VwGH vom 24.04.2002, 2000/16/0365

VwGH vom 24.04.2002, 2000/16/0365

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde der B GmbH in I, vertreten durch Dr. Christoph Haidlen, Rechtsanwalt in Innsbruck, Maria-Theresien-Straße 38, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol vom , Zl. A0-7000/16- T 3/99, betreffend Eingangsabgaben, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 1.089,68 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Am wurden beim Hauptzollamt Innsbruck unter der Anmeldungsnummer 800/000/810997/02/3 1817 Stück Skibekleidung und 500 Stück Kunststofftaschen des ausländischen Versenders As. Corporation, Kobe, Japan, für die A GmbH zum freien Verkehr abgefertigt. Bei den Waren handelte es sich um eine unentgeltliche Sendung. Mit Bescheid vom wurden die Eingangsabgaben vorläufig festgesetzt.

In einem Schreiben des Hauptzollamtes Innsbruck vom an die A GmbH wurde darauf hingewiesen, dass die Eingangsabgaben für eine am erfolgte gleichartige Warenlieferung desselben Versenders mit einem Abgabenbescheid vom endgültig festgesetzt worden seien. Ebenso wie in diesem Bescheid sei auch der Zollwert der am abgefertigten Waren im Wege einer Schätzung zu ermitteln. Die A GmbH wurde daher von der Abgabenbehörde aufgefordert, je ein Muster eines Bekleidungsstücks vorzulegen. Dem Empfänger wurde anheimgestellt, andere Umstände, die eine Bewertung der Waren ermöglichten, bekanntzugeben.

In einer Eingabe vom wurde beantragt, ein Berufungsverfahren hinsichtlich der 1991 abgefertigten Waren abzuwarten.

Mit Bescheid des Hauptzollamtes Innsbruck vom wurden die Eingangsabgaben endgültig festgesetzt. Die Abgabenbehörde schätzte den Warenwert unter Heranziehung einer Rechnung desselben Lieferers vom über die entgeltliche Lieferung von Skibekleidung. Zur Gleichartigkeit dieser Waren verwies die Abgabenbehörde auf die "weitgehende Übereinstimmung" der Artikelnummern und der Warenbeschreibung sowie des Verwendungszweckes. Im Hinblick auf die Unterschiedlichkeit der Mengen wurde ein Abschlag von 10 % vorgenommen. Außerdem wurde berücksichtigt, dass den Preisen der zum Vergleich herangezogenen Waren die Lieferung "frei Haus" zugrunde gelegt worden sei. Nach der Begründung des Eingangsabgabenbescheides wurde hinsichtlich der Waren der Artikel-Nummern SVQ16E, SVQ10E, SVL10E und SVL50E ein durchschnittlicher Aufschlag von 63 % gegenüber dem erklärten Zollwert ermittelt, der auf alle eingeführten Waren angewendet wurde.

Gegen diesen Bescheid wurde Berufung erhoben. In einer die Berufung ergänzenden Eingabe vom wurde ausgeführt, die Preise für termingerechte Vorausbestellungen und für Sonderanfertigungen aus Anlass von Nachbestellungen seien unterschiedlich gewesen. Die Preise für Sonderanfertigungen, die bei der (im Jahre 1991 erfolgten) Nachbestellung notwendig gewesen seien, könnten nicht als Vergleichspreise für zu früheren Terminen erfolgte Vorausbestellungen herangezogen werden. In einem dieser Eingabe angeschlossenen Schriftsatz vom wurde ausgeführt, die Lieferung der As. Corporation sei auf Grund einer Engagements dieses Unternehmens für die Ausstattung der österreichischen Skinationalmannschaften erfolgt. Die im Rahmen dieser Kooperation zu liefernden Artikel seien nicht als Handelsware bestimmt gewesen, seien kostenlos geliefert worden und würden daher von der Firma As. zu billigstmöglichen Konditionen oder in Lohnfertigung hergestellt. Dabei würden eine Reihe innerjapanischer Konditionsverbesserungen in Anspruch genommen. Es ergebe sich daher für das Unternehmen ein äußerst niedriger Herstellungspreis, der auch der Bewertung für "non commercial use" zugrunde liege. Die seitens des Österreichischen Skiverbandes zu tätigenden Bestellungen müssten für jedes Jahr bis 30. Juni abgegeben werden. Im Herbst 1991, vermutlich im September, sei auf Grund nicht mehr zu eruierender Umstände eine Nachbestellung abgegeben worden. Dabei habe Entgeltlichkeit akzeptiert werden müssen. Für die Nachlieferung hätten Stoffe, Rohmaterial und Accessoires neu produziert, nachgeliefert und gesondert bearbeitet werden müssen. Ein Fließbandbetrieb sei nicht mehr zur Verfügung gestanden; in einer Musterwerkstätte seien die Teile in Handarbeit gefertigt worden. Durch diese extrem teure Herstellungsvariante sei die vorliegende Bewertungsdifferenz zu erklären.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Die belangte Behörde ging davon aus, dass die gelieferten Mengen der beschwerdegegenständlichen Warensendung einerseits und der entgeltlichen Nachlieferung vom Oktober 1991 nicht übereinstimmten. Unter der Anmeldung WE-Nr 800/000/810997/02/3 seien auch andere Skibekleidungsstücke und auch Kunststofftaschen eingeführt worden. Bei der daher erforderlichen Schätzung des Zollwertes sei zu berücksichtigen, dass es sich bei den Produkten mit den Artikel-Nr. SVQ16C, SVQ10C, SVL10C und SVL50C um gleichartige Waren handle, zumal diese mit den Artikel-Nr. CVQ16E, SVQ10E, SVL10E und SVL50E schon in der Bezeichnung fast gleichlautend seien, gleichartige Materialzusammensetzungen und Eigenschaften aufwiesen und auch der Verwendungszweck derselbe sei. Diese Gleichartigkeit treffe jedoch nur für einen Teil der Sendung zu, sodass eine Anwendung des § 5 Wertzollgesetz nicht in Betracht komme. Das Argument der höheren Herstellungskosten für die Nachlieferung im Oktober 1991 sei für die Anwendung des § 4 Abs 3 WertZG 1980 nicht relevant, weshalb dieses Argument bei der Schätzung nicht zu berücksichtigen gewesen sei. Von wesentlicher Bedeutung seien in diesem Zusammenhang nur Abweichungen bezüglich der Handelsstufe und der gelieferten Menge gewesen.

Nach dem Inhalt der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin durch die bei der endgültigen Abgabenfestsetzung erfolgte Ermittlung des Zollwertes in ihren Rechten verletzt.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und legte

die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zum Sachverhalt ist vorweg festzustellen, dass dem angefochtenen Bescheid nicht eine im Jahre 1991 erfolgte Abfertigung von Waren zum freien Verkehr zugrunde liegt, wie dies sowohl in der Beschwerdeschrift als auch in der von der belangten Behörde verfassten Gegenschrift dargestellt wurde. Die streitgegenständliche Abfertigung erfolgte vielmehr nach dem Ausweis der Akten am . Beide Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen aber erkennbar davon aus, dass der Zollwert der streitgegenständlichen Waren zu schätzen ist. Bei einer solchen Schätzung des Zollwertes gemäß § 184 BAO sind nach § 8 Abs 1WertZG soweit wie möglich die in den §§ 3 bis 7 WertZG angeführten Bewertungsmaßstäbe heranzuziehen.

Kernpunkt des Vorbringens der Beschwerdeführerin war bereits im Verwaltungsverfahren, die im Oktober 1991 auf Grund einer entgeltlichen Nachlieferung an den Hersteller zu leistenden Preise könnten im Hinblick auf die wesentlich höheren Gestehungskosten nicht mit dem Wert der unentgeltlich gelieferten streitgegenständlichen Waren verglichen werden. Die belangte Behörde hat sich mit diesem Vorbringen inhaltlich nicht auseinandergesetzt, weil sie der Auffassung war, derartige Umstände seien im Hinblick auf § 4 Abs. 3 WertZG nicht entscheidend. Mit dieser Auffassung ist die belangte Behörde nicht im Recht:

Die letztgenannte Bestimmung lautet:

(3) Kann ein Kaufgeschäft auf der gleichen Handelsstufe und über vergleichbare Mengen nicht festgestellt werden, so ist der Preis gleicher Waren heranzuziehen, bei denen Abweichungen in Bezug auf die Handelsstufe und die Menge oder eines dieser beiden Elemente vorliegen; dieser Preis ist hinsichtlich der Unterschiede in Bezug auf diese Elemente entsprechend zu berichtigen.

Der in dieser Gesetzesstelle behandelte Sachverhalt lässt keinen Bezug zur hier maßgeblichen Frage erkennen, welche Umstände bei der nach § 184 Abs 1 BAO durchzuführenden Schätzung zu berücksichtigen sind. Die belangte Behörde verkennt dabei offensichtlich, dass die Argumentation der Beschwerdeführerin darauf hinausgelaufen ist, der vom Hersteller in Rechnung gestellte Preis für die Nachlieferung sei wesentlich über dem Wert der ansonsten in einem Massenverfahren hergestellten Waren gelegen. Dass die belangte Behörde bei der von ihr vorgenommenen Schätzung einerseits den in Rechnung gestellten Preis für die nachgelieferten Waren als Ausgangsgrundlage herangezogen hat, andererseits aber eine Auseinandersetzung mit dem Vorbringen, wonach dieser Preis im Sachlichen begründete Abweichungen enthielt, vermieden hat, kann mit der Regelung des § 4 Abs 3 WertZG nicht begründet werden.

Auch die von den Zollbehörden gewählte Methode der Schätzung der Bemessungsgrundlagen zur Festsetzung der Eingangsabgaben erscheint unzutreffend. Die belangte Behörde ging dabei in ihrem Bescheid davon aus, die §§ 4 und 5 WertZG seien nicht anzuwenden, weil die gelieferten Mengen beider Sendungen nicht übereinstimmten und nicht alle Waren gleich bzw gleichartig waren. Dies ist an sich zutreffend, weil die Artikel-Nummern von vier (im angefochtenen Bescheid bezeichneten) Artikeln nur ungefähr, aber doch nicht zur Gänze übereinstimmten, streitgegenständliche Lieferung darüberhinaus nicht nur Skibekleidung, sondern auch 500 Kunststofftaschen enthielt. In diesem Zusammenhang ist auch darauf zu verweisen, dass die Zollbehörde bei der Abfertigung keine Warenproben genommen hat und auch die Beschwerdeführerin im weiteren Verfahren keine Warenproben trotz entsprechender Aufforderung vorlegen konnte. Abgesehen davon, dass sich die belangte Behörde dann doch - wie ausgeführt zu Unrecht - auf § 4 Abs 3 WertZG stützte, wendete sie den auf Grund von einigen ihrer Meinung nach gleichartigen Waren festgestellten Aufschlag auf alle Waren an, obwohl es sich dabei wie ausgeführt um unterschiedliche Waren - nämlich nach dem Ausweis der Akten um 18 verschiedene Arten von Skibekleidungsstücken einerseits und Kunststofftaschen andererseits - handelte. Anhaltspunkte dafür, dass insbesondere der Zollwert der Kunststofftaschen (ebenfalls) um 63 % höher war als der in der Zollwerterklärung angegebene Wert war, hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht dargelegt und sind auch den dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten nicht zu entnehmen.

Da einer Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts gegenüber jener infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften der Vorrang eingeräumt ist, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl II Nr 501/2001. Da neben der Gebühr nach § 24 Abs 3 VwGG keine Beilagengebühr iSd § 14 TP 5 GebG zu entrichten ist, war das Begehren um Ersatz von Stempelgebühren im Ausmaß von S 200,-- abzuweisen.

Wien, am