VwGH vom 31.01.2005, 2000/03/0145
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Berger, Dr. Lehofer und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des O K in W, vertreten durch Dr. Helmut Klement und Dr. Annemarie Stipanitz-Schreiner, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Kaiserfeldstraße 29/3, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Judenburg vom , Zl. 8.0 R 130 - 99/2, betreffend Genehmigung der freihändigen Verpachtung einer Gemeindejagd, (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Reisstraße, 8741 Weißkirchen), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Beschluss des Gemeinderates der mitbeteiligten Partei vom betreffend die freihändige Verpachtung der Gemeindejagd Katastralgemeinde R an die Jagdgesellschaft R zu einem näher bezeichneten Pachtschilling für die Jagdpachtperiode vom bis zum genehmigt. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, sie habe - entsprechend dem hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/03/0361, - mit Bescheid vom den Teilungsbeschluss des Gemeinderates der mitbeteiligten Partei vom gemäß § 11 Stmk. JG genehmigt. Auf dieser Basis habe der Gemeinderat der mitbeteiligten Partei am den auf einem qualifizierten Pächtervorschlag beruhenden Beschluss der freihändigen Verpachtung der Katastralgemeindejagd R an die Jagdgesellschaft R gefasst. Die belangte Behörde habe den Ablauf des Verfahrens bei der mitbeteiligten Partei überprüft, die Pächterfähigkeit der Vorgeschlagenen sei gegeben. Es liege ein gemäß § 24 Abs. 3 Stmk. JG qualifizierter Pächtervorschlag vor, dem der Gemeinderat zu entsprechen gehabt habe, der Beschluss sei im Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen zustande gekommen. "Der Vollständigkeit halber" werde auf die in der Begründung des (mit hg. Erkenntnis vom , Zl. 99/03/0361, aufgehobenen) Bescheides vom enthaltenen Ausführungen hingewiesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 24 Steiermärkisches Jagdgesetz 1986, LGBl. Nr. 23 (Stmk. JG), lautet auszugsweise:
"§ 24
Freihändige Verpachtung
(1) Eine Gemeindejagd kann durch Beschluß des Gemeinderates auch unter Abstandnahme von der Verpachtung mittels öffentlichen Aufrufes (§ 16) im Wege des freien Übereinkommens (freihändig) an eine Person oder an eine Jagdgesellschaft, die nicht gemäß § 15 von der Pachtung ausgeschlossen sind, dann verpachtet werden, wenn eine derartige Verpachtung im Interesse der vertretenen Grundbesitzer (§ 13 Abs. 1) gelegen ist.
(2) Der Beschluß des Gemeinderates, der den Namen des Pächters sowie die Höhe des Pachtschillings zu enthalten hat, bedarf der Zustimmung von mindestens zwei Dritteln der in beschlußfähiger Anzahl anwesenden Gemeinderatsmitglieder und ist im vorletzten Jagdjahr der laufenden Jagdpachtperiode zu fassen. ...
(3) Wird von mehr als der Hälfte der im Sinne des Landwirtschaftskammergesetzes, LGBl. Nr. 14/1970, in der jeweiligen Fassung, kammerzugehörigen Grundbesitzer vor Beginn des vorletzten Jagdjahres der laufenden Pachtperiode unter Verwendung der für das Einspruchsverfahren vorgesehenen Formblätter (Abs. 2) ein Pächtervorschlag für die freihändige Vergabe eingebracht, so hat der Gemeinderat diesem Vorschlag binnen 4 Wochen zu entsprechen, wenn diese Grundbesitzer gleichzeitig Eigentümer von mehr als der Hälfte der im Gemeindejagdgebiet gelegenen Grundfläche der kammerzugehörigen Grundeigentümer sind. Für das weitere Verfahren gelten die Bestimmungen der Abs. 4 bis 8 sinngemäß. Der Vorschlag hat außer dem Namen des Pächters die Verpachtungsbedingungen und die Einverständniserklärung des vorgeschlagenen Pächters zu enthalten. Über den dem Pächtervorschlag entsprechenden Gemeinderatsbeschluß ist kein Einspruchsverfahren durchzuführen.
...
(6) Der Bürgermeister hat den Gemeinderatsbeschluß samt Begründung und allfälligen Einwendungen der Bezirksverwaltungsbehörde vorzulegen, die dem Gemeinderatsbeschluß die Genehmigung zu versagen hat, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für diese Art der Jagdverpachtung nicht gegeben sind oder die geltendgemachten Gründe nicht dem Interesse der vertretenen Grundbesitzer (§ 13 Abs. 1) entsprechen. Liegt ein Beschluß im Sinne des Abs. 4 vor, kann die Genehmigung nur aus den Gründen des § 15 versagt werden.
...
(8) Gegen den Bescheid der Bezirksverwaltungsbehörde ist eine Berufung unzulässig."
§ 58 der Steiermärkischen Gemeindeordnung 1967, LGBl. Nr. 115/1967 idF LGBl. Nr. 1/1999 (Stmk. GO), lautet auszugsweise wie folgt:
"§ 58
Befangenheit
(1) Der Bürgermeister und die Mitglieder der Kollegialorgane sind von der Beratung und Beschlußfassung über einen Verhandlungsgegenstand wegen Befangenheit ausgeschlossen:
1. in Sachen, an denen ... der andere Eheteil ... beteiligt sind;
...
(2) Die im Abs. 1 genannten Personen haben ihre Befangenheit von sich aus wahrzunehmen. Mitglieder der Kollegialorgane haben dies dem Vorsitzenden und Vorsitzende ihrem jeweiligen Vertreter mitzuteilen. Sie haben für die Dauer der Beratung und Beschlußfassung den Sitzungsraum zu verlassen. Über Beschluß kann jedoch ein befangenes Mitglied eines Kollegialorganes zur Erteilung von Auskünften an der Beratung teilnehmen. Die Abstimmung kann jedoch nur in Abwesenheit des befangenen Mitgliedes erfolgen.
(3) Eine Befangenheit liegt nicht vor, wenn die im Abs. 1 genannten Organe an einem Verhandlungsgegenstand lediglich als Angehörige einer Berufsgruppe oder einer Bevölkerungsgruppe beteiligt sind, deren gemeinsame Interessen durch diese Angelegenheit berührt werden und deren Interessen zu vertreten sie berufen sind.
(4) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 3 und 6 gelten nicht:
1. in behördlichen Verfahren; diesbezüglich gelten die Bestimmungen der jeweils anzuwendenden Verfahrensgesetze;
...
(6) Beschlüsse, die entgegen den Vorschriften des Abs. 1 gefaßt wurden, sind ungültig.
..."
Die Beschwerde macht unter anderem die Befangenheit des Bürgermeisters der mitbeteiligten Partei sowie der Gemeinderätin Gl geltend. Beide hätten an der Beschlussfassung des Gemeinderates vom teilgenommen, obwohl Bürgermeister S für diesen Pächtervorschlag eine schriftliche Unterstützungserklärung mit der Bitte um Unterfertigung abgegeben habe und Gemeinderätin Gl Gattin des Pachtwerbers und Vertreters der Jagdgesellschaft R, Ing. Gl, sei.
Aus dem - im vorgelegten Verwaltungsakt aufliegenden - Auszug aus dem Sitzungsprotokoll über die Sitzung des Gemeinderates am ergibt sich, dass sowohl Bürgermeister S als auch Gemeinderätin Gl an der Abstimmung teilgenommen haben.
Da der Gemeinderat bei der Beschlussfassung gemäß § 24 Abs. 2 Stmk. JG keine Hoheitsbefugnisse ausübt, sondern als Träger von Privatrechten, nämlich als gesetzlich berufenes Vertretungsorgan der Grundbesitzer, denen zufolge § 1 Stmk. JG das Jagdrecht - nicht hingegen das Jagdausübungsrecht - zusteht, tätig wird, sind für die Beurteilung der Befangenheit die Bestimmungen des § 58 Stmk. GO maßgeblich (vgl. idS zu § 58 Stmk. GO iZm der Verpachtung der Gemeindejagd gemäß § 30 Abs. 1 Steiermärkisches Jagdgesetz 1954 das hg. Erkenntnis vom , Zl. 86/03/0099).
Im vorliegenden Fall war bei Gemeinderätin Gl der Befangenheitsgrund des § 58 Abs. 1 Z 1 Stmk. GO gegeben: Wie die belangte Behörde in der Gegenschrift bestätigt, ist sie Ehegattin des Ing. Gl, welcher Obmann der Jagdgesellschaft R ist, die den durch den Gemeinderatsbeschluss vom genehmigten Pächtervorschlag erstattet hat, und der somit an der Sache beteiligt war. Da Gemeinderätin Gl trotz dieser Befangenheit an der Abstimmung teilgenommen hat, ist der Gemeinderatsbeschluss vom gemäß § 58 Abs. 5 Stmk. GO ungültig und hätte aus diesem Grund von der belangten Behörde nicht genehmigt werden dürfen (vgl. in diesem Sinne das zitierte hg. Erkenntnis vom ).
Wenn sich die belangte Behörde in der Gegenschrift auf § 58 Abs. 3 Stmk. GO beruft, ist ihr zu entgegnen, dass diese Bestimmung im vorliegenden Fall nicht zutrifft: Zwar ist der Gemeinderat gemäß § 24 Abs. 2 Stmk. JG gesetzlich berufenes Vertretungsorgan der Grundbesitzer, jedoch ist dieses (Kollegial)Organ nicht - wie in § 58 Abs. 3 Stmk. GO angeführt - "an einem Verhandlungsgegenstand ... als Angehöriger ... einer Bevölkerungsgruppe beteiligt", sondern selbst entscheidungsbefugtes Organ. Die einzelnen Mitglieder des Gemeinderates werden aber bei der Beschlussfassung über die freihändige Vergabe einer Gemeindejagd keinesfalls als "Angehörige" der "Bevölkerungsgruppe" der Grundeigentümer tätig.
Schon aus diesem Grund hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Die Umrechnung der Gebühr gemäß § 24 Abs. 3 VwGG beruht auf § 3 Abs. 2 Z 2 Euro-Gesetz, BGBl. I Nr. 72/2000.
Wien, am
Fundstelle(n):
LAAAE-31639