VwGH vom 08.11.1984, 84/06/0107

VwGH vom 08.11.1984, 84/06/0107

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Straßmann und die Hofräte Mag. Onder, DDr. Hauer, Dr. Würth und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hinterwirth, über die Beschwerde der T S in S, vertreten durch Dr. F S, Rechtsanwalt in Salzburg, N-straße 15, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom , Zl. 1/02-24.198/2-1983, betreffend einen baupolizeilichen Auftrag (mitbeteiligte Partei: Landeshauptstadt Salzburg, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Salzburg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 8.300,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Auf Grund einer Anzeige von Privatpersonen erließ der Bürgermeister der Landeshauptstadt Salzburg mit Bescheid vom an die Beschwerdeführerin als Eigentümerin den auf § 20 Abs. 7 des Salzburger Baupolizeigesetzes gestützten Auftrag, die im zweiten Obergeschoß des Hauses Salzburg, Nstraße 15, befindliche Wohnung, die im genehmigten Austauschplan ON. 98, Zahl VI/4-4378/591 die Nummer 10 aufweist, ab sofort nicht mehr als Kanzlei verwenden zu dürfen. Begründet wurde diese Entscheidung damit, dass die Umwidmung von Räumen einer Wohnung in eine Rechtsanwaltskanzlei nach den Bestimmungen den Salzburger Baupolizeigesetzes bewilligungspflichtig und nach § 6 des Salzburger Altstadterhaltungsgesetzes unzulässig sei.

In ihrer eingebrachten Berufung verwies die Beschwerdeführerin darauf, dass die Wohnung ein Gesamtflächenausmaß von 93 m2 habe und zwei von der Behörde als Büroräumlichkeiten bezeichnete Zimmer insgesamt nur 28 m2 aufwiesen, sodass die Wohnung überwiegend zu Wohnzwecken und nur zum Teil als Kanzlei benützt werde. Vor allem unter Berufung auf Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes wurde behauptet, eine Verwendung einzelner Räume einer Wohnung könne den Charakter des Mietgegenstandes nicht verändern, und es sei keine gesetzwidrige Änderung des Verwendungszweckes vorgenommen worden. Gerade durch die teilweise Verwendung einer Wohnung für Zwecke einer Rechtsanwaltskanzlei werde das vom Gesetzgeber des Altstadterhaltungsgesetzes geforderte Leben in der Altstadt erhalten und der den Rechtsanwaltsberuf ausübende Gatte der Beschwerdeführerin sei in der Wohnung auch polizeilich gemeldet, was wohl dann nicht der Fall wäre, wenn die Wohnung nur zu Geschäftszwecken benützt würde. Auch habe die Vormieterin die Wohnung zum Teil gewerblich benützt, indem sie Malunterricht erteilt habe.

Auf Grund dieser Berufung führte die Baubehörde zweiter Instanz ein ergänzendes Ermittlungsverfahren durch, unter anderem eine Augenscheinsverhandlung am . Bei diesem Augenschein wurden die Räumlichkeiten näher beschrieben und in einem im Akt erliegenden Plan das vorhandene Mobilar eingetragen, woraus sich ergibt, dass jedenfalls für Zwecke einer Rechtsanwaltskanzlei die 14,10 m2 bzw. 14,32 m2 großen, im Originalplan als Zimmer bezeichneten Räume verwendet werden, wogegen das 37,34 m2 große Zimmer auch nach den Eintragungen in dem Plan und der Beschreibung ausschließlich Wohnzwecken dient. Auch die Küche dient dem ursprünglich vorgesehenen Zweck als Küche, wenngleich in diesem Raum der Aktenlage nach ein Schrank der Ablagerung von Altakten dienen soll, dessen Ausmaße in der Niederschrift mit 175 x 46 x 207 cm beschrieben werden. Die Einrichtung des Vorraumes wurde in einer Art und Weise beschrieben, wie sie sowohl Büro- als auch Wohnzwecken dienen kann.

In der Folge erging an die Beschwerdeführerin die Einladung, zu einer Reihe von Fragen Auskunft zu erteilen, unter anderem, ob die im Grundbuch als Top 9 bezeichnete Wohnung ident mit der im genehmigten Austauschplan als Top 10 bezeichnete Wohnung ist, welche Teile der Wohnung ausschließlich für Wohnzwecke verwendet werden und durch wen diese Wohnnutzung erfolgt. Hiezu teilte die Beschwerdeführerin in ihrer Zuschrift vom mit, dass sich die Behörde anlässlich der Besichtigung am selbst habe überzeugen können, dass in der Wohnung lediglich zwei Räumlichkeiten als Rechtsanwaltskanzlei benützt werden, während Vorraum und WC sowohl für den Kanzleibetrieb als auch privat benützt werden. Bad, Küche und das größte Zimmer würden ausschließlich zu Wohnzwecken durch den Gatten der Beschwerdeführerin benützt werden.

Mit Bescheid der Bauberufungskommission der Landeshauptstadt Salzburg vom wurde der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass es sich bei der bezeichneten Wohnung um die laut Wohnungseigentumsvertrag als Top Nr. 9 bezeichnete Wohnung handle. Aus der Formulierung des § 6 des Salzburger Altstadterhaltungsgesetzes 1980 leitete die Berufungsbehörde ab, dass ein Wohnraum im Schutzgebiet einem anderen Verwendungszweck nur zugeführt werden dürfe, wenn er keine gute Wohnqualität aufweise und eine solche auch bei Anwendung aller technisch möglichen und allgemein wirtschaftlich vertretbaren Mittel nicht zu erreichen sei oder wenn an der anderweitigen Verwendung ein besonderes öffentliches Interesse bestehe. Aus den baurechtlichen Bestimmungen des Baupolizeigesetzes sei zu ersehen, dass die Art des Verwendungszweckes von Bauten oder von Teilen von solchen baurechtliche Relevanz besitze, sodass im Falle der Änderung der Art des Verwendungszweckes eine Baubewilligung erforderlich sei. Vor allem aber nach den Bestimmungen des Altstadterhaltungsgesetzes sei die nunmehrige Verwendung von Wohnräumen zu Geschäftszwecken bewilligungspflichtig. Nicht entscheidend sei, dass nur ein (kleiner) Teil der Gesamtfläche des Raumverbandes als Kanzlei benützt werde und somit von keiner ausschließlichen Verwendung der Wohneinheit als Büro gesprochen werden könne. Nicht die Qualifikation des Mietobjektes in mietrechtlicher Hinsicht sei Gegenstand des baupolizeilichen Auftragsverfahrens, sondern die hier maßgeblichen baurechtlichen Bestimmungen, insbesondere die Sonderbestimmung des § 6 des Altstadterhaltungsgesetzes. Wenn die Beschwerdeführerin dem Umstand eine besondere Bedeutung beimessen wolle, dass ein reiner Wohnraum vorhanden sei und dieser auch nur zu Wohnzwecken benützt werde, so könne dies jedenfalls im Zusammenhang mit dem Umstand, dass der Gatte der Beschwerdeführerin seinen Hauptwohnsitz in der gemeinsamen ehelichen Wohnung in einem anderen Stadtteil besitze, nicht dazu führen, dass dem § 6 des Altstadterhaltungsgesetzes entsprochen wäre. Die Zweckmäßigkeit gesetzlicher Normen zu beurteilen, könne aber den Baubehörden nicht obliegen, auch nicht die Frage der Verfassungsmäßigkeit gesetzlicher Normen. Wenn schließlich die Vormieterin innerhalb der Wohnung in einem gewissen Umfang künstlerischen Unterricht erteilt habe, so könne dies keinesfalls eine Grundlage dafür bilden, gegebenenfalls § 6 des Altstadterhaltungsgesetzes nicht für anwendbar zu erachten. Die nunmehr gegebene Verwendung als Anwaltsbüro stelle sich als ein Verstoß gegen den genannten § 6 dar und der Auftrag sei zu Recht auf § 20 Abs. 7 des Baupolizeigesetzes gestützt worden, da es sich um eine unzulässige Art der Verwendung eines Teiles eines Baues handle und insoweit § 20 Abs. 7 des Baupolizeigesetzes gegenüber § 16 Abs. 3 die speziellere Norm sei. Die Frage der Bewilligbarkeit sei nicht Gegenstand des baupolizeilichen Auftragsverfahrens gewesen.

Der dagegen von der Beschwerdeführerin erhobenen Vorstellung gab die Salzburger Landesregierung mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom keine Folge. Die Ansicht der Gemeindeaufsichtsbehörde lässt sich dahin zusammenfassen, dass die Bewilligungspflicht nach § 2 Abs. 1 lit. e des Baupolizeigesetzes zu bejahen sei, bisher eine andere Verwendung als zu Wohnzwecken nicht bewilligt sei und daher zu Recht gemäß § 20 Abs. 7 des Baupolizeigesetzes mit einer Auftragserteilung vorgegangen worden sei. Die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Qualifikation von Wohnungen im mietrechtlichen Sinne sei hier vollkommen ohne Belang.

In ihrer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt die Beschwerdeführerin, den angefochtenen Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei erstatteten Gegenschriften.

Hierüber hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Die Beschwerdeführerin bekämpft den Vorwurf der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, dass bewilligungspflichtige Baumaßnahmen ergriffen worden seien. Hiebei ist klarzustellen, dass nach § 1 Abs. 1 des Salzburger Baupolizeigesetzes, LGBl. Nr. 117/1973 in der hier anzuwendenden Fassung vor der Novelle 1983, LGBl. Nr. 48/1983, (BPolG) bauliche Maßnahmen auch Maßnahmen sein können, bei denen es sich um keine Bauführung im technischen Sinn handelt; wird dieser Begriff doch dahingehend bestimmt, dass als bauliche Maßnahme die Durchführung einer nach baurechtlichen Vorschriften bewilligungspflichtigen Maßnahme anzusehen ist. Diesen Umstand dürfte die Beschwerdeführerin mit ihrem Vorbringen teilweise verkennen, wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend ausführt.

Nach § 2 Abs. 1 lit. e BPolG bedarf einer Bewilligung der Baubehörde unbeschadet der nach anderen Rechtsvorschriften erforderlichen behördlichen Bewilligungen "die Änderung der Art des Verwendungszweckes von Bauten oder Teilen von solchen". Für die Auslegung des Begriffes "Änderung der Art des Verwendungszweckes" ist § 19 Abs. 2 BPolG heranzuziehen, da darin die im Rahmen des Verwendungszweckes liegende Nutzung abgegrenzt wird; erst in der Überschreitung dieser Grenze kann eine relevante Änderung liegen. § 19 Abs. 2 leg. cit. lautet:

"(2) Die einzelnen Teile eines Baues dürfen nur in einer der festgelegten (§ 9 Abs. 4) oder mangels einer solchen der aus der baulichen Zweckbestimmung hervorgehenden Art des Verwendungszweckes entsprechenden und mit den im § 9 Abs. 1 lit. a angeführten raumordnungsrechtlichen Voraussetzungen übereinstimmenden Weise und nur so benützt werden, dass die Festigkeit und die Brandsicherheit des Baues und seiner einzelnen Teile sowie die Sicherheit der Bewohner nicht beeinträchtigt wird. Dies gilt insbesondere auch für die Aufstellung von Maschinen und anderen Gegenständen."

Diese Bestimmung unterscheidet also zwischen jenen Fällen, in denen die Art des Verwendungszweckes gemäß § 9 Abs. 4 BPolG festgelegt wurde, und allen anderen. Der ausdrückliche Verweis auf § 9 Abs. 4 in § 19 Abs. 2 BPolG schließt es aus, dem die nicht auf einem Gesetzesauftrag beruhende Angabe eines Verwendungszwecks in einem Bauplan aus der Zeit vor Anwendbarkeit des BPolG (und damit des in § 9 Abs. 4 leg. cit. der Baubehörde erteilten Auftrages, mit der Baubewilligung die Art des Verwendungszweckes festzulegen) gleichzusetzen. - Während es also im Falle der Festsetzung des Verwendungszweckes nach § 9 Abs. 4 BPolG für die Beurteilung einer bewilligungspflichtigen Änderung ausschließlich auf diesen festgesetzten Zweck ankommt, trifft der zweite Fall des § 19 Abs. 2 leg. cit. eine Regelung für den Fall der Unterlassung der Festsetzung, insbesondere also für alle Baubewilligungen, auf die das Baupolizeigesetz noch nicht anwendbar war. Diese zweite Regelung ist zunächst im Gegensatz zur ausdrücklich festgesetzten Verwendungsart, auf die "aus der baulichen Zweckbestimmung hervorgehende Art des Verwendungszweckes" abgestellt; anders als etwa bei Nassräumen, Werkstätten mit Maschinen udgl. kann hier kein Unterschied zwischen Wohn- und Büroräumen bestehen, da es sich bei beiden um Aufenthaltsräume handelt. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber aber zur Begrenzung der zulässigen Verwendung, bei deren Überschreitung eine bewilligungspflichtige Änderung vorläge, zusätzliche Tatbestandsmerkmale vorgesehen: Die Verwendung darf weder raumordnungsrechtlichen Vorschriften widersprechen noch geeignet sein, eine Beeinträchtigung der Festigkeit und der Brandsicherheit des Baues (seiner Teile) oder der Sicherheit der Bewohner nach sich zu ziehen. (Ob eine Beeinträchtigung auch wirklich konkret gegeben ist - nicht bloß eintreten könnte - ob also eine Bewilligung deshalb nicht zu erteilen ist, ist nämlich schon Gegenstand des Bewilligungsverfahrens.)

Da die belangte Behörde den normativen Inhalt des § 2 Abs. 1 lit. e BauPolG verkannt hat, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben.

Auf die bei den Gemeindebehörden im Vordergrund stehende Frage nach einer zulässigen und verfassungsgemäßen Anwendung der Bestimmungen des Salzburger Altstadterhaltungsgesetzes und auf die von der Beschwerdeführerin angeregte Überprüfung von Bestimmungen dieses Gesetzes auf ihre Verfassungsgemäßheit hatte der Verwaltungsgerichtshof bei der gegebenen Sach- und Rechtslage nicht einzugehen, weil diese Fragen im angefochtenen Bescheid nicht behandelt wurden und vom Standpunkt der belangten Behörde aus auch nicht zu behandeln waren. In diesem Zusammenhang war daher auch nicht zu prüfen, ob die 1976 erfolgte Erweiterung des Schutzgebietes als gesetzmäßig und sohin verfassungsrechtlich zulässig anzusehen ist.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG 1965 sowie die Verordnung BGBl. Nr. 221/1981. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den Antrag auf Zuerkennung von über den pauschalierten Schriftsatzaufwand hinausgehenden Beträgen betreffend Verfassung der Beschwerde und Umsatzsteuer.

Wien, am