VwGH vom 11.12.1984, 84/05/0241

VwGH vom 11.12.1984, 84/05/0241

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung

verbunden):

84/05/0242

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Straßmann und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Domittner als Richter, im Beisein des Schriftführers Richter Mag. Dr. Walter, über die Beschwerde der SH in W, vertreten durch Dr. Raimund Mittag, Rechtsanwalt in Wien XII, Theresienbadgasse 1, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom , Zl. MDR-B XXIII- 25/84, betreffend Zurückweisung eines Antrages um Gewährung einer Ausnahme von der Kanalanschlußpflicht wegen entschiedener Sache, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Wie sich aus dem Beschwerdevorbringen im Zusammenhalt mit dem angefochtenen Bescheid ergibt, besitzt die Beschwerdeführerin auf der Liegenschaft Wien nn, F-gasse 7, ein Gartenhaus. Mit Bescheid vom hatte ihr der Wiener Magistrat den Auftrag erteilt, binnen sechs Monaten nach Rechtskraft des Bescheides alle Abwässer unterhalb der Verkehrsfläche in den Straßenkanal abzuleiten. Auf Grund dieses behördlichen Auftrages hat die Beschwerdeführerin zunächst lediglich ein Kanalstück vom Straßenkanal bis zu ihrer Grundgrenze errichtet und in der Folge um Gewährung einer Ausnahme vom Anschlußzwang gemäß § 2 des Wiener Kanalgesetzes mit der Begründung ersucht, daß sie den Abort nur selten benutze und für die Räumung der Senkgrube, soweit erforderlich, Sorge tragen werde. Dieses Ausnahmeansuchen wies der Wiener Magistrat mit Bescheid vom mit der Begründung ab, daß der Gewährung einer Ausnahme öffentliche Interessen entgegenstünden. Der dagegen erhobenen Berufung gab die Bauoberbehörde für Wien mit Bescheid vom keine Folge, wobei das Vorliegen eines Ausnahmegrundes für die Schmutzwässer schon deshalb verneint wurde, weil diese nicht für Düngezwecke verwendet würden. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Offensichtlich nach Einleitung des behördlichen Vollstreckungsverfahrens (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zl. 84/05/0046) stellte die nunmehr anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom neuerlich einen Antrag um Bewilligung einer Ausnahme von der Verpflichtung zum Kanalanschluß. Zur Begründung führte sie aus, im ersten Rechtsgang hätten die entscheidenden Behörden keine bzw. unrichtige und unvollständige Feststellungen über die Örtlichkeit der Anlage und über die Entfernungen getroffen. Tatsächlich bestehe nämlich aufgrund der Entfernungen keine Verpflichtung zur Ableitung von Schmutzwässern. Die Beschwerdeführerin habe auch dargetan, daß keine Schmutzwässer mehr anfallen, weil das Gartenhaus nicht mehr bewohnt und benützt werde, die Abortanlage vernagelt sei und eine Beeinträchtigung der Nachbarschaft dadurch unmöglich sei. Da überhaupt keine Schmutzwässer anfielen, könne es auch keine Verpflichtung ihrerseits zur Ableitung von Schmutzwässern in den Straßenkanal im Sinne des Gesetzes geben. Diesen Antrag wies der Wiener Magistrat mit Bescheid vom wegen entschiedener Sache zurück, weil seit Erlassung des Bescheides vom weder eine Änderung der Sach- noch der Rechtslage eingetreten sei, seien doch Senkgrube und Abort nicht beseitigt worden.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung und ersuchte in eventu, jenen Bescheid, mit dem ihr der Anschluß an den Straßenkanal aufgetragen worden sei, von Amts wegen aufzuheben.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom bestätigte die Baubehörde zweiter Instanz mit einer sprachlichen Abänderung die erstinstanzliche Erledigung und wies gleichzeitig das Ansuchen der Beschwerdeführerin, den rechtskräftigen Bescheid vom von Amts wegen aufzuheben, gemäß § 68 Abs. 1 AVG 1950 wegen entschiedener Sache zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Ablehnung einer Ausnahmegewährung durch den Berufungsbescheid vom sei darauf gestützt worden, daß die Ausnahmegewährung nicht im Interesse eines ordnungsgemäßen Kanalbetriebes zweckmäßig erscheine und die Schmutzwässer auch nicht für Düngezwecke verwendet würden. Dieser Sachverhalt und auch die Rechtslage hätten sich nicht geändert. Die Bauoberbehörde für Wien habe aber auch keinen Anlaß gesehen, von ihrem Recht, den Bescheid vom aufzuheben, tatsächlich Gebrauch zu machen. Die Beschwerdeführerin übersehe nämlich offensichtlich, daß für die Anschlußverpflichtung nicht die Entfernung zwischen Abort und Straßenkanal, sondern die Entfernung zwischen der Liegenschaft und dem Straßenkanal maßgebend sei, so daß die Länge der innerhalb der Liegenschaft gelegenen Anschlußleitung unerheblich sei. Unerheblich sei auch der Umstand, daß die Beschwerdeführerin den Abort vernagelt habe, zumal die Abortanlage als solche rechtlich existiere.

In ihrer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt die Beschwerdeführerin, den angefochtenen Bescheid aufzuheben. Sie erachtet sich dadurch in ihren Rechten verletzt, daß die belangte Behörde bei Erlassung ihres Bescheides die Bestimmung des § 68 Abs. 1 AVG 1950 unrichtig und die Bestimmungen der §§ 37 ff AVG 1950 überhaupt nicht angewendet habe. Weiters sei § 2 des Wiener Kanalgesetzes unrichtig ausgelegt worden.

Dem Beschwerdevorbringen kommt keine Berechtigung zu. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 des Wiener Kanalgesetzes, LGBl. Nr. 22/1955, in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 20/1977, müssen von Baulichkeiten auf Bauplätzen alle Abwässer unterhalb der Verkehrsfläche in den Kanal eingeleitet werden, wenn der Bauplatz von einem bei der Bauführung bereits bestehenden Straßenkanal ohne Verbindung über eine andere Liegenschaft nicht mehr als 30 m entfernt ist. Nach Satz 2 dieser Gesetzesstelle tritt dieselbe Verpflichtung zur Einmündung ein, wenn der Straßenkanal nach Errichtung der Baulichkeit hergestellt wird.

Nach § 2 Abs. 3 des Kanalgesetzes hat die Behörde auf Antrag eine Ausnahme von der Verpflichtung zur Ableitung von Regenwässern nach Abs. 1 zu bewilligen, wenn hiedurch öffentliche Interessen, insbesondere solche der Gesundheit und der körperlichen Sicherheit von Personen, nicht geschädigt werden. Einem Antrag auf Ausnahme von der Verpflichtung der Ableitung von Schmutzwässern nach Abs. 1 ist stattzugeben, wenn die Ausnahme im Interesse eines ordnungsgemäßen Kanalbetriebes zweckmäßig erscheint oder die Verwendung der Schmutzwässer für Düngezwecke erfolgen soll und überwiegende öffentliche Interessen, insbesondere solche der Gesundheit oder der körperlichen Sicherheit von Personen, nicht entgegenstehen.

Auf Grund dieser Rechtslage wurde seinerzeit mit Bescheid des Wiener Magistrates vom der Beschwerdeführerin der Auftrag erteilt, die Abwässer der Liegenschaft in den Straßenkanal abzuleiten. Über die Frage, ob die Voraussetzungen für eine Ausnahme im Sinne des § 2 Abs. 3 des Wiener Kanalgesetzes vorliegen, erging sodann der in Rechtskraft erwachsene Berufungsbescheid vom . In diesem Bescheid ging die Baubehörde zweiter Instanz davon aus, daß die Voraussetzungen für eine Ausnahme vom Kanalanschluß nicht gegeben sind. Im Zuge des Verfahrens zur Vollstreckung des baupolizeilichen Auftrages ersuchte die Beschwerdeführerin nunmehr neuerlich um Gewährung einer Ausnahme von der Verpflichtung zum Kanalanschluß. Da sich die maßgebliche Rechtslage nicht geändert hat, war ausschließlich zu prüfen, ob eine so wesentliche Änderung des Sachverhaltes eingetreten ist, daß von einer rechtskräftig entschiedenen Sache im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG 1950 nicht mehr ausgegangen werden dürfte.

Im besonderen ergibt sich die Frage, ob die Ausführungen der Beschwerdeführerin, daß nunmehr die Abortanlage vernagelt sei und daher überhaupt keine Schmutzwässer mehr anfallen, als eine wesentliche Änderung der Sachlage angesehen werden kann. Die Baubehörde erster Instanz hat diese Frage im Hinblick darauf, daß Senkgrube und Abort nicht beseitigt worden sind, verneint. Die belangte Behörde hat sich dieser Auffassung offensichtlich angeschlossen, indem sie im angefochtenen Bescheid ausführt, daß eine derartige Maßnahme ohne Einfluß auf die rechtliche Existenz der Abortanlage sei. Der Verwaltungsgerichtshof teilt diese Auffassung, weil das Wiener Kanalgesetz die Anschlußpflicht nicht auf die tatsächliche Benützung der Baulichkeit abstellt und sohin der Behauptung der Beschwerdeführerin rechtliche Erheblichkeit nicht zukommt. Im übrigen hat die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides zutreffend darauf hingewiesen, daß eine neuerliche Benützung jederzeit möglich sei, so daß es entgegen dem Beschwerdevorbringen keinerlei Feststellungen darüber bedurfte, ob die Behauptung der Beschwerdeführerin betreffend Vernagelung des Abortes den Tatsachen entspricht oder nicht. In diesem Zusammenhang dürfte die Beschwerdeführerin auch den Sinn und Zweck der Regelung des § 2 des Wiener Kanalgesetzes mißverstehen, soll doch damit bewirkt werden, daß die Abwässer von Baulichkeiten vor allem im Hinblick auf die im Gesetz genannten öffentlichen Interessen durch einen Kanal abgeleitet werden, so daß ganz allgemein jedenfalls nicht davon ausgegangen werden kann, es bestünde keinerlei real einsehbares Bedürfnis für ein derartiges Verwaltungshandeln. Tatsächlich hat ja auch die Beschwerdeführerin seinerzeit den erstinstanzlichen Bescheid betreffend die Verpflichtung zum Kanalanschluß in Rechtskraft erwachsen lassen und entgegen ihrem Vorbringen kann nicht davon ausgegangen werden, daß der Berufungsbescheid vom der maßgeblichen Sach- und Rechtslage nicht gerecht geworden sei, waren doch die behördlichen Entscheidungen bereits seinerzeit von ausreichenden Sachverhaltsermittlungen getragen. Da sohin das Beschwerdevorbringen schon erkennen läßt, daß die belangte Behörde zu Recht vom Vorliegen einer entschiedenen Sache im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG 1950 ausgehen durfte, war die Beschwerde ohne weiteres Verfahren gemäß § 35 VwGG 1965 abzuweisen.

Bei dieser Situation erübrigte sich eine gesonderte Entscheidung über den Antrag der Beschwerdeführerin, ihrer Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am