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VwGH vom 28.02.2002, 2000/16/0317

VwGH vom 28.02.2002, 2000/16/0317

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde 1. des M in R (Sri Lanka) und 2. der Z (Pvt) Ltd in C(Sri Lanka), vertreten durch Dr. Horst Auer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Börseplatz - Börsegasse 10, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat VI der Region Linz) vom , GZ ZRV27/1-L6/98, betreffend Aufhebung der Vorschreibung von Zoll und Einfuhrumsatzsteuer sowie Ablehnung eines Antrages auf Erstattung von Einfuhrabgaben nach

Artikel 236 Abs. 1 ZK, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid wird hinsichtlich der Aufhebung der Berufungsvorentscheidung des Hauptzollamtes Feldkirch vom betreffend Vorschreibung des Zolls und der Einfuhrumsatzsteuer an die Zweitbeschwerdeführerin sowie Ablehnung des von beiden beschwerdeführenden Parteien gestellten Antrags auf Erstattung von Einfuhrabgaben nach Artikel 236 Abs. 1 ZK als unbegründet abgewiesen.

Die Zweitbeschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich der Aufhebung der genannten Berufungsvorentscheidung betreffend Vorschreibung des Zolls und der Einfuhrumsatzsteuer an den Erstbeschwerdeführer wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat dem Erstbeschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Das Hauptzollamt Feldkirch teilte dem Erstbeschwerdeführer mit Bescheid vom die gemäß Artikel 202 Abs. 1 Buchstabe a und Abs. 3 Zollkodex (ZK) in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG) für ihn am entstandene Eingangsabgabenschuld von S 33.307,--

an Zoll und S 228.711,-- an Einfuhrumsatzsteuer mit. Dies mit der Begründung, der Erstbeschwerdeführer sei am mit einem weiteren Bediensteten der Z Ltd. mit Sitz in Sri Lanka mit dem Reisezug aus der Schweiz über das Hauptzollamt Feldkirch, Zweigstelle Buchs, in das Zollgebiet der Europäischen Gemeinschaft eingereist. Der Erstbeschwerdeführer habe vorschriftswidrig einfuhrzollpflichtige Handelswaren, nämlich jene im Carnet ATA genannten Schmuckstücke in das Zollgebiet der Gemeinschaft eingeführt. Die ordnungsgemäße Zuführung der Waren zu einem Zollverfahren (Gestellung) hätte noch vor der Abfahrt des Reisezuges bei der auf dem Hoheitsgebiet der Schweiz, nämlich am Bahnhof in Buchs, gelegenen österreichischen Zollzweigstelle, jedoch spätestens bei der Erstkontrolle durch den bis zum Bahnhof Feldkirch mitfahrenden Organwalter der Zollzweigstelle Buchs erfolgen müssen. Eine solche Gestellung sei vom Erstbeschwerdeführer jedoch weder ausdrücklich noch durch schlüssiges Handeln erfolgt. Die Waren, die in Hartschalenkoffern mitgeführt worden seien, seien erst bei einer Nachrevision durch die mobile Überwachungsgruppe entdeckt worden. Die Zollschuld sei daher gemäß § 202 Abs. 1 Buchstabe a ZK durch vorschriftswidriges Verbringen unter Nichtbeachtung der Artikel 38 bis 41 und 177 zweiter Gedankenstrich ZK entstanden.

In der von beiden beschwerdeführenden Parteien gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wurde vorgebracht, bei den ins Zollgebiet der Europäischen Gemeinschaft verbrachten Waren handle es sich um eine von einem Carnet ATA begleitete Musterkollektion. Die Gegenstände seien im unmittelbaren Anschluss an die Verbringung ins Zollgebiet dem Hauptzollamt Feldkirch gestellt worden. Selbst wenn der Erstbeschwerdeführer pflichtwidrig gehandelt habe, habe sich die Verfehlung aktenkundig auf die ordnungsgemäße Abwicklung der vorübergehenden Verwendung und des betreffenden Zollverfahrens nicht ausgewirkt. Schließlich habe der Erstbeschwerdeführer in seinem Antrag vom ausdrücklich auch den Erlass der Zollschuld nach Artikel 236 Abs. 1 ZK beantragt.

Mit der an die beschwerdeführenden Parteien ergangenen Berufungsvorentscheidung wies das Hauptzollamt Feldkirch die "gemeinsam eingebrachte" Berufung der beschwerdeführenden Parteien gegen den Bescheid des Hauptzollamtes Feldkirch vom als unbegründet ab und lehnte gleichzeitig den Antrag der beschwerdeführenden Parteien auf Erstattung von Einfuhrabgaben gemäß Artikel 236 Abs. 1 ZK mangels gesetzlicher Voraussetzungen ab. Im Spruch des Bescheides heißt es ferner:

"Weiters wird gemäß §§ 2 Abs. 1 und 79 Abs. 2 ZollR-DG iVm

Artikel 202 Abs. 1 lit. a und Abs. 3 ZK die entstandene Eingangsabgabenschuld für die am durch den Dienstnehmer Mohamed M.M. N eingebrachte Ware ausländischer Herkunft in Erweiterung des Zollschuldnerkreises nach Abs. 3 der vorzitierten Gesetzesstelle als für das Unternehmen Z (Pvt) Ltd. entstanden mitgeteilt. Dies in Erweiterung des Erstbescheides des Hauptzollamtes Feldkirch."

In der Begründung der Berufungsvorentscheidung führte das Hauptzollamt Feldkirch aus, die Eingangsabgabenschuld sei für den Erstbeschwerdeführer nach Artikel 202 Abs. 1 Buchstabe a und Abs. 3 ZK iVm § 2 Abs. 1 ZollR-DG entstanden. Zufolge der im Berufungsverfahren vorgebrachten Begründung werde weiters entschieden, dass in Erweiterung des Zollschuldnerkreises die Eingangsabgabenschuld auch für die Zweitbeschwerdeführerin nach

Artikel 202 Abs. 3 ZK in Verbindung mit § 79 Abs. 2 ZollR-DG geltend gemacht werde. Der Antrag der Zweitbeschwerdeführerin auf Erstattung der Abgaben sei mangels gesetzlicher Voraussetzungen zurückzuweisen. Zum Eventualantrag der beschwerdeführenden Parteien auf Erlass der Einfuhrabgaben werde ausgeführt, dass anders als in den Fällen der Artikel 236, 237 und 238 ZK Einfuhrabgaben erstattet oder erlassen werden könnten. Voraussetzung hiezu sei jedoch, dass diese Fälle nach dem Ausschussverfahren festgelegt würden und sich derartige Fälle nicht aus Umständen ergäben, die auf betrügerische Absicht oder offensichtliche Fahrlässigkeit des Beteiligten zurückzuführen seien. Diesfalls sei festzuhalten, dass dem Erstbeschwerdeführer anlässlich der Einbringung der Waren die offensichtliche Fahrlässigkeit seiner Handlungsweise vorzuwerfen sei. Demnach fehlten die Voraussetzungen für die Stattgebung des Antrages.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen, als "Vorlageantrag und Berufung" bezeichneten Beschwerde wiederholten die beschwerdeführenden Parteien im Wesentlichen ihr Berufungsvorbringen.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Beschwerde Folge und hob die Berufungsvorentscheidung auf. Dies mit der Begründung, gemäß § 85b Abs. 3 ZollR-DG habe die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht zurückzuweisen sei, in der Sache selbst zu entscheiden. "Sache" im Sinne dieser Gesetzesstelle sei die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des angefochtenen Bescheides gebildet habe. Die Berufungsbehörde dürfe sohin in einer Angelegenheit, die noch nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gewesen sei, keinen Sachbescheid im Ergebnis erstmals erlassen. Sie dürfe beispielsweise nicht erstmals eine Partei in die Schuldnerposition verweisen. Die Geltendmachung der Einfuhrzollschuld im Wege der Berufungsvorentscheidung sei daher gegenüber der Zweitbeschwerdeführerin rechtswidrig infolge Unzuständigkeit der Berufungsbehörde gewesen, weil diese nicht bereits in einem Erstbescheid zu dieser Abgabe herangezogen worden sei.

Gestellung bedeute die Mitteilung an die Zollbehörde, dass sich die Waren bei der Zollstelle oder an einem anderen von den Zollbehörden bezeichneten oder zugelassenen Ort befänden. Die Gestellung der Ware könne auch schlüssig erfolgen, wenn sich die Waren im Rahmen des Transportes an Orten befänden, die als verkehrsüblich anzusehen seien und an denen das Zollorgan mit dem Vorhandensein derartiger Waren rechnen müsse. Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen und nach Lage der Akten sei die in Rede stehende Schmuckwarenkollektion im Sinne des Artikels 202 Abs. 1 Buchstabe a ZK nicht vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht worden. Vielmehr habe es der Erstbeschwerdeführer anlässlich seiner Einreise unterlassen, die mitgeführten Waren einer zollamtlichen Bestimmung zuzuführen. Durch das Weiterverbringen in das Binnenland sei der Zollbehörde die Zugriffsmöglichkeit auf die Ware genommen und damit sei diese der zollamtlichen Überwachung entzogen worden. Die Zollschuld sei für den Erstbeschwerdeführer nicht nach Artikel 202 Abs. 1 Buchstabe a, sondern nach Artikel 203 Abs. 1 ZK entstanden.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der zunächst an ihn gerichteten Beschwerde mit Beschluss vom , B 1512/99-7, ab und trat die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Die beschwerdeführenden Parteien erachten

sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht, mit Einfuhrabgaben nicht belastet zu werden, verletzt und machen sowohl inhaltliche Rechtswidrigkeit als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde hat die an die Zweitbeschwerdeführerin mit Berufungsvorentscheidung ergangene Abgabenvorschreibung mit der Begründung aufgehoben, die Geltendmachung der "Einfuhrzollschuld" im Wege der Berufungsvorentscheidung sei unzulässig gewesen, weil die Zweitbeschwerdeführerin nicht zuvor mit einem Bescheid erster Instanz zu dieser Abgabe herangezogen worden sei.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 82/16/0158), darf die Abgabenbehörde zweiter Instanz in einer Angelegenheit, die überhaupt noch nicht oder in der von der Rechtsmittelbehörde in Aussicht genommenen rechtlichen Art nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gewesen war, nicht einen Sachbescheid im Ergebnis erstmals erlassen. Sie darf beispielsweise nicht erstmals eine Abgabe überhaupt oder eine andere Abgabe an Stelle der festgesetzten Abgabe vorschreiben oder eine Partei erstmals in eine Schuldnerposition verweisen. Würde die Rechtsmittelbehörde diese Befugnis für sich in Anspruch nehmen, dann wäre dies ein Eingriff in die sachliche Zuständigkeit der Behörde erster Instanz (Stoll, BAO-Kommentar, 2800).

Mit der Berufungsvorentscheidung, einer Entscheidung über den nicht aufsteigenden Rechtsbehelf der Berufung durch die auf Grund des Artikels 243 Abs. 2 ZK auf der ersten Stufe eingerichtete Zollbehörde, wurde die Zweitbeschwerdeführerin erstmals in die Schuldnerposition verwiesen. Damit wurde von der Rechtsbehelfsbehörde in die sachliche Zuständigkeit der Behörde erster Instanz eingegriffen. Ein solcher Eingriff ist auch dann gegeben, wenn aus organisatorischen Gründen sowohl die Entscheidung erster Instanz als auch die der Rechtsbehelfsbehörde vom Hauptzollamt getroffen wird, weil auch die funktionelle Zuständigkeit der entscheidenden Behörde zu beachten ist. Im Fall der Erlassung einer Berufungsvorentscheidung entscheidet das Hauptzollamt funktionell als Rechtsmittel- bzw. -behelfsbehörde.

Die funktionelle Zuständigkeit wird auch als eine besondere sachliche Zuständigkeit bezeichnet. Die Abgabenbehörden haben daher die funktionelle Zuständigkeit ebenso wie die örtliche und sachliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen, wie auch die Folgen der Verletzung der Vorschriften über die funktionelle Zuständigkeit dieselben sind, wie die der Verletzung der sachlichen Zuständigkeit - im engeren Sinn verstanden (Stoll, aaO, 580).

Diese nationale Rechtsprechung steht dem Gemeinschaftsrecht, das im Bereich der Zölle auch Bestimmungen über das Rechtsbehelfsverfahren enthält, nicht entgegen.

An die Zweitbeschwerdeführerin ist kein Bescheid über die Vorschreibung des Zolls und der Einfuhrumsatzsteuer erster Instanz ergangen, sondern die Abgabenbehörde hat der Zweitbeschwerdeführerin die in Rede stehenden Abgaben erstmals mit der Berufungsvorentscheidung vorgeschrieben. Die Aufhebung dieses Bescheides erfolgte insoweit mit Recht, weil die Zweitbeschwerdeführerin unzuständigerweise erstmals mit der Berufungsvorentscheidung in eine Schuldnerposition verwiesen wurde.

Es erübrigt sich daher ein weiteres Eingehen darauf, ob die nationale Zollschuldbestimmung des § 79 Abs. 2 ZollR-DG gegen Gemeinschaftsrecht verstößt, weil durch nationale Bestimmungen über die Regelungen des ZK hinaus weitere Zollschuldner zur Abgabenentrichtung herangezogen werden können.

An die beschwerdeführenden Parteien ist kein Bescheid erster Instanz über den Antrag auf Erstattung der Einfuhrabgaben nach

Artikel 236 Abs. 1 ZK ergangen. Gleiches gilt daher für die in einem weiteren Spruchteil der Berufungsvorentscheidung erstmals an die beschwerdeführenden Parteien ergangene "Ablehnung" des Antrags auf Erstattung nach Artikel 236 Abs. 1 ZK mangels gesetzlicher Voraussetzungen. Auch insofern erfolgte die nach dem Spruch des angefochtenen Bescheides uneingeschränkte, allerdings ohne nähere Begründung vorgenommene Aufhebung der Berufungsvorentscheidung aus den oben angeführten Gründen mit Recht.

Die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid war daher hinsichtlich der Aufhebung der Berufungsvorentscheidung des Hauptzollamtes Feldkirch vom betreffend Vorschreibung des Zolls und der Einfuhrumsatzsteuer an die Zweitbeschwerdeführerin sowie Ablehnung des von beiden beschwerdeführenden Parteien gestellten Antrags auf Erstattung von Einfuhrabgaben nach Artikel 236 Abs. 1 ZK gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die belangte Behörde vertritt die Ansicht, für die Erstbeschwerdeführerin sei auf Grund der Einbringung der Schmuckkollektion in das Zollgebiet der Gemeinschaft die Zollschuld nach Artikel 203 Abs. 1 ZK und nicht nach

Artikel 202 Abs. 1 ZK entstanden.

Waren, die nach Maßgabe des Artikels 38 Abs. 1 Buchstabe a) ZK bei der Zollstelle oder an einem anderen von den Zollbehörden bezeichneten oder zugelassenen Ort eintreffen, sind nach Artikel 40 ZK von der Person zu gestellen, welche die Waren in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht hat oder die gegebenenfalls die Beförderung der Waren nach dem Verbringen übernimmt.

Bei der vom Erstbeschwerdeführer anlässlich seiner Einreise mitgeführten Musterkollektion handelt es sich um Waren kommerziellen Charakters, für die liberale Ausnahmebestimmungen im Bereich der Gestellung und Anmeldung ausgeschlossen sind (vgl. Witte, Zollkodex Kommentar2, Rz 8 zu Artikel 38).

Nach Artikel 4 Z 19 ZK ist Gestellung die Mitteilung an die Zollbehörden in der vorgeschriebenen Form, dass sich die Waren bei der Zollstelle oder einem anderen von den Zollbehörden bezeichneten oder zugelassenen Ort befinden.

Zur Gestellung ist es gemäß § 37 erster Satz ZollR-DG ausreichend, dass Waren auf verkehrsübliche Weise befördert werden und das einschreitende Zollorgan daher von ihrem Vorhandensein ohne Schwierigkeit Kenntnis erlangen kann.

Durch die Gestellung bekommt die zuständige Zollstelle zum ersten Mal Kenntnis vom Vorhandensein von Waren nach deren Verbringen in das Zollgebiet. Die Gestellung erfolgt grundsätzlich durch eine formgerechte Mitteilung. Auch schlüssiges Verhalten, durch dessen Erklärungsinhalt der Zollstelle die erforderliche Kenntnis über das Eintreffen von Waren vermittelt wird (Empfängerhorizont), genügt. Im gewerblichen Warenverkehr ist die Gestellung ihrer Problematik dadurch entledigt, dass grundsätzlich Zoll-, Fracht- und/oder Geschäftspapiere vorgelegt werden, aus denen sich letztlich das Eintreffen von Waren schlüssig ergibt. Die Gestellung ist eine Mitteilung allgemeiner Natur und bezieht sich insbesondere nicht auf Art und Menge der eingetroffenen Waren. Diese Bemessungsgrundlagen sind Gegenstand der Zollanmeldung. Der Inhalt der Gestellung dagegen lässt sich reduzieren auf den Erklärungsgehalt: "Es sind Waren eingetroffen" (Witte, aaO, Rz 1 und 3 zu Artikel 40).

Im Beschwerdefall erfolgte keine Mitteilung an die Zollstelle. Durch das Unterlassen der Erklärung des Erstbeschwerdeführers anlässlich des Grenzübertritts war durch sein Verhalten aus der Sicht des Empfängerhorizonts davon auszugehen, dass der Erstbeschwerdeführer in seinem mitgeführten persönlichen Gepäck nur von den Einfuhrabgaben befreite Waren ohne kommerziellen Charakter, die anlässlich seiner Reise zum persönlichen Ge- und Verbrauch bestimmt sind, mitführt (Artikel 45 Zollbefreiungsverordnung - ZBefrVO). Es war daher im Beschwerdefall eine Gestellung der kommerziellen Waren, nämlich der Musterkollektion, durch schlüssiges Verhalten nicht gegeben.

Es kann nun im Beschwerdefall dahinstehen, ob der zu

Artikel 4 Z 19 ZK national normierte § 37 ZollR-DG den genannten Artikel des ZK gemeinschaftsrechtskonform nur näher ausführt oder aber entgegen dem Wortlaut des ZK von der Verpflichtung einer Mitteilung anlässlich der Gestellung von Waren abgeht. Die Waren kommerziellen Charakters befanden sich in den Hartschalenkoffern im persönlichen Reisegepäck vermengt mit den für den persönlichen Ge- und Verbrauch bestimmten Gegenständen und konnten nur nach Öffnen des Koffers durch den Reisenden im Fall näherer Überprüfung des Kofferinhalts entdeckt werden. Eine Gestellung ist demnach auch nicht nach der nationalen Bestimmung des § 37 ZollR-DG erfolgt.

Nach Artikel 202 Abs. 1 Buchstabe a ZK entsteht die Einfuhrzollschuld, wenn eine einfuhrabgabenpflichtige Ware vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht wird.

Im Sinne dieses Artikels ist vorschriftswidriges Verbringen jedes Verbringen unter Nichtbeachtung der Artikel 38 bis 41 und 177 zweiter Gedankenstrich.

Die Musterkollektion wurde anlässlich der Einreise vom Erstbeschwerdeführer nicht gestellt und damit vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft unter Nichtbeachtung des Artikels 40 ZK verbracht. Demnach entstand die Einfuhrzollschuld nach Artikel 202 Abs. 1 Buchstabe a ZK.

Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass selbst dann, wenn von einer Gestellung der Musterkollektion durch schlüssiges Verhalten auszugehen wäre, sich auf Grund der Fiktion des Artikels 234 Abs. 2 ZK-DVO wegen der Entdeckung anlässlich einer Kontrolle ergibt, dass die Zollschuld nach Artikel 202 Abs. 1 Buchstabe a ZK entstanden wäre (hinsichtlich der näheren Begründung dafür wird auf das hg. Erkenntnis vom , Zl. 2000/16/0592, verwiesen).

Die belangte Behörde hob den angefochtenen Bescheid hinsichtlich der Vorschreibung der Eingangsabgabenschuld an den Erstbeschwerdeführer mit der Begründung auf, die Zollschuld sei nicht nach Artikel 202 Abs. 1 ZK, sondern nach Artikel 203 Abs. 1 ZK entstanden, und verwies damit die Sache zur neuerlichen Entscheidung an das Hauptzollamt zurück, das eine Berufungsvorentscheidung unter Zugrundelegung dieses Zollschuldtatbestandes zu erlassen hätte.

Angesichts der Aufhebung der nach den besonderen zollrechtlichen Bestimmungen erlassenen Berufungsvorentscheidung durch den angefochtenen Bescheid stellt sich die Frage der Verletzung eines subjektiven öffentlichen Rechts des Erstbeschwerdeführers. Von einer solchen Beschwer des Erstbeschwerdeführers ist dann auszugehen, wenn sein Recht auf Sachentscheidung verletzt ist. Dies ist dann der Fall, wenn die belangte Behörde anstelle der Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an die Unterinstanzen verpflichtet gewesen wäre, in der Sache selbst zu entscheiden.

Nach § 85c Abs. 1 erster Satz Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG), BGBl. Nr. 659/1994 idF BGBl. I Nr. 126/1998, ist gegen Berufungsvorentscheidungen als Rechtsbehelf der zweiten Stufe (Artikel 243 Abs. 2 Buchstabe b Zollkodex) die Beschwerde an den örtlich und sachlich zuständigen Berufungssenat zulässig.

Nach § 2 Abs. 1 ZollR-DG gelten die allgemeinen abgabenrechtlichen Vorschriften in Angelegenheiten des Warenverkehrs über die Grenzen des Anwendungsgebietes, einschließlich der Erhebung von Abgaben, soweit in diesem Bundesgesetz oder in den betreffenden Rechtsvorschriften die Vollziehung der Zollverwaltung übertragen ist und nicht ausdrücklich anderes bestimmt ist.

Das ZollR-DG idF BGBl. I Nr. 126/1998 regelt die Entscheidungsbefugnis der Berufungssenate im Fall eingebrachter Beschwerden gegen Berufungsvorentscheidungen nicht. Diese (Administrativ-)Beschwerde ist nicht auf bestimmte Gründe beschränkt, sondern uneingeschränkt zulässig und kann auch auf Gründe gestützt werden, die im erstinstanzlichen Verfahren nicht vorgebracht wurden. Sie ist somit ein volles Rechtsmittel wie die "Berufung" nach den Bestimmungen der BAO. Dementsprechend gilt für die über die (Administrativ-)Beschwerde zur Entscheidung zuständige Behörde das Prinzip der uneingeschränkten "Vollentscheidung" (vgl. Stoll, Kommentar, 2505).

Mangels einer ausdrücklichen Regelung im ZollR-DG (idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 61/2001) waren die nach den allgemeinen abgabenrechtlichen Vorschriften maßgebenden Bestimmungen über die Entscheidungsbefugnis der Berufungsbehörden auch bei den Berufungssenaten nach dem ZollR-DG anzuwenden. - (Eine ausdrückliche gesetzliche Klarstellung erfolgte insofern mit der erst mit in Kraft tretenden und daher im Beschwerdefall nicht anwendbar gewesenen Bestimmung des § 85c Abs. 3c ZollR-DG idF BGBl. I Nr. 61/2001.)

Nach § 289 Abs. 1 erster Satz BAO hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden.

Ist die Berufung nicht zurückzuweisen, so ist es Aufgabe der Berufungsbehörde, in der Sache zu entscheiden, dh neuerlich, und zwar so zu entscheiden, als ob die Sache erstmals nach den für sie geltenden materiell-rechtlichen Bestimmungen unter Beachtung der Verfahrensgrundsätze behandelt würde (Reformation). Es ist über die Berufung ohne Rücksicht auf die Ergebnisse des Erstbescheides oder der Berufungsvorentscheidung abzusprechen. Die Berufungsbehörde ist demnach nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, ihre Entscheidung (gegenüber der Vorentscheidung) - wenn erforderlich - originär neu zu gestalten. Das Ergebnis ihrer Entscheidung kann von dem der vorangehenden Bescheide abweichen, sie kann diese in jede Richtung abändern, aufheben oder aber bestätigen (vgl. Stoll, BAO-Kommentar, 2793).

Die Abänderungsbefugnis ist durch die "Sache" beschränkt. "Sache" ist die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches der Unterinstanz gebildet hat (vgl. Ritz, BAO-Kommentar2, Rz. 4 zu § 289). Die Abgabenbehörde zweiter Rechtsstufe darf sohin in einer Angelegenheit, die überhaupt noch nicht oder nicht in der von der Rechtsmittelentscheidung in Aussicht genommenen rechtlichen Art Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens gewesen ist, keinen Sachbescheid im Ergebnis erstmals erlassen. Würde die Rechtsmittelbehörde diese Befugnis für sich in Anspruch nehmen, wäre dies ein Eingriff in die sachliche Zuständigkeit der Behörde erster Instanz. Die Identität der "Sache" ist aber dann gewahrt, wenn die Berufungsbehörde den unverändert angenommenen Sachverhalt rechtlich anders beurteilt (vgl. Stoll, aaO, 2800).

Die belangte Behörde ist von demselben Sachverhalt wie die Unterinstanzen ausgegangen und vertrat die Ansicht, der Sachverhalt wäre einem anderen Tatbestand zu subsumieren. Damit wäre von der belangten Behörde jedoch eine Sachentscheidung zu treffen und keine Aufhebung der Berufungsvorentscheidung und Zurückverweisung auszusprechen gewesen, weil die belangte Behörde nur eine andere rechtliche Beurteilung des Sachverhaltes vorgenommen hat. Es lag Identität der Sache vor, die zu einer Sachentscheidung hätte führen müssen.

Im Hinblick auf diese Umstände wurde der Erstbeschwerdeführer in seinem subjektiven öffentlichen Recht auf Sachentscheidung durch die belangte Behörde verletzt.

Die belangte Behörde verkannte, dass sie eine Sachentscheidung zu treffen gehabt hätte und vom Erstbeschwerdeführer der Tatbestand des Artikels 202 Abs. 1 ZK verwirklicht worden ist.

Der angefochtene Bescheid war daher aus diesen Gründen hinsichtlich der Aufhebung der Berufungsvorentscheidung betreffend Vorschreibung des Zolls und der Einfuhrumsatzsteuer an den Erstbeschwerdeführer wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 1 Z 4 VwGG, soweit der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben wurde, und im Übrigen gemäß § 39 Abs. 1 Z 6 VwGG Abstand genommen werden, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Da Abgabenangelegenheiten nicht "civil rights" betreffen, ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem VwGH auch unter dem Aspekt des Artikels 6 MRK im konkreten Fall nicht erforderlich.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II. Nr. 501/2001.

Wien, am