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VwGH vom 15.12.1987, 84/05/0043

VwGH vom 15.12.1987, 84/05/0043

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischerund Dr. Domittner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hollinger, über die Beschwerdesache des G in W, vertreten durch Dr. Gerhard Millauer, Rechtsanwalt in Wien I,

An der Hülben 1, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung von , Zl. II/2-V-83143 (mitbeteiligte Parteien: 1. Dr. E in W, und 2. Stadtgemeinde K, vertreten durch den Bürgermeister), betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung,zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- und der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 9.510,-- je binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am langte bei der zweitmitbeteiligten Gemeinde das Ansuchen der Erstmitbeteiligten um Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für die Errichtung eines Wohnhauses in

K auf dem Grundstück nnnn/4 in EZ. nnnn der KG. K ein. In der Folge brachte die Erstmitbeteiligte Gutachten über das Brandverhalten des Außenwand- und Deckenaufbaues des geplanten Holzfertigteilhauses sowie den Wärme- und Schallschutz bei. Bei der für anberaumten mündlichen Bauverhandlung erhob der Beschwerdeführer als (Mit)Eigentümer der Grundstücke nnn1/4 und nnn1/5 nachstehende Einwendungen:

"1. Da aus den eingereichten Unterlagen die Bauhöhe nicht eindeutig hervorgeht, deponiere ich meinen Einwand gegen Nichteinhaltung des Bauwichs gemäß § 21 Abs. 4 der Bauordnung.

2. Da durch die Nähe des vorhandenen Hauses nnn1/5 mir eine Abrutschgefahr zu bestehen scheint, erbitte ich um ein geologisches Gutachten. Begründung: Wir sind an einer Hanglage und sind diversen Häusern in der Nachbarschaft daraus resultierend schon Bauschäden entstanden.

3. Wenn dem vorhandenen Brunnen mehr Wasser als bisher entnommen werden muss, besteht die Gefahr, dass der Grundwasserspiegel noch mehr sinkt, als das in den letzten Jahren ohnehin schon geschehen ist.

4. Ich erkläre weiter, dass die Anrainer im Einreichplan falsch eingezeichnet sind."

Schließlich beantragte er die "Neuansetzung dieser Verhandlung".

Nachdem die bereits bei der Verhandlung vorgelegenen Pläne am durch die Eintragung der absoluten Höhen im Schnitt ergänzt worden waren, wurde der Beschwerdeführer zur Planeinsicht geladen. Er beantragte, die Pläne zeichnerisch richtig zu stellen, weil die Frage der Hanglage in den Einwendungen bereits vorgebracht worden sei. Die übrigen in der Verhandlung vom 7. April (richtig: März) 1983 erhobenen Einwendungen gegen das Bauvorhaben blieben, insbesondere was den Abstand der beiden auf der Liegenschaft EZ. nnnn KG K befindlichen bzw. geplanten Holzgebäude betreffe (Bauwich), vollinhaltlich aufrecht.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom wurde die Baubewilligung mit einer Reihe von Auflagen erteilt. Die subjektiv öffentlich-rechtlichen Einwendungen des Beschwerdeführers (und einer anderen Anrainerin) wurden dagegen abgewiesen. Begründend führte die Baubehörde erster Instanz zur Einwendung des Bauwichs an, dass dieser mindestens die Hälfte der Gebäudehöhe, wenigstens aber 3 m zu betragen habe. Da das Objekt eine mittlere Höhe, von 4,20 m aufweise und der Bauwich links 4,50 m bzw. rechts 9,10 m und zur hinteren Grundgrenze 10 m Abstand einhalte, entspreche dies den Vorschriften. Zur Frage der Rutschgefahr führte die Baubehörde aus, dass sich das Objekt des Beschwerdeführers seitlich verschoben etwa 14 m oberhalb des eingereichten Bauvorhabens auf einem Grundstück mit ca. 15 Grad Hangneigung befinde. Der Eingriff durch den Baugrubenaushub umfasse einen Keil von ca. 9 m Breite und einer Höhe von 2,50 m. Wegen der relativ großen Entfernung von Anrainerobjekten, der geringen Hangneigung und dem Eingriff geringer Tiefe sei die Auslösung einer Hangrutschung an sich unwahrscheinlich, die Gefährdung von Objekten auszuschließen. Fragen der Wasserentnahme seien Sache der Wasserrechtsbehörde; der Einreichplan sei hinsichtlich der Anrainer ohnehin richtig gestellt worden.

In der Berufung gegen diesen Bescheid machte der Beschwerdeführer als Nichtigkeit die Verletzung des § 99 Abs. 1 der NÖ Bauordnung mit der Begründung geltend, dass bei der Bauverhandlung nicht zwei Gemeinderäte anwesend gewesen seien; die Behörde habe die Frage des Bauwichs nicht nach allen Richtungen, insbesondere nicht in Bezug auf die zwingenden Bestimmungen des § 66 der NÖ Bauordnung untersucht. Die Baubehörde habe auch dem Vertagungsantrag nicht stattgegeben, obwohl die Pläne hätten geändert werden müssen. Aus den Einreichungsunterlagen sei nicht erkennbar gewesen, dass es sich um ein Holzhaus handle, sodass auch § 66 Abs. 4 der Bauordnung anzuwenden sei. Schließlich sei die Frage des Grundwasserspiegels ebenso wie die der Abrutschgefahr von solcher Bedeutung, dass sich die Behörde intensiv damit hätte auseinander setzen müssen.

Mit Bescheid vom wies der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde diese Berufung als unbegründet ab.

Die dagegen erhobene Vorstellung wies die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid ab. Begründend führte sie nach Wiedergabe des Verfahrensverlaufes und der anzuwendenden Rechtsvorschriften aus, dem Berufungsbescheid sei eindeutig zu entnehmen, dass er - entgegen der Annahme des Beschwerdeführers - vom Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde als Berufungsbehörde erlassen worden sei. Gemäß § 99 Abs. 1 der NÖ Bauordnung seien zwar der Bauverhandlung zwei Gemeinderäte beizuziehen, doch könne dies nicht so verstanden werden, dass bei der Verhandlung zwei Gemeinderäte jedenfalls anwesend sein müssten, sie seien lediglich zur Bauverhandlung zu laden. Das geplante Wohnhaus in Holzbauweise entspreche nach dem vorliegenden Gutachten den Anforderungen an eine brandhemmende Ausführung. Daraus ergebe sich gemäß § 66 Abs. 1 Z. 2 der NÖ Bauordnung ein Mindestabstand von 4 m zu den Grundgrenzen und gemäß § 66 Abs. 4 der Bauordnung ein Mindestabstand von 8 m zwischen den beiden Holzgebäuden. Diese Abstände würden nach dem bewilligten Projekt jedenfalls eingehalten bzw. sogar weit überschritten. Der mit Bescheid vom bewilligte Einreichplan sei vor Bescheiderlassung dem Beschwerdeführer bzw. seinem Rechtsvertreter zur Kenntnis gebracht worden; es sei ihm zu entnehmen, dass in der Situation des geplanten Wohnhauses zu den Grundgrenzen der Anrainer keine Veränderung eingetreten sei. Vielmehr seien lediglich die Eigentumsverhältnisse bzw. die Grenzen der Nachbargrundstücke entsprechend dem Grundbuchsstand dargestellt worden. Es sei auch von vornherein klar gewesen, dass das Wohnhaus in Holzbauweise ausgeführt werden solle; dies sei schon in der mit datierten Ausschreibung der Bauverhandlung für ausdrücklich angeführt worden. Aus der Ablehnung des Vertagungsantrages des Beschwerdeführers ergebe sich daher keine Verletzung seiner Rechte. Die Baubeschreibung und deren Beilagen seien bereits mit dem Bauansuchen der Erstmitbeteiligten am eingereicht worden und daher bei der Bauverhandlung vorgelegen. Zum Einwand des Absinkens des Grundwasserspiegels habe die Baubehörde zu Recht darauf hingewiesen, dass diese Frage nicht von ihr, sondern von der Wasserrechtsbehörde zu beurteilen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, sowohl Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften als auch Rechtswidrigkeit des Bescheidinhaltes geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde und die Erstmitbeteiligte erstatteten Gegenschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat darüber erwogen:

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes seit dem grundlegenden Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Slg. N.F. Nr. 10317/A, ist klargestellt, dass die Prüfungsbefugnis der Berufungsbehörde im Falle des Rechtsmittels einer Partei des Verwaltungsverfahrens mit beschränktem Mitspracherecht, wie dies auf die Anrainer gemäß § 118 Abs. 8 und 9 der NÖ Bauordnung, LGBl. Nr. 8200-0, in der Fassung der Novellen LGBl. Nr. 8200-1 und 2 (BO), zutrifft, auf jene Fragen beschränkt ist, hinsichtlich derer dieses Mitspracherecht als ein subjektiv-öffentliches Recht besteht. Wegen dieses von vornherein beschränkten Mitspracherechtes können Nachbarn Verfahrensmängel nur insoweit geltend machen, als sie dadurch in der Verfolgung ihrer subjektiv-öffentlichen Rechte beeinträchtigt werden (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Slg. N.F. Nr. 8713/A, und vom , Slg. N.F.Nr. 9170/A, vom , Zl. 83/06/0246, BauSlg. Nr. 244). Im Beschwerdefall kommt hiezu, dass der Beschwerdeführer unter Hinweis auf die Rechtsfolgen des § 42 AVG 1950 zur Bauverhandlung geladen wurde und an dieser auch teilgenommen hat. Von der (Berufungs) Behörde dürfen nur diejenigen Einwendungen berücksichtigt werden, die spätestens bei der mündlichen Verhandlung vorgebracht worden sind. Eine danach eingetretene Präklusion ist nicht nur für die Berufungsbehörde, sondern auch für die Aufsichtsbehörde im Vorstellungsverfahren und in gleicher Weise auch für die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes bindend, da durch die Einwendungen der Prüfungsbereich endgültig abgesteckt worden ist (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom , Slg. N.F. Nr. 6246/A, sowie zuletzt das hg. Erkenntnis vom , Zl. 84/05/0009, BauSlg. Nr. 702, mit weiteren Nachweisen). Dem Beschwerdeführer ist zwar zuzugeben, dass die Auslegung der belangten Behörde, die im § 99 Abs. 1 BO vorgesehene "Beiziehung" von zwei Mitgliedern des Gemeinderates sei bloß im Sinne einer Verpflichtung zur Ladung zu deuten, dem Wortsinn widerspricht. Der Beschwerdeführer vermag jedoch nicht darzutun, inwieweit er Nichtteilnahme von Gemeinderatsmitgliedern an der Beschwerde durch die Bauverhandlung in seinen Rechten verletzt sein konnte, zumal nach der ausdrücklichen Vorschrift des § 99 Abs. 1 BO die beiden Gemeinderäte nicht auch an der Bescheiderlassung erster Instanz mitwirken dürfen; offenbar weist ihnen das Gesetz die Stellung einer Art von qualifizierten Zeugen zu. Es kann nun dahingestellt bleiben, ob die im § 118 Abs. 4 BO für Verletzungen des § 99 Abs. 1 und 2 vorgesehene Nichtigkeit auch für den Fall der Unterlassung der vorgesehenen Beiziehung von Gemeinderäten gelten soll oder ob hier nicht einschränkend auszulegen ist. Dass Mängel der erörterten Art mit Nichtigkeit bedroht sind, bedeutet lediglich die Vernichtbarkeit nach § 68 Abs. 4 AVG 1950 trotz Eintritts der Rechtskraft - hier noch dazu zeitlich beschränkt durch § 118 Abs. 4 zweiter Satz BO. Für die Frage der Wesentlichkeit eines Mangels ist die angedrohte Nichtigkeit jedoch ohne Bedeutung; entgegen etwa der Nichtigkeit im Zivilprozess handelt es sich nicht um einen absoluten, also einen ohne Rücksicht auf seine Bedeutung für das Verfahrensergebnis aufzugreifenden Verfahrensmangel.

Abgesehen von der hinsichtlich der Brandschutzvorschriften eingetretenen Präklusion ergibt sich aus den bewilligten Plänen, dass die Vorschriften des § 66 Abs. 1 bzw. Abs. 4 BauO eingehalten wurden. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die Abstandsbestimmungen des § 66 Abs. 4 BauO überhaupt ein Nachbarrecht begründen.

Zur Frage des Bauwichs hat schon die Behörde erster Instanz zutreffend auf die Einhaltung der Abstände zum Grundstück des Beschwerdeführers hingewiesen; dem ist der Beschwerdeführer im Tatsächlichen nicht entgegengetreten; von einer Änderung der Pläne bezüglich der Abstände kann, abgesehen davon, dass dem Beschwerdeführer und seinem Vertreter ja Akteneinsicht gewährt wurde und ihm die Möglichkeit der Stellungnahme offen gestanden ist, keine Rede sein.

Ebenso hat die Behörde erster Instanz sich bereits mit der Rutschgefahr befasst und schlüssig dargelegt, aus welchen Gründen sie eine derartige Gefahr nicht für gegeben annimmt. Dem ist der Beschwerdeführer vor den Verwaltungsbehörden konkret nicht entgegengetreten. Der Verwaltungsgerichtshof kann daher keine Rechtswidrigkeit erblicken, wenn die belangte Behörde insofern eine weitere Prüfung nicht für erforderlich erachtet hat. Soweit erstmals in der Beschwerde Fragen der Entwässerung aufgeworfen werden, steht ihrer Erörterung nicht nur das Neuerungsverbot des § 41 VwGG entgegen, sondern wäre das Unterbleiben ihrer rechtzeitigen Geltendmachung auch unter die Präklusionsfolgen des § 42 AVG 1950 gefallen. Dies gilt auch für alle Ausführungen über den notwendigen Brandschutz bei Holzbauten auf einem Grundstück und dg1. Der Verwaltungsgerichtshof kann auch nicht erkennen, aus welchem Grund eine neuerliche Bauverhandlung hätte anberaumt werden müssen; wurden doch die als geringfügig einzustufenden Klarstellungen im Plan dem Beschwerdeführer mit der Möglichkeit der Stellungnahme zur Kenntnis gebracht. Das Unterbleiben der Neudurchführung der Bauverhandlung trotz geänderter Pläne konnte höchstens dazu führen, dass hinsichtlich der Änderungen in der Berufung gegen den Bewilligungsbescheid auch Umstände hätten geltend gemacht werden können, die nicht bereits Gegenstand der Einwendungen waren. Derartige Änderungen hat der Beschwerdeführer aber nicht geltend gemacht, wenn man davon absieht, dass seiner Meinung nach überdies die Anrainer nunmehr richtig im Lageplan angegeben worden seien. Die Richtigstellung von Angaben über (andere) Anrainer kann allenfalls diese, nicht aber Rechte des Beschwerdeführers betreffen. Soweit schließlich der Beschwerdeführer die Ansicht vertritt, die belangte Behörde habe von Amts wegen alle subjektiv-öffentlichen Recht aufzugreifen, wird auf die obigen Ausführungen über die Präklusion verwiesen.

Da sohin der angefochtene Bescheid Rechte des Beschwerdeführers nicht verletzt hat, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der Durchführung der von der Erstmitbeteiligten beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.

Wien, am