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VwGH vom 12.12.2001, 2000/03/0026

VwGH vom 12.12.2001, 2000/03/0026

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Bernegger, Dr. Riedinger und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerde des X in Wien, vertreten durch Hopmeier, Sauerzopf & Partner, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Rathausstraße 15, gegen den Bescheid des Beschwerdesenates des Burgenländischen Landesjagdverbandes vom (ohne Zahl), betreffend Disziplinarstrafe gemäß § 169 Abs. 3 lit. a Bgld. JagdG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Burgenländische Landesjagdverband hat dem Beschwerdeführer hat Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem in letzter Instanz ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt,

"1. als Jagdleiter im Dezember 1994 und Ende Dezember 1995 im Genossenschaftsjagdgebiet O..., Revierteil 'M...', über den genehmigten Abschussplan hinaus, jeweils einen Hirsch der Klasse I erlegt und es unterlassen zu haben, diese Abschüsse in die Abschussliste einzutragen;

2. als Jagdleiter am in vorerwähntem Jagdgebiet, Revierteil 'M...', einen Rehbock der Altersklasse I erlegt zu haben, obwohl der Abschussplan bereits erfüllt gewesen ist und es sodann unterlassen zu haben, auch diesen Abschuss in die Abschussliste einzutragen;

3. es als Jagdleiter zugelassen zu haben, dass Jagdpächter A.T. im Dezember 1995 zwei Rehgeißen erlegt hat, obwohl der genehmigte Abschussplan zu diesem Zeitpunkt bereits erfüllt gewesen ist und es in weiterer Folge unterlassen hat, diese Abschüsse in die Abschussliste einzutragen;

4. es als Jagdleiter zugelassen zu haben, dass ein Jagdgast von Mitpächter F. H. am im Jagdrevier O..., Revierteil

'A... G...', eine Rehgeiß erlegt hat, obwohl zu dieser Zeit

bereits der genehmigte Abschussplan erfüllt gewesen ist und es in weiterer Folge unterlassen hat, diesen Abschuss in die Abschussliste ordnungsgemäß einzutragen."

Hiefür wurde über ihn gemäß § 88 Abs. 1 i.V.m. § 194 Abs. 1 Z. 10,§ 91 und § 93 Bgld. JagdG wegen gröblichsten Verstoßes gegen die Weidgerechtigkeit gemäß § 169 Abs. 3 lit. a Bgld. JagdG die Disziplinarstrafe des zeitlichen Ausschlusses aus dem Burgenländischen Landesjagdverband in der Dauer von drei Jahren verhängt.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift samt Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im vorliegenden Beschwerdefall kommt das Bgld. Jagdgesetz 1988, LGBl. Nr. 11/1989, in der Stammfassung zur Anwendung, sofern die Rechtslage in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 55/1997 nicht im Sinne des § 1 Abs. 2 VStG günstiger ist.

Gemäß § 88 Abs. 1 Bgld. Jagdgesetz 1988 ist der Abschuss u.a. von Schalenwild (mit Ausnahme des Schwarzwildes) nur auf Grund eines von der Bezirksverwaltungsbehörde genehmigten Abschussplanes oder einer Abschussverfügung gemäß § 108 zulässig.

Gemäß § 91 Abs. 1 leg. cit. ist der Jagdausübungsberechtigte verpflichtet, das während des Jagdjahres in seinem Jagdgebiet erlegte, verendet oder gefallene Wild aller Art in einer für jedes Jagdgebiet gesondert geführten Abschussliste unverzüglich zu verzeichnen.

Gemäß § 93 Abs. 1 leg. cit. ist der Jagdausübungsberechtigte verpflichtet, für eine pflegliche und nachhaltige Jagdwirtschaft Sorge zu tragen.

Gemäß § 169 Abs. 1 leg. cit. in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 55/1997 werden Vergehen von Personen gegen die Standespflichten, die zum Zeitpunkt des Begehens Verbandsmitglieder waren, vom Ehrenrat mit Disziplinarstrafen geahndet, wenn die Vergehen nicht länger als fünf Jahre vom Zeitpunkt der ersten Verfolgungshandlung (Ladung, Vernehmung usw.) zurückliegen.

Gemäß § 169 Abs. 3 Bgld. JagdG 1988 werden die Standespflichten verletzt, wenn ein Verbandsmitglied

"a) gegen die Weidgerechtigkeit verstoßen hat. Ein

solcher Verstoß ist anzunehmen bei Verletzung der §§ 137 bis 139 StGB sowie folgender Bestimmungen dieses Gesetzes: §§ 21, 63 Abs. 1 und 3, § 70 Abs. 1, 82 bis 84, 85, 87, 88 Abs. 1 in Verbindung mit § 194 Abs. 1 Z. 10, 93, 94, 96, 97, 98, 99, 102, 103 und 109;

b) auf andere Weise das Ansehen der Jägerschaft gröblich verletzt hat."

Gemäß § 170 Abs. 1 lit. c ist als Disziplinarstrafe der zeitliche Ausschluss aus dem Landesjagdverband für die Höchstdauer von fünf Jahren vorgesehen. Gemäß Abs. 2 dieser Bestimmung darf der zeitliche oder dauernde Ausschluss aus dem Landesjagdverband nur wegen groben Verstoßes gegen die Weidgerechtigkeit ausgesprochen werden.

Gemäß § 194 Abs. 1 Bgld. Jagdgesetz 1988 begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe von S 5.000,-- bis S 50.000,--, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von vier Tagen bis sechs Wochen zu bestrafen, wer

"10. die im Abschussplan (§ 88 Abs. 1) festgesetzte Abschusszahl überschreitet oder eine im Abschussplan nicht genehmigte Wildart erlegt."

Gemäß § 180 Abs. 1 erster Satz leg. cit. hat der Ehrensenat, wenn der Sachverhalt ausreichend geklärt ist, die mündliche Verhandlung anzuberaumen (Verhandlungsbeschluss) und zu dieser die Parteien sowie die in Betracht kommenden Zeugen und Sachverständigen zu laden. Im Verhandlungsbeschluss sind gemäß § 180 Abs. 2 die Anschuldigungspunkte bestimmt anzuführen.

Der Beschwerdeführer macht geltend, dass sich die belangte Behörde zu Unrecht auch auf § 91 Bgld. JagdG 1988 stütze. Diese Bestimmung sei im § 169 Abs. 3 lit. a leg. cit. nicht angeführt. Die Aufzählung der in § 169 Abs. 3 lit. a leg. cit. genannten gesetzlichen Bestimmungen sei taxativ. Eine Subsumtion der Taten des Beschwerdeführers unter § 169 Abs. 3 lit. b leg. cit. sei nicht erfolgt.

Dieses Vorbringen des Beschwerdeführers ist berechtigt. Auf Grund des Wortlautes des § 169 Abs. 3 lit. a leg. cit. ist die Anführung der gesetzlichen Bestimmungen des Bgld. JagdG 1988, deren Verletzung durch ein Verbandsmitglied einen Verstoß gegen die Weidgerechtigkeit darstellt, als taxative Aufzählung zu qualifizieren. Hätte der Gesetzgeber lediglich eine demonstrative Aufzählung vornehmen wollen, so hätte es nur der Verwendung des Wortes "jedenfalls" oder "insbesondere" vor "anzunehmen" bedurft.

Wenn die belangte Behörde in diesem Zusammenhang die Auffassung vertritt, dass die Nichteintragung in die Abschussliste vom disziplinarrechtlichen Tatbestand des § 88 Abs. 1 i.V.m. § 194 Abs. 1 Z. 10 leg. cit. erfasst sei, ist ihr nicht zuzustimmen.

§ 88 Abs. 1 leg. cit. ordnet an, dass der Abschuss nur im Rahmen des genehmigten Abschussplanes oder einer Abschussverfügung gemäß § 108 zulässig ist und § 194 Abs. 1 Z. 10 leg. cit. ahndet u.a. eine Überschreitung des Abschussplanes gemäß § 88 Abs. 1 leg. cit. als Verwaltungsübertretung. Eine Verpflichtung des Jagdausübungsberechtigten zur Eintragung eines Abschusses in den Abschussplan kann aus diesen Bestimmungen nicht abgeleitet werden.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher insgesamt als inhaltlich rechtswidrig, weil die in allen Spruchpunkten auch enthaltene disziplinarrechtliche Ahndung der Nichteintragung der angeführten Abschüsse in die Abschussliste durch den Beschwerdeführer zu Unrecht auf § 169 Abs. 3 lit. a Bgld. JagdG 1988 gestützt wurde. Ein Verstoß gegen § 91 Abs. 1 leg. cit. kann auch nicht dem § 169 Abs. 3 lit. b leg. cit. subsumiert werden. Die weiteren strafrechtlichen Vorwürfe der belangten Behörde stehen mit diesen rechtswidrigen Teilen des angefochtenen Bescheides in einem untrennbaren Zusammenhang, weil für sämtliche vorgeworfenen Verletzungen eine Strafsanktion verhängt wurde.

Wenn der Beschwerdeführer weiters meint, dass auch der Tatbestand des § 88 Abs. 1 i.V.m. § 194 Abs. 1 Z. 10 Bgld. JagdG 1988 nicht erfüllt sei, weil keine Verwaltungsübertretung vorliege, kann ihm nicht gefolgt werden. Schon allein aus § 88 Abs. 1 leg. cit. ergibt sich die Unzulässigkeit der Überschreitung u.a. des Abschussplanes, die in Z. 10 des § 194 Abs. 1 leg. cit. auch explizit zum Ausdruck kommt. Der Verweis auf § 194 Abs. 1 Z. 10 leg. cit ist nicht von maßgeblicher Bedeutung. Es kann daraus nicht abgeleitet werden, dass gemäß § 169 Abs. 3 lit. a leg. cit. ein Verstoß gegen § 88 Abs. 1 leg. cit. nur dann vorliegt, wenn der Betreffende gemäß § 194 Abs. 1 Z. 10 leg. cit. verwaltungsstrafrechtlich rechtskräftig bestraft wurde.

Der Beschwerdeführer macht weiters geltend, es sei ihm der Verhandlungsbeschluss mit den Anschuldigungspunkten entgegen § 180 Abs. 2 leg. cit. im erstinstanzlichen Verfahren nicht zugestellt worden, er habe somit bis zur mündlichen Verhandlung keine genaue Kenntnis von diesen Vorwürfen gehabt. Dem ist entgegenzuhalten, dass er in der mündlichen Verhandlung vor der erstinstanzlichen Behörde am nicht gerügt hat, ihm seien die gegen ihn gerichteten Vorwürfe erst auf Grund der am Beginn dieser Verhandlung erfolgten Verlesung des Verhandlungsbeschlusses vom zur Kenntnis gekommen und er könne sich deshalb dazu nicht näher verantworten. Der Beschwerdeführer ist vielmehr umfassend auf die Vorwürfe eingegangen und hat in diesem Zusammenhang auf seine niederschriftlichen Angaben verwiesen, die er zu denselben Vorwürfen in dem dazu im Jahr 1996 anhängig gewesenen Verwaltungsstrafverfahren bei der Bezirkshauptmannschaft am gemacht hat. Selbst wenn es zutreffen sollte, dass der Ladung zu dieser mündlichen Verhandlung entgegen § 180 Abs. 2 leg. cit. der Beschluss auf Einleitung des Disziplinarverfahrens vom nicht angeschlossen war (aus dem Akt ist diese von der belangte Behörde ins Treffen geführte Vorgangsweise nicht belegt), ist dieser Verfahrensmangel aus den dargelegten Gründen jedenfalls nicht wesentlich.

Soweit der Beschwerdeführer das Verfahren vor der belangten Behörde für rechtswidrig erachtet, weil sein in der Beschwerde gestellter Antrag auf Akteneinsicht nicht behandelt worden sei, ist ihm die hg. Judikatur zu verweisen (vgl. die in Walter-Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, S. 390, zu § 17 AVG in E. 22 angeführten hg. Erkenntnisse) entgegenzuhalten, nach der die Behörde nicht verpflichtet ist, ihre Bereitschaft, Akteneinsicht zu gewähren, der Partei ausdrücklich mitzuteilen. Wenn die Partei vor Erlassung des Bescheides nicht von ihrer Befugnis, Akteneinsicht zu nehmen, Gebrauch gemacht hat, dann kann diese Unterlassung der Behörde nicht angerechnet werden.

Wenn der Beschwerdeführer weiters die nicht neuerliche, von ihm beantragte Vernehmung der Belastungszeugen vor der belangten Behörde rügt (diese Zeugen wurden von der Behörde erster Instanz vernommen), tut er die Wesentlichkeit dieses allfälligen Verfahrensmangels nicht dar. Wenn der Beschwerdeführer meint, es sollte damit seinem Rechtsvertreter die Möglichkeit einer gezielten Befragung dieser Zeugen eingeräumt werden und die unmittelbare Beweisaufnahme hätte der belangten Behörde die Haltlosigkeit der gegen den Beschwerdeführer erhobenen Vorwürfe vor Augen geführt, ist damit die Wesentlichkeit dieser behaupteten Verfahrensmängel nicht dargetan. Der Verwaltungsgerichtshof kann bei seiner Überprüfung der Beweiswürdigung durch die Behörde u.a. von Zeugenaussagen immer nur die Schlüssigkeit der Beweiswürdigung überprüfen. Hingegen ist vom Verwaltungsgerichtshof nicht zu prüfen, ob die Beweiswürdigung im Einzelfall zu einem richtigen Ergebnis geführt hat (vgl. die in Walter-Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, S 685, zu § 45 in E 265 angeführten hg. Erkenntnisse). Die von der belangten Behörde als zutreffend bezeichneten Überlegungen der erstinstanzlichen Behörde betreffend die Glaubwürdigkeit u.a. des Zeugen H., der sich auf Grund der vorgenommenen Selbstanzeige selbst behördlicher Verfolgung (insbesondere auch disziplinarrechtlicher Verfolgung) ausgesetzt hat, können im Übrigen nicht als unschlüssig erkannt werden.

Auch wenn dem angefochtenen Bescheid keine Feststellungen zu den gemäß dem Abschussplan zulässigen Abschüssen zu entnehmen ist, liegt in dieser Hinsicht jedenfalls kein wesentlicher Verfahrensmangel vor. In den übermittelten Verwaltungsakten liegen die Abschlusspläne für die Jahre 1994 und 1995 ein, aus denen sich das Erreichen der genehmigten Abschüsse vor den verfahrensgegenständlichen Abschüssen ergibt. Der Beschwerdeführer konkretisiert in diesem Zusammenhang seine Bedenken auch nicht.

Der angefochtene Bescheid war im Hinblick auf die dargelegte inhaltliche Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am