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VwGH vom 14.12.1995, 94/19/1174

VwGH vom 14.12.1995, 94/19/1174

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Holeschofsky, Dr. Bachler, Dr. Dolp und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des Dr. G, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Justiz vom , Zl. 904.248/4-III/6/94, betreffend Akteneinsicht und Erteilung von Auskünften nach dem Auskunftspflichtgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Justiz vom wurde die Berufung des Beschwerdeführers vom gegen den Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz vom , mit welchem dem Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung von Akteneinsicht und auf Auskunft betreffend die Akten der von ihm erhobenen Aufsichtsbeschwerden gegen den Richter des Bezirksgerichtes Linz, Dr. S, nicht stattgegeben worden war, abgewiesen. Dem Bescheid lag folgender - vom Beschwerdeführer in der Beschwerde bestätigter - Sachverhalt zugrunde:

Der Beschwerdeführer hat mit Eingaben vom 24. Jänner, 22. März sowie Beschwerde beim Bundesminister für Justiz über die Verhandlungsführung des Richters des Bezirksgerichtes Linz, Dr. S, in zwei Verfahren und über die Art und Weise der Urteilsausfertigung bzw. der darin enthaltenen Formulierungen geführt.

Der Präsident des Oberlandesgerichtes Linz legte diesbezüglich den Akt Jv 1676-17/94 an, in dem sich unter anderem Stellungnahmen des Richters zu den ihm gegenüber erhobenen Vorwürfen befinden. Mit Schriftsätzen vom 12. und stellte der Beschwerdeführer in diesem Verfahren an den Präsidenten des Oberlandesgerichtes Linz einen Antrag auf Akteneinsicht und Auskunft gemäß dem Auskunftspflichtgesetz darüber, 1.) welche Stellungnahmen der genannte Richter zur Beschwerde vom , 2.) zur Beschwerde vom an das Bundesministerium für Justiz abgegeben habe, 3.) welche Veranlassungen seitens der Dienstaufsichtsbehörde getroffen worden seien, und 4.) welche disziplinarrechtlichen Maßnahmen gegen den Richter veranlaßt worden seien.

Der Beschwerdeführer begehrte für den Fall der Verweigerung der Auskunft eine bescheidmäßige Erledigung im Sinne des § 4 Auskunftspflichtgesetz.

Das rechtliche Interesse begründete der Beschwerdeführer einerseits damit, daß er Beschwerde an die Europäische Kommission für Menschenrechte erhoben habe und mit Schreiben vom durch den Sekretär der Europäischen Kommission ersucht worden sei, unter anderem die ERLEDIGUNG der Aufsichtsbehörde vorzulegen; andererseits darauf, daß in drei anhängigen Privatanklagesachen der Richter Dr. S vom Beschwerdeführer als befangen abgelehnt worden sei, die Ablehnungsanträge jedoch zurückgewiesen worden seien.

Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung im wesentlichen damit, daß zwar das AVG im Verfahren vor Justizverwaltungsbehörden nicht anzuwenden sei, jedoch auch unter Berücksichtigung der im AVG niedergelegten Grundsätze eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens dem Beschwerdeführer kein Parteiengehör im Dienstaufsichtsverfahren zustehe, weil es ihm an der Parteistellung ermangle. Weiters habe sein Recht auf Akteneinsicht in sinngemäßer Anwendung des § 17 Abs. 3 AVG hinter dem des betroffenen Richters auf Geheimhaltung von Fakten eines allfälligen Disziplinarverfahrens gegen ihn zurückzustehen.

In Sache Auskunft nach dem Auskunftspflichtgesetz sei im Hinblick auf Art. 20 Abs. 3 BVG das Interesse des betroffenen Richters an der Geheimhaltung höherwertig als das Interesse an der Auskunft.

Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt, daß ihm in die Dienstaufsichtsakten beim Oberlandesgericht Linz Jv 1676-17/94 Akteneinsicht gewährt werde und ihm nach dem Auskunftspflichtgesetz Auskunft erteilt werde; 1.) welche Stellungnahme Richter Dr. S zur Beschwerde des Beschwerdeführers am , 2.) am an das Bundesministerium für Justiz abgegeben hat, 3.) welche Veranlassungen seitens der Dienstaufsichtsbehörde getroffen wurden, 4.) welche disziplinarrechtlichen Maßnahmen gegen Richter Dr. S veranlaßt wurden. Der Beschwerdeführer macht hiezu Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift mit dem Begehren, die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG kostenpflichtig als unberechtigt abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Unter "Aufsichtsrecht" werden Befugnisse der jeweils übergeordneten Behörde zusammengefaßt, wie z.B. Maßnahmen zur straffen und raschen Lenkung der unterstehenden Behörden. Diese Aufsicht wird im öffentlichen Interesse ausgeübt. Im Sinne eines wohlverstandenen öffentlichen Interesses bedeutet dies, daß die Ausübung des Aufsichtsrechtes ebenso zum Zwecke einer im öffentlichen Interesse gelegenen Beeinträchtigung von Privatinteressen, wie auch zum Zwecke einer im öffentlichen Interesse gelegenen Wahrung von Privatinteressen erfolgen kann. An die zweite Möglichkeit knüpft die Aufsichtsbeschwerde an. Mit ihr wird von einem am vorhergehenden Verfahren Beteiligten der Versuch unternommen, das Aufsichtsrecht auszulösen und damit aus dem Titel des öffentlichen Interesses eine Besserung seiner eigenen Position zu erreichen. Mit der Aufsichtsbeschwerde wird ANGEREGT, das Aufsichtsrecht in einer bestimmten Richtung auszuüben. Aufsichtsbeschwerde kann grundsätzlich von jedermann, der sich durch das Vorgehen eines Organes für beschwert erachtet, erheben. Jedoch ist die angerufene Verwaltungsbehörde nicht verpflichtet, dem Einschreiter eine ERLEDIGUNG über seine Aufsichtsbeschwerde zukommen zu lassen. Auch wenn dem Einschreiter im vorhergegangenen Verfahren, was den Anlaß zur Aufsichtsbeschwerde gegeben hat, Parteistellung zukommt, hat er kein Recht auf die Ausübung des Aufsichtsrechtes. Der Einschreiter kann daher im Verfahren über die Aufsichtsbeschwerde mangels eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses NIEMALS PARTEI sein. Ihm kommt deshalb auch kein Recht zu, welches Parteien vorbehalten ist.

Bei Dienstaufsichtsbeschwerden gegen Richter handelt es sich um Angelegenheiten der Justizverwaltung. Die Justizverwaltungsbehörden zählen nicht zu jenen Behörden, die das AVG anzuwenden haben (Art. II EGVG). Von ihnen sind allerdings die darin niedergelegten allgemeinen Grundsätze eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens zu beachten. Damit ist für den Beschwerdeführer nichts gewonnen, denn gemäß § 17 Abs. 1 AVG hat die Behörde nur PARTEIEN Einsicht in die ihre Sache betreffenden Akten oder Aktenteile zu gestatten. Da dem Beschwerdeführer keine Parteistellung im Verfahren über die Dienstaufsichtsbeschwerde zukommt (vgl. zum Ganzen Melichar, ÖJZ 1953, 197 ff, sowie die zu § 68 Abs. 2 bis 4 AVG ergangene Rechtsprechung, zitiert in Hauer - Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, Seite 594 ff), steht dem Beschwerdeführer auch das Recht auf Akteneinsicht im Verfahren betreffend die Dienstaufsichtsbeschwerden nicht zu.

Gemäß Art. 20 Abs. 4 B-VG in der Fassung des Bundesverfassungsgesetzes vom , BGBl. Nr. 285, haben alle mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betrauten Organe sowie die Organe anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen, soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht; berufliche Vertretungen sind nur gegenüber den ihnen jeweils Zugehörigen auskunftspflichtig und dies insoweit, als dadurch die ordnungsgemäße Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben nicht verhindert wird.

Gemäß § 1 des Bundesgesetzes vom über die Auskunftspflicht der Verwaltung des Bundes und eine Änderung des Bundesministeriengesetzes 1986 (Auskunftspflichtgesetz), BGBl. Nr. 287, haben die Organe des Bundes sowie die Organe der durch die Bundesgesetzgebung zu regelnden Selbstverwaltung über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen, insoweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht (Abs. 1). Auskünfte sind nur in einem solchen Umfang zu erteilen, der die Besorgung der übrigen Aufgaben der Verwaltung nicht wesentlich beeinträchtigt; berufliche Vertretungen sind nur gegenüber den ihnen jeweils Zugehörigen auskunftspflichtig und dies insoweit, als dadurch die ordnungsgemäße Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben nicht verhindert wird. Sie sind nicht zu erteilen, wenn sie offenbar mutwillig verlangt werden (Abs. 2).

Nach § 4 dieses Gesetzes ist, wenn eine Auskunft nicht erteilt wird, auf Antrag des Auskunftswerbers hierüber ein Bescheid zu erlassen.

Unter den Organen des Bundes im Sinne des § 1 Abs. 1 Auskunftspflichtgesetz sind im Lichte verfassungskonformer Auslegung nur die Organe der Bundesverwaltung, nicht aber die Organe der Gerichtsbarkeit, zu verstehen (RV zum oben zitierten Bundesverfassungsgesetz, 39 Blg NR 17. GP, 2; Bericht des Verfassungsausschusses zu diesem Bundesverfassungsgesetz, 116 Blg NR 17. GP, 2). Die Auskunftspflicht bezieht sich somit nicht auf die richterliche Tätigkeit als solche; diese Bestimmung darf auch nicht dadurch umgangen werden, daß man von den Organen der Justizverwaltung Auskunft über die richterliche Tätigkeit als solche verlangt.

Weitere Grenzen der Auskunftspflicht sind dem § 1 Abs. 1 - entgegenstehende gesetzliche Verschwiegenheitspflicht - und dem § 1 Abs. 2 Auskunftspflichtgesetz - umfängliche Beschränkung der Auskunft dahin, daß die Besorgung der übrigen Aufgaben der Verwaltung nicht wesentlich beeinträchtigt wird; Verweigerung der Auskunftserteilung, wenn sie offenbar mutwillig verlangt wird - zu entnehmen.

Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat zu den im vorliegenden Fall zu lösenden Fragen unter anderem folgendes ausgesprochen:

Das Erkenntnis vom , Zlen. 90/18/0040, 0041, hat sich mit dem im oben zitierten Art. 20 Abs. 4 B-VG erwähnten Begriff der entgegenstehenden gesetzlichen Verschwiegenheitspflicht beschäftigt und hiebei auf Art. 20 Abs. 3 B-VG in der Fassung der oben zitierten Novelle zum Bundesverfassungsgesetz verwiesen. Dieser Abs. 3 besagt, daß alle mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betrauten Organe sowie die Organe anderer Körperschaften des öffentlichen Rechtes, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, zur Verschwiegenheit über alle ihnen ausschließlich aus ihrer amtlichen Tätigkeit bekanntgewordenen Tatsachen verpflichtet sind, deren Geheimhaltung im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit, der umfassenden Landesverteidigung, der auswärtigen Beziehungen, im wirtschaftlichen Interesse einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, zur Vorbereitung einer Entscheidung oder in überwiegendem Interesse der Parteien geboten ist. Das zitierte Erkenntnis führte des weiteren aus, daß ein Interesse des von einer Dienstaufsichtsbeschwerde betroffenen Richters, allfällige diskriminierende Feststellungen über seine Dienstleistung nicht an die Öffentlichkeit gelangen zu lassen, gegenüber dem Interesse eines Auskunftswerbers an den begehrten Auskünften überwiegt. Als Partei im Sinne des Art. 20 Abs. 3 B-VG (nicht zu verwechseln mit dem Parteibegriff des § 8 AVG, welcher dem Recht auf Akteneinsicht zugrundeliegt, s. o.) seien alle Personen zu verstehen, die aus irgendeinem Anlaß mit Behörden in Berührung kommen. Überwögen somit die Interessen einer solchen Partei das Interesse des Auskunftswerbers, so sei die Auskunft unter Berufung auf die Amtsverschwiegenheit nicht zu erteilen (vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Zlen. 90/18/0193, 0194, 0197-0199, 0212; 91/18/0012, 0013).

Bei Dienstaufsichtsbeschwerden gegen Richter handelt es sich wohl um Angelegenheiten der Justizverwaltung, doch steht - wie die belangte Behörde richtig erkannt hat - ein überwiegendes Interesse des vom Dienstaufsichtsverfahren betroffenen Richters dem Interesse des Auskunftswerbers entgegen, weshalb die Erteilung der Auskunft unter Hinweis auf die gesetzliche Verschwiegenheitspflicht zu Recht abgelehnt wurde.

Da es der Beschwerde somit nicht gelungen ist, die von ihr behaupteten Rechtswidrigkeiten des angefochtenen Bescheides darzutun, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.