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VwGH vom 07.12.2000, 2000/16/0366

VwGH vom 07.12.2000, 2000/16/0366

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerden der M 2000 AG als Rechtsnachfolgerin der M 2001 AG in W, vertreten durch Fiebinger, Polak, Leon & Partner, Rechtsanwälte in 1060 Wien, Am Getreidemarkt 1, gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom , Zlen. RV-60-09/12/00, RV 61-09/12/00 und RV-62-09/12/00, betreffend Börsenumsatzsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 13.695,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin erwarb mit drei Notariatsakten vom Geschäftsanteile an der Privat Radio BetriebsgmbH von N in der Höhe von S 110.000,-- (= 22 % Stammkapital), von C in der Höhe von S 5.000,-- (= 1 % Stammkapital) und vom W in der Höhe von S 35.000,-- (= 7 % Stammkapital). Der jeweils im Punkt Zweitens der Notariatsakte vereinbarte Kauf- und Abtretungspreis betrug für die Geschäftsanteile von N S 110.000,--, C S 5.000,-- und W S 300.000,00.

In allen drei Notariatsakten findet sich unter Punkt Viertens Absatz 2 folgende Vereinbarung:

"M 2001 übernimmt die auf den abgetretenen Teil des Geschäftsanteiles entfallenden Patronatserklärungen von (N, C, W) gegenüber der E Bank für die Kreditsumme von insgesamt ATS 30.000.000,00 und verpflichtet sich, (N, C, W) hinsichtlich dieses Teiles der von diesem abgegebenen Patronatserklärungen schad- und klaglos zu halten."

Mit den Bescheiden vom und vom schrieb das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien der Beschwerdeführerin als Rechtsnachfolgerin der M 2001 AG die Börsenumsatzsteuer vor. In die Bemessungsgrundlage der Börsenumsatzsteuer wurden die jeweils unter Punkt Zweitens des Notariatsaktes vereinbarten Kauf- und Abtretungspreise sowie die anteilig übernommenen Haftungen (1 %, 7 % bzw. 22 % von S 30.000.000,00) eingerechnet.

In den gegen diese Bescheide erhobenen Berufungen brachte die Beschwerdeführerin vor, es hätte keine Einbeziehung von Haftungsbeträgen in die Bemessungsgrundlage erfolgen dürfen. Die Verträge seien hinsichtlich der Übertragung der Haftungen aus den Patronatserklärungen auf Grund gemeinsamen Irrtums der Vertragsparteien nie rechtswirksam zustande gekommen. Sämtliche Vertragsparteien seien davon ausgegangen, die E Bank verlange aus Anlass der Abtretung der Geschäftsanteile von der Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin auch eine anteilige Übernahme der Patronatserklärungen. Da die E Bank die Übernahme der Patronatserklärungen nicht verlangt habe, sei eine diesbezügliche Änderung dieses Vertragspunktes von den abtretenden Gesellschaftern auch akzeptiert worden. Tatsächlich seien die abtretenden Gesellschafter gegenüber der E Bank uneingeschränkt aus ihren Patronatserklärungen bis zur Rückgabe der Patronatserklärungen durch die E Bank am direkt verpflichtet geblieben. Die Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin habe nur entsprechend ihrer ursprünglichen 2 %- igen Beteiligung als Patron gegenüber der E Bank gehaftet.

In der Begründung der die Berufungen abweisenden Berufungsvorentscheidungen vom führte das Finanzamt aus, die Börsenumsatzsteuerpflicht entstehe durch den Abschluss des schuldrechtlichen Vertrages, der die Verpflichtung zur Übereignung der Wertpapiere begründe. Das dingliche Erfüllungsgeschäft sei für die Besteuerung ohne Bedeutung. Werde das Verpflichtungsgeschäft nach seinem Abschluss aufgehoben oder storniert, so entfalle die Steuerschuld nicht. Die Durchführung des Vertrages habe auf die Höhe der einmal entstandenen Steuerschuld keinen Einfluss, weil die einmal entstandene Steuerpflicht durch nachträgliche Ereignisse nicht wieder beseitigt werden könne. Eine Vertragsanfechtung wegen Irrtums sei überdies gerichtlich vorzunehmen.

Die Beschwerdeführerin beantragte die Erlassung von zweiten Berufungsvorentscheidungen und in eventu Entscheidungen über die Berufungen durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Die Übernahme der Patronatserklärungen sowie der vertraglichen Verpflichtung, die abtretenden Gesellschafter hinsichtlich der von diesen abgegebenen Patronatserklärungen schad- und klaglos zu halten, seien aufschiebend bedingte Zahlungsverpflichtungen, deren Bedingungen jedoch nie eingetreten seien. Aufschiebend bedingte Anschaffungsgeschäfte könnten jedoch der Börsenumsatzsteuer nicht unterliegen, dies habe auch der Verfassungsgerichtshof durch die Aufhebung der Worte "bedingte oder" im § 18 Abs. 2 Z. 3 KVG bestätigt. Unter den vereinbarten Preis des § 21 Z. 1 KVG falle die Übernahme ziffernmäßig bestimmter Haftungen nur dann, wenn die Haftungsübernahme Voraussetzung für den Erwerb der Gesellschaftsrechte gewesen sei und zu einer Vermehrung des Vermögens des Verkäufers geführt habe. Bei einer einvernehmlichen Aufhebung des Vertrages durch die Parteien werde von der Lehre und Rechtssprechung das Erfordernis der gerichtlichen Geltendmachung eines Irrtums nicht verlangt.

Die Beschwerdeführerin legte drei Schreiben von N, C und W vor, die damit bestätigten, sämtliche Vertragsparteien seien davon ausgegangen, die E Bank verlange aus Anlass der Abtretung der Geschäftsanteile, dass die Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin entsprechend den von ihr übernommenen Geschäftsanteilen gegenüber der E Bank die Patronatserklärung abgebe. Die E Bank habe die Übernahme der Patronatserklärungen nicht verlangt und habe auch ohne deren Übernahme den Abtretungsanträgen zugestimmt. Die Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin habe unter Berufung auf den gemeinsamen Irrtum die Irrtumsanfechtung hinsichtlich dieses Vertragspunktes geltend gemacht, der von den abtretenden Gesellschaftern auch akzeptiert worden sei. Bis zur Rückgabe der Patronatserklärungen am durch die E Bank seien die abtretenden Gesellschafter von der E Bank auch nicht in Anspruch genommen worden.

Die belangte Behörde wies die Berufungen mit den angefochtenen Bescheiden als unbegründet ab. In der Begründung der Bescheide wurde ausgeführt, auch ein bedingt vereinbarter Kaufpreis sei als Teil des Anschaffungsgeschäftes zu verstehen und in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen. Der vereinbarte Preis bestehe nicht nur aus dem Barpreis, sondern aus der Gesamtheit der Leistungen, die der Erwerber vereinbarungsgemäß dem Veräußerer oder einem Dritten zu erbringen verpflichtet sei. Eine Einschränkung auf Gegenleistungen, die unbedingt zu leisten seien, enthalte das KVG nicht. Die Börsenumsatzsteuer besteuere das schuldrechtliche Geschäft ohne Rücksicht auf eine spätere Erfüllung und auch dann, wenn zum Zeitpunkt des Abschlusses Ungewissheit bestehe, ob eine Erfüllung überhaupt eintrete. Die vertraglich übernommenen Haftungen seien ohne Rücksicht darauf in die Bemessungsgrundlage der Börsenumsatzsteuer einzubeziehen, ob der Erwerber des Anteiles letztendlich überhaupt zur Haftung herangezogen werde. Ob es zu einer Übernahme der Patronatserklärungen gekommen sei oder ob die Verpflichtungen zur Übernahme der Patronatserklärungen einvernehmlich aufgehoben worden seien, habe auf das Ergebnis des Verfahrens keinen Einfluss.

In den gegen die genannten Bescheide erhobenen Beschwerden wird sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht, keine Börsenumsatzsteuer bezahlen zu müssen, verletzt.

Die belangte Behörde erstattete Gegenschriften und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden im Hinblick auf ihren sachlichen und persönlichen Zusammenhang zur gemeinsamen Beschlussfassung verbunden und erwogen:

Gemäß § 17 Abs. 1 KVG unterliegt der Börsenumsatzsteuer der Abschluss von Anschaffungsgeschäften über Wertpapiere, wenn die Geschäfte im Inland oder unter Beteiligung wenigstens eines Inländers im Ausland abgeschlossen werden.

Nach § 18 Abs. 2 Z. 3 KVG gelten als Anschaffungsgeschäfte auch bedingte oder befristete Anschaffungsgeschäfte.

Nach § 19 KVG gelten als Wertpapiere u.a. Anteile an inländischen Kapitalgesellschaften.

Gemäß § 21 Z. 1 KVG wird die Steuer regelmäßig von dem vereinbarten Preis berechnet.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind unter dem vereinbarten Preis neben dem Kaufpreis auch noch sämtliche andere ziffernmäßig bestimmten Leistungen zu verstehen, die der Erwerber erbringen muss, um die Geschäftsanteile zu erhalten (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Zlen. 93/16/0142, 0143, und vom , Zl. 99/16/0454). Auch die Übernahme einer ziffernmäßig bestimmten Haftung ist der Bemessungsgrundlage für die Börsenumsatzsteuer hinzuzurechnen, wenn sie Voraussetzung für den Erwerb des Geschäftsanteiles ist. Eine vertraglich übernommene Haftungsverpflichtung ist ohne Rücksicht darauf in die Steuerbemessungsgrundlage einzubeziehen, ob der Erwerber des Geschäftsanteils letztlich überhaupt als Haftender herangezogen wird (vgl. das kürzlich ergangene hg. Erkenntnis vom , Zl. 97/16/0354, mit weiteren Nachweisen).

Die Beschwerdeführerin hat mit der Übernahme der auf den abgetretenen Teil der Geschäftsanteile entfallenden Patronatserklärungen und der Verpflichtung, die abtretenden Gesellschafter hinsichtlich dieser Teile schad- und klaglos zu halten, eine Haftungsverpflichtung übernommen, die nach der angeführten ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen ist (vgl. hg. Erkenntnisse vom , Zl. 96/16/0046, und vom , Zl. 98/16/0217). Die belangte Behörde hat daher mit Recht die anteilige Haftungsverpflichtung jeweils in die Bemessungsgrundlage bei der Festsetzung der Börsenumsatzsteuer einbezogen.

Die einmal entstandene Steuerpflicht erlischt nicht durch einen späteren Wegfall des diese Steuerpflicht begründenden Tatbestandes. Die Haftungsübernahmen kamen durch den Abschluss der Kauf- und Abtretungsverträge vom rechtswirksam zustande. Die Beschwerdeführerin behauptet auch gar nicht das Vorliegen von Willensmängeln beim Abschluss der Vereinbarungen. Vielmehr macht sie mit ihrem Vorbringen einen nachträglich hervorgekommenen Motivirrtum geltend, der eine bereits entstandene Abgabenschuld selbst dann nicht zum Erlöschen bringen kann, wenn die Vereinbarung nach dem Willen der Vertragsparteien mit Wirkung ex tunc abgeändert wurde.

In den Beschwerden wird eine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide nicht aufgezeigt. Die Beschwerden waren daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG in einem wegen der durch die Rechtsprechung klargestellten Rechtslage gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Wien, am