VwGH vom 03.07.2003, 2000/15/0138
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Reinisch, über die Beschwerde der CBS GmbH in S, vertreten durch Dr. Arnold, Rechtsanwalts-Kommandit-Partnerschaft in 1010 Wien, Wipplingerstraße 10, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Salzburg vom , Zl. RV 269/1-6/99, betreffend Säumniszuschlag zur Umsatzsteuer und Kammerumlage, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Laut der Umsatzsteuervoranmeldung der Beschwerdeführerin für den Monat März 1999 an das Finanzamt ergab sich eine Zahllast von S 748.564,-- (Umsatzsteuer III/1999 S 665.893,-- und Kammerumlage I-III 1999 S 82.671,--). Mit Begleitschreiben vom ersuchte die Beschwerdeführerin, diese Beträge mit "unserem einbehaltenen Guthaben" gegenzuverrechnen.
Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Beschwerdeführerin u.a. für die von ihr am zu entrichtende Umsatzsteuer ein Säumniszuschlag von S 13.318,-- (2 % von S 665.893,--) und für die am zu entrichtende Kammerumlage ein Säumniszuschlag von S 1.653,-- (2 % von S 82.671,- -) vorgeschrieben.
In der Begründung führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens aus, der Unternehmer habe gemäß § 21 Abs. 1 UStG 1994 am 15. Tag (Fälligkeitstag) des auf einen Kalendermonat (Voranmeldungszeitraum) zweitfolgenden Monates eine Voranmeldung beim zuständigen Finanzamt einzureichen und eine sich ergebende Vorauszahlung zu entrichten. Die Bestimmungen bezüglich der Kammerumlage seien dem Umsatzsteuergesetz nachgebildet. Die Vorauszahlungen für Umsatzsteuer März 1999 und Kammerumlage Jänner bis März 1999 seien demnach mit 15.(17.) Mai fällig zu stellen. Die genannten Abgabenbeträge seien zum Fälligkeitstag nicht entrichtet worden.
Nach § 217 Abs. 1 BAO trete mit Ablauf eines bestimmten Fälligkeitstages die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages ein. Unter Entrichtung sei dabei die Tilgung der Abgabenschuld durch Zahlung oder sonstige Gutschrift zu verstehen. Ob eine Abgabe spätestens am Fälligkeitstag entrichtet worden sei, beurteile sich aus sachlicher (verrechnungstechnischer) Hinsicht nach den §§ 213 und 214 BAO, in zeitlicher Hinsicht danach, ob die im § 210 leg. cit. oder in anderen Abgabengesetzen vorgesehene Fälligkeit eingehalten worden sei.
Gegen die Beschwerdeführerin sei vom Finanzamt am ein Sicherstellungsauftrag gemäß § 232 Abs. 1 BAO über einen Betrag von S 206,723.632,-- erlassen worden. Da die Beschwerdeführerin auf Grund ihrer Auslandslieferungen in den monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen stets hohe Umsatzsteuergutschriften ausgewiesen habe, seien beginnend mit von der zuständigen Einbringungsstelle Pfändungsbescheide gemäß § 65 AbgEO erlassen worden. Die monatlich verfügten Pfändungen zur Sicherstellung hätten sich jeweils auf ein konkretes Guthaben bezogen.
Die belangte Behörde stimme der Auffassung der Beschwerdeführerin, das gepfändete Guthaben hätte am Abgabenkonto verbleiben und ungeachtet der Pfändung zur Tilgung fälliger Abgaben verwendet werden müssen, nicht zu. Die Beschwerdeführerin verkenne, dass die Regelungen der AbgEO die Verrechnungsbestimmungen der BAO verdrängten. Eine durch Zweitverbot erwirkte Pfändung von Abgabenguthaben verdränge die Bestimmung des § 215 BAO betreffend Tilgung durch Aufrechnung. Das ausgesprochene Verfügungsverbot wirke umfassend, es werde dem Schuldner jede Verfügung über die gepfändete Forderung untersagt, also auch die langsame Konsumtion des Guthabens mit laufenden Abgaben. Die Bestimmung des § 239 Abs. 2 BAO könne nicht zur Anwendung kommen, weil darin die Rückzahlung von unbelasteten Guthaben geregelt werde. Die Voraussetzungen hiefür seien im Beschwerdefall nicht gegeben.
Die in Rede stehenden Abgabenbeträge hätten daher am Fälligkeitstag () nicht durch bestehende Guthaben abgedeckt werden können. Die Verpflichtung zur Entrichtung des Säumniszuschlages sei daher eingetreten.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen vom Bestehen eines Guthabens der Beschwerdeführerin per aus. Dass dieses Guthaben ihre Wurzel in der Verrechnung der Umsatzsteuer in einem Voranmeldungszeitraum hatte, schadet nicht. Der Unternehmer hat die für den Voranmeldungszeitraum zu entrichtende Steuer bzw. den auf den Voranmeldungszeitraum entfallenden Überschuss selbst zu berechnen. Die Vorauszahlung und der Überschuss sind Abgaben im Sinne der BAO. Der Unternehmer hat die selbst berechnete Steuer am Fälligkeitstag zu entrichten. Der vorangemeldete Überschuss ist als Gutschrift zu behandeln, die - zufolge der Sondervorschrift des § 21 Abs. 1 UStG 1994 - mit Abgabe der Voranmeldung, frühestens jedoch mit Ablauf des Voranmeldungszeitraumes, wirksam wird. Auch Gutschriften dieser Art sind nach § 215 BAO zu behandeln. Diese Bestimmung regelt die Voraussetzungen der Verfügbarkeit des Abgabengläubigers und des Abgabenpflichtigen über ein gemäß den Verrechnungsbestimmungen der §§ 213 f BAO zu Stande gekommenes Guthaben. Über ein solches Guthaben hat zunächst die Abgabenbehörde nach den Regeln der Abs. 1 bis 3 des § 215 BAO zwingend zu verfügen. Demnach sind mit Guthaben vorrangig fällige Abgabenschuldigkeiten des Abgabepflichtigen zu verrechnen, die bei der selben Abgabenbehörde bestehen. In zweiter Linie kommt dann die Verrechnung mit bei anderen Finanz- oder Zollämtern bestehenden fälligen Abgabenschuldigkeiten in Betracht. Ein gemäß § 215 Abs. 1 bis 3 BAO nicht mehr der Disposition des Abgabengläubigers zugängliches Guthaben unterliegt nach dem vierten Absatz dieser Bestimmung der Verfügungsmacht des Abgabepflichtigen und unterliegt auch dem Zugriff seiner öffentlichen oder privaten Gläubiger.
Nach Ausweis des Verwaltungsaktes bestand per ein solcherart zu Stande gekommenes Guthaben der Beschwerdeführerin in Höhe von S 2,737.936,--. Dieses Guthaben wurde mit Bescheid des Finanzamtes vom gepfändet und ein Zahlungsverbot erlassen. Die belangte Behörde hat in ihrem angefochtenen Bescheid zwar nicht die Daten dieser Pfändung festgehalten, sondern sich lediglich darauf zurückgezogen, dass die monatlich verfügten Pfändungen sich auf ein konkretes Guthaben beziehen. Die Pfändung ist jedoch auch der Beschwerdeführerin - wie die Ausführungen in der Beschwerde zeigen - bekannt und im vorgelegten Akt dokumentiert. Eine Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften liegt daher nicht vor.
Dieser Pfändung liegt ein Sicherstellungsauftrag gemäß § 232 Abs. 1 BAO über einen Betrag von S 206,723.632,-- gegenüber der Beschwerdeführerin zu Grunde.
Gemäß § 78 Abs. 3 AbgEO sind auf die zur Sicherung von Abgaben vorgenommenen Vollstreckungshandlungen die Bestimmungen des I. Teiles sinngemäß anzuwenden.
Nach § 65 Abs. 1 leg. cit. erfolgt die Vollstreckung auf Geldforderungen des Abgabenschuldners mittels Pfändung derselben. Sofern nicht die - hier nicht in Betracht kommende - Bestimmung des § 67 zur Anwendung kommt, geschieht die Pfändung dadurch, dass das Finanzamt dem Drittschuldner verbietet, an den Abgabenschuldner zu bezahlen. Zugleich ist dem Abgabenschuldner selbst jede Verfügung über seine Forderung sowie über das für dieselbe etwa bestellte Pfand und insbesondere die Einziehung der Forderung zu untersagen.
Gemäß § 65 Abs. 2 leg. cit. ist sowohl dem Drittschuldner wie dem Abgabenschuldner hiebei mitzuteilen, dass die Republik Österreich an der betreffenden Forderung ein Pfandrecht erworben hat. Die Zustellung des Zahlungsverbotes ist zu eigenen Handen vorzunehmen. Die Pfändung ist mit Zustellung des Zahlungsverbotes an den Drittschuldner als bewirkt anzusehen (§ 65 Abs. 3 leg. cit.). Die Zustellung des Zahlungsverbotes ist somit der konstitutive Akt, mit dem das Pfandrecht zu Gunsten der Republik Österreich (des betreibenden Gläubigers) begründet wird, der Zustellung des Verfügungsverbotes an den Abgabenschuldner (den Verpflichteten) kommt nur deklarative Wirkung zu (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 90/13/0113). Auch in den Fällen, in denen die Abgabenbehörde auf Grund eines Guthabens des Abgabenschuldners selbst als Drittschuldner anzusehen ist, bedarf es der Erlassung des Zahlungsverbotes (sogenanntes Zweitverbot), um das Pfandrecht an dem Guthaben zu begründen. Nach Ausweis des Verwaltungsaktes ist am ein derartiges Pfandrecht an den an diesem Tag bestehenden Guthaben begründet worden. Dispositionen über dieses Guthaben waren daher nur mehr gemäß der Exekutionsbewilligung möglich. Das Zahlungs- und Verfügungsverbot im Sinne des § 65 AbgEO steht aber auch der von der Beschwerdeführerin begehrten Aufrechnung im Sinne des § 215 Abs. 1 BAO entgegen. Auch der von der Beschwerdeführerin angesprochene § 239 Abs. 2 BAO führt nicht dazu, dass das gepfändete Guthaben nunmehr entgegen der Exekutionsbewilligung für Abgabenverbindlichkeiten des Abgabenschuldners Verwendung findet.
§ 239 Abs. 2 BAO bezieht sich nur auf Rückzahlungsanträge des Abgabepflichtigen. Eine derartige Aufrechnungsbestimmung des Abgabengläubigers findet sich in der die Wirkungen der Pfändung regelnden Bestimmung des § 65 AbgEO nicht. Die zwingende Bestimmung des § 65 AbgEO lässt auch keinen Raum für eine sinngemäße Anwendung des § 239 Abs. 2 BAO.
Wird eine Abgabe nicht spätestens am Fälligkeitstag entrichtet, so tritt gemäß § 217 Abs. 1 BAO mit Ablauf dieses Tages die Verpflichtung zur Entrichtung eines Säumniszuschlages ein, soweit der Eintritt dieser Verpflichtung nicht gemäß Abs. 2 bis 6 oder § 218 hinausgeschoben wird (was im Beschwerdefall nicht vorliegt). Ein Säumniszuschlag kann somit nur wegen der nicht rechtzeitigen Tilgung der Abgabenschuld, sei es durch Zahlung, durch Gutschrift oder durch Verfügung über ein Guthaben, vorgeschrieben werden. Da eine Tilgung der Abgabenschuld entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin durch ihre begehrte Verfügung über ein Guthaben nach dem Gesagten nicht eintreten konnte, ist der Säumniszuschlag zutreffend verhängt worden.
Die Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden, weil die Schriftsätze der Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und die dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Beschwerdesache nicht erwarten lässt.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am