VwGH vom 09.10.1985, 84/03/0102
Spruch
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leibrecht und die Hofräte Dr. Baumgartner, Dr. Weiss, Dr. Leukauf und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kratzert, über die Beschwerde der Jagdgenossenschaft K, vertreten durch den Obmann des Jagdausschusses FT in I, dieser vertreten durch Dr. Alfred Strommer und Dr. Johannes Reich-Rohrwig, Rechtsanwälte in Wien I, Ebendorferstraße 3, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. VI/4-J-35/i, betreffend Vorpachtrechte (mitbeteiligte Partei: US in I, vertreten durch Dr. Rudolf Gürtler und Dr. Friedrich Halzl, Rechtsanwälte in Wien I, Seilergasse 3), au Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 9.810,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom stellte die Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld für die Jagdperiode vom bis die Eigenjagd der mitbeteiligten Partei im Gesamtausmaß von 130,2886 ha und ein Vorpachtrecht hinsichtlich der zum Genossenschaftsjagdgebiet der Beschwerdeführerin gehörigen Parzellen im Ausmaß von 14,9926 ha fest.
Mit Schreiben vom beantragte die mitbeteiligte Partei bei der Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld die "Feststellung und Zuerkennung" der Befugnisse zur Eigenjagd für bestimmte, den Grundstücksnummern nach bezeichnete Parzellen im Gesamtausmaß von "130,2868 ha", ferner des Vorpachtrechtes für bestimmte, den Grundstücksnummern nach bezeichnete Parzellen im Gesamtausmaß von 14,9926 ha sowie "Angliederung bzw. Vorpachtrecht bzw. Abrundung der zum größten Teil von meiner Eigenjagd umschlossenen Grundflächen, Eigentümer F. u. A. T., im Ausmaß von 96,7906 ha".
Mit Bescheid vom stellte die Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld für die Jagdperiode vom bis die Eigenjagd der Beschwerdeführerin sowie ein Vorpachtrecht hinsichtlich der zum Genossenschaftsjagdgebiet der Beschwerdeführerin gehörenden Parzellen im Gesamtausmaß von 14,9926 ha fest. Das Ansuchen um "Zuerkennung eines Vorpachtrechtes oder Abrundung einer Grundfläche aus dem Genossenschaftsjagdgebiet K im Ausmaß von 96.7906 ha" wurde zurückgewiesen. Dieser Bescheid wurde laut Rückschein der Beschwerdeführerin am zugestellt.
Gegen diesen Bescheid, soweit mit ihm der mitbeteiligten Partei ein Vorpachtrecht an den zum Genossenschaftsjagdgebiet der Beschwerdeführerin gehörenden Grundstücken eingeräumt wurde, erhob die Beschwerdeführerin Berufung, weil die Voraussetzungen des § 14 Abs. 3 NÖ Jagdgesetz 1974, LGBl. 6500-4 (JG), für das Vorpachtrecht nicht gegeben seien.
Die Niederösterreichische Landesregierung wies mit Bescheid vom die Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 in Verbindung mit den §§ 14 und 16 JG ab, bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid und wies den Antrag der Beschwerdeführerin auf Behebung des gemäß § 14 JG zuerkannten Vorpachtrechtes auf Flächen im Ausmaß von 14.9926 ha zurück. Zur Begründung führte die Behörde aus, es sei zwar der Einwand der Beschwerdeführerin in der Berufung, dass die Einräumung des Vorpachtrechtes rechtswidrig erfolgt sei, weil es an einer vollständigen Umschließung der strittigen Fläche durch Eigenjagdgebiete fehle, von der mitbeteiligten Partei nicht bestritten worden, aus dem Akt der Erstbehörde sei jedoch festzustellen, dass dieses Vorpachtrecht bereits bisher, und zwar zuletzt mit Bescheid vom , zuerkannt worden sei. Gemäß § 16 JG blieben unter anderem auch Jagdeinschlüsse über die Jagdperiode hinaus als solche anerkannt und es werde diesbezüglich auch das Vorpachtrecht aufrecht erhalten, wenn nicht sachliche oder rechtliche Änderungen eintreten, die eine Aufhebung der betreffenden Verfügung rechtfertigen. Festzustellen sei, dass in sachlicher Hinsicht keine Änderungen eingetreten seien. Eine rechtliche Änderung sei nur insoweit eingetreten, als der Gesetzgeber es dem Eigenjagdberechtigten nunmehr erspare, von Periode zu Periode ausdrücklich um die Zuerkennung von Vorpachtrechten anzusuchen. Diese rechtliche Änderung sei aber nur eine solche verfahrensrechtlicher Art und gebe keinen Anlass für eine Aufhebung des Vorpachtrechtes.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor. Sie und die mitbeteiligte Partei erstatteten Gegenschriften, in der sie beantragten, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Vorweg ist zu bemerken, dass dem von der mitbeteiligten Partei in ihrer Gegenschrift vorgebrachten Einwand, dass die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der Erstinstanz vom verspätet sein müsse und daher zurückzuweisen gewesen wäre, keine Berechtigung zukommt. Die auf dem am genehmigten Bescheidkonzept angebrachte Zustellverfügung sah zwar u.a. eine Abfertigung (zweifach) mittels Formblatt an den Bürgermeister vor, enthielt jedoch keine Verfügung, den Bescheid auch dem Obmann des Jagdausschusses der Jagdgenossenschaft K oder der Beschwerdeführerin zuzustellen. Die Beschwerdeführerin erhielt den Bescheid vom erst am zugestellt.
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht verletzt, die als "Vorpachtrechte" zu Gunsten der mitbeteiligten Partei anerkannten Grundflächen im Gesamtausmaß von 14,9926 ha "zur Jagdausübung im Rahmen des Genossenschaftsjagdgebietes zurückgestellt zu erhalten". In Ausführung des so bezeichneten Beschwerdepunktes trägt die Beschwerdeführerin zur inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides vor, es sei unbestritten, dass die in Rede stehenden Grundflächen "anlässlich der Jagdgebietsfeststellung 1977 als Vorpachtrecht festgestellt worden seien, obwohl die Voraussetzungen hiefür nicht vorgelegen seien. Die belangte Behörde irre aber, wenn sie meine, dass dieser rechtswidrige Zustand für alle Zukunft perpetuiert sei. Bescheide betreffend die Feststellung von Eigenjagdgebieten hätten nur für vergangene Jagdperioden Rechtskraftwirkung. In diesem Sinne müsse auch die derzeit im § 16 JG geregelte Behandlung der Vorpachtrechte gesehen werden. Derartige Verfügungen hätten nämlich nur dann über die Jagdperiode, für die sie getroffen wurden, hinaus Bestand, wenn ihre Voraussetzungen tatsächlicher oder rechtlicher Natur weder weggefallen seien noch sich geändert hätten. Den Tatbestandselementen des Wegfalles oder der Änderung der Voraussetzungen für die Zuerkennung von Vorpachtrechten müsse nach der ratio legis sicherlich der Umstand gleichgehalten werde, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für eine solche behördliche Verfügung a priori gar nicht gegeben gewesen seien, demnach diese Verfügung rechtswidrig gewesen, infolge der Unterlassung einer Anfechtung im Berufungswege aber in Rechtskraft erwachsen sei. Dieser Fall liege der gegenständlichen Beschwerde zu Grunde. Die Verfügung der Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld im Bescheid vom über die Feststellung von Vorpachtrechten auf Grundflächen des Genossenschaftsjagdgebietes der Beschwerdeführerin zu Gunsten der mitbeteiligten Partei sei mangels des Vorliegens der anspruchsbegründenden Voraussetzungen einer "dem ganzen Umfang nach gegebenen Umschließung in der Art, dass die umschließenden Eigenjagdgebietsteile eine für die zweckmäßige Ausübung der Jagd geeignete Gestaltung und insbesondere Breite besitzen" rechtswidrig gewesen. Die Behörde erster Instanz hätte daher auf der Grundlage des § 16 JG ihre Verfügung über die Feststellung eines Vorpachtrechtes im Bescheid vom von Amts wegen zu beheben gehabt. Im Zuge des Berufungsverfahrens wäre die Behebung der belangten Behörde nach § 66 Abs. 4 AVG 1950 oblegen.
Gemäß § 16 JG bleiben die nach Maßgabe der Bestimmungen der §§ 13, 14 und 15 Abs. 2 getroffenen Verfügungen solange aufrecht, bis sie von der Bezirksverwaltungsbehörde aufgehoben oder abgeändert werden. Die Aufhebung oder Abänderung erfolgt nach Anhörung der Jagdgenossenschaften oder Eigenjagdberechtigten über Antrag mindestens eines der Beteiligten oder von Amts wegen dann, wenn die Voraussetzungen für die Vereinigung, Zerlegung oder Abrundung der Jagdgebiete oder die Zuerkennung von Vorpachtrechten weggefallen sind oder sich geändert haben, oder nach neueren jagdwissenschaftlichen Erkenntnissen anders zu beurteilen sind. Die auf eine Aufhebung oder Abänderung gerichteten Anträge sind bis zum Ablauf der im § 12 Abs. 1 und 2 angeführten Fristen bei der Bezirksverwaltungsbehörde einzubringen.
Zufolge der ausdrücklichen Anordnung des § 16 JG erlöschen demnach Vorpachtrechte - im Gegensatz zur Feststellung der Jagdgebiete, weshalb der Hinweis in der Beschwerde auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtskraftwirkung von Bescheiden betreffend die Feststellung von Eigenjagdgebieten ins Leere geht - nicht mit dem Ablauf der Jagdperiode, sondern behalten darüber hinaus bis zu ihrer Aufhebung oder Abänderung durch die Behörde ex lege ihre Wirksamkeit, ohne dass es diesbezüglich am Beginn der neuen Jagdperiode - so wie bei der Jagdgebietsfeststellung - einer neuerlichen behördlichen Verfügung bedürfte. Solange sohin zuerkannte Vorpachtrechte von der Behörde nicht aufgehoben oder abgeändert wurden, bleiben sie unverändert auch für die folgenden Jagdperioden in Geltung. Dies wird von der Beschwerdeführerin im übrigen auch nicht bestritten. Ausgehend davon und in Übereinstimmung mit der Rechtsansicht der Beschwerdeführerin, sowie der belangten Behörde erblickt daher der Verwaltungsgerichtshof in der Feststellung des Vorpachtrechtes der mitbeteiligten Partei in dem von der belangten Behörde bestätigten Bescheid der Erstinstanz vom ungeachtet der dortigen Bezugnahme auf § 14 Abs. 1 JG keine Verfügung nach dieser Gesetzesstelle im Sinne einer neuerlichen (konstitutiven) Zuerkennung des Vorpachtrechtes, sondern bloß eine (deklarative) Feststellung über die weitere Wirksamkeit des Vorpachtrechtes auch für die folgende Jagdperiode. Mit der Bestätigung dieser zwar überflüssigen, aber dem Gesetz nicht widersprechenden Feststellung durch die belangte Behörde wurde die Beschwerdeführerin in keinem Recht verletzt.
Wie sich aus dem vorstehend dargelegten Beschwerdepunkt in Verbindung mit ihrem weiteren Vorbringen im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ergibt, vermeint die Beschwerdeführerin, dass ihr ein Rechtsanspruch auf "Zurückstellung" der Grundstücke, hinsichtlich der zu Gunsten der mitbeteiligten Partei ein Vorpachtrecht besteht, bei Fehlen der Voraussetzungen für die Zuerkennung eines Vorpachtrechtes auch dann zustehe, wenn von ihr kein Antrag auf Aufhebung oder Abänderung des Vorpachtrechtes eingebracht wurde, weil die Behörde "jedenfalls von Amts wegen darauf Bedacht zu nehmen gehabt hätte, dass im verfahrensgegenständlichen Fall die sachlichen Voraussetzungen "für die Einräumung eines Vorpachtrechtes nicht gegeben waren". Die Beschwerdeführerin verkennt damit die Rechtslage.
§ 16 JG sieht die Aufhebung oder Abänderung eines Vorpachtrechtes über Antrag oder von Amts wegen vor. Da die auf eine Aufhebung oder Abänderung gerichteten Anträge gemäß dem letzten Satz dieser Gesetzesstelle bis zum Ablauf der im § 12 Abs. 1 und 2 angeführten Fristen bei der Bezirksverwaltungsbehörde einzubringen sind, muss geschlossen werden, dass die Aufhebung oder Abänderung eines Vorpachtrechtes über Antrag unabhängig von dem Zeitpunkt, an dem die Voraussetzungen hiefür eintreten, nur im Zusammenhang mit der Jagdgebietsfeststellung für die folgende Jagdperiode, sohin nicht während der laufenden Jagdperiode, erfolgen darf. Der Antragsteller (Jagdgenossenschaft oder Eigenjagdberechtigter) hat bei rechtzeitiger Antragstellung ein subjektives Recht auf die Einleitung, Durchführung und Erledigung des Verfahrens über seinen Antrag, in welchem Verfahren ihm alle einer Partei eingeräumten Rechte zukommen. Demgegenüber bestimmt
§ 16 JG, dass die Aufhebung oder Abänderung eines Vorpachtrechtes von Amts wegen dann erfolgt, wenn die in dieser Gesetzesstelle angeführten Voraussetzungen gegeben sind. Die Jagdgenossenschaft oder der Eigenjagdberechtigte haben jedoch keinen Rechtsanspruch darauf, dass die Behörde von Amts wegen vorgeht. Sie können das Einschreiten der Behörde bloß anregen, haben aber keine rechtliche Möglichkeit, ein amtswegiges Tätigwerden der Behörde zu erzwingen (vgl. im Zusammenhang auch § 68 Abs. 7 AVG 1950). Die Zurückweisung des Antrages der Beschwerdeführerin auf Behebung des Vorpachtrechtes durch die belangte Behörde erfolgte daher zu Recht.
Die Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 und Abs. 3 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. I B Z. 4 und 5 und C Z. 7 sowie Art. III Abs. 2 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 243/1985.
Wien, am