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VwGH vom 19.12.2002, 2000/15/0094

VwGH vom 19.12.2002, 2000/15/0094

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Reinisch, über die Beschwerde des Magistrates der Stadt Wien gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , Zl. UVS-07/F/42/4484/1999/8, UVS-07/V/42/4485- 4516/1999, betreffend Übertretung des Vergnügungssteuergesetzes (mitbeteiligte Partei: M in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird zu den Spruchpunkten 1, 2, 18 bis 22 und 26 des erstinstanzlichen Erkenntnisses vom im Straf- sowie zur Gänze im Kostenausspruch wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom wurde der Mitbeteiligte für schuldig erkannt, er habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer einer bestimmt bezeichneten GmbH die Vergnügungssteuer für Juni 1999 für die unter näher genannten Steuerausweisnummern in Wien gemeldeten Apparate, fällig gewesen am , bis zu diesem Tag nicht (in voller Höhe) entrichtet und dadurch 33 Verwaltungsübertretungen begangen. Er habe hiedurch die Bestimmungen des § 17 Abs. 3 i.V.m. § 19 Abs. 2 Vergnügungssteuergesetz im Zusammenhalt mit § 9 Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 verletzt. Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurden über den Mitbeteiligten 33 Geldstrafen von je S 6.000,--, im Falle der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von je 6 Tagen verhängt.

Zur Strafbemessung führte die Behörde erster Rechtsstufe aus, als erschwerend seien 384 zum Tatzeitpunkt rechtskräftige Vorstrafen, als mildernd kein Umstand zu werten gewesen. Im Bezug auf die wirtschaftlichen Verhältnisse seien die vom Mitbeteiligten anlässlich der im Februar 1999 vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat Wien durchgeführten Verhandlung gemachten Angaben berücksichtigt worden.

Der Mitbeteiligte erhob Berufung. Darin führte er aus, er habe in allen ihm zur Last gelegten Verfahren die Erlagscheine am Tag der Aufgabepflicht der Bank übergeben. Diese habe ihm mitgeteilt, dass Überweisungen, so sie am Vormittag aufgegeben werden, am gleichen Tag bearbeitet und auf das "zielführende" Konto weitergeleitet würden. Um ja rechtzeitig seiner Abgabepflicht beizukommen, habe er sogar die Bankverbindung von der ...-Bank zu jener Bank, wo die Stadtkassen ihre Konten unterhalten, gewechselt. Sollten nun die Zahlungen verspätet eingelangt sein, so könne die Schuld nicht nur ausschließlich bei ihm gesucht werden.

Von einer Beilage der abgestempelten Erlagscheine habe er abgesehen, "weil sie diese, wie die bisherigen Verfahren zeigten, ja doch nicht als Nachweis der rechtzeitigen Zahlung gelten lassen".

Er müsse feststellen, dass die Strafen, verglichen mit seinem Einkommen und den ihm auferlegten Sorgepflichten den Rahmen des ihm Möglichen bei weitem überstiegen. Da er nicht mehr Geschäftsführer und auch nicht mehr Gesellschafter einer näher umschriebenen GmbH sei, ersuche er von präventiven Strafen abzusehen und ihm ein finanzielles Dasein als unselbstständig Erwerbstätiger zu ermöglichen.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der - auf die Strafhöhe eingeschränkten - Berufung insoweit Folge, als sie die zu den Spruchpunkten 1, 2, 18 bis 22 und 26 verhängten Geldstrafen von je S 6.000,-- auf je S 200,-- (Ersatzfreiheitsstrafe je 6 Stunden) und zu den übrigen Spruchpunkten von je S 6.000,-- auf je S 1.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe je 36 Stunden) herabsetzte. Der Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens wurde dementsprechend reduziert.

In der Begründung führte die belangte Behörde aus, nach Einschränkung der Berufung ausschließlich gegen die Höhe der verhängten Strafe habe sie ausschließlich die von der Erstbehörde vorgenommene Strafbemessung zu überprüfen. Nach Gesetzeszitaten führte sie hiezu aus, die angelasteten Verwaltungsübertretungen schädigten in erheblichem Maße das durch die Strafdrohung geschützte Interesse an der ordnungsgemäßen und fristgerechten Steuerentrichtung, seien doch die Abgabenzahlungen in den vorliegenden Fällen erst über drei Wochen nach dem Fälligkeitstag eingelangt. Der objektive Unrechtsgehalt der Tat könne daher nicht als bloß geringfügig angesehen werden.

Dem Mitbeteiligten hätte bei Aufwendung auch nur des Mindestmaßes der ihm möglichen und einem Gewerbetreibenden jedenfalls zumutbaren Sorgfalt klar sein müssen, dass durch einen Überweisungsauftrag, der erst am Fälligkeitstag selbst erfolge, keinesfalls gewährleistet sei, dass der Betrag bereits am selben Tag auf ein Konto der empfangsberechtigten Kasse gutgeschrieben werde.

Als erschwerend seien von der Erstbehörde zu Recht mehrere einschlägige verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen gewertet worden.

Als mildernd werde hinsichtlich der Einzahlungen am der einem entschuldigenden Rechtsirrtum nahe kommende Umstand, dass der Mitbeteiligte subjektiv davon ausgegangen sei, dass bis zum Fälligkeitszahltag ein Überweisungsauftrag erteilt werden müsse, berücksichtigt.

Im Rahmen der Strafbemessung sei jedoch auch zu berücksichtigen, dass der Mitbeteiligte derzeit nicht als Halter oder Aufsteller von Automaten tätig sei und nur über ein Einkommen von etwa S 15.000,-- verfüge; der Mitbeteiligte verfüge über kein Vermögen und habe Sorgepflichten für drei Kinder und die Ehefrau.

Da der Mitbeteiligte derzeit keine Abgaben nach dem (Wiener) Vergnügungssteuergesetz zu entrichten habe, hätten spezialpräventive Überlegungen nicht in einem derartigen Ausmaß bei der Strafbemessung herangezogen werden müssen, wie das noch die Erstbehörde getan habe. Unter Berücksichtigung der nunmehr eher unterdurchschnittlichen Einkommensverhältnisse seien die Geldstrafen auf das im Spruch ersichtliche Ausmaß herabzusetzen gewesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Soweit der angefochtene Bescheid in den genannten Spruchpunkten die Geldstrafen von S 6.000,-- auf S 200,-- reduzierte, wendet sich die Beschwerde gegen die Annahme des von der belangten Behörde herangezogenen Milderungsgrundes hinsichtlich der Einzahlungen am (der einem entschuldigenden Rechtsirrtum nahe kommende Umstand, dass der Mitbeteiligte subjektiv davon ausgegangen sei, dass bis zum Fälligkeitszahltag ein Überweisungsauftrag erteilt werden müsse); in den übrigen Fällen der Strafreduzierung wird ein Begründungsmangel geltend gemacht.

Gemäß § 19 Abs. 2 VGSG sind Übertretungen der §§ 6 Abs. 9, 14 Abs. 1, 2, 4 und 7, sowie 17 Abs. 1 und 3 als Verwaltungsübertretungen mit Geldstrafen bis zu S 6.000,-- zu bestrafen.

§ 19 Abs. 1 VStG 1991 bestimmt, dass Grundlage für die Bemessung der Strafe stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenige Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient, und der Umstand, inwieweit die Tat sonstige Folgen nach sich gezogen hat, ist. Aus dem Grunde des § 19 Abs. 2 VStG 1991 sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Zunächst ist im Gegensatz zur Darstellung der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift daran festzuhalten, dass die durch die Einschränkung der Berufung auf die Strafhöhe bewirkte Teilrechtskraft des Schuldspruches die belangte Behörde nicht von der aus dem Grunde des § 19 Abs. 2 zweiter Satz VStG 1991 gebotenen Prüfung der dem Mitbeteiligten zur Last liegenden Schuldform als Ermessensdeterminante im Zuge der Strafbemessung entband (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom , 2000/15/0084). Weiters ist davon auszugehen, dass die Strafbemessung innerhalb eines gesetzlichen Strafrahmens eine Ermessensentscheidung ist, die nach den vom Gesetzgeber im § 19 VStG 1991 festgelegten Kriterien vorzunehmen ist. Eine Rechtswidrigkeit bei der Strafbemessung liegt daher dann nicht vor, wenn die Behörde von dem ihr eingeräumten Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat. Demgemäß obliegt es aber der Behörde, in der Begründung ihres Bescheides die für die Ermessensübung maßgebenden Umstände und Erwägungen insoweit aufzuzeigen, als dies für die Rechtsverfolgung durch die Parteien und die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes auf seine Übereinstimmung mit dem Sinn des Gesetzes erforderlich ist (vgl. Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, Seite 838).

Soweit die belangte Behörde die Geldstrafe von je S 6.000,-- auf je S 1.500,-- herabsetzte, ist entgegen der Auffassung in der Beschwerde der Bescheid ausreichend begründet. Die belangte Behörde führte die in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe ebenso auf wie die wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse des Mitbeteiligten. In der Beschwerde wird nicht behauptet, dass die von der belangten Behörde genannten Umstände nicht vorliegen. Ausgehend davon ist die Strafbemessung durch die belangte Behörde in diesen Spruchpunkten nicht als unangemessen anzusehen.

Die Herabsetzung der Strafe in den Spruchpunkten des erstinstanzlichen Erkenntnisses 1, 2, 18 bis 22 und 26, begründete die belangte Behörde damit, dass dem Mitbeteiligten der einem entschuldigenden Rechtsirrtum nahe kommende Umstand zuzubilligen sei, dass er subjektiv davon ausgegangen sei, dass bis zum Fälligkeitszahltag ein Überweisungsauftrag erteilt werden müsse.

Der Beschwerde kann nicht darin gefolgt werden, dass die Annahme dieses von der belangten Behörde herangezogenen Milderungsgrundes sich auf die im Berufungsverfahren vorgenommene Zeugeneinvernahme gründet. Vielmehr ergibt sich dies aus der Berufung des Mitbeteiligten. Danach begründete er die Übergabe der Erlagscheine am Tag der Aufgabepflicht an die Bank damit, dass er von der Bank die Mitteilung erhalten hätte, dass Überweisungen, so sie am Vormittag aufgegeben werden, am gleichen Tag bearbeitet und auf das "zielführende" Konto weitergeleitet werden. Weiters führte er dazu aus, um ja rechtzeitig seiner Abgabepflicht beizukommen, habe er sogar die Bankverbindung zu jener Bank verlegt, wo auch die Beschwerdeführerin ihre Konten unterhalte.

Dieses Vorbringen ist jedenfalls in Bezug auf den Milderungsgrund des § 34 Abs. 1 Z. 11 StGB i.V.m. § 19 Abs. 2 VStG 1991 zu sehen. Die Beschwerde ist aber im Ergebnis deshalb in diesem Rahmen berechtigt, weil die belangte Behörde keine Ermittlungen in diese Richtung anstellte. Die belangte Behörde ließ ungeprüft, ob auch der Abgabengläubiger seine Konten bei der Bank unterhält, bei der die Konten des Mitbeteiligten geführt werden und dass dem Mitbeteiligten von dieser Bank mitgeteilt wurde, dass Überweisungen, so sie am Vormittag aufgegeben werden, am gleichen Tag bearbeitet und auf das "zielführende" Konto weitergeleitet werden, und dass schließlich der Mitbeteiligte tatsächlich am Vormittag des Fälligkeitstages die Aufträge zur Überweisung vornahm. Ebenso ließ die belangte Behörde unerörtert, warum bei Zutreffen dieser Behauptungen in der Berufung die Zahlungen erst über drei Wochen nach dem Fälligkeitstag beim Abgabengläubiger gutgeschrieben wurden.

Da die belangte Behörde die auf Grund des Inhaltes der Berufung gebotenen Ermittlungen nicht anstellte, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften; dieser war daher, soweit er die Spruchpunkte 1, 2, 18 bis 22 und 26 des erstinstanzlichen Erkenntnisses vom betrifft, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben; im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am