordnung 1859 gegolten habe, gehörten. Auch das Halten von Eislaufplätzen sei - wie sich aus der einschlägigen, in der Zeit zwischen 1898 bis 1923 maßgebenden Literatur und aus einem Erlass des Wiener Magistrates aus dem Jahre 1894 ergebe - nicht als Gewerbeunternehmung, sondern als Veranstaltung einer öffentlichen Belustigung angesehen worden. Der Betrieb von Tennisplätzen sei in dieser Hinsicht dem Betrieb von Eislaufplätzen gleichzuhalten und es entspreche dieser auch nach seiner Art den vom Publikum selbst getragenen Publikumstanz- und Spielautomatenbetrieben, deren Zugehörigkeit zu den öffentlichen Belustigungen auch bei erwerbsmäßigem Betrieb durch die Judikatur festgestellt sei. Auch der von den Beschwerdeführern erwähnte Betrieb von Schachspiel- und Bridge-Stuben unterliege dem Wr. Veranstaltungsgesetz, soweit es sich nicht um die in Gastgewerbebetrieben gehaltenen, einen Annex zum Gastgewerbebetrieb bildenden erlaubten traditionellen Spiele (§ 191 Abs. 4 GewO 1973) handle, deren Halten nach § 1 Abs. 2 Z. 4 Wr. Veranstaltungsgesetz als nicht vom Art. 15 Abs. 3 B-VG erfasste Veranstaltungen in den Anwendungsbereich der Gewerbeordnung 1973 und nicht in den des Wr. Veranstaltungsgesetzes fielen. Welche Veranstaltungen als "Belustigung" im Sinne des § 1 Abs. 1 Z. 17 GewO 1973 zu gelten hätten, sei - wie erwähnt - allein nach der am bestandenen Ausprägung dieses Kompetenzbegriffes des B-VG zu beurteilen. Eine allfällige Ausweitung des Gewerbebegriffes durch die Vollziehung auf Kosten des Belustigungsbegriffes, welche allenfalls zu Fehlentscheidungen geführt habe (Entgegennahme von Gewerbeanmeldungen), könne den versteinerten Kompetenzbegriff der "Belustigung" nicht einengen. Der Betrieb von Tennisplätzen in der vorliegenden Art müsse demnach als öffentliche Belustigung angesehen werden; für die Anwendbarkeit des Wr. Veranstaltungsgesetzes könne nicht noch zusätzlich verlangt werden, dass die Veranstaltung in Form von organisierten sportlichen Wettkämpfen durchgeführt werden müsse. Der Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 1809/79 gehe ins Leere, weil dieses Erkenntnis zum Wiener Sportgroschengesetz, dessen Veranstaltungsbegriff ("...gegen Entgelt zugängliche Sportveranstaltungen...") eine andere Auslegung erfordere, ergangen sei. Ob eine Veranstaltung im Sinne des Wr. Veranstaltungsgesetzes vorliege, richte sich somit nach der absichtlich weiter gefassten Begriffsbestimmung des Wr. Veranstaltungsgesetzes, die alle dem Kompetenztatbestand des Art. 15 Abs. 3 B-VG zuzurechnenden öffentlichen Belustigungen erfasse und keine Rücksicht darauf nehmen wolle, ob nach einem anderen Rechts- oder Sprachgebrauch von einer "Veranstaltung" gesprochen werden könne. Dass das Wr. Veranstaltungsgesetz nicht nur wettkampfmäßige, organisierte Tennisveranstaltungen erfasse, ergebe sich eindeutig aus § 3 Abs. 1 zweiter Satz und § 5 Abs. 1 Z. 5 sowie § 6 Abs. 1 Z. 6 dieses Gesetzes, wonach der Tennisplatzbetrieb eine andere Veranstaltung sei als die unter § 5 fallende Tennissportveranstaltung. Im übrigen sei der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , Zl. 2287/76, davon ausgegangen, dass der öffentliche Betrieb von Tennisplätzen der Anmeldepflicht nach dem Wiener Veranstaltungsgesetz unterliege, wobei er keine rechtliche Unterscheidung zwischen erwerbsmäßig geführten und sonstigen Tennisplatzbetrieben getroffen habe.

Die Behandlung der gegen diesen Bescheid wegen Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Freiheit der Erwerbsausübung, Unverletzlichkeit des Eigentums, Verfahren vor dem gesetzlichen Richter sowie Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes beim Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde lehnte der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom , B 60/83, ab und trat die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

In der über Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde machen die Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend und bringen - abgesehen von verfassungsrechtlichen Fragen - im wesentlichen vor, die Verwaltungsbehörden seien innerhalb der Grenzen der Rechtskraft an rechtskräftige Akte anderer Behörden gebunden. Dies müsse aus § 38 AVG 1950 geschlossen werden. Es sei im vorliegenden Fall von der Verwaltungsbehörde der Betrieb der Tennisplätze der Gewerbeordnung unterstellt und das Vorliegen eines "freien Gewerbes" festgestellt worden; überdies seien entsprechende Gewerbescheine ausgefolgt worden. Da es sich in jenen Fällen um gültige und rechtskräftige Feststellungsbescheide handle, die mit ihrem Spruch andere Behörden binden, sei die Vorgangsweise der Verwaltungsbehörde, die sich bei Erlassung des angefochtenen Bescheides über die Bindungswirkung der rechtskräftigen (gewerberechtlichen) Bescheide hinwegsetzen, unzulässig gewesen. Darüberhinaus bestimme § 1 Abs. 2 Z. 4 des Wr. Veranstaltungsgesetzes, dass Spiele - so wie die von den Beschwerdeführern betriebenen -, deren Halten in den Anwendungsbereich der Gewerbeordnung 1973 falle, von diesem Gesetz ausgenommen seien. Außerdem sei für die Annahme einer Anmeldepflicht im Sinne des § 6 Abs. 1 Z. 6 des Wr. Veranstaltungsgesetzes die Auslegung des Begriffes "Veranstaltung" entscheidungswesentlich. Ausgehend von den Interpretationsregeln des § 6 ABGB sei vom Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung, woraus der Grundsatz der Einheit der Rechtssprache folge, auszugehen, wonach sich das Gesetz bei Aufstellung gleicher Tatbestandsmerkmale derselben Ausdrücke bediene. Das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 1809/79, lege fest, was nach der grammatikalischen Interpretation unter "veranstalten" zu verstehen sei, nämlich "eine Versammlung mehrerer Personen (zu einem bestimmten Zweck) stattfinden zu lassen, ein (gemeinschaftliches) Unternehmen in die Wege leiten und organisatorisch durchführen: ein Fest, Wettspiele, einen Umzug, eine Ausstellung". Im konkreten Fall könnten darunter nur organisierte sportliche Wettkämpfe verstanden werden, die unter Beachtung bestimmter Regeln vor Publikum, das auf Grund von Eintrittskarten Zutritt erhält, ausgetragen würden. Vom Magistrat seien diese Voraussetzungen weder festgestellt worden, noch lägen sie vor. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch sei demnach für eine Veranstaltung das planmäßige Versammeln einer größeren Anzahl von Personen wesentlich; beides träfe aber nicht zu. Von der Umschreibung des Geltungsbereiches des Wr. Veranstaltungsgesetzes im § 1 ausgehend, könne "Tennisspielen" nicht unter den Begriff "Belustigung" subsumiert werden; unter dem Begriff "Darbietung" wiederum könnten nur organisierte sportliche Wettkämpfe verstanden werden. Auch den anderen in § 1 leg. cit. verwendeten Begriffen "Theateraufführung" und "öffentliche Schaustellung" könne "Tennisspielen" nicht unterstellt werden. Da bei der Auslegung eines Gesetzes auch der Zusammenhang beachtet werden müsse, sei überdies auf § 1 Abs. 2 des Wr. Veranstaltungsgesetzes zu verweisen, welche ausdrücklich die nicht vom Kompetenztatbestand des Art. 15 Abs. 3 B-VG erfassten Veranstaltungen von der Anwendung des Wr. Veranstaltungsgesetzes ausnehme.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 6 Abs. 1 Wr. Veranstaltungsgesetz, LGBl. Nr. 12/1971, ist u.a. für folgende Veranstaltungen die Anmeldung beim Magistrat erforderlich:

....

6. Betrieb von Eislauf- und Tennisplätzen sowie anderen Sportstätten;

....

Gemäß § 1 Abs. 2 des Wr. Veranstaltungsgesetzes idF LGBl. Nr. 22/1976, sind von der Anwendung dieses Gesetzes die vom Kompetenztatbestand des Art. 15 Abs. 3 des Bundes-Verfassungsgesetzes erfassten Veranstaltungen, wie z.B. die unter Z. 4 genannten Spiele, deren Halten in den Anwendungsbereich der Gewerbeordnung 1973, BGBl. Nr. 50/1974, fällt, ausgenommen.

Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem im Beschwerdefall ergangenen Beschluss vom , B 60/83, weder in Ansehung des angefochtenen Bescheides noch in Bezug auf die diesem zu Grunde liegenden einfachgesetzlichen Bestimmungen, wie insbesondere die des § 1 Abs. 2 des Wr. Veranstaltungsgesetzes, verfassungsrechtliche Bedenken im Sinne der Rechtsanschauung der Beschwerdeführer geäußert und die Ansicht vertreten, dass im vorliegenden Fall die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte der Beschwerdeführer nur die Folge einer allenfalls grob unrichtigen Auslegung der eben angeführten Gesetzesstelle wäre. Da verfassungsrechtliche Bedenken der erwähnten Art auch beim Verwaltungsgerichtshof nicht enstanden sind, hängt somit der Erfolg der Beschwerde allein davon ab, ob die belangte Behörde die von ihr herangezogenen Vorschriften des § 1 Abs. 2 sowie des § 6 Abs. 1 Z. 6 des Wr. Veranstaltungsgesetzes richtig angewendet hat oder nicht. Was hiebei zunächst die Regelung des § 1 Abs. 2 des Gesetzes betrifft, so ist der Verwaltungsgerichtshof der Auffassung, dass es sich - auf dem Boden der so genannten Versteinerungstheorie im Sinne der als zutreffend anzusehenden Ausführungen der belangten Behörde beim Betrieb von Tennisplätzen um eine vom Anwendungsbereich des Art. 15 Abs. 3 B-VG erfasste Angelegenheit und nicht um eine solche des Gewerbes im Sinne des Art. 10 Abs. 1 B-VG handelt. Geht man aber von dieser Voraussetzung aus, so bleibt angesichts des klaren Wortlautes des § 6 Abs. 1 Z. 6 des Wr. Veranstaltungsgesetzes für die Rechtsmeinung, der Betrieb von Tennisplätzen wäre von der im Gesetz verankerten Anmeldepflicht ausgenommen, unzweifelhaft kein Raum. Der hieraus folgenden Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides stünde nicht entgegen, wenn - wie die Beschwerdeführer behaupten - der Betrieb von Tennisplätzen auch allenfalls bereits Gegenstand eines gewerbebehördlichen Verfahrens gewesen sein sollte.

Schon daraus geht hervor, dass die von den Beschwerdeführern geltend gemachte Fehlerhaftigkeit des angefochtenen Bescheides im Sinne einer unrichtigen Auslegung des Wr. Veranstaltungsgesetzes nicht vorliegt.

Die sich damit aber als unbegründet erweisende Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich im Umfange des geltend gemachten Ersatzanspruches auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit Art. I lit. B Z. 4 der Verordnung vom , BGBl. Nr. 243, über die Pauschalierung der Aufwandersätze im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof.

Wien, am