VwGH vom 24.09.2003, 2000/04/0106
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Gruber, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde der Ing. A GmbH & Co KG in L, vertreten durch Dr. Ludwig Pramer und Dr. Peter Lindinger, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Graben 32/I, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom , Zl. Senat-AB-00-006, betreffend Nachprüfungsverfahren nach dem NÖ Vergabegesetz (mitbeteiligte Partei: F Grundstückvermietungs Gesellschaft mbH in S, vertreten durch Mag. Dr. Karlheinz Klema, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rosenbursenstraße 8/2), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.019,26 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der beschwerdeführenden Partei, die Ausscheidung ihrer Alternativangebote im Verfahren zur Vergabe eines Bauauftrages (Um- und Neubau des A.Ö. Krankenhauses Korneuburg, Gewerk Lüftungs- und Klimaanlage) durch die mitbeteiligte Partei als öffentliche Auftraggeberin für nichtig zu erklären, abgewiesen.
Weiters wurde der Eventualantrag der beschwerdeführenden Partei, die Entscheidung der öffentlichen Auftraggeberin, "die unterlassene Errechnung der neuen Gesamtangebotspreise hinsichtlich angebotener Alternativen als Ausscheidungsgrund vorzusehen", als nichtig aufzuheben, abgewiesen.
Nach der Begründung dieses Bescheides ist die belangte Behörde auf Grund des durchgeführten Beweisverfahrens - soweit dies für den Beschwerdefall von Bedeutung ist - von folgendem Sachverhalt ausgegangen:
"...
Die Antragstellerin hat ein Hauptangebot gelegt, diesem zusätzlich einen EDV-Ausdruck beigelegt, sowie drei Alternativangebote und eine Diskette über das Leistungsverzeichnis, in dem die Preise beinhaltet waren. Das Hauptangebot sah in der Form aus, dass die Titelseite vollständig ausgefüllt war, ebenso war das Angebot gefertigt. Nicht ausgefüllt war die auf der letzten Seite vorgesehene Gesamtzusammenstellung der einzelnen Kapitel. Dies bedeutet, dass die einzelnen Kapitelsummen im Hauptangebot nicht ausgewiesen waren, der Gesamtpreis des Hauptangebotes war jedoch auf Seite 1 ausgewiesen. Das zusätzlich beigefügte EDV-Angebot wies die einzelnen Kapitelpreise und auch die übrigen notwendigen Preise auf.
Von der Antragstellerin wurden weiters drei Alternativangebote gelegt, wobei es sich jeweils um Alternativen zu einzelnen Leistungsgruppen (Kapiteln) des Hauptangebotes handelte. Konkret handelte es sich bei diesen drei Kapiteln um die zentralen Luftbehandlungsgeräte, Schalldämpfer sowie eine Kühldecke.
Diese alternativ angebotenen Kapitel ersetzen jeweils das betreffende Kapitel im Hauptangebot. Die Alternativangebote waren nicht nummeriert. Hinsichtlich aller drei gelegten Alternativangebote verhält es sich so, dass in diesen Angeboten die Preise für die einzelnen Positionen händisch eingetragen wurden, ebenso der jeweilige Gesamtpreis des alternativ angebotenen Kapitels. Nicht ausgewiesen war hingegen der bei Heranziehung des Alternativangebotes sich ergebende neue Gesamtangebotspreis. Bei der Angebotsöffnung wurden die von der Antragstellerin gelegten Alternativangebote hinsichtlich ihrer drei Kapitelsummen verlesen. Es wurde dabei auch erwähnt, auf welches Kapitel sich der jeweilige Alternativbetrag bezieht (nämlich der Betrag von S 4.279,490,-- auf die zentralen Luftbehandlungsgeräte, S 940.861,-- auf die Schall- und Schwingungsdämpfer und S 5.486.070,-- auf die Kühldecke).
Mangels Vorhandensein von Gesamtangebotspreisen unter Berücksichtigung der gelegten Alternativangebote erfolgte auch keine derartige Verlesung der Gesamtangebotspreise.
Nach Angebotsöffnung erfolgte eine Prüfung der jeweiligen Angebote und ist der diesbezügliche Prüfbericht mit datiert. Mit Telefax vom hat die Antragsgegnerin der Antragstellerin mitgeteilt, dass die drei gelegten Alternativangebote ausgeschieden wurden, ebenso erfolgte dabei die Mitteilung der Gründe hiefür.
Der Zuschlag ist noch nicht erteilt worden.
Für alle Bieter galten bei der Angebotserstellung, ebenso wie in der Folge bei der Angebotsprüfung durch die Antragsgegnerin, die in der Ausschreibung bezeichneten allgemeinen Angebots- und Vertragsbedingungen für Bauleistungen, -Lieferungen und Einrichtungen (kurz AVB genannt) in der Fassung vom /EU-Land NÖ. Die Angabe von Alternativangeboten neben einem ausschreibungsgemäßen Angebot war zulässig. Gemäß diesen AVB (Punkt 3.13.2) ist im Falle der Legung von Alternativangeboten der Gesamtangebotspreis jedes gesonderten Alternativangebotes unter Berücksichtigung aller darin jeweils angebotenen Alternativen klar ersichtlich auszuweisen. Alternativangebote ohne Gesamtangebotspreis sind gemäß Punkt 3.19 lit. e AVG durch den öffentlichen Auftraggeber auszuscheiden.
..."
Nach Wiedergabe der maßgebenden Bestimmungen heißt es zur
rechtlichen Beurteilung:
"...
Im gegenständlichen Fall sind die allgemeinen Angebots- und Vertragsbedingungen für alle Bauleistungen, -Lieferungen und Einrichtungen, kurz AVB genannt (Fassung vom /EU-Land NÖ), Bestandteil der gegenständlichen Ausschreibung. Somit sind alle Bieter gleichermaßen Adressat dieser AVB, die sich durch Erstellung und Vorlage ihrer Angebote den AVB unterworfen haben. Die Bieter haben sich somit auch zur Einhaltung von Punkt 3.13.2 der AVB verpflichtet, wonach bei Legung eines Alternativangebotes der Gesamtangebotspreis jedes gesonderten Alternativangebotes unter Berücksichtigung aller darin jeweils angebotenen Alternativen klar ersichtlich auszuweisen ist. Gleichfalls haben sie sich auch dem Punkt 3.19 lit. e der AVB unterworfen, wonach Alternativangebote, die entgegen Punkt 3.13.2 keinen Gesamtpreis enthalten, ausgeschieden werden.
Nach Ansicht der Nachprüfungsbehörde gibt es keine rechtliche Grundlage für die Behauptung der Antragstellerin, dass zusätzliche Ausscheidungsgründe - im Verhältnis zu § 52 BVergG - nicht vorgesehen werden dürfen. Im Übrigen vertritt die Nachprüfungsbehörde in diesem Zusammenhang die Auffassung, dass durch die Bestimmung in den AVB keine zusätzlichen Ausscheidungsgründe geschaffen wurden. Es erfolgte nur eine Klarstellung dahingehend, dass es sich bei diesem Mangel um einen nicht behebbaren Mangel handelt und daher die Ausscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 8 BVergG zu Recht erfolgte.
Diese Vorgangsweise der Antragsgegnerin verstößt nicht gegen die Grundsätze des freien und lauteren Wettbewerbs, ebenso wenig gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung aller Bewerber und Bieter. Auch können die verfahrensrelevanten Bestimmungen der AVB weder als gesetz- noch als sittenwidrig und somit auch nicht als rechtsunwirksam angesehen werden.
Die Antragsgegnerin hat daher zurecht die von der Antragstellerin gelegten drei Alternativangebote ausgeschieden, weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.
Aus dem eben Dargelegten ergibt sich auch die Notwendigkeit zur Abweisung des von der Antragstellerin eingebrachten Eventualantrages.
..."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der mit "Das Zuschlagsverfahren" überschriebene § 16 des im Beschwerdefall noch anzuwendenden NÖ Vergabegesetzes, LGBl. 7200 in der Fassung der 2. Novelle LGBl. 7200-2, wobei dieses Gesetz (nach dessen § 13 Abs. 5) unter Bundesvergabegesetz das Bundesgesetz über die Vergabe von Aufträgen (Bundesvergabegesetz 1997 - BVergG, BGBl. I Nr. 56/1997) versteht, lautet:
"(1) Die §§ 45 und 46 des Bundesvergabegesetzes sind - mit Ausnahme des § 46 Abs. 4 - sinngemäß anzuwenden.
(2) Hinsichtlich der Öffnung der Angebote gelten die Punkte 4.2.5 bis 4.2.8 der ÖNORM A 2050 mit der Maßgabe, dass auch einzelne Einheitspreise oder Positionspreise aus Schreiben der Bieter über nachträgliche Preisänderungen zu verlesen sind."
Der mit "Prüfung der Angebote" überschriebene § 17 bestimmt in seinem Abs. 1, dass die §§ 47 bis 57 des Bundesvergabegesetzes - mit Ausnahme der §§ 47 Abs. 6, 49 Abs. 4, 51 Abs. 1 und 3 sowie 54 Abs. 2 - sinngemäß anzuwenden sind.
§ 52 Abs. 1 BVergG lautet auszugsweise:
"(1) Vor der Wahl des Angebotes für den Zuschlag hat die vergebende Stelle auf Grund des Ergebnisses der Prüfung die folgenden Angebote unverzüglich auszuscheiden:
...
8. den Ausschreibungsbestimmungen widersprechende sowie fehlerhafte oder unvollständige Angebote, wenn die Mängel nicht behoben wurden oder nicht behebbar sind, oder Teilangebote, wenn sie nicht zugelassen wurden;
..."
Das Beschwerdevorbringen stellt darauf ab, dass bei richtiger rechtlicher Beurteilung die belangte Behörde zum Ergebnis hätte kommen müssen, ein Ausscheiden der Alternativangebote gemäß § 52 Abs. 1 Z. 8 BVergG wäre erst dann möglich gewesen, wenn die Unvollständigkeit der Alternativangebote, nämlich die Ermittlung der neuen Gesamtangebotssummen, trotz Aufforderung nicht behoben worden wäre. Diese Möglichkeit sei durch die allgemeinen Angebots- und Vertragsbedingungen (in der Folge: AVB) im konkreten Fall nicht ausgeschlossen worden bzw. es sei andernfalls davon auszugehen, dass die im Gesetz vorgesehene Möglichkeit der Verbesserung eines solchen Mangels der Angebote durch die AVB gar nicht ausgeschlossen werden könne.
Im Beschwerdefall ist unbestritten, dass bei den drei Alternativangeboten entgegen Punkt 3.13.2 AVB die Ausweisung der jeweiligen Gesamtangebotspreise unterlassen wurde. Dabei handelt es sich entgegen der Meinung der beschwerdeführenden Partei um einen nicht behebbaren Mangel im Sinne des § 52 Abs. 1 Z. 8 BVergG:
In der im oben wiedergegebenen § 16 Abs. 2 NÖ verwiesenen ÖNORM A 2050 Punkt 4.2.6 wird (u.a.) bestimmt, dass "aus den Angeboten - auch Alternativangeboten - ... der Gesamtpreis (ohne USt) oder der Angebotspreis (mit USt) unter Berücksichtigung allfälliger Nachlässe und Aufschläge mit Angabe ihres Ausmaßes ..." vorzulesen sind. Diesem Gebot kann aber nicht entsprochen werden, wenn - wie hier - die jeweiligen Gesamtangebotspreise (bei Berücksichtigung der jeweiligen Alternativen) nicht ausgewiesen sind. Dabei handelt es sich aber auch um einen nicht behebbaren Mangel, weil eine Angebotsöffnung nicht wiederholbar ist und dabei gemachte Fehler nicht sanierungsfähig sind.
Insofern fehlt es aber auch dem Beschwerdevorbringen an der Relevanz, dass die im Gesetz vorgesehenen Möglichkeiten der Verbesserung eines Mangels der Angebote durch Ausschreibungsbestimmungen nicht ausgeschlossen werden könne (und ist die belangte Behörde auch nicht davon ausgegangen, wenn sie meint, es sei durch die AVB nur eine "Klarstellung" erfolgt).
Aus dem oben dargestellten Grund ist auch das Beschwerdevorbringen nicht begründet, wonach eine Rechtfertigung dafür fehle, warum "von allen behebbaren Mängeln i.S.d. § 52 Abs. 1 Z. 8 BVergG gerade der bei den Angeboten der Beschwerdeführerin vorhandene (das Fehlen von neuen Gesamtpreisen hinsichtlich der Alternativen)" ein sofortiger Ausscheidungsgrund sein solle.
Zu einer anderen Beurteilung vermag auch nicht zu führen, wenn die beschwerdeführende Partei schließlich meint, es handle sich "um einen reinen Formmangel ohne jeden materiellen Einfluss auf das Vergabeverfahren"; dies schon deshalb, weil es auf eine solche Qualifizierung für die Lösung der Frage, ob ein behebbarer oder ein nicht behebbarer Mangel im Sinne des § 52 Abs. 1 Z. 8 BVergG vorliegt, nicht ankommt. In diese Richtung weist auch § 48 Abs. 2 BVergG, wonach ein Angebot nicht weiter behandelt werden muss, wenn es solche Mängel aufweist, dass dem Auftraggeber eine Bearbeitung nicht zugemutet werden kann.
Die beschwerdeführende Partei wurde daher durch den angefochtenen Bescheid nicht in ihren Rechten verletzt und war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Die Umrechnung beruht auf § 3 Abs. 2 Z. 2 Eurogesetz, BGBl. I Nr. 72/2000. Die Abweisung des Mehrbegehrens der mitbeteiligten Partei betrifft nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand (nach § 36 Abs. 4 VwGG ist die Gegenschrift nur in doppelter Ausfertigung zu überreichen).
Wien, am