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VwGH vom 22.01.1986, 84/11/0115

VwGH vom 22.01.1986, 84/11/0115

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hrdlicka und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Dorner, Dr. Waldner und Dr. Bernard als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Berger, über die Beschwerde des KV in W, vertreten durch Dr. Herbert Eichenseder, Rechtsanwalt in Wien I, Auerspergstraße 2/4, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom , Zl. MA 12-10714/80A, betreffend Gewährung von Sozialhilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit mit ihm der Antrag des Beschwerdeführers vom auf Übernahme der Kosten für Rauchfangkehrergebühr abgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben; im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Die Bundeshauptstadt (Land) Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.270,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit "Grundantrag" vom begehrte der Beschwerdeführer eine Geldaushilfe für "Telefonerrichtungsgebühr". Mit einer ihm gegenüber mündlich abgegebenen "Mitteilung" des Magistrates der Stadt Wien, MA 12, vom selben Tag wurde dieser Antrag abgelehnt. In der Niederschrift hierüber scheint unter der Überschrift "Begründung" auf: "RS-Überschreitung". In der Folge erging eine mit datierte, als "Mitteilung" bezeichnete Erledigung der MA 12, Sozialreferat für den 21.

Bezirk, mit folgendem Wortlaut:

"Sehr geehrter Herr V! Das Soz. Ref. 21 teilt Ihnen mit, daß ihrem Ansuchen vom um Gewährung einer Geldaushilfe zur Errichtung der Fernsprechanlage nicht entsprochen werden kann. Durch das Einkommen aus der Arbeitslosenversicherung ist Ihr Lebensbedarf gedeckt, auf Gewährung von Sonderleistungen besteht kein Rechtsanspruch. Gegen diese Mitteilung ist daher kein Rechtsmittel zulässig."

Diese Erledigung wertete der Beschwerdeführer als Bescheid und erhob dagegen Berufung. Gleichzeitig (am ) stellte er bei der genannten Dienststelle einen weiteren Antrag auf Gewährung einer Geldleistung im Ausmaß von S 5.312,35 zur Deckung folgender Verpflichtungen: "Rechnung f. Gas- u. Strombezug vom 22.

3. 83, Teilbetrag-Vorauszahlung-Vorschreibung v. , Telefonanschlußherstellungsgebühr nach zweiter Mahnung, Rauchfangkehrergebühr nach dritter Mahnung und Klage, Pfändung + Kosten lt. Antrag v. und neue Kosten dazu, Miete für Mai 1983".

In der Folge beantragte der Beschwerdeführer am eine Geldaushilfe "für Gas und Strom". Diesem Antrag wurde mit Bescheid vom selben Tag stattgegeben und eine Geldaushilfe von S 1.891,-- bewilligt.

Mit einer als Berufung bezeichneten Eingabe vom machte der Beschwerdeführer Verletzung der Entscheidungspflicht der Behörde erster Instanz über den noch nicht erledigten Teil seines Antrages vom (betreffend die Posten "Pfändung", "Rauchfangkehrergebühren" und "Telefonanschlußgebühren" im Ausmaß von S 2.973,55) geltend und beantragte eine Sachentscheidung der zuständigen Oberbehörde.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde 1. die Berufung gegen die Erledigung des Magistrates der Stadt Wien, MA 12, vom abgewiesen, die Erledigung jedoch dahin abgeändert, daß sie wie folgt zu lauten hat: "Gemäß §§ 8, 11 und 12 des Wiener Sozialhilfegesetzes (WSHG) LGBl. für Wien Nr. 11/1973, in der

geltenden Fassung, wird der Antrag des Herrn .... vom

auf Übernahme der Telefonanschlußgebühr durch das Sozialamt der Stadt Wien in der Höhe von S 750,-- abgelehnt." und 2. dem Devolutionsantrag vom stattgegeben, der Antrag vom im Rahmen des Devolutionsantrages aber abgewiesen.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die belangte Behörde qualifiziert - in Übereinstimmung mit dem Beschwerdeführer - die "Mitteilung" vom als Bescheid. Sie fällte über die dagegen erhobene Berufung eine (negative) Sachentscheidung und gab dabei dem Spruch eine den Erfordernissen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1950 entsprechende neue sprachliche Fassung. In der Sache begründet sie diese Entscheidung damit, daß die Errichtung eines Telefonanschlusses nicht zum Lebensbedarf im Sinne des Wiener Sozialhilfegesetzes zähle.

Bei Beurteilung der Frage, ob der Beschwerdeführer durch diese Entscheidung in einem Recht verletzt wurde, ist zunächst zu klären, welchen normativen Gehalt die Erledigung des Magistrates der Stadt Wien vom hat. Sie ist als "Mitteilung" bezeichnet. Im Formular betreffend Erledigung von Anträgen auf Gewährung von Geldaushilfen ist das Wort "Bescheid" durchgestrichen und durch "Mitteilung" ersetzt. In inhaltlicher Hinsicht wird die Ablehnung des Antrages des Beschwerdeführers damit begründet, daß der Lebensbedarf des Beschwerdeführers durch sein Einkommen aus der Arbeitslosenversicherung gedeckt sei und auf die Gewährung von Sonderleistungen kein Rechtsanspruch bestehe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich im Erkenntnis eines verstärkten Senates E v. , Zl. 934/73, Slg. Nr. 9458 A/1977 ausführlich mit dem Begriff des Bescheides im Sinne des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz 1950 auseinandergesetzt. Er hat dabei ausgeführt, daß bei einer Erledigung, deren Inhalt Zweifel darüber entstehen läßt, ob sie ein Bescheid ist oder nicht, die ausdrückliche Bezeichnung als Bescheid (das Fehlen einer solchen Bezeichnung) ausschlaggebend ist. Im vorliegenden Fall läßt der Inhalt der Erledigung des Magistrates der Stadt Wien vom nicht eindeutig erkennen, ob es sich dabei um einen bescheidmäßigen Abspruch über den Antrag des Beschwerdeführers handelt oder um eine Mitteilung im Rahmen der sogenannten "Privatwirtschaftsverwaltung". Für ersteres spricht, daß die Behörde den Lebensbedarf des Beschwerdeführers als gedeckt ansieht und damit die materiellen Voraussetzungen für einen - mit Bescheid zu erledigenden (§ 7 des Wiener Sozialhilfegesetzes, LGBl. Nr. 11/1973 = WSHG) - Anspruch nach dem 2. Abschnitt des Gesetzes anzusprechen scheint, auf eine privatrechtliche Willenserklärung lassen hingegen die Qualifikation des Antrages des Beschwerdeführers als auf die Zuerkennung einer "Sonderleistung" gerichtet und die Verneinung der Zulässigkeit eines Rechtsmittels schließen. Angesichts dessen kommt im Lichte des zitierten Erkenntnisses der Form der Erledigung entscheidende Bedeutung zu, und zwar - neben dem Gebrauch der Höflichkeitsfloskel "Sehr geehrter Herr" und der Wendung "teilt Ihnen mit" - vor allem dem Umstand, daß sie nicht als Bescheid bezeichnet ist. Aus Inhalt und Form dieser Erledigung ist daher zu schließen, daß kein Bescheid, sondern eine nicht hoheitliche Willenserklärung vorliegt. Dasselbe gilt sinngemäß für die erwähnte mündliche "Mitteilung" vom . Die belangte Behörde hätte demnach die dagegen erhobene Berufung zurückweisen müssen. Dadurch, daß sie über die Berufung gegen einen Nichtbescheid eine Sachentscheidung getroffen hat, hat sie zwar gesetzwidrig gehandelt. Da aber der Beschwerdeführer überhaupt keinen Anspruch auf eine (bescheidmäßige) Sachentscheidung durch die belangte Behörde hatte, ist er durch die mit Punkt 1 des angefochtenen Bescheides getroffene negative Sachentscheidung nicht in seinen Rechten verletzt.

2. Die Ablehnung der Übernahme der Kosten für Telefonanschlußgebühr, Rauchfangkehrergebühr und Pfändung im Betrag von S 2.973,55 wird damit begründet, daß kein Rechtsanspruch auf diese Leistungen bestehe, daß der Beschwerdeführer "keinerlei Belege über die von ihm begehrten Geldleistungen vorgelegt" habe, sowie daß daraus, daß der Beschwerdeführer während eines Zeitraumes von rund viereinhalb Monaten nicht beim Sozialamt vorgesprochen habe, hätte angenommen werden müssen, daß für diesen Zeitraum eine "echte Bedürftigkeit" des Beschwerdeführers nicht vorgelegen sei.

In der Sache verneint die Behörde damit, daß es sich bei den vom Beschwerdeführer begehrten Beträge um solche zur Deckung des Lebensunterhaltes im Sinne des § 12 WSHG handelt. Gemäß § 12 WSHG umfaßt der Lebensunterhalt insbesondere Unterkunft, Nahrung, Bekleidung, Körperpflege, Hausrat, Beheizung und andere persönliche Bedürfnisse. Zu den persönlichen Bedürfnissen gehört auch die Pflege der Beziehungen zur Umwelt und die Teilnahme am kulturellen Leben in angemessenem Ausmaß. Die Behörde ist insofern im Recht, als sie die Telefonanschlußgebühren und die Pfändungskosten nicht als vom Lebensunterhalt umfaßt erachtet. Letztere stellen - aus welchem Titel sie immer entstanden sind - schon nach dem Wortlaut des § 12 WSHG keinen Fall des Lebensunterhaltes dar. Telefonanschlußgebühren dienen wohl letztlich der Pflege der Beziehungen zur Umwelt, übersteigen aber das durch die Sozialhilfe zu deckende angemessene Ausmaß im Sinne des § 12 zweiter Satz. Anhaltspunkte dafür, daß der Beschwerdeführer für die Herstellung bzw. Aufrechterhaltung der Beziehungen zur Umwelt unbedingt einen Fernsprechanschluß benötigt, bestehen nach der Aktenlage nicht. Der bloße Umstand, daß über Fernsprecher gewisse Kontakte schneller und bequemer hergestellt werden können, vermag nichts daran zu ändern, daß die Errichtung eines Fernsprechanschlusses nicht zum Lebensunterhalt gerechnet werden kann. Werden aber von einem Hilfesuchenden Leistungen angesprochen, die nicht unter den Begriff des Lebensunterhaltes im Sinne des § 12 WSHG fallen, und liegt auch kein anderer Fall des Lebensbedarfes nach § 11 Abs. 1 Z. 2 bis 5 WSHG (Pflege, Krankenhilfe, Hilfe für werdende Mütter und Wöchnerinnen, Hilfe zur Erziehung und Erwerbsbefähigung) vor, so besteht darauf kraft eines Gegenschlusses aus § 7 WSHG kein Rechtsanspruch und ist darüber nicht mit Bescheid abzusprechen. Es handelt sich bei anderen Sozialhilfeleistungen als der Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes um Maßnahmen der sogenannten "Privatwirtschaftsverwaltung". Auf das Verhalten der Behörde und auf die rechtliche Position des Antragstellers auf Gewährung einer solchen Hilfe finden somit die Verwaltungsverfahrensgesetze keine Anwendung. Mit dem - als "Berufung" bezeichneten - Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung der begehrten Leistungen durch die belangte Behörde an Stelle der Behörde erster Instanz hat der Beschwerdeführer zwar aus seiner Sicht eine "Säumnis" dieser Behörde geltend gemacht, Rechtens lag aber eine solche Säumnis nicht vor. Wenn die belangte Behörde über diesen Antrag mit Bescheid entschieden hat, entspricht dies zwar nicht dem Gesetz, verletzt aber den Beschwerdeführer in keinem Recht, weil er ja weder Anspruch auf die begehrte Leistung noch auf eine Entscheidung über den diese Leistung begehrenden Antrag hatte. Ob die begehrte Leistung außerhalb der Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes mit nicht hoheitlichen Mitteln hätte gewährt werden können, ist nicht Gegenstand der angefochtenen Entscheidung.

Anders verhält es sich hinsichtlich des Postens "Rauchfangkehrergebühr''. Mangels jeglicher Feststellungen im angefochtenen Bescheid vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu beurteilen, ob es sich - unter dem Titel "Unterkunft" oder "Beheizung" - nicht doch allenfalls um einen unter § 12 WSHG zu subsumierenden Anspruch handelt, über den bescheidmäßig abzusprechen gewesen wäre. Die belangte Behörde hätte ermitteln müssen, ob und bejahendenfalls wieso neben den Mietkosten dem Beschwerdeführer gegenüber gesondert in Rechnung gestellte "Rauchfangkehrergebühr" angefallen ist bzw. anfallen konnte. Daß der Beschwerdeführer hiezu von sich aus keine Belege oder dergleichen vorgelegt hat, berechtigte die Behörde bei der gegebenen Sachlage nicht zur Verneinung des Anspruches. In diesem Punkt war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Im übrigen war die Beschwerde jedoch gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Bemerkt wird, daß die Beschwerdeausführungen betreffend die Übernahme von Heizkosten ins Leere gehen, da der angefochtene Bescheid darüber keine Entscheidung trifft.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die insbesondere auf § 59 Abs. 3 letzter Satz, VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am