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VwGH vom 18.09.1985, 84/11/0179

VwGH vom 18.09.1985, 84/11/0179

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Dorner, Dr. Waldner und Dr. Bernard als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kowalski, über die Beschwerde der EÜ in L, vertreten durch Dr. Georg Pammesberger, Rechtsanwalt in Gmunden, Kirchengasse 2, gegen den Bescheid des Landesarbeitsamtes Oberösterreich vom , Zl. IVa-IESG/7022- B/BNr. 419/34/3B/1983/Wels, betreffend Insolvenz-Ausfallgeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 9.780,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Beschluß des Kreisgerichtes Wels vom , AZ S 14/83, wurde über das Vermögen der Verlassenschaft nach dem am verstorbenen NG der Konkurs eröffnet.

Mit Schriftsatz vom beantragte die Beschwerdeführerin die Zuerkennung von Insolvenz-Ausfallgeld für näher bezeichnete Ansprüche gegen die Gemeinschuldnerin. Da sie sich auf die Kündigung ihres Angestelltenverhältnisses durch den Masseverwalter bezog, wurde sie um Vorlage des Kündigungsschreibens ersucht. Dieses mit datierte Schreiben lautet:

"Im Konkursverfahren der Verlassenschaft nach Herrn ... wurde

ich zum Masseverwalter bestellt. Unter Einhaltung der ges.

Kündigungsfristen bin ich genötigt, das mit Ihnen bestehende

Dienstverhältnis mit Wirksamkeit aufzukündigen."

Das Arbeitsamt ..... erkannte der Beschwerdeführerin mit

Bescheid vom Insolvenz-Ausfallgeld in der Höhe von

S 65.371,-- zu, lehnte aber mit einem weiteren Bescheid vom selben

Tag den Antrag auf Insolvenz-Ausfallgeld für die darüberhinaus

geltend gemachten Ansprüche in der Höhe von S 21.923,-- ab. Nach

der Bescheidbegründung sei dieser Betrag für Gehalt und

Sonderzahlung für die Zeit vom 7. Mai bis deshalb

abzulehnen, weil auf Grund der erfolgten Kündigung durch den

Masseverwalter unter Bedachtnahme auf die gesetzlichen

Kündigungsfristen das Dienstverhältnis mit beendet

worden sei.

In der gegen den zuletzt genannten Bescheid erhobenen Berufung gab die Beschwerdeführerin zwar zu, daß das Dienstverhältnis vom Masseverwalter bereits zum hätte aufgekündigt werden können, bestritt aber im Hinblick auf den eindeutigen Wortlaut des Kündigungsschreibens die Auffassung, das Dienstverhältnis habe auch an diesem Tag geendet. Nach der Kündigungserklärung habe es vielmehr erst am geendet.

In einem Aktenvermerk vom hielt die belangte Behörde das Ergebnis eines Telefongespräches mit dem Masseverwalter fest. Dieser Aktenvermerk lautet:

"Lt. tel. Rü mit RA .... wurde der insolvente Betrieb mit

eingestellt und verrichtete die BW in der Folge keine Arbeitsleistung mehr. Er wollte als MV das DV zum frühestmöglichen Zeitpunkt lösen, nahm jedoch irrtümlich an, er sei auch an die Kündigungstermine des AngG gebunden und erklärte daher die Kündigung per anstatt wie es ihm möglich gewesen wäre, per . Die Ansprüche der BW vom bis habe er wegen seines Irrtums nicht bestritten, sondern anerkannt."

In der Stellungnahme zu diesem Aktenvermerk bestritt die Beschwerdeführerin, daß der Betrieb ihres Dienstgebers schon mit dessen Tod eingestellt worden sei, sicherlich sei er aber in der Zeit vom 7. Mai bis eingestellt gewesen. Darauf komme es aber nicht an. Da der Masseverwalter die Beschwerdeführerin zum gekündigt habe, sei ihr Dienstverhältnis bis zu diesem Zeitpunkt aufrecht gewesen, gleichgültig, ob der Masseverwalter auch hätte früher kündigen können, dies aber nicht gewußt habe.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung nicht statt und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid "aus seinen zutreffenden Gründen". Nach der in der Bescheidbegründung angeführten Judikatur des OGH sei eine Kündigungserklärung immer so zu beurteilen, wie sie der Empfänger nach ihrem Wortlaut und nach dem Geschäftszweck bei objektiver Betrachtung habe verstehen können. Diese ständige Rechtsprechung zugrunde gelegt, habe der Masseverwalter seine Absicht, das Dienstverhältnis mit der Beschwerdeführerin zu dem im Gesetz vorgesehenen (frühestmöglichen) Termin nach Ablauf der gesetzlichen Kündigungsfrist (zu beenden), durch die Worte "unter Einhaltung der ges. Kündigungsfristen" gegenüber der Beschwerdeführerin unmißverständlich zum Ausdruck gebracht. Daß er dabei - in einem Irrtum - befangen den nächsten Quartalstermin genannt habe, obwohl er gemäß § 25 KO nicht an Kündigungstermine gebunden sei, könne dabei nicht schaden, weil der Wortlaut des Schreibens bei objektiver Betrachtung, im Zusammenhang mit dem - auch der Beschwerdeführerin - eindeutig erkennbaren Geschäftszweck der ehestmöglichen Lösung des Dienstverhältnisses wegen Betriebseinstellung im Gefolge des Todesfalles nur als Kündigung zum (nächstmöglichen) Zeitpunkt, das sei diesfalls, wie auch die Beschwerdeführerin anerkenne, unter Zugrundelegung einer weniger als zweijährigen Dienstzeit als Angestellte bei sechswöchiger Kündigungsfrist gemäß § 20 Abs. 2 AngG der , gewertet werden könne. Gründe, die die Beschwerdeführerin hätten glauben machen können, der Masseverwalter wolle das Dienstverhältnis über den frühestmöglichen Kündigungstermin hinaus bestehen lassen, seien von ihr nicht genannt worden; auch habe der Beschwerdeführerin die von ihr vermeinte Auslegung der Kündigungserklärung unter Bedachtnahme auf die unmittelbar nach dem Tod des ehemaligen Dienstgebers erfolgte Betriebseinstellung, die mit sich gebracht habe, daß sie ab diesem Zeitpunkt keine Arbeitsleistung mehr habe erbringen können, als geradezu absurd erscheinen müssen.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragt die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist unstrittig, daß die Beschwerdeführerin bis zum Tod des NG dessen Angestellte und nach seinem Tod Angestellte der Verlassenschaft war (vgl. dazu Martinek-Schwarz, Angestelltengesetz6, 363).

Gemäß § 20 Abs. 1 AngG kann das Dienstverhältnis, das ohne Zeitbestimmung eingegangen oder fortgesetzt worden ist, durch Kündigung nach folgenden Bestimmungen gelöst werden. Nach § 20 Abs. 2 leg. cit. kann der Dienstgeber mangels einer für den Angestellten günstigeren Vereinbarung das Dienstverhältnis mit Ablauf eines jeden Kalendervierteljahres durch vorgängige Kündigung lösen. Die Kündigungsfrist beträgt sechs Wochen und erhöht sich in der in dieser Bestimmung angeführten Weise nach der Dauer des Dienstverhältnisses bis auf fünf Monate. Nach § 20 Abs. 3 kann die Kündigungsfrist durch Vereinbarung nicht unter die im Abs. 2 bestimmte Dauer herabgesetzt werden; jedoch kann vereinbart werden, daß die Kündigungsfrist am 15. oder letzten eines Kalendermonates endigt. Gemäß § 25 Abs. 1 KO kann das Arbeitsverhältnis, wenn der Gemeinschuldner Arbeitgeber und das Arbeitsverhältnis bereits angetreten worden ist, innerhalb eines Monates vom Tag der Konkurseröffnung vom Masseverwalter unter Einhaltung der gesetzlichen, kollektivvertraglichen oder der zulässigerweise vereinbarten kürzeren Kündigungsfrist unter Bedachtnahme auf die gesetzlichen Kündigungsbeschränkungen gelöst werden.

Die belangte Behörde geht - unter Bezug auf Judikatur des OGH - zutreffend davon aus, daß die Kündigung eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung ist, die auf die künftige Beendigung eines auf unbestimmte Dauer eingegangenen Dienstverhältnisses gerichtet ist und bewirkt, daß das bis dahin auf unbestimmte Zeit laufende Dienstverhältnis nunmehr in ein solches auf bestimmte Dauer - nämlich bis zum Ende der Kündigungsfrist - umgewandelt wird; durch die Kündigung wird das Dienstverhältnis aber nur in das Auflösungsstadium versetzt; die Auflösung selbst tritt erst mit dem Ablauf der Kündigungsfrist ein (vgl. dazu Martinek-Schwarz, Ang6, 380 f). Als privatrechtliche Willenserklärung ist die Kündigungserklärung - entsprechend der in Österreich herrschenden Vertrauenstheorie - so zu beurteilen, wie sie der Empfänger nach ihrem Wortlaut und dem Geschäftszweck bei objektiver Betrachtung verstehen konnte; eine allenfalls davon abweichende subjektive Auffassung des Erklärenden ist grundsätzlich unbeachtlich (OGH ArbSlg. 9142, 9473; Martinek-Schwarz, AngG6, 388; Koziol-Welser, Grundriß des bürgerlichen Rechts I6, 72 f).

Auf dem Boden dieser Rechtslage ist die Rechtsauffassung der belangten Behörde, wie die Beschwerdeführerin in der Beschwerde zutreffend betont, in mehrfacher Hinsicht rechtsirrig. Zunächst mißversteht die belangte Behörde das Gegensatzpaar "objektive Betrachtung" und "subjektive Auffassung des Erklärenden". Damit soll dargetan werden, daß für die Bedeutung einer Willenserklärung weder allein der Wille des Erklärenden noch allein die subjektive Auslegung des Erklärungsempfängers, sondern maßgeblich ist, wie sie ein redlicher, verständiger Erklärungsempfänger verstehen durfte (Koziol-Welser, Grundriß6, 73). Selbst wenn man nun davon ausginge, daß der Masseverwalter bei Ausübung seines außerordentlichen Kündigungsrechtes nach § 25 Abs. 1 KO nicht an gesetzliche Kündigungstermine gebunden sei (vgl. zu dieser keinesfalls unstrittigen Frage die zitierte Judikatur und die Schrifttumshinweise im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 82/11/0056), und der Masseverwalter auch tatsächlich von seinem außerordentlichen Kündigungsrecht Gebrauch machen wollte, konnte ein redlicher, verständiger Erklärungsempfänger die strittige Kündigungserklärung ihrem eindeutigen Wortlaut nach, die nicht einmal einen Hinweis auf § 25 Abs. 1 KO enthielt, und unter Beachtung des Umstandes, daß auch eine Kündigung des Masseverwalters rechtswirksam ist, bei der er nicht von seinem außerordentlichen Kündigungsrecht nach § 25 Abs. 1 KO Gebrauch macht, nur so verstehen wie die Beschwerdeführerin. Im Beschwerdefall kommt hinzu, daß die Beschwerdeführerin eine vom objektiven Erklärungswert allenfalls abweichende subjektive Auffassung des Masseverwalters schon deshalb nicht erkennen konnte, weil der Masseverwalter eine solche Auffassung gar nicht hatte. Wie sich nämlich aus dem im vollen Wortlaut wiedergegebenen Aktenvermerk ergibt, wollte der Masseverwalter ja - entsprechend den Bestimmungen des AngG - das Dienstverhältnis der Beschwerdeführerin zum auflösen. Daß er sich dabei - seiner Auffassung nach - in einem Rechtsirrtum befand, änderte nichts an seinem Geschäftswillen. Die Rechtsauffassung der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin hätte trotz dieses Geschäftswillens des Masseverwalters wegen seines Rechtsirrtums die Kündigungserklärung gegen Wortlaut und Geschäftswillen des Erklärenden anders verstehen müssen, entbehrt jeglicher Rechtsgrundlage. Ob der Masseverwalter seine Auflösungserklärung nach Zugang derselben an die Beschwerdeführerin hätte ändern können und unter welchen Voraussetzungen dies möglich gewesen wäre (vgl. dazu Martinek-Schwarz, AngG6, 378, 405), brauchte nicht untersucht zu werden, weil er einen solchen Änderungsversuch gar nicht unternommen hat.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 243.

Wien, am