VwGH 20.03.1984, 84/07/0017
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | WRG 1959 §10; WRG 1959 §121 Abs1; |
RS 1 | Eine außerhalb eines wasserrechtlichen Überprüfungsverfahrens getroffene bescheidmäßige Feststellung "einer Abweichung von wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid" ist unzulässig. |
Normen | VwGG §34 Abs1; WRG 1959 §10; WRG 1959 §121 Abs1; |
RS 2 | Ausführungen zur Zulässigkeit einer Beschwerdeberechtigung des Wasserberechtigten gegen eine unzulässige bescheidmäßige "Feststellung" einer Abweichung von einem wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid. |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schima und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Hoffmann, Dr. Fürnsinn und Dr. Zeizinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Starlinger, über die Beschwerde des
1.) JS in S und weitere 18 Beschwerdeführer, sämtliche vertreten durch Dr. Josef Schima, Rechtsanwalt in Wien I, Rotenturmstraße 17/2/15, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom , Zl. 15.626/42-
I 5/83, betreffend Feststellung in einem wasserrechtlichen Verfahren (mitbeteiligte Partei: Stadt Wien, MA 31, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 10.700,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid der belangten Behörde vom wurde der mitbeteiligten Partei unter verschiedenen Nebenbestimmungen (Bedingungen und Auflagen) die wasserrechtliche Bewilligung zur Ausführung des Grundwasserwerkes Mitterndorfer Senke mit einer Wasserentnahme im Höchstausmaß von 742 l/sec aus den Horizontalfilterbrunnen Moosbrunn I und Moosbrunn II zur Wasserversorgung von Wien erteilt. Im Punkt II des Spruches dieses Bescheides wurde ausgesprochen, daß gemäß § 59 Abs. 1 AVG 1950 und § 21 WRG 1959 unter anderem über folgende Frage, für die zur Wahrung öffentlicher Interessen (§ 105 WRG 1959) noch Detailausarbeitungen (§ 103 WRG) vorzulegen sind, gesondert entschieden wird:
"a) Die Versuchsdurchführung zur konkreten Ermittlung der Detailunterlagen für die Grundwasseranreicherung sowie die Ausgestaltung der Grundwasseranreicherung auf Grund der Versuchsergebnisse."
Im Punkt IV des Spruches dieses Bescheides wurde unter anderem ausgesprochen, daß das Maß der Wasserbenutzung dem Ergebnis der im Abschnitt II angeführten Detailplanungen bei deren Bewilligung angepaßt und dementsprechend bei der gemäß § 121 Abs. 1 WRG 1959 durchzuführenden Überprüfung endgültig bestimmt wird und daß ferner die Grundwasserentnahme den Ergebnissen der Beweissicherung künftig durch entsprechende technische Ausgleichsmaßnahmen oder Entnahmeeinschränkungen derart anzupassen ist, daß durch die Entnahmeauswirkungen der im "Gutachten K" ermittelte 10 cm-Grundwasserabsenkbereich nicht wesentlich überschritten und der zulässige Grenzwert im Niederwasserabfluß der Fischa nicht unterschritten wird. Die im Interesse der Landeskultur getroffenen Anordnungen wurden im Abschnitt B (Bedingungen 12. bis 15.) genau umschrieben.
Die mitbeteiligte Partei teilte der belangten Behörde im Oktober 1982 mit, sie habe entsprechend Abschnitt II lit. a des Bescheides vom die für die Grundwasseranreicherung erforderlichen Detailunterlagen erarbeitet und sei mit Fortschreiten der dafür erforderlichen Untersuchungen zur Erkenntnis gekommen, daß die Notwendigkeit zur Durchführung einer Grundwasseranreicherung nicht bestehe. Sie hat dabei ein Untersuchungsoperat mit dem Begehren vorgelegt, daß von der Grundwasseranreicherung abgesehen werden möge.
Hierüber führte die belangte Behörde ein Ermittlungsverfahren durch. Während sich zu diesem Vorschlag das angehörte Amt der Niederösterreichischen Landesregierung und die Niederösterreichische Landeslandwirtschaftskammer ablehnend äußerten, beurteilten die von der Behörde beigezogenen Sachverständigen die Abstandnahme von einer Grundwasseranreicherung positiv.
Mit dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheid der belangten Behörde vom wurde gemäß §§ 10, 100 und 105 WRG 1959 in Verbindung mit § 59 AVG 1950 festgestellt, daß
"1) dem Spruchabschnitt II lit. a des über das Grundwasserwerk Mitterndorfer Senke der Stadt Wien erlassenen wasserrechtlichen Hauptbewilligungsbescheides vom , Zl. 96.505/506-40.500/71, wonach zur Wahrung öffentlicher Interessen noch Detailausarbeitungen für die Grundwasseranreicherung sowie Ausgestaltung derselben auf Grund der Versuchsergebnisse vorzulegen sind, durch Vorlage von Unterlagen über die Entbehrlichkeit der Grundwasseranreicherung entsprochen wurde und
2) daher die Bestimmungen dieses Bescheides über die Grundwasseranreicherung gegenstandslos geworden sind."
In der Begründung dieses Bescheides wurde unter Berufung auf die eingeholten Gutachten der Sachverständigen für Landeskultur und Wasserwirtschaft ausgeführt, durch den Wegfall der Grundwasseranreicherung werde zwar eine Beeinträchtigung, aber noch keine Gefährdung der Landeskultur eintreten; zusätzliche Wasserentnahmen zur Erhaltung der Landeskultur (auch landwirtschaftliche Beregnungen) im 10 cm-Absenkbereich seien auch künftig möglich. Im Falle der Ausübung landwirtschaftlicher Beregnung innerhalb des Absenkbereiches sei die im öffentlichen Interesse liegende Aufrechterhaltung der Landwirtschaft und Landeskultur bei Betrieb des Grundwasserwerkes Mitterndorfer Senke auch ohne Ausführung der ursprünglich erwogenen Grundwasseranreicherung gewährleistet. Der Sachverständige für Wasserwirtschaft habe zusammenschauend festgestellt, daß auf Grund des nunmehr vorliegenden Wissens über die Wasserversorgung der Kulturen im gegenständlichen Gebiet von einer Grundwasseranreicherung seitens der mitbeteiligten Partei Abstand genommen werden könne, ohne daß eine Verletzung öffentlicher Interessen zu besorgen sei. Es stehe von der Seite des Wasserdargebotes genügend Wasser zur Verfügung, um die notwendigen Grundwasserentnahmen für Bewässerungszwecke zu tätigen, unabhängig davon, ob die Entnahmestellen innerhalb oder außerhalb des genannten 10 cm Absenkbereiches lägen. Diese Gutachten seien durch keine Gegengutachten entkräftet und erwiesen sich ihrerseits als durchaus überzeugend und schlüssig. Aus ihnen und den Grundlagen, auf denen sie beruhten, ergäben sich gegenüber den für den Bescheid aus 1971 maßgebend gewesenen früheren sachlichen Annahmen nunmehr wissenschaftlich und auch durch praktische Erfahrungen hinreichend erhärtete neue Erkenntnisse über den Zusammenhang des Pflanzenwachstums - Niederschlagsverhältnisse - Grundwasserspiegellage. Insbesondere könne aus den nunmehr festgestellten bodenkundlichen Verhältnissen gefolgert werden, daß die Höhenlage des Grundwasserspiegels für das Pflanzenwachstum nicht von derart ausschlaggebender Bedeutung sei, wie dies auf Grund der seinerzeitigen Fachunterlagen ursprünglich angenommen worden sei. Zusammenfassend erhelle daraus, daß vom Standpunkt des öffentlichen Interesses gegen einen Verzicht auf die Grundwasseranreicherung keine Bedenken obwalten und sich daher eine Abstandnahme von derselben in Ansehung der öffentlichen Interessen vertreten lasse.
Dieser Bescheid wurde der mitbeteiligten Partei, dem Amt der Niederösterreichischen Landesregierung und der Niederösterreichischen Landes-Landwirtschaftskammer sowie den Sachverständigen, nicht aber den Beschwerdeführern zugestellt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde. Die Beschwerdeführer erachten sich durch den Wegfall der vorgesehenen Grundwasseranreicherung in ihren Rechten gemäß § 12 Abs. 2 WRG 1959 als Grundeigentümer im Absenkbereich des Grundwasserwerkes Mitterndorfer Senke verletzt. Der angefochtene Bescheid sei in die Form eines Feststellungsbescheides gekleidet, weise jedoch einen rechtsgestaltenden Inhalt auf, da er eine Auflage des Bescheides vom ihrem Inhalt nach abändere. Weiters stütze sich der angefochtene Bescheid auf den wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid vom , der nicht als rechtsgültiger Bescheid den damals geltenden Vorschriften des § 18 Abs. 4 AVG 1950 im Zusammenhang mit der Beglaubigungsverordnung entspreche und damit als Nichtbescheid anzusehen sei. Aus diesem Grunde gehe der angefochtene Bescheid hinsichtlich seines Ausspruches ins Leere.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet; in dieser führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, die Vorschreibung der Grundwasseranreicherungen sei im öffentlichen Interesse erfolgt. In diesem Umfange würden aber keine subjektiven Rechte der Beschwerdeführer berührt werden. Es ermangle ihnen sohin die Parteistellung. Auch die mitbeteiligte Partei hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Beschwerdeführer als nicht zur Beschwerdeerhebung legitimiert ansieht, zumal nach dem Beschwerdevorbringen klar feststehe, daß über die Beeinträchtigung ihrer Rechte und das Erfordernis der Entschädigung im Grundsatzbescheid über das Grundwasserwerk Mitterndorfer Senke bereits abgesprochen worden sei und daß die behauptete, jedoch nicht näher ausgeführte Beeinträchtigung des Grundeigentums durch den bekämpften Bescheid nicht vorgenommen worden sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gegenstand des vorliegenden verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist allein die Prüfung des angefochtenen Bescheides vom auf dessen Rechtmäßigkeit, nicht aber des Bescheides der belangten Behörde vom , weshalb die Einwände der Beschwerdeführer gegen diesen zuletzt genannten Bescheid ins Leere gehen, abgesehen davon, daß der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinen Erkenntnissen vom , Slg. N. F. Nr. 8301/A, und vom , Zl. 637/72, Slg. N. F. Nr. 8339/A, diesen Bescheid als der Rechtsordnung angehörend angesehen und ihn nicht als Nichtbescheid beurteilt hat; (in gleicher Weise auch der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , B 211/71, Slg. 6665).
Den Beschwerdeführern wurde der angefochtene Bescheid von der belangten Behörde zwar nicht zugestellt, doch ist er ihnen unbestrittenermaßen am von der Niederösterreichischen Landes-Landwirtschaftskammer ausgefolgt worden.
Gemäß § 26 Abs. 2 VwGG 1965 kann die Beschwerde auch erhoben werden, bevor der Bescheid dem Beschwerdeführer zugestellt oder verkündet worden ist. Für das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof gilt in diesem Fall der Bescheid als an dem Tag zugestellt, an dem der Beschwerdeführer von seinem Inhalt Kenntnis erlangt hat. Diese Voraussetzungen erscheinen im vorliegenden Fall erfüllt.
Die mit Bescheid der belangten Behörde vom erteilte Bewilligung beruht auf der projektsgemäßen Voraussetzung, daß durch die geplante Entnahme der mittels der Pumpversuche ermittelte 10 cm-Absenkbereich nicht überschritten wird, daß ferner allfällige durch Feldbewässerung bewirkte weitere Absenkungen durch die geplante Grundwasseranreicherung ausgeglichen werden sollen. Da es also Gegenstand des Vorhabens der mitbeteiligten Partei ist, diesen Absenkbereich einzuhalten, ist nicht zu ersehen, warum die Bestimmungen dieses Bescheides über die Grundwasseranreicherung, die dazu dienen, die Einhaltung dieses Zustandes abzusichern, nicht die wasserrechtlich geschützten Rechte der Beschwerdeführer (§ 12 Abs. 2 WRG 1959) berühren sollen, zumal doch bei einer Nichteinhaltung dieses Zustandes in der Nutzung der Grundstücke der Beschwerdeführer innerhalb des Absenkbereiches eine Änderung eintreten kann und dadurch auch ihre Entschädigungsansprüche entsprechend gestaltet werden können. Daß seinerzeit Vorschreibungen über die Grundwasseranreicherung im Bescheid vom aus öffentlichem Interesse vorgeschrieben wurden, schließt dennoch eine Parteistellung derjenigen, deren wasserrechtlich geschützte Rechte durch den Bestand oder Nichtbestand der Vorschreibungen und Auflagen berührt werden, nicht aus.
Die Beschwerdeführer sind daher legitimiert, gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG eine Beschwerde gegen den Bescheid vom einzubringen.
In diesem Bescheid werden auf Grund der §§ 10, 100 und 105 WRG 1959 Feststellungen getroffen. Eine Verwaltungsbehörde kann im Rahmen ihrer Zuständigkeit einen Feststellungsbescheid erlassen, wenn dies in der Verwaltungsvorschrift ausdrücklich vorgesehen ist oder wenn die bescheidmäßige Feststellung im öffentlichen Interesse oder im rechtlichen Interesse einer Partei gelegen ist und sich aus den Verwaltungsvorschriften nichts anderes ergibt. Nun sehen jene wasserrechtlichen Bestimmungen in diesem Zusammenhang nicht die Erlassung eines Feststellungsbescheides vor. Zudem enthält der angefochtene Bescheid in Wahrheit eine nachträglich verfügte Abweichung von der erteilten wasserrechtlichen Bewilligung. Solche Abweichungen können aber nur in dem nach § 121 Abs. 1 WRG 1959 durchzuführenden wasserrechtlichen Überprüfungsverfahren unter den in dieser Gesetzesstelle angeführten Voraussetzungen behandelt werden. Im Beschwerdefall wird erst im Überprüfungsverfahren im Sinne des Spruchpunktes IV des Bewilligungsbescheides vom das endgültige Maß der Wasserbenutzung, das übrigens auch im engsten Zusammenhang mit der Frage der Grundwasseranreicherung steht, zu bestimmen sein.
Da sich der bekämpfte Bescheid sohin in seinem gesamten Inhalt nach als rechtswidrig erweist, war er gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 lit. a und b VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom , BGBl. Nr. 221. Das Mehrbegehren war abzuweisen, da eine gesonderte Vergütung für Umsatzsteuer im Gesetz nicht vorgesehen ist und jede Ausfertigung der dreifach einzubringenden Beschwerde nur mit S 120,-- Bundesstempelmarken zu versehen war.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | VwGG §34 Abs1; WRG 1959 §10; WRG 1959 §121 Abs1; |
Schlagworte | Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Besondere Rechtsgebiete Wasserrecht |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1984:1984070017.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
LAAAE-31879