VwGH vom 18.09.2003, 2000/16/0319

VwGH vom 18.09.2003, 2000/16/0319

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Fellner und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Siegl, über die Beschwerde der R in Wien, vertreten durch Mag. Michael C. Steiner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Esslinggasse 9, gegen den Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien vom , Zl. Jv 51113-33a/99, betreffend Nachlass von Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Auf Grund eines beim Jugendgerichtshof Wien geführten Unterhaltsverfahrens ist eine Gerichtsgebührenforderung von S 15.277,-- entstanden, derentwegen die Beschwerdeführerin Nachlass begehrte. Sie gab an, dass sie Notstandshilfe (laut Bestätigung täglich S 339,60 = 10.188,-- monatlich) beziehe und eine Monatsmiete von S 6.269,-- entrichten müsse.

Über Aufforderung durch den Leiter der Einbringungsstelle beim Oberlandesgericht Wien übermittelte sie am ein Vermögensbekenntnis. Neben der Notstandshilfe beziehe sie eine Wohnbeihilfe von S 1.306,-- und die Familienbeihilfe für ihren im gemeinsamen Haushalt lebenden Sohn T., der als Lehrling S 6.110,-- Lehrlingsentschädigung erhalte. Sie habe S 80.000,-- Schulden und müsse monatlich S 4.150,-- für drei weitere Kinder Alimente zahlen. Da die Fixspesen höher als die Einnahmen seien und ihr so gut wie nichts zum Leben bleibe, wäre die Einbringung des geforderten Betrages mit einer besonderen Härte verbunden.

Ein amtswegig eingeholter Grundbuchsauszug brachte eine Liegenschaft der Beschwerdeführerin in P, Grundbuch Bruck/Leitha, zu Tage, wobei allerdings auf Grund eines Schenkungsvertrages vom das Eigentumsrecht für den Sohn der Beschwerdeführerin, T., seit vorgemerkt war; die Liegenschaft ist mit einem Pfandrecht in Höhe von S 1,000.000.- belastet.

Der Schenkungsvertrag wurde vom Grundbuchsgericht beigeschafft; danach ist das darauf errichtete Gebäude vermietet und sollen die Mieterträge vorweg der Abdeckung der "Haushaltungsspesen" dienen und darüber hinaus dem Geschenknehmer zukommen.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dem Nachlassbegehren der Beschwerdeführerin keine Folge. In Anbetracht des Umstandes, dass die Beschwerdeführerin die gegenständliche Liegenschaft an T. mit Vertrag vom verschenkt hätte, könne in der Einbringung eines Betrages von S 15.277,-- keine besondere Härte erblickt werden; daran ändere auch der Bezug der Notstandshilfe, die Miete und die mitgeteilten Schulden und Unterhaltsverpflichtungen nichts.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Gewährung des Nachlasses der Gerichtsgebühren verletzt erachtet. Sie begehrt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, worauf die Beschwerdeführerin replizierte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gem. § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

§ 9 Abs. 2 GEG lautet:

"(2) Gebühren und Kosten können auf Antrag nachgelassen werden, wenn die Einbringung mit besonderer Härte für den Zahlungspflichtigen verbunden wäre oder wenn der Nachlass im öffentlichen Interesse gelegen ist ..."

Die Beschwerdeführerin hat im Verfahren verschiedene Umstände geltend gemacht, weshalb die Einbringung mit besonderer Härte für sie verbunden wäre. Die belangte Behörde gründete die Abweisung dieses Antrages allein auf die Beweisergebnisse, die sie durch Einsichtnahme in den Grundbuchsauszug und den Schenkungsvertrag gewonnen hat. Von dieser Beweisaufnahme wurde die Beschwerdeführerin weder verständigt, noch ihr Gelegenheit geboten, zu den Beweisergebnissen Stellung zu nehmen.

Auch in dem nicht näher gesetzlich geregelten Verfahren über Stundungs- und Nachsichtanträge sind die allgemeinen Grundsätze eines geordneten Verfahrens zu beachten, wozu jedenfalls die Wahrung des Parteiengehörs gehört (Tschugguell-Pötscher, Gerichtsgebühren7, E. 1 zu § 9 GEG). Ergebnisse eines durchgeführten Ermittlungsverfahrens sind auch im Nachlassverfahren dem Antragsteller zur Kenntnis zu bringen (Tschugguell-Pötscher a.a.O., E. 2).

Gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG ist ein Bescheid wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, wenn Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Diese Wesentlichkeit des Verfahrensmangels, der dadurch gegeben war, dass die belangte Behörde das Ergebnis ihrer Beweisaufnahme der Beschwerdeführerin nicht vorhielt, ist im vorliegenden Fall zu bejahen, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass durch die Aufklärung der näheren Umstände dieser Schenkung durch die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren die Behörde allein auf Grund dieses Umstandes nicht zur Ablehnung des Tatbestandsmerkmales "besondere Härte" gelangt wäre.

Individuelle Gründe, die die Eintreibung von Gerichtsgebühren als "besondere Härte" erscheinen lassen, liegen dann vor, wenn durch die Eintreibung der gesetzmäßig festgestellten Gerichtsgebühren der notwendige Unterhalt gefährdet wäre (Tschugguell-Pötscher, a.a.O. E. 96). Zur Beurteilung dieser Frage muss zunächst festgestellt werden, wann die Gerichtsgebührenpflicht entstanden ist und in welcher Weise und zu welchen Zeitpunkten sie gegenüber der Beschwerdeführerin geltend gemacht wurde. In diesem zeitlichen Zusammenhang wird der Liegenschaftsbesitz unter Bedachtnahme auf die Angaben der Beschwerdeführerin zu beurteilen sein, wobei von besonderem Interesse die Einkünfte aus der Vermietung dieses Hauses sind.

All diese Umstände werden in einem den Grundsätzen eines rechtsstaatlichen Verfahrens entsprechenden Beweisverfahren zu klären sein, sodass dann die gebotene Ermessensentscheidung getroffen werden kann.

Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003, insbesondere deren § 3 Abs. 2.

Wien, am