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VwGH vom 23.01.2003, 2000/16/0049

VwGH vom 23.01.2003, 2000/16/0049

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Fellner und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde des D in G, vertreten durch Dr. Christoph Rogler, Rechtsanwalt in 4400 Steyr, Stelzhamerstr. 9, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom , Zl. RV347/1-9/1999, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens und Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Kaufvertrag vom erwarb der Beschwerdeführer von der Libau Wohnungseigentums Ges.m.b.H. ein als "Bauparzelle" bezeichnetes Grundstück und einen als "Privatweg" bezeichneten Grundstücksanteil in der KG 45624 Gallneukirchen um den Kaufpreis von S 665.575,--. Auf Grund der beim Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Linz am eingelangten Abgabenerklärung nach § 10 GrEStG 1987 wurde mit Bescheid vom die Grunderwerbsteuer auf Basis des genannten Kaufpreises (endgültig) festgesetzt. Dass die Behörde vor der Festsetzung irgendwelche Erhebungen gepflogen hätte, ist dem vorgelegten Akt nicht zu entnehmen. Nach der Aktenlage wurden erst im Jahr 1998 weitere Ermittlungsschritte gesetzt.

Mit Bescheid vom wurde die Wiederaufnahme des Verfahrens verfügt und die Grunderwerbsteuer neu bemessen. Neben den Grundkosten wurden "Baukosten lt. Endabrechnung" von S 2,366.525,-- in die Bemessungsgrundlage einbezogen. In der Begründung wurde ausgeführt, die Tatsache, dass zwischen der Libau GmbH und der Schaumberger BauGmbH bereits am eine Vereinbarung über die Errichtung der Reihenhäuser "Punzenberg II" mit einem Fixpreis für die Gesamtanlage samt Zahlungsplan für die zukünftigen Käufer abgeschlossen worden sei, sei erst im Zuge der Erhebungen im Jahre 1998 neu hervorgekommen. Es habe die Absicht bestanden, eine Liegenschaft mit einem darauf zu errichtenden Gebäude zu erwerben.

Die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers wies das Finanzamt mit Berufungsvorentscheidung vom als unbegründet ab. Mit dem angefochtenen Bescheid gab auch die belangte Behörde der Berufung keine Folge.

Hinsichtlich der vom Finanzamt verfügten Wiederaufnahme des Verfahrens berief sich die belangte Behörde auf die Vereinbarung der Libau GmbH mit der Schaumberger BauGmbH vom , die folgenden (auszugsweisen) Inhalt habe:

"Über Vermittlung der Treuservice-Verwaltungs- und Beteiligungsgesellschaft m.b.H. Linz verkauft die Fa. Libau die auf Grund der Vermessungsurkunde des Dipl. Ing. Volker Lipp vom - GZ 997-D-KG Gallneukirchen gebildeten Bauparzellen.

Es ist vorgesehen, dass die jeweiligen Käufer dieser Grundparzellen gleichzeitig mit dem Notariatsvertrag die Firma Schaumberger mit der Errichtung des mit Plan v. Ing. Kogler bei der Gemeinde Gallneukirchen eingereichten und auf der jeweiligen Parzelle geplanten und baubewilligten Hauses beauftragen."

Stelle sich der dem Finanzamt nicht ohne weiteres erkennbare Zusammenhang gewisser Verträge (Kaufvertrag, Werkvertrag, Bauauftrag), die der Behörde nur sukzessive zukämen, erst im Zuge eines auf die konkrete Problematik gerichteten Ermittlungsverfahrens oder in einer Prüfung heraus, so sei vom Hervorkommen neuer Tatsachen und Beweismittel auszugehen, die die Wiederaufnahme des Verfahrens rechtfertigten.

In sachlicher Hinsicht verwies die belangte Behörde auf den Zusammenhang zwischen dem Kaufvertrag vom und dem Bauvertrag vom . Damit sei die Absicht, ein der detaillierten Planung entsprechend bebautes Grundstück zu erwerben, bereits festgestanden.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid erachtet sich der Beschwerdeführer dadurch in seinen Rechten verletzt, dass ihm in Abänderung des Bescheides vom eine Nachforderung vorgeschrieben worden sei.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen ist - abgesehen von den in den Beschwerdefällen nicht in Betracht kommenden Tatbeständen des Erschleichens eines Bescheides oder der Abhängigkeit von Vorfragen - nach § 303 Abs. 4 BAO in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Der Verwaltungsgerichtshof war schon mehrfach mit Grunderwerbsteuervorschreibungen bezüglich der Parzellen bzw. Häuser der gegenständlichen Reihenhausanlage befasst, wobei in den Fällen der Erkenntnisse vom , Zlen. 2000/16/0043, 0044 sowie 2000/16/0045, wie im vorliegenden Fall die Voraussetzungen einer Wiederaufnahme auf Grund von im Jahr 1998 hervorgekommenen Beweismitteln angenommen wurden. In beiden Vorerkenntnissen lehnte der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung ab, dass die Vereinbarung vom eine neue Tatsache im Sinne des § 303 Abs. 4 BAO sei, vielmehr seien alle für die Beurteilung der Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer entscheidenden Umstände bereits aus einem von Anfang an bekannten Schriftstück vom zu entnehmen gewesen. Der Fall des Erkenntnisses vom heutigen Tage, Zl. 2000/16/0047, 0048, betrifft eine weitere Parzelle der gegenständlichen Reihenhausanlage mit dem Haus Nr. 7. Nach dem dortigen Verwaltungsakt wurden dem Finanzamt auf Grund seiner in 17 Punkten bestehenden Anfrage umfangreiche Auskünfte erteilt und insbesondere nicht nur das Muster eines Bauvertrages und die der Libau erteilte Baubewilligung, sondern auch jenes Schriftstück vom vorgelegt, welches der Verwaltungsgerichtshof in den genannten Vorerkenntnisses als entscheidend bezüglich des Wissensstandes der Behörde angesehen hat. Es wurde daher auch dort die Auffassung abgelehnt, dass die von der belangten Behörde auch hier herangezogene Vereinbarung vom , welche dem Finanzamt 1998 zugekommen sei, als neue Tatsache im Sinne des § 303 Abs. 4 BAO anzusehen sei; vielmehr seien alle für die Beurteilung der Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer entscheidenden Umstände bereits aus dem Schriftstück vom zu entnehmen gewesen.

Aus dem hier vorliegenden Verwaltungsakt ergibt sich, dass das Finanzamt auf Grund der Grunderwerbsteuererklärung keinerlei Erhebungen gepflogen hat, sondern unverzüglich mit Erlassung des endgültigen Bescheides, beinhaltend als Bemessungsgrundlage ausschließlich die Kosten für den Grunderwerb, vorgegangen ist. Weitere Aktenvorgänge bis zum Jahr 1998 sind dem vorgelegten Verwaltungsakt nicht zu entnehmen.

Zur Frage, welcher Wissensstand der Behörde zuzurechnen sei, um zu beurteilen, welche Tatsachen "neu hervorgekommen" sind, sei zunächst auf die Darlegungen bei Stoll, BAO-Kommentar, 2935 ff verwiesen. Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung ist das Hervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln aus der Sicht des jeweiligen Verfahrens zu beurteilen (vgl. Ritz, BAO-Kommentar2, § 303, RZ 14 und die dort wiedergegebene hg. Rechtsprechung).

Im vorliegenden Fall erscheint es nur bei oberflächlicher Betrachtung des Akteninhaltes gerechtfertigt, allein den Kaufvertrag und die Abgabenerklärung als "Wissensstand" der Behörde anzusehen. Die Vorgangsweise des Finanzamtes, beim zu beurteilenden Verkauf einer Bauparzelle keinerlei Ermittlungsschritte dahingehend zu setzen, in welchem Zustand das Grundstück erworben werden soll, lässt sich nur damit erklären, dass zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides vom die Berufungsentscheidung der belangten Behörde vom , betreffend ein anderes Reihenhaus der selben Anlage, bekannt gewesen sein musste; in dieser Berufungsentscheidung war in Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides die Bauherreneigenschaft des Erwerbers ausdrücklich anerkannt worden.

Dass der Wissensstand der Behörde im Zeitpunkt der Bescheiderlassung vom weiter gehend war, als aus dem bloßen Akteninhalt des gegenständlichen Steuerverfahrens ersichtlich, ergibt sich auch eindeutig aus den Ausführungen in der Gegenschrift der belangten Behörde:

"Bei Erlassung des Erstbescheides vom ging das Finanzamt - unter Berücksichtigung der in den gleich gelagerten Fällen getroffenen Feststellungen (vgl. die unter VwGH-Zl. 2000/16/0047, 0048 protokollierten Beschwerden) -, insbesondere auf Grund der Aussage des Geschäftsführers der Libau-Wohnungseigentums Ges.m.b.H. davon aus, dass dem Beschwerdeführer auf Grund der ihm vertraglich eingeräumten Möglichkeiten die Bauherreneigenschaft zukomme."

Der Verwaltungsgerichtshof geht daher in diesem besonderen Fall davon aus, dass die Behörde im vorliegenden Verwaltungsverfahren über den selben Wissensstand verfügte, wie er in jenen anderen Verfahren, die gegenständliche Reihenhausanlage betreffend, die Gegenstand verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen waren, bestand. Dabei ist aber auch hier, wie in den Fällen der zitierten Vorerkenntnisse, nicht die erst 1998 der Behörde bekannt gewordene Vereinbarung vom , sondern das schon 1993 bekannte Schriftstück vom als Wissensstand anzusehen.

In Anwendung des § 43 Abs. 2 VwGG ist daher auf die Begründung dieser Vorerkenntnisse zu verweisen; auch im vorliegenden Fall sind die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens nicht gegeben, weshalb die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet hat. Der Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am