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VwGH vom 28.03.1995, 94/19/0860

VwGH vom 28.03.1995, 94/19/0860

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Stöberl, Dr. Holeschofsky und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des S in A, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in A, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom , Zl. 4.325.982/2-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines pakistanischen Staatsangehörigen, der am in das Bundesgebiet eingereist ist, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom , betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die belangte Behörde hat dem Beschwerdeführer, ohne sich mit seiner Flüchtlingseigenschaft gemäß § 1 Z. 1 des im vorliegenden Fall anzuwendenden Asylgesetzes 1991 auseinanderzusetzen, deshalb kein Asyl gemäß § 3 leg. cit. gewährt, weil sie der Ansicht war, daß bei ihm der Ausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z. 3 leg. cit. gegeben sei, wonach einem Flüchtling kein Asyl gewährt wird, wenn er bereits in einem anderen Staat vor Verfolgung sicher war. Aus der niederschriftlichen Einvernahme des Beschwerdeführers vom gehe nämlich hervor, daß er Pakistan am verlassen habe und über China und Rußland nach Rumänien gereist sei. Dort habe er sich bis zum aufgehalten. Da es ihm während seines Aufenthaltes in Rumänien "durchaus möglich" gewesen sei, bei den rumänischen Behörden um Asyl anzusuchen, er dort auch keinerlei Verfolgung ausgesetzt gewesen und auch nicht Gefahr gelaufen sei, ohne Prüfung seiner Fluchtgründe in sein Heimatland abgeschoben zu werden - Rumänien sei nämlich seit dem ein Mitgliedstaat der Genfer Flüchtlingskonvention und es spreche auch nichts dafür, daß es seine aus dieser Mitgliedschaft sich ergebende Pflichten (insbesondere das im Art. 33 statuierte Refoulementverbot) etwa vernachlässige - habe er "daselbst" Verfolgungssicherheit erlangt.

Der Beschwerdeführer bringt dagegen im wesentlichen vor, § 25 Abs. 2 erster Satz des Asylgesetzes 1991, wonach am beim Bundesminister für Inneres anhängige Verfahren nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1991 zu Ende zu führen sind, sei verfassungswidrig, da ihm nach den Bestimmungen des Asylgesetzes 1991 "ein weit geringerer meritorischer Rechtsschutz" als nach dem Asylgesetz (1968) zugute komme. Selbst bei Anwendung des Asylgesetzes 1991 hätte die belangte Behörde jedoch bei verfassungskonformer Interpretation eine meritorische Prüfung der Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers vorzunehmen gehabt. Schließlich hätte der Beschwerdeführer nach Verfassen der Berufung keine Möglichkeit mehr gehabt, auf den behördlichen Einwand der "Verfolgungssicherheit im Sinne der Drittstaatenklausel" einzugehen und sich dagegen zur Wehr zu setzen. Weder bei Stellung des Asylantrages noch bei Verfassen der Berufung sei der Beschwerdeführer mit dem "Vorwurf" der ausreichenden Verfolgungssicherheit konfrontiert gewesen. Auch eine Manuduktion sei nicht erfolgt.

Die Beschwerde erweist sich im Ergebnis als berechtigt:

Zwar haftet - im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers - der Bestimmung des § 25 Abs. 2 Asylgesetz 1991 die in der Beschwerde vorgebrachte Verfassungswidrigkeit nicht an (vgl. dazu das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 1387/92, B 1542/92) und es setzt die Anwendung des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 auch nicht voraus, daß zuvor die Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers im Sinne des § 1 Z. 1 leg. cit. geprüft werden müsse (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 94/01/0532).

Allerdings hat die belangte Behörde bei ihrer Argumentation übersehen, daß die Genfer Flüchtlingskonvention nach ihrem § 43 Abs. 2 nicht durch die Abgabe der Beitrittserklärung eines Staates für diesen in Kraft tritt, sondern erst am 90. Tag nach der Hinterlegung der Ratifikations- oder Beitrittsurkunde. Die Wirksamkeit des Beitrittes Rumäniens ist daher (nach Abgabe der Ratifikationserklärung am ) am eingetreten.

Die belangte Behörde ist daher zu Unrecht davon ausgegangen, daß Rumänien zu der Zeit, in der sich der Beschwerdeführer in diesem Staat aufgehalten hat, bereits an die Genfer Flüchtlingskonvention gebunden war. Andererseits lagen der belangten Behörde - nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten - auch keine Feststellungen vor, ob Rumänien schon vor Wirksamkeit des Beitrittes zur Genfer Flüchtlingskonvention Flüchtlingen faktisch einen den Anforderungen dieser Konvention entsprechenden Schutz gewährte.

Es entbehrt daher die Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer sei vor seiner Einreise nach Österreich bereits in Rumänien vor Verfolgung im Sinne des § 2 Abs. 2 Z. 3 Asylgesetz 1991 sicher gewesen, jeder Begründung. Der solcherart mit einem wesentlichen Verfahrensmangel belastete Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 f VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

Fundstelle(n):
LAAAE-31558