VwGH vom 09.11.2000, 2000/16/0350
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde der E in W, vertreten durch Riedl & Ringhofer, Rechtsanwälte in Wien I, Franz Josefs Kai 5, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission Wien vom , Zl MD VfR-G 2/2000, betreffend Grundsteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Stadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit einer an den Magistrat der Stadt Wien gerichteten Eingabe vom beantragte die Beschwerdeführerin die Befreiung von der Grundsteuer nach dem Wiener Grundsteuerbefreiungsgesetz 1973 für das Grundstück Parzelle 41 der Kleingartenanlage "Liesingbach". Die Wohnfläche des Kleingartenwohnhauses betrage einschließlich zweier Kellerräume 105 m2. Das Haus diene der Beschwerdeführerin und ihrem Ehemann als ständiger Wohnsitz. Das Haus sei auf einem Grundstück errichtet, welches die Beschwerdeführerin zunächst als Unterpächterin des Zentralverbandes der Kleingärtner innehatte. Im Juni 1998 habe die Beschwerdeführerin das Grundstück von der Gemeinde Wien erworben. Die Kleingartenanlage "Liesingbach" verfüge über die Widmung zum ganzjährigen Wohnen.
Auf eine entsprechende Aufforderung des Magistrates der Stadt Wien übermittelte die Beschwerdeführerin von derselben Behörde ausgestellte Bewilligungen. Auf einem in Kopie in den vorgelegten Verwaltungsakten erliegenden Bauplan vom Oktober 1987 befindet sich der mit datierte baubehördliche Vermerk, dass das Bauvorhaben im Umfang der Bestimmungen des § 8 Wiener Kleingartengesetz als bewilligt gilt. Mit Bescheid vom wurde die Benützungsbewilligung für das auf dem gegenständlichen Grundstück geschaffene Kleingartenhaus erteilt.
Weiters befindet sich in den Akten die Kopie eines an die Beschwerdeführerin ergangenen Bescheides des zuständigen Finanzamtes über eine Zurechnungsfortschreibung zum , wonach der Grundbesitz "Gebäude auf fremdem Grund und Boden" Kleingartenanlage Liesingbach Los 41 als sonstiges bebautes Grundstück festgestellt und der Beschwerdeführerin zugerechnet wurde.
Mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom wurde der Antrag der Beschwerdeführerin um Grundsteuerbefreiung abgewiesen. Begründet wurde der Bescheid damit, dass es sich bei dem gegenständlichen Gebäude lediglich um eine saisonal beschränkte Unterkunftsmöglichkeit handle.
In der Berufung gegen diesen Bescheid wurde insbesondere vorgebracht, das vom Rechtsvorgänger der Beschwerdeführerin geplante Haus sei von ihr durch die Fertigstellung des Stiegenaufganges in den Keller und in den ersten Stock, durch Adaptierung der Kellerräume zu Wohneinheiten, durch Kücheneinbau und Anschluss an den öffentlichen Kanal als Hauptwohnsitz tauglich gemacht worden.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. In der Begründung ging die belangte Behörde davon aus, dass unter einer Wohnung ein in sich abgeschlossener Teil eines Gebäudes zu verstehen sei, der der Befriedigung des Wohnbedürfnisses des Wohnungsinhabers und seiner Familie zu dienen bestimmt sei. Eine solche Befriedigung des Wohnbedürfnisses sei nicht gegeben, wenn die Wohnung nicht zur ganzjährigen Benützung bestimmt sei. Nach der Aktenlage sei mit Baubewilligungsbescheid vom die Bewilligung für die Errichtung eines Kleingartenhauses erteillt worden. Wenn auch die ursprüngliche Bewilligung nach § 71 der Bauordnung für Wien später in eine Bewilligung nach § 70 dieses Gesetzes abgeändert worden sei, ändere dies nichts daran, dass die Baulichkeit weiterhin als Kleingartenhaus zu werten sei.
In der Beschwerde gegen diesen Bescheid erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Grundsteuerbefreiung verletzt.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 2 lit. a des Wiener Grundsteuerbefreiungsgesetzes 1973 wird - unbeschadet des im Beschwerdefall nicht anzuwendenden § 4 - die zeitliche Grundsteuerbefreiung für durch Neubau von Baulichkeiten oder durch Auf-, Zu-, Um- oder Einbauten in bestehende Baulichkeiten oder durch Umbau von Baulichkeiten, deren Erhaltung auf Grund landesgesetzlicher Bestimmungen zur Wahrung des Stadtbildes in Altstadtkernen oder auf Grund des Denkmalschutzgesetzes vorgeschrieben ist, errichtete Wohnungen, ausgenommen die durch die Stadt Wien errichteten Wohnungen gewährt.
Die belangte Behörde geht im angefochtenen Bescheid davon aus, dass eine Wohnung im Sinne dieser gesetzlichen Bestimmung nicht vorliegt, wenn die Baulichkeit nicht zur ganzjährigen Benützung bestimmt ist. Sie vermeint dabei, die in Rede stehende Baulichkeit sei "rechtlich" als Kleingartenhaus zu werten, weil ein Baubewilligungsbescheid vom für die Errichtung eines solchen Kleingartenhauses erteilt worden sei.
Diese Argumentation der belangten Behörde ist in zweifacher Hinsicht verfehlt:
Die belangte Behörde beruft sich zur Definition des Begriffes "Wohnung" auf das zur Rechtslage in Oberösterreich ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 90/15/0152, iVm dem hg. Erkenntnis vom , Zl. 85/17/0141, § 3 des Gesetzes über die zeitliche Befreiung von der Grundsteuer (Wiener Grundsteuerbefreiungsgesetz 1973, zuletzt novelliert durch LGBl. Nr. 34/1993) lautet:
(1) Als Wohnungen im Sinne dieses Gesetzes gelten Wohnungen, deren Nutzfläche, ausgenommen bei Wohngemeinschaften in behindertengerecht ausgestatteten Wohnungen, nicht mehr als 130 m2, bei mehr als fünf im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen nicht mehr als 150 m2 beträgt. Maßgebend für die Beurteilung ist der Zeitpunkt der Einreichung. Nutzfläche einer Wohnung oder eines Geschäftsraumes ist die Gesamtbodenfläche abzüglich der Wandstärke und der in deren Verlauf befindlichen Durchbrechungen (Ausnehmungen); Treppen, offene Balkone und Terrassen sowie Keller- und Dachbodenräume, soweit sie ihrer Ausstattung nach nicht für Wohn- oder Geschäftszwecke geeignet sind, sowie für landwirtschaftliche oder gewerbliche Zwecke spezifisch ausgestattete Räume innerhalb einer Wohnung sind bei der Berechnung der Nutzfläche der Wohnung bzw. des Geschäftsraumes nicht zu berücksichtigen.
(2) Auf das Höchsaustmaß ...
(3) Als Wohnheim gilt ein zur Befriedigung des regelmäßigen Wohnbedürfnisses seiner Bewohner bestimmtes Heim in normaler Ausstattung, das neben Wohn- oder Schlafräumen auch für die Verwaltung und für die Unterbringung des Personals erforderlichen Räume und allenfalls auch gemeinsame Küchen, Speise-, Aufenthalts- und zur vorübergehenden Unterbringung von Heimbewohnern bestimmte Krankenräume sowie allenfalls gemeinsame sanitäre Anlagen enthält.
Das Erfordernis "Befriedigung des regelmäßigen Wohnbedürfnisses" ist daher nur für Wohnheime, nicht aber für Wohnungen im Sinne des Abs. 1 leg. cit. gegeben.
Was unter Wohnung im Sinne des Wiener Grundsteuerbefreiungsgesetzes zu verstehen ist, ist im § 3 dieses Gesetzes eingehend und abschließend geregelt. Diese Begriffsbestimmung, die sich mit bestimmten Modifizierungen erkennbar an vormalige bundesgesetzliche Regelungen der Wohnbauförderung anlehnt, lässt in keiner Weise erkennen, dass darüberhinaus weitere gesetzliche Bestimmungen zur Auslegung des Begriffes einer Wohnung heranzuziehen sind. Wie die Beschwerdeführerin zutreffend ausführt, knüpft somit das Wiener Grundsteuerbefreiungsgesetz 1973 nicht an das Vorliegen - aber auch nicht an ein Nichtvorliegen - eines "Kleingartenhauses" an. Dass zur Auslegung des Begriffes einer "Wohnung" im Sinne des Grundsteuerrechtes Kategorien eines anderen Rechtsgebietes, das wie das Kleingartengesetz Regelungen außerhalb des Abgabenrechts aufstellt, herangezogen werden sollen, kann den hier anzuwendenden abgabenrechtlichen Bestimmungen keinesfalls entnommen werden.
Andererseits hat die Beschwerdeführerin im Abgabenverfahren überzeugend dargelegt, dass die in Rede stehende Baulichkeit eine ganzjährig bewohnbare Wohnung enthält und damit eher dem Begriff des "Kleingartenwohnhauses" im Sinne des § 2 Abs. 8 Wiener Kleingartengesetz 1996 zu unterstellen wäre, wobei es diesen Typ im Zeitpunkt der Erlassung der Baubewilligung noch nicht gegeben hat (Wiener Kleingartengesetz LGBl. Nr. 3/1979 idF LGBl. Nr. 6/1986). Mit diesem Vorbringen hat sich die belangte Behörde in keiner Weise auseinandergesetzt. Dass die belangte Behörde das Vorliegen der Voraussetzungen für die von der Beschwerdeführerin begehrte Grundsteuerbefreiung vielmehr verneint hat, ist nicht nachzuvollziehen.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am