VwGH vom 20.09.2000, 2000/03/0074
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde des P H in M, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Dieter Brandstätter, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Schöpfstraße 19a, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom , Zl. 1-0033/00/K1, betreffend Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes 1995, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am um
10.45 Uhr als Lenker eines nach dem Kennzeichen bestimmten Sattelkraftfahrzeuges auf der B 202 beim Zollamt Höchst ein Transitfahrt im Hoheitsgebiet Österreichs von Deutschland kommend über "Lindau, A 14 Pfändertunnel" durchgeführt. Die Einreise nach Österreich sei um 10.00 Uhr erfolgt. Dabei habe er keine der nachstehend angeführten Unterlagen mitgeführt:
a) ein ordnungsgemäß ausgefülltes Einheitsformular oder eine Ökokarte für die betreffende Fahrt oder
b) einen Umweltdatenträger (ecotag), der eine automatische Entwertung der Ökopunkte für die betreffende Fahrt ermögliche, oder
c) geeignete Unterlagen zum Nachweis darüber, dass es sich um eine ökopunktbefreite Fahrt gehandelt habe, oder
d) geeignete Unterlagen aus denen hervorgehe, dass es sich nicht um eine Transitfahrt gehandelt habe und dass im Falle der Ausstattung des Fahrzeuges mit einem Umweltdatenträger dieser für diesen Zweck eingestellt gewesen sei. Er habe dadurch § 23 Abs. 1 Z. 8 Güterbeförderungsgesetz 1995 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1524/96 übertreten. Gemäß § 23 Abs. 1 und 2 Güterbeförderungsgesetz 1995 wurde eine Geldstrafe von
S 20.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 3 Tage) verhängt.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 23 Abs. 1 Z. 8 des Güterbeförderungsgesetzes 1995 (in der Fassung BGBl. I Nr. 17/1998) begeht eine Verwaltungsübertretung, wer unmittelbar anwendbare Vorschriften der Europäischen Union über den Güterverkehr auf der Straße verletzt, sofern dies nicht nach anderen Vorschriften zu bestrafen ist.
Gemäß Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 der Kommission in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1524/96 der Kommission hat der Fahrer eines Lastkraftwagens im Hoheitsgebiet Österreichs die nachstehend angeführten Unterlagen mitzuführen und diese auf Verlangen den Aufsichtsbehörden zur Prüfung vorzulegen, entweder:
a) ein ordnungsgemäß ausgefülltes Einheitsformular oder eine österreichische Bestätigung der Entrichtung von Ökopunkten für die betreffende Fahrt; oder
b) ein im Kraftfahrzeug eingebautes elektronisches Gerät, das eine automatische Entwertung der Ökopunkte ermöglicht und als "Umweltdatenträger" ("ecotag") bezeichnet wird; oder
c) die in Art. 13 aufgeführten geeigneten Unterlagen zum Nachweis darüber, dass es sich um eine Fahrt gemäß Anhang C handelt, für die keine Ökopunkte benötigt werden; oder
d) geeignete Unterlagen aus denen hervorgeht, dass es sich nicht um eine Transitfahrt handelt und, wenn das Fahrzeug mit einem Umweltdatenträger ausgestattet ist, dass dieser für diesen Zweck eingestellt ist.
Die am in Kraft getretene Verordnung (EG) Nr. 609/2000 der Kommission ist im Beschwerdefall nicht anzuwenden.
Nach Ansicht des Beschwerdeführers entspreche "der Spruch des Straferkenntnisses nicht dem Konkretisierungsgebot des § 44 lit. a VStG bzw. wurden die behauptete Verwaltungsübertretung und die verhängte Strafe auf unzutreffende Gesetzesbestimmungen gestützt". Es sei ihm vorgeworfen worden, eine Verwaltungsübertretung nach § 23 Abs. 1 Z. 8 Güterbeförderungsgesetz 1995 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1524/96 begangen zu haben. Nach letzterer Bestimmung habe der Fahrer eines Lastkraftwagens im Hoheitsgebiet Österreichs die dort angeführten Unterlagen nicht nur mitzuführen, sondern auch auf Verlangen den Aufsichtsbehörden zur Prüfung vorzulegen. Dem Beschwerdeführer sei weder in der Verfolgungshandlung noch im Spruch des Straferkenntnisses vorgeworfen worden, die entsprechenden Dokumente (nicht) auf Verlangen den Aufsichtsbehörden zur Prüfung vorgelegt zu haben.
Mit diesem Vorbringen vermag der Beschwerdeführer keine Rechtsverletzung darzutun. Bei den Tatbeständen des Nichtmitführens der genannten Unterlagen und des Nichtvorlegens derselben handelt es sich nämlich um selbstständig zu verwirklichende Tatbestände (vgl. die zu den ähnlichen Tatbeständen des § 102 Abs. 5 lit. a - nunmehr § 14 Abs. 1 FSG - und lit. b KFG 1967 ergangene hg. Rechtsprechung, etwa das Erkenntnis vom , Zlen. 92/03/0246, 93/03/0051). Dass der Beschwerdeführer nicht wegen des Nichtvorlegens der entsprechenden Unterlagen verfolgt und bestraft wurde, verletzte ihn somit nicht in seinen Rechten.
Hinsichtlich der Strafbemessung rügt der Beschwerdeführer, dass die belangte Behörde nicht von § 20 (erster Fall) VStG Gebrauch gemacht habe. Er verfüge über ein monatliches Einkommen von DM 2.000,-- und sei für seine Familie (Frau, ein Kind) sorgepflichtig. Mildernd sei bei ihm zu berücksichtigen, dass er als unbescholten gelte und die Handlung fahrlässig begangen worden sei. Es lägen daher die Voraussetzungen nach § 20
(erster Fall) VStG vor.
Dem ist Folgendes entgegenzuhalten:
Gemäß § 20 erster Fall VStG kann die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterschritten werden, wenn die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen. Soweit der Beschwerdeführer seine Einkommens- und Familienverhältnisse als Milderungsgründe ins Treffen zu führen versucht, ist er darauf zu verweisen, dass die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse nur ausnahmsweise, nach Maßgabe der einzelnen Milderungs- und Erschwerungsgründe nach den §§ 32 bis 35 StGB, wie etwa dem Milderungsgrund der drückenden Notlage im Sinne des § 34 Z. 10 StGB, zu berücksichtigen sind. Im Übrigen haben die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse im Zusammenhang mit der Wertung der Milderungs- und Erschwerungsgründe außer Betracht zu bleiben (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zlen. 87/02/0042, 0044). Dass im Beschwerdefall die Einkommens- und Familienverhältnisse des Beschwerdeführers einem solcherart in Betracht kommenden Milderungsgrund unterstellt werden könnten, ist nicht zu ersehen. Bloße Fahrlässigkeit stellt entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers gleichfalls keinen Milderungsgrund dar (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 528/1978). Wenn die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides zum Ergebnis gekommen ist, dass der einzige zu berücksichtigende Milderungsgrund der verwaltungsrechtlichen Unbescholtenheit auch bei Fehlen von Erschwerungsgründen noch kein beträchtliches Überwiegen der Milderungsgründe über die Erschwerungsgründe im Sinne des § 20 VStG bedeute, kann dies im Hinblick auf den schwerwiegenden Unrechtsgehalt der gegenständlichen Verwaltungsübertretung nicht als rechtswidrig erkannt werden.
Was die angewendete Strafnorm anlangt, so setzt § 23 Abs. 1 Güterbeförderungsgesetz 1995 als Obergrenze eine Geldstrafe bis zu S 100.000,-- fest. Nach dem letzten Satz des § 23 Abs. 2 leg. cit. hat die Geldstrafe bei Verwaltungsübertretungen gemäß Abs. 1 Z. 3 und Z. 7 bis 9 mindestens S 20.000,-- zu betragen. Gegen diesen Strafrahmen hegt der Beschwerdeführer verfassungsrechtliche Bedenken, die vom Verwaltungsgerichtshof allerdings nicht geteilt werden. Angesichts des beträchtlichen Unrechtsgehaltes der in der letztgenannten Bestimmung angeführten Verwaltungsübertretungen kann von einem gegen das Gleichheitsgebot verstossenden extremen Missverhältnis zwischen dem Gewicht der strafbaren Handlung und der Sanktion (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , Slg. Nr. 12.920) keine Rede sein (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom , Slg. Nr. 14.375/A, zu
§ 16 Abs. 2 Güterbeförderungsgesetz, BGBl. Nr. 63/1952.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am