VwGH vom 19.06.2002, 2000/15/0181
Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn):
2000/15/0182 E
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. H. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. U. Zehetner, über die Beschwerde 1. des W und 2. des E, beide in W, beide vertreten durch Dr. Eugen Wiederkehr und Dr. Werner Loos, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Kärntner Straße 49, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission Wien vom , Zl MD-VfR- 09/2000, betreffend Vergnügungssteuer nach dem Wiener Vergnügungssteuergesetz samt Säumniszuschlag, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführer haben der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Anlässlich einer Überprüfung im Betrieb des Erstbeschwerdeführers in W wurde am vom Revisionsbeamten hinsichtlich der Bildschirmgeräte "TV Virtual Fighter 3" und "TV Street Fighter Ex" festgestellt:
"Es handelt sich in beiden Fällen um Bildschirmgeräte, auf denen aggressive Kampfhandlungen zwischen Frauen und Männern gezeigt werden. Es wird solange mit Händen und Füßen auf den Gegner eingeschlagen bzw. hingetreten, bis einer der beiden am Boden liegt. Diese Kampfhandlungen finden nicht in einer sportlichen Arena statt, sondern in U-Bahnstationen (Virtual Fighter 3) oder vor palastähnlichen Gebäuden (Street Fighter Ex)."
Mit Bescheid vom schrieb der Magistrat der Stadt Wien dem Erstbeschwerdeführer (Aufsteller) und dem Zweitbeschwerdeführer (Lokalinhaber) gemäß §§ 1 Abs. 1 Z 3, 6 Abs. 3, 6 Abs. 4 und 13 Abs. 1 Wiener Vergnügungssteuergesetz 1987 (VGSG) in der geltenden Fassung für das Halten eines Spielapparates der Type "TV Virtual Fighter 3" während des Zeitraums Oktober 1996 bis November 1997 sowie für das Halten eines Spielapparates der Type "TV Street Fighter Ex" im Monat November 1997 im Betrieb des Erstbeschwerdeführers Vergnügungssteuer im Gesamtbetrag von S 270.000,-- vor (zuzüglich Säumniszuschlag in Höhe von S 4.560,--).
Der Beschwerdeführer erhob Berufung und brachte darin u.a. vor, dass die gegenständlichen Automaten keine aggressiven Kampfhandlungen zeigten, sondern die gesetzlich anerkannte, in Regeln definierte Sportart Kickboxen, die von jedermann (und sogar von Kindern!) erlernt und in weiterer Folge ausgeübt werden könne und dürfe. Sportler würden bei der realen Ausübung dieser Sportart üblicherweise nicht verletzt. Dem werde bei den gegenständlichen Automaten dadurch Rechnung getragen, als die Spielfiguren beispielsweise nach einem Schlag, den sie bekämen, unverletzt und sogleich wieder aufstünden und weiterspielten. Die Behörde hätte bei Durchführung eines mängelfreien Verfahrens zweifellos zu den Feststellungen gelangen müssen, dass die auf dem Bildschirm gezeigten Darstellungen den anerkannten Regeln der Sportart Kickboxen entsprächen.
Ziel des Spieles sei es, den Gegner zu besiegen. Dabei seien im Wesentlichen zwei Komponenten zu beachten: einerseits die Spieldauer (beim Automat "Virtual Fighter" 30 Sekunden und beim Automat "Street Fighter Ex" 60 Sekunden) und andererseits die körperliche Fitness und Kraft (Energie) der Spielfigur. Durch jeden Schlag, den eine Spielfigur erhalte, vermindere sich deren Energie, wodurch sie dann umso leichter vom Gegner besiegt werden könne. Nach Ablauf der Spieldauer werde unter Berücksichtigung und Vergleich der zu diesem Zeitpunkt aktuellen Energie-Levels der zwei Spieler - gleichsam wie durch einen Schiedsrichter - ein Punktesieg vergeben. Während des Spieles würden der jeweils aktuelle Stand von restlicher Spielzeit und körperlicher Energie der Spielfiguren am Bildschirm in Form von Laufbalken angezeigt, die durch ihre variable Länge dem Spieler die Information über diese für die Erreichung des Spielzieles notwendigen Komponenten/Größen geben würden. Sämtliche sportlichen Szenen würden zwar vor verschiedenen Hintergründen gezeigt bzw. fänden in unterschiedlichem Umfeld statt, doch hätten alle Spielvarianten gemeinsam, dass die eigentlichen sportlichen Handlungen innerhalb eines abgegrenzten Raumes stattfänden, wobei jedes Mal, wenn eine Spielfigur diesen gekennzeichneten Bereich verlasse, auf dem Bildschirm groß und in roter Farbe die Worte "out of ring" erschiene. In einem solchen Fall müsse diese Spielfigur erst wieder in den jeweiligen Bereich zurückkehren, bevor das Spiel fortgesetzt werden könne. Diese räumliche Eingrenzung auf eine bestimmte Arena habe jedoch nichts mit dem sonstigen Ablauf bzw. den Bewegungen der einzelnen Spieler/Sportler zu tun, insbesondere könne beispielsweise jeder Boxkampf oder jede Kickboxrunde auch ohne einen solchen Ring und ohne eine solche Eingrenzung ausgetragen werden.
In der abweisenden Berufungsvorentscheidung wurde zwar u. a. festgestellt, dass Kickboxen eine im Bundesland Wien anerkannte Sportart sei (Kundmachung der Wiener Landesregierung vom , LGBl. für Wien Nr. 59/95). Die Spielprogramme der in Rede stehenden Apparate hätten jedoch eindeutig und unzweifelhaft die Darstellung kämpferischer (hinsichtlich der Methodik nicht eindeutig zuordenbarer) personeller Auseinandersetzungen auf unterschiedlichen (hiefür nicht zweckbestimmten) öffentlichen Orten zum Inhalt und nicht die Wiedergabe einer streng regelgebundenen anerkannten Kampfsportart.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Dies im Wesentlichen mit der Begründung, dass es Ziel des Spieles sei, die Energie des Gegners durch Schläge und Tritte zu vermindern, um ihn auf diese Weise zu besiegen. Die Anzeige der verminderten Energie des Gegners sei in der Realität mit dessen Grad der Verletzung gleichzusetzen. Die Aktivitäten der Spieler stellten somit den optischen Ausdruck von unkontrollierter, hemmungsloser und brutaler Gewalt dar.
Die vom Spieler während des Spieles zu beachtende Einhaltung bestimmter Regeln, wie etwa in den sportlichen Disziplinen Boxen oder Kickboxen, sei weder von der Erstbehörde festgestellt noch von den Berufungswerbern behauptet worden. Der abgegrenzte Raum, in dem die Kämpfe jeweils stattfänden, könne den Ring im Boxen bzw. Kickboxen nicht ersetzen, selbst wenn auf dem Bildschirm groß und in roter Farbe die Worte "out of ring" erscheine, sobald ein Spieler diesen gekennzeichneten Bereich verlasse. Die virtuelle Umgebung, in der die Kämpfe ausgetragen würden, nämlich U-Bahnstationen und palastähnliche Gebäude, seien schon von ihrer Anlage her nicht zur Durchführung von sportlichen Wettkämpfen geeignet.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde "wegen Verletzung des gesetzlich gewährleisteten Rechts, entgegen den Bestimmungen der §§ 1 und 6 wr.VGSG eine höhere Vergnügungssteuer von S 18.000,-- pro Kalendermonat und Apparat vorgeschrieben erhalten zu haben, obwohl richtigerweise nur Vergnügungssteuer in Höhe von S 3.000,-- pro Kalendermonat und Apparat vorzuschreiben bzw. zu entrichten gewesen wäre". Die Beschwerdeführer beantragen, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 6 Abs. 4 VGSG, LGBl. Nr. 43/1987, i.d.F. LGBl. Nr. 41/1992,
lautet auszugsweise:
"Für das Halten von Apparaten ..., oder von Apparaten, durch deren Betätigung optisch bzw. akustisch eine aggressive Handlung, wie beispielsweise die Verletzung oder Tötung von Menschen oder die Bekämpfung von Zielen, womit üblicherweise die Verletzung oder Tötung von Menschen verbunden ist, dargestellt wird, beträgt die Steuer je Apparat und begonnenem Kalendermonat S 18.000,--."
Der Gesetzgeber hat in dieser Bestimmung zwei Beispiele für die optische oder akustische Darstellung einer aggressiven Handlung im Sinne des § 6 Abs. 4 VGSG gegeben, wobei er ausdrücklich auch die Verletzung oder Tötung von Menschen nennt. Er hat damit den Maßstab für die Art und Intensität des aggressiven Verhaltens im Sinne dieser Gesetzesbestimmung festgelegt. Zum Beispiel werden aggressives, lautes Schreien, drohende Gesten, aggressive, jedoch regelgebundene Sportarten allein den gesetzlichen Tatbestand nicht erfüllen. Geht man von diesem Maßstab aus, dann fällt unter den gesetzlichen Tatbestand auch die Darstellung von Handlungsweisen, mit denen üblicherweise die Verletzung oder Tötung von Menschen verbunden ist (vgl. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 93/17/0269).
Dies ist bei den dargestellten Kämpfen, bei denen der Gegner so lange attackiert wird, bis er am Boden liegt bzw. nach Zeitablauf dem aggressiveren Kämpfer ein Punktesieg vergeben wird, der Fall. Der Auffassung der Beschwerdeführer, dass die vorliegenden Spielautomaten sportliche Wettkämpfe und nicht aggressive Handlungsweisen zeigen, kann aus folgenden Gründen nicht gefolgt werden:
Nach den für die Sportart "Kickboxen" geltenden Regeln bedarf es einer speziellen Kampffläche (welche regelmäßig ein mit Seilen abgegrenzter "Ring" ist). Die Teilnehmer sollen durch vorgeschriebene Schutzausrüstungen vor ernsthafter Verletzung geschützt werden. Die Wertung des Kampfgeschehens erfolgt durch Schiedsrichter (Kampf- und Ringrichter), welche die qualitative und quantitative Beurteilung des Kampfgeschehens zur Aufgabe haben. Ihnen obliegt es auch zur Vermeidung schwer wiegender Verletzungen der Akteure Regelverstöße sofort zu ahnden (Punkteverluste für den Verursacher, Kampfunterbrechungen etc.).
Im vorliegenden Spiel werden die Kämpfe an verschiedenen öffentlichen Orten (U-Bahnstationen, palastähnliche Gebäude etc.) ausgeführt. Dass die Spieler konkrete - dem Kickbox-Sport entsprechende - Regeln einhalten müssen, wurde (mit Ausnahme dessen, dass vom Kämpfer ein definierter Kampfbereich nicht verlassen werden dürfe) vom Beschwerdeführer weder im Verwaltungsverfahren noch im Beschwerdevorbringen behauptet. Es fehlt auch an einer schiedsrichterlichen Wertung des Kampfgeschehens. Nicht einmal die Bezeichnungen der gegenständlichen Spiele "TV Virtual Fighter 3" und "TV Street Fighter Ex" lassen auf das Vorliegen der Sportart Kickboxen schließen. Dass bei den gegenständlichen Spielen nur innerhalb eines definierten Kampfbereichs gestoßen, geschlagen und getreten wird, ändert nichts daran, dass es sich um die Darstellung aggressiver Handlungsweisen handelt, welche üblicherweise zumindest Verletzungen nach sich ziehen.
Unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften rügen die Beschwerdeführer, dass die belangte Behörde es unterlassen habe, sich mit den von den Beschwerdeführern im bisherigen Verfahren vorgebrachten Argumenten ausreichend auseinander zu setzen sowie den Beweisanträgen der Beschwerdeführer nachzukommen bzw. diese zu erledigen. Hätte die belangte Behörde (oder aber die erstinstanzliche Behörde) selbst eine Besichtigung der Apparate vorgenommen und sich von den Inhalten und vor allem den grafischen Darstellungen überzeugt, hätte sie zweifellos festgestellt, dass die gezeigten Handlungen der realen Sportart Kickboxen vergleichbar und daher nicht aggressiv seien. Dem ist entgegenzuhalten, dass die Beschwerdeführer weder in diesem Vorbringen noch in den nach dem vorliegenden Verwaltungsakt enthaltenen - allgemein gehaltenen - Ausführungen dargelegt haben, worin die von ihnen behauptete Übereinstimmung mit der Sportart Kickboxen konkret gelegen wäre und was die belangte Behörde demzufolge auch hätte erheben müssen. Weder der von den Beschwerdeführern vorgebrachte definierte Kampfbereich noch die Tatsache, dass es sich bei Kickboxen um eine im Bundesland Wien anerkannte Sportart handelt, wurde von der belangten Behörde in Abrede gestellt. Hingewiesen wird, dass bereits die Berufungsvorentscheidung den auch von der belangten Behörde zugrundegelegten Sachverhalt über die Art des Spieles festgestellt hat und dies im Vorlageantrag unwidersprochen blieb.
Der Verwaltungsgerichtshof sieht überdies keine Veranlassung, der Anregung der Beschwerdeführer, die Bestimmung des § 6 Abs. 4 VGSG, insbesondere den Begriff "aggressive Handlung" auf deren Verfassungskonformität durch den Verfassungsgerichtshof überprüfen zu lassen, Folge zu leisten, da nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs der genannte Gesetzesbegriff schon im Hinblick auf die in der Gesetzesstelle genannten Beispielsfälle hinreichend bestimmbar ist.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am