VwGH vom 05.07.1988, 84/07/0054
Beachte
Vorgeschichte:
82/07/0071 E ;
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Fürnsinn, Dr. Zeizinger und Dr. Höß als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Janistyn, über die Beschwerde des EM in W, vertreten durch Dr. Alfons Adam, Rechtsanwalt in Neulengbach 270, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom , Zl. 511.251/02-I 5/83, betreffend wasserrechtliche Bewilligung (mitbeteiligte Partei: Stadt Wien, vertreten durch den Magistrat), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom bewilligte der Landeshauptmann von Niederösterreich dem Beschwerdeführer gemäß §§ 11, 12, 32, 99, 105 und 111 WRG 1959 unter einer Reihe von Vorschreibungen im Grundwasserschongebiet der Mitterndorfer Senke die Erweiterung einer - für näher bezeichnete, im Eigentum des Beschwerdeführers stehende Grundflächen in der KG W schon bewilligten - Naßbaggerung auf bestimmte anschließende, ebenfalls dem Beschwerdeführer gehörende Grundstücke und Grundstücksteile sowie die Folgenutzung des betreffenden Baggerteiches als Sportfischteich. Aufgrund der Berufung der nun am Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof mitbeteiligten Partei, die sich wegen einer (auch sie berührenden) Beeinträchtigung des Grundwassers so wie schon im vorangegangenen Verfahren gegen das Vorhaben ausgesprochen hatte, änderte der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft - nachdem sein diese Berufung zurückweisender Bescheid vom mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 82/07/0071 und 0072, aufgehoben worden war - mit Bescheid vom den erstinstanzlichen Bescheid gemäß § 66 (Abs. 4) AVG 1950 dahin ab, daß das Ansuchen des Beschwerdeführers um die erweiterte Naßbaggerung samt angegebener Folgenutzung gemäß § 105 lit. e und f WRG 1959 in Verbindung mit § 4 der Verordnung zum Schutze des Grundwasservorkommens in der Mitterndorfer Senke, BGBl. Nr. 126/1969, abgewiesen wurde.
Begründend bezog sich die Rechtsmittelbehörde nach einer kurzen Wiedergabe des vorangegangenen Verwaltungsgeschehens zunächst auf ein von ihr eingeholtes wasserbautechnisches Amtssachverständigengutachten, die Äußerung des Beschwerdeführers hiezu, die Erwiderung des Sachverständigen hierauf und auf die abschließende Stellungnahme des Beschwerdeführers. Nach einem Hinweis auf § 32 Abs. 1 und 2 lit. c sowie § 105 lit. e und f WRG 1959 (bei der zuletzt genannten Bestimmung in Hinsicht einer Gefährdung der notwendigen Wasserversorgung), ferner auf § 4 der erwähnten Verordnung führte der Bundesminister sodann aus, es stehe im Beschwerdefall außer Zweifel, daß die Erweiterung der Naßbaggerung ohne wasserrechtliche Bewilligung vorgenommen worden sei. Daran könne auch die vorübergehend eingetretene formelle Rechtskraft des erstinstanzlichen Bewilligungsbescheides nichts ändern. Im übrigen habe der Beschwerdeführer mit der Erweiterung bereits vor der in erster Instanz durchgeführten Verhandlung begonnen. Bereits zu jener Zeit hätten das wasserwirtschaftliche Planungsorgan des Landes wie auch der ärztliche Amtssachverständige die Ansicht vertreten, daß jede weitere Naßbaggerung im betroffenen Bereich wegen der damit verbundenen Entfernung der das Grundwasser schützenden Bodenschichten und wegen der daraus resultierenden hygienischen Bedenken abzulehnen sei. Der wasserbautechnische Amtssachverständige der Rechtsmittelbehörde habe diesem Standpunkt beigepflichtet und ausgeführt, daß aufgrund der vorherrschenden Strömungsrichtung des Grundwassers die Brunnen Wien-Moosbrunn I und II sowie Mödling-Moosbrunn am Rande, die Brunnenfelder von Mitterndorf, Seibersdorf, Neureisenberg und andere direkt durch die in Rede stehende Ausweitung beeinflußt würden. Insbesondere würde durch die wesentlich weitere Offenlegung des Grundwassers die Möglichkeit vergrößert, daß Schmutz- und Schadstoffe direkt in das Grundwasser eindringen könnten. Dadurch komme es im Grundwasser zu Sauerstoffarmut, Aufhärtung, gegebenenfalls Reduktionszonen sowie Beeinflussung hinsichtlich Geruch und Geschmack. Selbst wenn die Naßbaggerung nicht bis in die gleiche Tiefe reiche, in der die Entnahme für die Trinkwasserversorgung der Mitbeteiligten erfolge, sei doch, da das Grundwasser im Bereich der Mitterndorfer Senke im Mittel in geringer Tiefe von 1 - 2 m unter Geländeoberkante anstehe, sehr wahrscheinlich, daß sich in den Baggerseen auftretende Verunreinigungen mit einer gewissen Verzögerung in den Brunnen bemerkbar machten. Wenn auch nicht behauptet werden könne, daß bereits Verunreinigungen aufgetreten seien, trage die Erweiterung doch zu einer Erhöhung der Gefährdung des Grundwassers durch Eindringen der Schmutz- und Schadstoffe bei. Ähnliches gelte für die angestrebte Fischteichnutzung, da es sich bei Baggerseen um abflußlose Teiche handle und eine entsprechende Wassererneuerung nicht stattfinde. Auch bei sogenannten Sportfischteichen müßte in gewissen Zeiten zugefüttert werden, was mit negativen Auswirkungen auf das Grundwasser verbunden sei. Würde ein Zufüttern unterbleiben, wäre mit dem Verenden der Fische und dadurch wieder mit negativen Auswirkungen zu rechnen. Setze man diese Aussagen in Bezug dazu, daß die Erweiterung der Naßbaggerung im Bereich des durch die Verordnung zum Schutz des Grundwasservorkommens in der Mitterndorfer Senke geschützten Gebietes liege und daß nach § 4 dieser Verordnung der Trinkwasserversorgung der Vorrang zu geben und der Schutz der Gewässer vor Verunreinigung anzustreben sei, folge schon daraus, daß man bei Beurteilung des Vorhabens zum Schutz der öffentlichen Interessen und der Trinkwassernutzer einen besonders strengen Maßstab anzulegen habe. Demgegenüber ergebe sich aus den Stellungnahmen des wasserbautechnischen Amtssachverständigen, die mit jenen des wasserwirtschaftlichen Planungsorganes des Landes und des ärztlichen Amtssachverständigen der ersten Instanz übereinstimmten, daß die Erweiterung der Naßbaggerung im Beschwerdefall eine besondere Gefährdung der Trinkwasserversorgung erwarten lasse. Diesen Gutachten sei der Beschwerdeführer auf sachverständiger Basis nicht entgegengetreten - der von ihm ursprünglich bevollmächtigte Vertreter sei Ingenieurkonsulent für Vermessungswesen und Computertechnik, nicht aber für Angelegenheiten der Wasserwirtschaft. Die vom Sachverständigen des Amtes der Landesregierung vertretene Auffassung, in Anbetracht des vom Beschwerdeführer in der Natur bereits hergestellten Zustandes bleibe keine andere Möglichkeit, als die getätigte und begonnene Erweiterung der Naßbaggerung zu bewilligen, gehe über den Rahmen der von den Sachverständigen zu beurteilenden Fragen hinaus; sie vermöge auch an der von den Sachverständigen getroffenen Feststellung grundsätzlicher Bedenken gegen das Vorhaben nichts zu ändern. Konsequenterweise müßten andernfalls die Gewässerschutzbestimmungen bei durch konsensloses Handeln geschaffenen Zuständen undurchsetzbar bleiben. Zu den Beweisanträgen des Beschwerdeführers in Hinsicht der Zweckmäßigkeit der Wiederverfüllung einer Naßbaggerung, der Gefahr einer Eutrophierung von Gewässern unter 3 ha Fläche und der Gewässerverunreinigung bei Nutzung (eines Baggersees) als Sportfischteich sei festzustellen, daß die Wiederverfüllung der konsenslos vorgenommenen Erweiterung der Naßbaggerung nicht den Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens bilde. In dieser Beziehung könne das Gutachten des wasserbautechnischen Amtssachverständigen lediglich als Ratschlag für eine weitere, dem Gewässerschutz entsprechende Vorgangsweise angesehen werden. Den anderen beiden Beweisanträgen sei nicht zu entsprechen gewesen, weil die davon betroffenen Fragen ohnedies im wasserbautechnischen Gutachten hinreichend beantwortet worden seien und sie weder eine Unschlüssigkeit des Gutachtens noch das Erfordernis der Ausdehnung des Ermittlungsverfahrens erkennen ließen. Auch die vom Beschwerdeführer verlangte Befragung des hydrographischen Dienstes des Amtes der Landesregierung betreffend die Grundwasserentnahme aus dem zweiten Horizont der Mitterndorfer Senke und die Auswirkungen von Sportfischteichnutzungen sei nicht zu berücksichtigen gewesen; denn einerseits habe der wasserbautechnische Amtssachverständige bereits ausgeführt, daß jede Verunreinigung im Baggerteich wenn auch mit zeitlicher Verzögerung in den Grundwasserentnahmestellen auftrete; andererseits ergebe sich aus § 30 WRG 1959 die Pflicht zur Reinhaltung aller Gewässer einschließlich des Grundwassers, ohne daß es allein auf deren sonstige Nutzung ankomme. Was die vom Beschwerdeführer behandelte Frage einer wegen Geringfügigkeit der Einwirkungen bewilligungslosen Fischteichnutzung angehe, ergebe sich aus dem zuletzt genannten Gutachten, daß bei Baggerseen wegen des Fehlens eines Abflusses und einer entsprechenden Wassererneuerung in bezug auf den Fischbestand ein besonders strenger Maßstab anzuwenden sei; im Beschwerdefall gelte, daß eine über das geringfügige Ausmaß hinausgehende Nutzung des Baggerteiches als Sportfischteich nicht zulässig sei, so daß sich weitere Ermittlungen in dieser Hinsicht erübrigten. Zusammenfassend ergebe sich, daß aufgrund des besonderen öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung der Wasserqualität des Grundwasservorkommens Mitterndorfer Senke eine wasserrechtliche Bewilligung der beantragten Erweiterung der Naßbaggerung wie auch eine Folgenutzung als Sportfischteich als unzulässig anzusehen sei, weshalb das Ansuchen des Beschwerdeführers habe abgewiesen werden müssen.
Dieser Bescheid wird mit der vorliegenden Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bekämpft, wobei sich der Beschwerdeführer nach seinem ganzen Vorbringen in dem Recht auf Aufrechterhaltung der ihm mit dem erstinstanzlichen Bescheid erteilten wasserrechtlichen Bewilligung verletzt erachtet.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte. Die mitbeteiligte Partei hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 32 Abs. 1 WRG 1959 sind Einwirkungen auf Gewässer, die unmittelbar oder mittelbar deren Beschaffenheit (§ 30 Abs. 2) beeinträchtigen, nur nach wasserrechtlicher Bewilligung zulässig; bloß geringfügige Einwirkungen, der Gemeingebrauch sowie die übliche land- und forstwirtschaftliche Bodennutzung gelten bis zum Beweis des Gegenteiles nicht als Beeinträchtigung.
Gemäß § 105 WRG 1959 kann ein Unternehmen insbesondere dann als unzulässig angesehen oder nur unter entsprechenden Bedingungen bewilligt werden, wenn (lit. e) die Beschaffenheit des Wassers nachteilig beeinflußt würde, sowie wenn (lit. f) unter anderem eine Gefährdung der notwendigen Wasserversorgung entstehen kann.
Gemäß § 4 erster Satz der Verordnung BGBl. Nr. 126/1969 ist für die Handhabung der Bestimmungen der §§ 9, 10, 28 bis 35, 38 und 112 des Wasserrechtsgesetzes 1959 im Grundwasserschongebiet der Vorrang der Trinkwasserversorgung und der örtlichen Feldbewässerung maßgebend.
Der Beschwerdeführer meint zunächst, die belangte Behörde hätte seinen Anträgen, betreffend die Einholung weiterer sachkundiger Stellungnahmen Folge geben müssen; es habe nämlich keines Fachwissens bedurft, um zu erkennen, daß das wasserbautechnische Gutachten, auf das sich der angefochtene Bescheid stütze, unschlüssig sei; denn zum einen fehle ihm der Befund, zum andern widerspreche es dem allgemein menschlichen Erfahrungsgut.
Eine Prüfung des ersteren Vorwurfes ergibt, daß dem Gutachten die Aktenlage zugrunde gelegt wurde. Der Beschwerdeführer hat dies in seiner Äußerung vom selbst erwähnt, allerdings bemängelt, es wären die in den Vorakten angeführten Befunde und Sachverständigengutachten nicht als Beweismittel gewürdigt worden, wobei der Beschwerdeführer eine neue (ihm nicht bekannte) Beweisaufnahme - die indessen nicht stattgefunden hat - vermutete. In der dem Beschwerdeführer hierauf zur Kenntnis gebrachten weiteren gutachtlichen Äußerung desselben Sachverständigen hat dieser sodann auf den Vorwurf mit dem Hinweis auf eine Reihe im einzelnen aufgezählter fachlicher Stellungnahmen in den Verwaltungsakten geantwortet; zwei von ihnen stammen aus dem vorangegangenen erstinstanzlichen Verfahren und enthalten "ablehnende" Komponenten; eine von ihnen wurde während der mündlichen Verhandlung nach Durchführung eines Ortsaugenscheines abgegeben. Nun muß ein Sachverständiger den seinem Gutachten zugrundeliegenden Befund nicht selbst erheben; es genügt, wenn sich aus dem Gutachten die Grundlagen und die Art ihrer Beschaffung ergeben (siehe dazu die bei Ringhofer, Verwaltungsverfahrensgesetze I 1987, 455, angegebene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes). Dem ist im Beschwerdefall Rechnung getragen worden. Es trifft auch nicht zu, daß das in Rede stehende Gutachten mit den Erfahrungen des täglichen Lebens in Widerspruch stünde. Daß abflußlose Baggerseen mit Grundwasser in Verbindung stehen und eine Verunreinigung im Weg von Austauschvorgängen dieses und damit das aus ihm bezogene Trinkwasser zu beeinflussen vermag, ist ebenso einsichtig wie daß bei derartigen offenen Wasserflächen Verunreinigungen eintreten können, wovon im Gutachten Beispiele aufgezählt wurden. Daß im Beschwerdefall am Rand der Anlage eine Landesstraße verläuft, von der her allein schon solche sich leicht ergeben könnten, zeigen Pläne und Beschreibungen. Auf die Frage einer Folgenutzung des Baggersees (als Sportfischteich) einzugehen erübrigt sich, weil eine in unbedenklicher Weise vorgenommene negative Beurteilung der beantragten Erweiterung der Naßbaggerung selbst jede Folgenutzung -
zu der es rechtens nicht kommen kann - ausschließt. Die belangte Behörde hat auch keineswegs gegen das Gesetz verstoßen, sondern sich vielmehr zutreffenderweise an die durch das vom Beschwerdeführer gestellte und von der Vorinstanz behandelte Bewilligungsansuchen gekennzeichnete Sache gehalten, die den Gegenstand der Berufungsentscheidung bildete und demgemäß die außerhalb jenes vorgegebenen Rahmens liegende Frage einer Wiederverfüllung der schon vorgenommenen Erweiterung der Naßbaggerung nicht in Behandlung gezogen (zur "Sache" des Berufungsverfahrens vgl. die bei Ringhofer a.a.O., 633 ff, angeführte Judikatur). In der bezeichneten Hinsicht erforderliche Maßnahmen sind zu Recht einem eigenen wasserrechtlichen Verfahren vorbehalten geblieben.
Nach dem Vorgesagten liegt die behauptete Rechtsverletzung nicht vor, weshalb die somit unbegründete Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Von der beantragten Verhandlung wurde gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen.
Der Zuspruch von Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG und der Verordnung BGBl. Nr. 243/1985, insbesondere auch deren Art. III Abs. 2.
Wien, am