VwGH vom 10.12.1997, 94/20/0002
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Köhler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. S. Giendl, über die Beschwerde des S in W, geboren am , vertreten durch Dr. Gabriel Liedermann, Rechtsanwalt in Wien X, Gudrunstraße 143, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 4.316.841/7-III/13/94, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, ist am in das Bundesgebiet eingereist und hat am beantragt, daß ihm Asyl gewährt werde. Nach Abweisung seines Asylantrages und Berufung durch den Beschwerdeführer erging der nunmehr angefochtene Bescheid, mit welchem die belangte Behörde die Berufung abwies.
Begründend führte die belangte Behörde insbesondere aus, aus dem Ermittlungsverfahren ergebe sich, daß der Beschwerdeführer unter Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention falle. Der Beschwerdeführer habe am , am und am die Gültigkeitsdauer seines nationalen Reisepasses bei der türkischen Botschaft in Wien verlängern lassen. Die Ausfolgung bzw. die Verlängerung der Gültigkeitsdauer eines Reisepasses sei eine jener Formen, in denen ein Staat seinen im Ausland weilenden Bürgern seinen Schutz angedeihen lasse; durch die dreimalige Antragstellung hätte der Beschwerdeführer diesen Schutz durch sein Heimatland begehrt und durch die Verlängerung der Gültigkeitsdauer des Reisepasses auch tatsächlich erhalten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in welcher Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und den Antrag gestellt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen und den Beschwerdeführer zum Kostenersatz für den Vorlageaufwand zu verhalten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Der Beschwerdeführer weist zu der Annahme der belangten Behörde, er hätte sich unter den Schutz seines Heimatstaates gestellt, darauf hin, daß die belangte Behörde diese Annahme nur aufgrund der Aktenlage treffe und ihm zu dieser Frage kein Parteiengehör eingeräumt worden sei. Wäre er gehört worden, hätte er vorgebracht, daß die Verlängerung der Gültigkeit seines Reisepasses nicht durch ihn persönlich veranlaßt worden sei, da das Aufsuchen der türkischen Vertretungsbehörde für seine Sicherheit zu gefährlich erschienen sei, und daß die Paßgültigkeitsverlängerung allein zu dem Zweck der Verhinderung seiner Abschiebung in die Türkei (nämlich durch Erwirkung der Sichtvermerkserteilung für den Aufenthalt im Bundesgebiet) veranlaßt worden sei.
Dieses Vorbringen ist nicht geeignet, einen wesentlichen Verfahrensmangel des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.
Auch die vom Beschwerdeführer in der Beschwerde aufgezeigten Umstände können im Hinblick auf den Inhalt und die systematische Stellung des gemäß § 2 Abs. 2 Z 1 Asylgesetz 1991 anzuwendenden Art. 1 Abschnitt C Z 1 der Genfer Flüchtlingskonvention nicht aufzeigen, daß die belangte Behörde, hätte sie das Parteiengehör eingeräumt, zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (und § 1 Z 1 Asylgesetz 1991) setzt die Erlangung der Flüchtlingseigenschaft u.a. voraus, daß der Betroffene nicht in der Lage oder im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung nicht gewillt ist, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen. Nicht nur der Wegfall der wohlbegründeten Furcht vor Verfolgung im Falle einer Rückkehr, sondern schon der Wegfall der mangelnden Fähigkeit oder Bereitschaft, wegen der im Heimatland drohenden Verfolgung auch bloß außerhalb dieses Landes dessen Schutz in Anspruch zu nehmen, läßt die Flüchtlingseigenschaft in der im Art. 1 Abschnitt C Z 1 der Genfer Flüchtlingskonvention geregelten Weise erlöschen. Die erfolgreiche Beantragung eines Passes ist eine typische Form der Unterschutzstellung im Sinne dieser Bestimmung und grundsätzlich ausreichend, um ihren Tatbestand zu erfüllen (vgl. dazu Grahl-Madsen, The Status of Refugees in International Law, Band 1, S. 379 bis 395; UNHCR, Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, Rz. 120 bis 124). Wenn ein Flüchtling einen Paß seines Heimatlandes "oder auch lediglich die Erneuerung des Passes beantragt und erhält, so läßt dies darauf schließen, daß er die Absicht hat, erneut den Schutz des Landes seiner Staatsangehörigkeit in Anspruch zu nehmen, es sei denn, er kann Beweise vorbringen, die diese Annahme widerlegen" (UNHCR, a.a.O., Rz. 121). Der Verwaltungsgerichtshof vertritt daher in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß die Ausstellung oder Verlängerung eines Reisepasses den Tatbestand des § 2 Abs. 2 Z 1 Asylgesetz 1991 i.V.m. Art. 1 Abschnitt C Z 1 der Genfer Flüchtlingskonvention erfüllt, wenn nicht im konkreten Einzelfall ein dieser rechtlichen Beurteilung entgegenstehender Sachverhalt aufgezeigt wird (vgl. dazu die Erkenntnisse vom , Zl. 96/20/0308, vom , Zl. 96/20/0531, oder vom , 96/20/0587). Das Vorbringen des Beschwerdeführers legt nicht dar, daß die Verlängerung des Reisepasses nicht freiwillig erfolgt wäre (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/20/0838; Grahl-Madsen, a.a.O., S. 384 f). Wenn in der Beschwerde ausgeführt wird, daß die Verlängerung des Reisepasses "lediglich der Aufenthaltssicherung" im Bundesgebiet gedient habe, wird damit auf keine Umstände hingewiesen, die im dargelegten Sinn die Annahme der Freiwilligkeit ausschließen (vgl. für den Fall der Antragstellung um Paßverlängerung für den Zweck der "Erlangung einer Arbeitserlaubnis" das hg. Erkenntnis vom , Zl. 96/20/0587, oder für den Fall der Sicherung des Aufenthalts in Jugoslawien durch die Verlängerung der Gültigkeitsdauer des Reisepasses das hg. Erkenntnis vom , 89/01/0303). Auch der Hinweis, daß die Paßverlängerung nicht durch den Beschwerdeführer persönlich erfolgt sei, vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern, da auch dieser Umstand nicht gegen die Freiwilligkeit der Unterschutzstellung spricht; mit diesem Vorbringen wird daher die Wesentlichkeit des vom Beschwerdeführer gerügten Verfahrensmangels, daß ihm kein Parteiengehör eingeräumt worden sei, nicht aufgezeigt. Die vom Beschwerdeführer angesprochene (mangelnde) "Intentionalität ..., mich unter den Schutz der Türkei zu stellen", ist auch durch das Beschwerdevorbringen nicht indiziert.
Da die behaupteten Rechtsverletzungen somit nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
Fundstelle(n):
RAAAE-31676