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VwGH vom 02.03.1995, 94/19/0718

VwGH vom 02.03.1995, 94/19/0718

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):

94/19/0719

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Kremla und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des B in Graz, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom , Zl. Jv 1682-16/92-6, betreffend Ordnungswidrigkeiten nach dem Strafvollzugsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom wurde die vom Beschwerdeführer gegen das Straferkenntnis des Leiters des landesgerichtlichen Gefangenenhauses Graz vom , betreffend Ordnungswidrigkeiten nach dem Strafvollzugsgesetz erhobene Beschwerde vom ab- und jene vom zurückgewiesen. Begründend wurde im wesentlichen ausgeführt, der (sich in Untersuchungshaft befindende) Beschwerdeführer sei der Ordnungswidrigkeiten nach § 107 Abs. 1 Z. 4 und 10 StVG i.V.m. den §§ 28, 26 Abs. 1 StVG und 183 Abs. 1 StPO schuldig erkannt worden, weil er 1.) am im landesgerichtlichen Gefangenenhaus Graz im Zuge einer Vorstellung beim Anstaltsarzt Dr. E diesem gegenüber zwei namentlich genannte Justizwachebeamte als "Schweine" bezeichnet und dadurch den Anstand gröblich verletzt habe und

2.) am im Anstaltsareal des Landeskrankenhauses Graz dadurch, daß er im Zuge einer Ausführung zwecks ambulanter Behandlung in der Hautklinik und der psychiatrisch-neurologischen Universitätsklinik trotz ausdrücklicher und mehrmaliger Belehrung durch den ihn eskortierenden Justizwachebeamten Insp. K in das Gebäude der dortigen Zahnklinik gelaufen sei, der Anordnung dieses Beamten keine Folge geleistet habe. Er sei hiefür zu Ordnungsstrafen des strengen Hausarrestes in der Dauer von vier und sieben Tagen jeweils mit Beschränkung der künstlichen Haftraumbeleuchtung um eine Stunde täglich bestraft worden, wobei die Anhaltungen in Absonderung vom ,

16.15 Uhr bis , 16.00 Uhr und vom , 16.00 Uhr bis , 17.10 Uhr in die Strafzeit eingerechnet worden seien. Die Strafvollzugsoberbehörde habe keine wie immer geartete Zweifel an der Richtigkeit der Angaben Dris. E, wonach der Beschwerdeführer diesem gegenüber die beiden Justizwachebeamten als "Schweine" bezeichnet habe. Dr. E habe durch seine Angaben auch keine Verschwiegenheitspflicht verletzt. Auch an der Richtigkeit der Zeugenaussagen des Insp. K habe die Vollzugsoberbehörde keine Bedenken. Wie sich aus der Niederschrift vom ergebe, seien der Inhalt der Aussagen beider Zeugen dem Beschwerdeführer - im Gegensatz zu seinen Beschwerdeausführungen - auch vorgehalten worden und habe er dazu Stellung nehmen können. Schließlich könnte die Rechtsauffassung des Beschwerdeführers, die Bestimmungen der §§ 107, 116, 119 ff StVG dürften auf Untersuchungshäftlinge nicht angewendet werden, nicht geteilt werden. Die Beschwerde vom sei daher abzuweisen, die Beschwerde vom hingegen als unzulässig zurückzuweisen gewesen, da sie sich "gegen einen niemals erlassenen Bescheid vom " gerichtet habe. Tatsächlich sei am "lediglich eine Note der Vollzugsoberbehörde" an den Rechtsfreund des Beschwerdeführers gerichtet worden, welche dieser mit Schreiben vom beantwortet habe.

Die gegen diesen Bescheid an den Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde wurde - nachdem der Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom , B 409/93, ihre Behandlung abgelehnt hatte - dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abgetreten.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Beschwerdeführer hält der belangten Behörde im wesentlichen entgegen, der Vorwurf, er habe die beiden Justizwachebeamten als "Schweine" bezeichnet, entspreche nicht den Tatsachen. Das einzige Beweismittel der belangten Behörde hiefür bestehe in der Aussage des Anstaltsarztes Dr. E, der diese Aussage jedoch unter "grober Verletzung der ihm auferlegten Verschwiegenheitspflichten" getätigt habe. Er habe sowohl gegen die ärztliche Verschwiegenheitspflicht nach § 26 Ärztegesetz als auch gegen die Pflicht zur Amtsverschwiegenheit nach Art. 20 Abs. 3 B-VG verstoßen, wobei bereits seine Meldung (Aktenvermerk vom ) an den Leiter des Gefangenenhauses unzulässig gewesen wäre, weil er damit Umstände bekanntgegeben habe, die ihm in Ausübung seines Berufes bekanntgeworden seien. Dr. E sei weder bei "seinem Aktenvermerk vom " noch bei seiner Einvernahme am von seiner ärztlichen Verschwiegenheitspflicht rechtsgültig entbunden worden. Im Zuge seiner Einvernahme sei er zwar über die gesetzlichen Gründe der Verweigerung der Aussage belehrt worden, es habe jedoch "eine Entbindung von der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht durch den Leiter der Amtshandlung" gefehlt. Auch von der Verpflichtung zur Wahrung der Amtsverschwiegenheit sei Dr. E nicht entbunden worden. Hinsichtlich des Vorfalles vom würden die Aussagen des "Justizbeamten K" eine Reihe von Widersprüchen aufweisen. So fehle bei der Meldungslegung am der Hinweis darauf, daß der Beschwerdeführer durch Insp. K wiederholt auf den 12-Uhr-Termin bei Dr. W hingewiesen worden sei ebenso wie jegliche Angabe darüber, daß sich der Beschwerdeführer von Insp. K entfernt hätte. Eine Entfernung von 20 m sei nicht nur durch die örtlichen Gegebenheiten ausgeschlossen, sondern es werde dies auch durch die Zeugeneinvernahme vom widerlegt, in der Insp. K angegeben habe, den Beschwerdeführer nach 20 m eingeholt zu haben. Aufgrund der Skizze des Beschwerdeführers in seiner Stellungnahme vom an den Leiter des landesgerichtlichen Gefangenenhauses und eines Lokalaugenscheines wäre es für die belangte Behörde "ein Leichtes gewesen", sich von der Richtigkeit der Angaben des Beschwerdeführers zu überzeugen. Allerdings seien auch die vom Beschwerdeführer beantragten Zeugen nicht gehört worden, was als wesentlicher Verfahrensmangel gerügt werde. Im übrigen sei die zahnärztliche Behandlung an diesem Tag unbedingt erforderlich gewesen, weil der Beschwerdeführer bereits tagelang unter äußerst schmerzhaften Zahn- und Kiefergelenksbeschwerden gelitten und Dr. E bereits ab dem eine Ausführung in die Zahnklinik für absolut erforderlich gehalten habe. Da der Beschwerdeführer auf Anordnung Insp. K immer zwei bis drei Schritte vor diesem habe gehen müssen, habe er bereits die ersten Stufen hinter ihm und dem Eingang der Zahnklinik erreicht, als er von Insp. K am Arm kurz festgehalten und auf einen Gerichtstermin um 12.00 Uhr bei Richter Dr. W hingewiesen worden sei. Daraufhin sei der Beschwerdeführer widerspruchslos in Richtung des wartenden Dienstkraftwagens mitgegangen. Die belangte Behörde habe dem Beschwerdeführer weiters die eingeholten Zeugenaussagen nicht zur Kenntnis gebracht und ihm auch die Einsicht in den Akt rechtswidrigerweise verweigert, was ebenfalls als wesentlicher Verfahrensmangel geltend gemacht werde. Schließlich werde der unklare Ausspruch über die Strafe, und zwar, ob sich die verfügte Beschränkung der künstlichen Haftraumbeleuchtung nur auf die unter "zu 2" verhängte Strafe oder auch auf die Strafe "zu 1" beziehe, "ausdrücklich gerügt". Letztlich stelle sich auch grundsätzlich "die Rechtsproblematik, ob für Untersuchungshäftlinge die §§ 107 ff StVG gelten", zumal § 183 Abs. 1 StPO ausdrücklich normiere, daß die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes über den Vollzug von Freiheitsstrafen, deren Strafzeit ein Jahr nicht übersteigt, dem Sinne nach anzuwenden seien, soweit die Strafprozeßordnung nicht anderes bestimme. Im Gegensatz zu § 187 Abs. 3 StPO bestimme § 114 i. V.m. § 109 Abs. 3 StVG sowohl ein Verbot des Briefverkehrs und des Besuchsempfanges. Diese Verbote seien "im gegenständlichen Straferkenntnis" nicht nur verhängt, sondern auch vollzogen worden. "Allein aus diesen sich widersprechenden Gesetzesbestimmungen" ergebe sich die Nichtanwendbarkeit des

"10. Unterabschnittes des Strafvollzugsgesetzes".

Diesem Vorbringen bleibt es verwehrt, die Beschwerde zum Erfolg zu führen:

Zur Rüge des Beschwerdeführers, der Vorfall vom sei ausschließlich durch ein auf gesetzwidrige Weise gewonnenes Beweismittel, nämlich die unter Verletzung sowohl der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht als auch der Pflicht zur Amtsverschwiegenheit getätigte Aussage Dris. E festgestellt worden, ist zu entgegnen, daß nach ständiger hg. Judikatur (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom , VwSlg. 11540 A/1984) die Berücksichtigung von Beweisergebnissen, welche allenfalls auf gesetzwidrige Weise gewonnen wurden, zur Ermittlung der materiellen Wahrheit nur dann unzulässig ist, wenn das Gesetz dies anordnet oder wenn die Verwertung des betreffenden Beweisergebnisses dem Zweck des durch seine Gewinnung verletzten Verbotes widerspräche. Es kann daher im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob hinsichtlich des dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verhaltens vom eine Pflicht zur ärztlichen Verschwiegenheit bzw. zur Amtsverschwiegenheit überhaupt besteht. Denn selbst wenn dies der Fall wäre, bestand für die belangte Behörde weder ein gesetzliches Verbot, die unter allfälliger Verletzung dieser Verschwiegenheitspflichten gewonnenen Angaben des Anstaltsarztes im gegenständlichen Verfahren zu verwerten, noch könnte - nach dem Inhalt dieser Angaben - in einer solchen Verwertung ein Widerspruch zu jenen Zwecken gesehen werden, denen das ärztliche Berufsgeheimnis nach § 26 ÄrzteG bzw. die Amtsverschwiegenheit nach Art. 20 Abs. 3 B-VG zu dienen bestimmt ist. Diese Bestimmungen haben nämlich nicht den Zweck, Schutz vor Ahndung von Verstößen gegen die Rechtsordnung der hier gegenständlichen Art zu gewähren.

Soweit sich der Beschwerdeführer hinsichtlich der Feststellung des ihm zur Last gelegten Vorfalles vom gegen die Schlüssigkeit der Beweiswürdigung der belangten Behörde wendet, ist ihm entgegenzuhalten, daß die von ihm aufgezeigten Widersprüche in den Aussagen des Insp. K nicht bestehen. Wenn nämlich der Beschwerdeführer in der Meldung vom den Hinweis auf "den 12 Uhr-Termin bei Dr. W" vermißt, so ist er auf die in dieser Meldung enthaltene Aussage hinzuweisen, wonach Insp. K den Beschwerdeführer informiert habe, "daß wir um spätestens 12.00 Uhr wieder in der Anstalt sein müßten" und der Inhalt des Dienstauftrages dargestellt wird, wonach spätestens um 12.00 Uhr wieder in die Anstalt einzurücken war, "da Untersuchungshäftling B dem Untersuchungsrichter vorgeführt werden muß". Spätere Aussagen des Insp. K, wonach er den Beschwerdeführer auf den 12 Uhr-Termin beim Untersuchungsrichter hingewiesen habe, stehen dazu also nicht in Widerspruch. Aktenwidrig ist ferner der Vorwurf, es fehle jegliche Angabe darüber, daß sich der Beschwerdeführer von Insp. K entfernt hätte. Vielmehr heißt es in dieser Meldung: "Plötzlich lief B los und rannte durch den Eingang der Zahnklinik die Stufen hinauf." Aus welchen Gründen dabei - wie der Beschwerdeführer vorbringt - eine Entfernung von 20 m durch die örtlichen Gegebenheiten ausgeschlossen sein sollte, ist nicht einsichtig, wird auch durch die im Verwaltungsakt befindliche Skizze des Beschwerdeführers nicht plausibel und selbst in der Beschwerde nicht näher dargetan. Da dem Beschwerdeführer nach dem Spruch des angefochtenen Bescheides auch nicht vorgeworfen wird, sich 20 m von dem ihn eskortierenden Justizwachebeamten entfernt zu haben, sondern vielmehr, dadurch, daß er trotz Belehrung durch diesen Beamten in das Gebäude der Zahnklinik des Landeskrankenhauses Graz gelaufen ist, dessen Anordnung keine Folge geleistet zu haben, ist die Frage, wieviele Meter sich der Beschwerdeführer von diesem Beamten entfernt hat, letztlich auch nicht entscheidungsrelevant. Daß der Beschwerdeführer der Anordnung des Insp. K aber keine Folge geleistet hat, räumt er selbst ein, wenn er angibt "weiter Richtung Zahnklinik" geschritten zu sein. Ein in der Unterlassung eines Ortsaugenscheines allenfalls liegender Verfahrensmangel könnte bei diesem Ergebnis freilich nicht wesentlich im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG sein.

Mit dem Vorwurf, die belangte Behörde habe es unterlassen, die vom Beschwerdeführer beantragten Zeugen zu vernehmen, ohne aber gleichzeitig die Relevanz dieser Zeugenaussagen auf den Inhalt des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen, vermag der Beschwerdeführer ebenfalls keinen wesentlichen Verfahrensmangel darzutun. Gleiches gilt für den Vorwurf, ihm sei "die wiederholt begehrte Akteneinsicht" verweigert worden.

Soweit der Beschwerdeführer rügt, der Strafausspruch des angefochtenen Bescheides sei unklar, so ist ihm zu entgegnen, daß - anders als in dem Fall, der dem hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/01/0540, zugrundelag - bereits der Gliederung der Strafaussprüche eindeutig entnommen werden kann, daß sich die Beschränkung der künstlichen Haftraumbeleuchtung um eine Stunde täglich sowohl auf die "zu 1" als auch auf die "zu 2" verhängte Strafe bezog. Würde sich diese Beschränkung nämlich nur auf die "zu 2" verhängte Strafe beziehen - wofür allerdings die gewählte Gliederung keinen Anlaß gibt -, so wäre - wie der Beschwerdeführer selbst einräumt - das Wort "jeweils" überflüssig.

Schließlich vermag der Verwaltungsgerichtshof auch der Rechtsauffassung des Beschwerdeführers, für Untersuchungshäftlinge seien die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes über Ordnungswidrigkeiten (§§ 107 bis 118 StVG) nicht anwendbar, nicht zu folgen. Die Strafprozeßordnung enthält nämlich keine - i.S. ihres § 183 Abs. 1 - besonderen (der Sicherheit und Ordnung in der Anstalt dienenden sohin) disziplinarrechtlichen Bestimmungen für Untersuchungshäftlinge und schließt daher die sinngemäße Anwendung jener des Strafvollzugsgesetzes nicht aus. Insoferne liegt auch der vom Beschwerdeführer behauptete Widerspruch zwischen den Bestimmungen der §§ 183 f StPO und den §§ 107 bis 118 StVG nicht vor. Dafür, daß mit dem angefochtenen Bescheid jedoch Verfügungen getroffen worden seien, die gemäß § 188 Abs. 1 StPO dem Untersuchungsrichter zustehen, besteht nach dem Inhalt dieses Bescheides kein Anhaltspunkt.

Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich aufgrund des Beschwerdevorbringens auch nicht veranlaßt, beim Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 140 B-VG die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 183 StPO zu beantragen, da verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Bestimmung nicht bestehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 92/01/1034).

Die sich somit zur Gänze als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.