VwGH vom 28.01.2005, 2000/15/0085
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Zehetner als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Twardosz LL.M., über die Beschwerde der F GmbH in G, vertreten durch Dr. Harald Christandl, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Wielandgasse 14-16/6, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark (Berufungssenat) vom , GZ RV 154/1-10/99, betreffend Umsatzsteuer 1993, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die beschwerdeführende GmbH, eine Werbeagentur, schloss am mit der I AG, Vaduz, einen Vertrag über ein so genanntes "Österreich-Paket". Darin räumte die I AG der Beschwerdeführerin das ihr zustehende Eigentumsrecht an Abschlagtafeln und Golfballwaschgeräten auf Golfplätzen in Österreich sowie das (auf Grund von Vereinbarungen mit den Golfplätzen) damit verbundene Recht, diese Gegenstände zu Werbezwecken zu verwenden, ein. Die I AG legte über dieses Geschäft der Beschwerdeführerin am eine Rechnung über S 4,8 Mio (zuzüglich Umsatzsteuer).
Am verkaufte die Beschwerdeführerin dieses "Österreich-Paket" um denselben Preis an die I GmbH und stellte ein an die I GmbH gerichtetes Dokument mit folgendem Wortlaut aus:
"Graz,
Honorarnote
Auf Grund der mit Ihrer Gesellschaft abgeschlossenen
Vereinbarung vom übermitteln wir Ihnen tieferstehende
Rechnung:
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Kaufpreis laut Vereinbarung | S | 4.800.000,-- |
+ 20% Ust. | S | 960.000,-- |
S | 5,760.000,-- |
Die Fälligkeit des Betrages ergibt sich auf Grund der Vereinbarung vom "
Einer Niederschrift vom über eine Nachschau gemäß § 144 BAO bei der I GmbH ist zu entnehmen, dass dieses Dokument in der Buchhaltung der I GmbH nicht vorgefunden werden konnte. Dr. Erwin T, seit November 1994 Geschäftsführer bei der I GmbH, habe erklärt, dass ein solches bei der I GmbH auch nie vorgelegen sei.
Anlässlich einer für die Jahre 1993 bis 1996 durchgeführten Betriebsprüfung stellte der Prüfer fest, in der "Rechnung" vom an die I GmbH (über den Verkauf des "Österreich-Paketes") werde ein Steuerbetrag in Höhe von S 960.000,-- gesondert ausgewiesen, obwohl die Leistung nicht erbracht worden sei. Gemäß § 11 Abs. 14 UStG 1972 werde dieser gesondert ausgewiesene Steuerbetrag auf Grund der Rechnungslegung geschuldet. Der Gesamtbetrag der Entgelte vermindere sich daher um S 4,8 Mio. Da die Rechnung der I AG an die Beschwerdeführerin vom mittlerweile storniert worden sei, seien die Vorsteuern um den dort ausgewiesenen Betrag zu vermindern.
Das Finanzamt folgte den Prüferfeststellungen und erließ nach Wiederaufnahme des Verfahrens einen Umsatzsteuerbescheid für 1993.
Die beschwerdeführende Gesellschaft erhob Berufung, in welcher sie sich im Wesentlichen gegen die Feststellung, dass die Leistung an die I GmbH nicht erbracht worden sei, wandte.
In der Berufungsvorentscheidung führte das Finanzamt aus, die I AG habe vom Kaufpreis lediglich S 960.000,-- im Wege der Umbuchung von einem Finanzamtskonto auf das andere erhalten. Gemäß Punkt 3 der Vereinbarung vom habe die I AG der Beschwerdeführerin das Recht eingeräumt, "den Kaufgegenstand ganz oder teilweise an Dritte zu veräußern", sobald der gesamte Kaufpreis bezahlt sei. Mit Vereinbarung und Rechnung vom sei dasselbe Werbepaket (nochmals) um denselben Preis von der I AG an die I GmbH verkauft und von letzterer der Kaufpreis bis auf einen Preisnachlass von S 200.000,-- zur Gänze entrichtet worden. Am habe die Beschwerdeführerin ebenfalls dasselbe Werbepaket zum selben Preis an I GmbH veräußert. Am habe Rupert F, gleichzeitig Geschäftsführer der I GmbH und der Beschwerdeführerin, die I AG um Stornierung der Rechnung vom ersucht. Am sei die (dieser zu Grunde liegende) Vereinbarung vom aufgelöst und die Rechnung vom storniert worden. Zwischen der I AG und der Beschwerdeführerin könne kein Leistungsaustausch erfolgt sein, weil der Vertrag nicht erfüllt, die (schriftliche) Vereinbarung vom nicht vollständig ausgefüllt worden und der Kaufpreis nicht zur Gänze entrichtet worden sei. Die Vereinbarung und die Rechnung seien storniert und am seien zwei Verträge und Rechnungen über das gleiche Rechtsgeschäft von ein und demselben Geschäftsführer abgeschlossen worden. Der tatsächliche Leistungsaustausch könne nur zwischen der I AG und der I GmbH erfolgt sein.
Mit dem Vorlageantrag legte die Beschwerdeführerin einen handschriftlich ergänzten (schriftlichen) Vertrag zwischen der I AG und der Beschwerdeführerin vor und führte aus, sie habe zwischen dem und dem diverse Aktivitäten gesetzt, um das Projekt zu finanzieren. Es habe sich die Notwendigkeit ergeben, das "Österreich-Paket" auszugliedern und in eine neu zu gründende Kapitalgesellschaft, nämlich die I GmbH, einzubringen. Dies sei mit der I AG abgesprochen worden, welche in weiterer Folge einen gesonderten Vertrag mit der I GmbH geschlossen und dieser eine Rechnung gelegt habe. Allen Vertragsteilen sei klar gewesen, dass die "Golf-Werbung" durch die I GmbH erfolgen werde. "Mit " (richtig wohl: 1993) sei eine Vereinbarung zwischen der I AG und der Beschwerdeführerin verfasst worden, "wonach die neueintretende Gesellschaft (I GmbH) sich ausdrücklich und unwiderruflich" erklärt habe, neben der Beschwerdeführerin in den bestehenden Vertrag mit der I AG einzutreten. Die Beschwerdeführerin sei vom bis die "rechtliche" und wirtschaftliche Eigentümerin des "gesamten Golf-Werbepaketes" gewesen, weil die Stornierung der Rechung erst am erfolgt sei. Auf Grund der zeitlichen Abfolge der Geschäftsfälle sei klar erkennbar, dass die Beschwerdeführerin die Leistungen von der I AG erhalten habe.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, die Beschwerdeführerin sei zu keiner Zeit berechtigt gewesen, das "Österreich-Paket" ganz oder teilweise an Dritte zu veräußern, weil dies entsprechend der Vereinbarung mit der I AG erst nach Bezahlung des gesamten Kaufpreises möglich gewesen wäre. Die Beschwerdeführerin habe aber - mit Ausnahme der Umsatzsteuer - keine Zahlungen geleistet. Der Leistungsaustausch zwischen der I AG und der Beschwerdeführerin sei nicht erfolgt, vielmehr sei das Werbepaket von der I AG mit Rechnung vom und ("gleich lautender") Vereinbarung um S 4,8 Mio (zuzüglich USt) an die I GmbH verkauft worden. Die Beschwerdeführerin habe mit Honorarnote vom das Werbepaket ebenfalls um S 4,8 Mio (zuzüglich USt) an die I GmbH weiterverrechnet. Die in dieser Rechnung angeführte Vereinbarung vom liege in Schriftform nicht auf, ebenso wenig eine solche (ebenfalls in der Rechnung genannte) vom . Zu diesem Zeitpunkt sei Rupert F sowohl bei der verkaufenden Beschwerdeführerin als auch bei der (zweimal) kaufenden I GmbH Geschäftsführer gewesen. Es habe ihm sohin spätestens zu diesem Zeitpunkt bekannt gewesen sein müssen, dass der Verkauf vom nicht (gültig) zu Stande gekommen sei. Rupert F habe bei einer Nachschau am erklärt, die Rechnung der Beschwerdeführerin an die I GmbH sei in der Buchhaltung der I GmbH enthalten gewesen. Diese habe er als deren Geschäftsführer selbst geführt und seinem Nachfolger Dr. Erwin T ausgefolgt. Der Jahresabschluss sei durch den Steuerberater erstellt worden. Dr. Erwin T wiederum habe gegenüber dem Erhebungsorgan erklärt, diese Rechnung der Beschwerdeführerin an die I GmbH sei ihm nicht bekannt. Rupert F habe erklärt, ihm sei die Rechnung der I AG an die I GmbH nicht bekannt. Diese widersprüchlichen Angaben ließen auf die Ausstellung einer fingierten Rechnung durch Rupert F schließen, wobei über keine tatsächliche Leistung zwischen der Beschwerdeführerin und der I GmbH abgerechnet worden sei. Die Steuerschuld des § 11 Abs. 14 UStG 1972 entstehe auch, wenn der Rechnungsempfänger keinen konkreten Versuch unternehme, den Vorsteuerabzug in Anspruch zu nehmen. Da der Verkauf des "Österreich-Paketes" nur zwischen der I AG und der I GmbH erfolgt sei, seien der Gesamtbetrag der im Veranlagungsjahr 1993 vereinbarten Entgelte der Beschwerdeführerin entsprechend dem erstinstanzlichen Bescheid festzusetzen sowie der in der Rechnung vom durch die Beschwerdeführerin gesondert ausgewiesene Steuerbetrag gemäß § 11 Abs. 14 UStG hinzuzurechnen gewesen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 11 Abs. 14 UStG 1972 lautet:
"Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt oder nicht Unternehmer ist, schuldet diesen Betrag."
Die Steuerschuld nach § 11 Abs. 14 UStG 1972 hat zur Voraussetzung, dass eine solche Rechnung erstellt wird, die formal die Voraussetzungen des § 11 Abs. 1 leg. cit. erfüllt. Der Zweck der Regelung des § 11 Abs. 14 UStG 1972 liegt darin, einem unberechtigten Vorsteuerabzug - eine Rechnung ist Voraussetzung für den Vorsteuerabzug - vorzubeugen. Dokumente, die nicht die formalen Voraussetzungen einer Rechnung haben, können schon aus diesem Grund nicht als Grundlage eines Vorsteuerabzuges dienen, weshalb ein Missbrauch nicht in Betracht kommt (Ruppe, UStG2, § 11 Tz 147).
Nach § 11 Abs. 1 UStG 1972 muss eine Rechnung u.a. die Menge und die handelsübliche Bezeichnung der gelieferten Gegenstände oder die Art und den Umfang der sonstigen Leistung (Z 3) sowie den Tag der Lieferung oder der sonstigen Leistung oder den Zeitraum, über den sich die sonstige Leistung erstreckt (Z 4), enthalten.
Gemäß § 11 Abs. 2 UStG 1972 gilt als Rechnung jede Urkunde, mit der ein Unternehmer über eine Lieferung oder sonstige Leistung abrechnet, gleichgültig, wie diese Urkunde im Geschäftsverkehr bezeichnet wird. Die nach Abs. 1 erforderlichen Angaben können auch in anderen Belegen enthalten sein, auf die in der Rechnung hingewiesen wird.
Enthält eine Urkunde nicht die in § 11 UStG 1972 geforderten Angaben, ist sie nicht als Rechnung im Sinne des § 11 UStG 1972 anzusehen und es fehlt somit eine Voraussetzung für den Vorsteuerabzug. Dies ist auch dann der Fall, wenn die Urkunde entgegen den Vorschriften des § 11 Abs. 1 Z 3 UStG 1972 die Bezeichnung der Leistung und gemäß Z 4 leg. cit. den Zeitpunkt der Leistung nicht anführt (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 2001/14/0023, mwN).
Die Beschwerdeführerin bringt vor, die von ihr gegenüber der I GmbH ausgestellte Rechnung vom enthalte entgegen den Vorschriften des § 11 Abs. 1 Z 3 und 4 UStG 1972 weder die Bezeichnung der Art und des Umfanges der sonstigen Leistung noch eine Angabe über das Datum der Leistungserbringung. Es seien daher jedenfalls die Voraussetzungen der Steuerschuld kraft Rechnungslegung nach § 11 Abs. 14 UStG 1972 nicht erfüllt.
Aus der im Verwaltungsakt einliegenden - oben wiedergegebenen - Kopie der als "Honorarnote" bezeichneten Urkunde vom ist ersichtlich, dass diese weder eine Bezeichnung der Leistung noch den Tag, an welchem diese ausgeführt worden sein soll, enthält; allerdings verweist die Honorarnote auf eine "Vereinbarung vom " sowie auf eine "Vereinbarung vom ". Im Hinblick auf § 11 Abs 2 UStG wären die Rechnungsvoraussetzungen erfüllt, wenn sich die fehlenden (Rechnungs-)Merkmale aus den verwiesenen Verträgen ergäben. Der angefochtene Bescheid enthält jedoch keine Feststellungen darüber, ob den genannten Vereinbarungen die Bezeichnung der Leistung und das Datum der Leistungserbringung zu entnehmen sind. Die belangte Behörde hat vielmehr die Feststellung getroffen, dass "die in dieser Rechnung angeführte Vereinbarung vom in Schriftform nicht" aufliegt, "ebenso wenig wie eine solche vom ".
Offen bleibt dabei, ob die belangte Behörde damit zum Ausdruck bringen wollte, dass die genannten Verträge nicht schriftlich abgeschlossen worden seien, oder ob ihr diese lediglich nicht vorgelegt worden seien, sie aber von deren Existenz überzeugt sei. Während im ersten Fall eine Rechnung im Sinne des § 11 UStG 1972 nicht vorliegen kann, weil diese Schriftform erfordert (vgl. Ruppe, UStG 19942, Tz 47 zu § 11), hätte sie im zweiten Fall Feststellungen über den Inhalt dieser Verträge treffen müssen. Da sie in Verkennung der Rechtslage Feststellungen darüber, ob die genannten Verträge in schriftlicher Form vorliegen und ob in ihnen die Leistung und das Datum der Leistungserbringung ausgewiesen sind, nicht getroffen hat, hat sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit belastet.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am