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VwGH vom 29.09.1993, 92/03/0220

VwGH vom 29.09.1993, 92/03/0220

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Leukauf, Dr. Sauberer, Dr. Kremla und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Werner, über die Beschwerde der M und des G in K, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , Zl. 11-22 D 1-92, betreffend die Aussetzung des Berufungsverfahrens gemäß § 38 AVG in einer Angelegenheit der StVO, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Steiermark hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 11.390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom wurde von der Bezirkshauptmannschaft Leoben der Antrag der Beschwerdeführer auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung zur Aufstellung von Hinweistafeln an der A 9-Pyhrn-Autobahn gemäß § 84 in Verbindung mit § 94 b StVO abgewiesen. Zur Begründung führte die Behörde im wesentlichen aus, daß der Betrieb der Beschwerdeführer keine Raststation oder Rasthaus an einer Autobahn oder Autostraße sei, sondern ca. 750 bis 800 m von der geplanten Anschlußstelle Kalwang der A 9-Pyhrn-Autobahn entfernt liege. Die Ankündigung eines "normalen" Gastgewerbebetriebes auf der A 9-Pyhrn-Autobahn diene keineswegs einem vordringlichen Bedürfnis der Straßenbenützer und sei für diese auch nicht von erheblichem Interesse im Sinne des § 84 Abs. 3 StVO.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Berufung.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde "aus Anlaß der Berufung" das Berufungsverfahren gemäß § 38 AVG ausgesetzt. Die belangte Behörde führte in ihrer Begründung aus, gemäß § 25 Bundesstraßengesetz (BStG) dürften optische Ankündigungen in einer Entfernung von 100 m entlang der Bundesautobahnen nicht errichtet werden. Optische Ankündigungen bedürften in diesem Bereich - unbeschadet anderer einschlägiger Rechtsvorschriften, insbesondere der straßenpolizeilichen Vorschriften - einer Zustimmung des Bundes (Bundesstraßenverwaltung), welche nur dann erteilt werden dürfe, wenn die Ankündigung dem allgemeinen Interesse der Verkehrsteilnehmer diene. Vor der Entscheidung über die eingebrachte Berufung sei somit aus Gründen der Verfahrensökonomie und der Vermeidung von Bindungskonflikten zunächst die Abwicklung eines Verfahrens nach § 25 BStG erforderlich, weil selbst eine allfällige Bewilligung nach den straßenpolizeilichen Vorschriften die Beschwerdeführer noch nicht berechtige, die von ihnen angestrebten Ankündigungen an der A 9-Pyhrn-Autobahn vor Erlassung eines Bewilligungsbescheides nach den einschlägigen Bestimmungen des BStG anzubringen. Ihre Rechtsauffassung stützte die belangte Behörde auf eine Stellungnahme der Pyhrn-Autobahn-AG, die als Straßenerhalter und in Vertretung des Bundes mit Schreiben vom mitgeteilt habe, daß außer den vorgesehenen Raststationen Kammern, Trieben und Spital am Pyhrn keine weiteren Rasthäuser an der A 9 beschildert werden könnten.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Unter dem Gesichtspunkt der inhaltlichen Rechtswidrigkeit bringen die Beschwerdeführer unter anderem vor, daß die Voraussetzungen des § 38 AVG zur Aussetzung des Berufungsverfahrens im vorliegenden Fall nicht gegeben seien, da keine Vorfrage bereits Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bilde oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht worden sei.

Diesem Vorbringen kommt Berechtigung zu.

§ 38 AVG hat nachstehenden Wortlaut:

"Sofern die Gesetze nicht anderes bestimmen, ist die Behörde berechtigt, im Ermittlungsverfahren auftauchende Vorfragen, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, nach der über die maßgebenden Verhältnisse gewonnenen eigenen Anschauung zu beurteilen und diese Beurteilung ihrem Bescheid zugrunde zu legen. Sie kann aber auch das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Vorfrage aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei der zuständigen Behörde bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird."

Voraussetzung für die Aussetzung ist daher 1. die Präjudizialität der Entscheidung über die Vorfrage und 2. die Anhängigkeit des darüber bei der zuständigen Behörde durchzuführenden Verfahrens (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 92/09/0333 bis 0344).

Schon das erstgenannte dieser beiden oben angeführten inhaltlichen Erfordernisse für die Aussetzung des Verfahrens im Sinne des § 38 AVG ist im vorliegenden Fall nicht gegeben.

Denn präjudiziell - und somit Vorfragenentscheidung im verfahrensrechtlich relevanten Sinn - ist nach der

hg. Rechtsprechung nur eine Entscheidung, die 1. eine Rechtsfrage betrifft, deren Beantwortung für die Hauptfragenentscheidung unabdingbar - d.h. eine notwendige Grundlage - ist, und 2. die diese Rechtsfrage in einer die Verwaltungsbehörde bindenden Weise regelt (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 90/19/0181). Vorfrage ist also immer eine Frage, deren Beantwortung ein unentbehrliches Tatbestandsmoment für die Entscheidung der Hauptfrage bildet (vgl. auch Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Aufl., die zu § 38 AVG unter E 1, 2a und 3 wiedergegebene Judikatur, S. 244 f).

Die Zustimmung des Bundes gemäß § 25 BStG zur Errichtung der Hinweistafeln stellt für die Entscheidung im gegenständlichen Verfahren hinsichtlich der Erteilung einer Ausnahmebewilligung nach § 84 Abs. 3 StVO keine unentbehrliche, notwendige Grundlage im Sinne der zuvor zitierten Judikatur dar und ist somit für diese nicht präjudiziell.

Die Bewilligung nach den Vorschriften des Bundesstraßengesetzes ist nicht Gegenstand des straßenpolizeilichen Bewilligungsverfahrens, auch nicht in Form einer Vorfrage nach § 38 AVG. Auch läßt sich weder aus § 25 BStG noch aus § 84 Abs. 3 StVO ableiten, daß mit der Entscheidung im straßenpolizeilichen Bewilligungsverfahren solange zuzuwarten ist, bis die Zustimmung des Bundes nach § 25 BStG erteilt worden ist.

Bedarf es zur Verwirklichung eines Vorhabens der Bewilligung verschiedener Behörden, so ist es Sache der Antragsteller, diese Bewilligungen im jeweiligen Verfahren zu erwirken. Ein Verhältnis von Vorfrage zur Hauptfrage ist im vorliegenden straßenpolizeilichen Verfahren nicht gegeben.

Da des weiteren der Aktenlage zu entnehmen ist, daß - wie die Beschwerdeführer zutreffend ausführten - weder ein Verfahren nach § 25 BStG anhängig ist noch gleichzeitig anhängig gemacht wurde, läge auch insoweit diese Voraussetzung für ein Vorgehen nach § 38 AVG im gegenständlichen Fall nicht vor.

Die Aussetzung des Berufungsverfahrens erweist sich sohin als verfehlt. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Es erübrigte sich ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen, insbesondere die Behauptung der Beschwerdeführer, es liege bereits eine Zustimmung gemäß § 25 BStG vor.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft Stempelgebühren für eine nicht erforderliche dritte Ausfertigung der Beschwerde.