VwGH vom 13.11.1985, 84/17/0046
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Simon und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Kramer, Dr. Wetzel und Dr. Puck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Dr. Tobola, über die Beschwerde 1) des Dr. P W, Rechtsanwalt in K und 2) der U W in K, diese vertreten durch den Erstbeschwerdeführer, gegen den Bescheid des Stadtsenates der Stadt Krems an der Donau vom , Zl. MA VIII-W-4/1984; betreffend Kanalergänzungsgebühr, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben:
Die Stadt Krems an der Donau hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von § 9.780,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen:
Begründung
Mit Abgabenbescheid des Magistrates der Stadt Krems an der Donau vom wurde den Beschwerdeführern gegenüber hinsichtlich des von ihnen im gerichtlichen Zwangsversteigerungsverfahren (Zuschlagserteilung in der Versteigerungstagsatzung am und grundbücherliche Einverleibung des Eigentumsrechtes am ) erworbenen Objektes im Gebiet der genannten Stadt, Rechte Kremszeile nn, eine Kanaleinmündungs - Ergänzungsgebühr "gemäß § 2 (2) NÖ. Kanalgesetz im Zusammenhalt mit §§ 149 und 150 ff, NÖ. Abgabenordnung, beide Gesetze in der zuletzt gültigen Fassung" in Höhe von S 6.696,-- (einschließlich 8 %iger Umsatzsteuer in Höhe von S 496,--) festgesetzt. Als Abgabentatbestand wurde "die zufolge des ha. Bescheides vom Zahl IV/3-1263/72 erfolgte bauliche Änderung. Ihres Objektes Rechte Kremszeile nn" angeführt. In der Begründung des Bescheides wurde die Berechnung der Kanaleinmündungsgebühr dargelegt.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachten die Beschwerdeführer vor, "sämtliche faktischen und rechtlichen Handlungen, welche eine Kanalergänzungsgebühr rechtfertigen könnten", seien vor der Versteigerungstagsatzung gesetzt worden. Die Kanalergänzungsgebühr hätte daher nur gegenüber den vormaligen Grundeigentümern festgesetzt werden dürfen. Das durch Zwangsversteigerung erworbene Objekt sei lastenfrei erworben worden. Von der Möglichkeit der Anmeldung öffentlicher Abgaben bis zum Versteigerungstermin habe die Behörde nicht Gebrauch gemacht. Außerdem sei der Abgabenanspruch verjährt.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde der Berufung der Beschwerdeführer gemäß § 213 Abs 2 NÖ Abgabenordnung, LGBl. 3400, keine Folge gegeben und der in Berufung gezogene Abgabenbescheid bestätigt. Da § 9 NÖ. Kanalgesetz 1977, LGBl. 8230 (in der Folge: KanalG), vorsehe, dass die Kanalgebühren von jedem Liegenschaftseigentümer zu entrichten seien, für dessen Grundstück die Verpflichtung zum Anschluss bestehe oder der Anschluss bewilligt worden sei, seien die Beschwerdeführer als nunmehrige Eigentümer der Liegenschaft für die Kanalergänzungsgebühr leistungspflichtig. Im vorliegenden Fall sei die Gebührenschuld auf Grund der mit Bescheid der Baubehörde vom erteilten Benützungsbewilligung gemäß § 12 Abs. 1 KanalG mit Eintritt der Rechtskraft dieses Bescheides entstanden. Verjährung sei nicht eingetreten, weil gemäß § 185 Abs. 1 NÖ. AO das Recht, eine fällige Abgabe einzuheben, erst nach Ablauf einer Fünfjahresfrist verjähre.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde. Die Beschwerdeführer erachten sich in ihrem Recht verletzt, "als Erwerber einer Liegenschaft im gerichtlichen Exekutionsverfahren nicht für im Exekutionsverfahren nicht angemeldete Abgaben und nicht für Abgaben auf Grund von Handlungen, welche der Voreigentümer vorgenommen hat, in Anspruch genommen zu werden", sowie "bereits verjährte Abgaben nicht vorgeschrieben zu erhalten".
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 1 NÖ. KanalG werden die Gemeinden ermächtigt, Kanalgebühren (Kanaleinmündungs-; Ergänzungs-, Sonder und Kanalbenützungsgebühren) von den Eigentümern jener Liegenschaften zu erheben, die nach den geltenden gesetzlichen Bestimmungen zum Anschluss ihrer Liegenschaft an eine bestehende öffentliche Schmutz-, Misch- oder Regenwasserkanalanlage verpflichtet sind oder welchen über Ansuchen der Anschluss bewilligt wird.
Gemäß § 2 Abs. 2 leg. cit. ist bei einer späteren Änderung der seinerzeit der Bemessung zugrundegelegten Berechnungsgrundlagen (§ 3 Abs 2) eine Ergänzungsgebühr zu der bereits entrichteten Kanaleinmündungsgebühr - die gemäß Abs. 1 dieser Gesetzesstelle für den Anschluss an die öffentliche Kanalanlage zu entrichten ist, wenn der Gemeinderat die Einhebung einer solchen Gebühr beschlossen hat - zu entrichten; wenn sich durch diese Änderung gegenüber dem ursprünglichen Bestand nach den Bestimmungen des § 3 Abs. 6 eine höhere Gebühr ergibt. Bei Liegenschaften, die bereits vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes an das öffentliche Kanalnetz angeschlossen waren, gelten der Bestand beim Inkrafttreten dieses Gesetzes als ursprünglicher Bestand und als Änderung der seinerzeit der Bemessung zugrundegelegten Bemessungsgrundlage jede Änderung, die nach den Bestimmungen dieses Gesetzes die Verpflichtung zur Entrichtung einer Ergänzungsgebühr begründet, wenn die Einmündungsgebühr bereits nach den Vorschriften dieses Gesetzes bemessen worden wäre.
Gemäß § 9 leg. cit. sind die Kanalgebühren unabhängig von der tatsächlichen Benützung der öffentlichen Kanalanlage von jedem Liegenschaftseigentümer zu entrichten, für dessen Grundstück nach den Bestimmungen der NÖ. Bauordnung, LGBl. 8200, die Verpflichtung zum Anschluss besteht oder der Anschluss bewilligt wurde.
Gemäß dem mit "Dingliche Wirkung von Bescheiden" überschriebenen § 10 KanalG wirken die nach diesem Gesetz an Eigentümer von Liegenschaften oder Bauwerken oder Bauwerber erlassenen Bescheide, mit Ausnahme jener nach § 15, auch gegen alle späteren Eigentümer.
Gemäß § 12 Abs. 1 KanalG entsteht die Gebührenschuld, wenn die Kanaleinmündungsgebühr (Ergänzungsgebühr, Sondergebühr) anlässlich einer Bauführung zu entrichten ist, mit Eintritt der Rechtskraft der Benützungsbewilligung.
Auf der Grundlage dieser Rechtsvorschriften erweist sich die Inanspruchnahme der Beschwerdeführer als Schuldner einer Kanalergänzungsgebühr als verfehlt. Die Beschwerdeführer waren nämlich im Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruches (vgl. § 12 Abs. 1 KanaIG) noch nicht Eigentümer der streitgegenständlichen Liegenschaft und dem § 9 leg. cit. kommt nicht die Kraft zu, das zwischen dem Abgabengläubiger und den vormaligen Liegenschaftseigentümern - für deren Grundstück nach den Bestimmungen der NÖ Bauordnung im Zeitpunkt der Entstehung der Abgabenschuld die Verpflichtung zum Kanalanschluss bestanden hat oder der Anschluss bewilligt war - begründete (abstrakte) Abgabenschuldverhältnis auf die Beschwerdeführer als spätere Liegenschaftseigentümer auszudehnen. Denn im Gegensatz zu dem nach der Aktenlage hier nicht vorliegenden Fall des § 10 KanalG, wodurch u.a. Abgabenbescheiden dingliche Wirkung verliehen wird, ergibt sich aus § 9 leg. cit. keine analoge "in rem-Wirkung" für das nicht schon durch Abgabenbescheid konkretisierte Abgabenschuldverhältnis; dies insbesondere deswegen nicht, weil eine solche Rechtsfolge ihrer Abweichung vom sonstigen System des Abgabenrechtes zufolge eine klare gesetzliche Anordnung erfordern würde, eine solche aber in der bloßen Wendung in § 9 KanalG. "...von jedem Liegenschaftseigentümer...", die im Zusammenhalt mit § 12 Abs. 1 leg. cit. nur dahingehend verstanden werden kann, dass damit jeder Liegenschaftseigentümer gemeint ist, auf den die Tatbestandsmerkmale des § 9 KanalG im Zeitpunkt des Entstehens der Abgabenschuld zutreffen, nicht zu erblicken ist.
Diese Ausführungen zeigen, dass keine Rechtsgrundlage dafür bestanden hat, die Beschwerdeführer als Abgabepflichtige gemäß § 9 NÖ. KanalG zur Abgabenleistung heranzuziehen. Da die belangte Behörde die Rechtslage mithin verkannt hat, war der angefochtene Bescheid, ohne dass es noch erforderlich gewesen wäre, auf das übrige Beschwerdevorbringen näher einzugehen, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Bemerkt sei, dass der Hinweis der Beschwerdeführer auf § 172 Exekutionsordnung fehlgeht, weil das Unterbleiben einer fristgerechten Erklärung durch die Abgabenbehörden gemäß Abs. 2 leg. cit. nur die in dieser Bestimmung genannten Folgen - nämlich keine oder nur eine nachrangige Zuweisung aus dem Meistbot - hat, nicht aber die Heranziehung der Beschwerdeführer zu einer Geldleistung nach öffentlichem Recht ausschließt.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 243, insbesondere auf deren Art. III Abs. 2.
Wien, am