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VwGH vom 25.04.2002, 2000/15/0084

VwGH vom 25.04.2002, 2000/15/0084

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. iur. Mag. (FH) Schärf, über die Beschwerde des Magistrates der Stadt Wien, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom , GZ. UVS- 07/F/27/1202/2000/4, UVS-07/F/27/1203/2000, UVS-07/F/27/1205/2000, UVS-07/F/27/1207/2000, UVS-07/F/27/1208/2000, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Vergnügungssteuergesetzes (mitbeteiligte Partei: B S in W, vertreten durch Wolczik Knotek Wurst Winalek, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Stadiongasse 2), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Abgabenbehörde erster Instanz wurde der Mitbeteiligte schuldig erkannt, er habe es als persönlich haftender Gesellschafter der S OEG unterlassen, für im Gebiete der Stadt Wien von September 1998 bis Januar 1999 abgehaltene Publikumtanzveranstaltungen ("Clubbings") näher aufgegliederte Vergnügungssteuer im Gesamtbetrag von 177.577 S einzubekennen und zu entrichten. Über den Mitbeteiligten wurden hierfür Geldstrafen im Gesamtbetrag von 39.500 S (Gesamtersatzfreiheitsstrafe: 34 Tage 12 Stunden) verhängt.

Der Mitbeteiligte erhob Berufung, in welcher er eine "Herabsetzung des Strafausmaßes" begehrte. Er habe nicht beabsichtigt, Steuer zu hinterziehen. Die Steuer sei anstatt mit 20% irrtümlich nur mit 10% des Netto-Eintrittspreises entrichtet worden. Nach Erkennen des Irrtums sei der Fehlbetrag samt Säumniszuschlag sofort bezahlt worden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde das Straferkenntnis insgesamt aufgehoben und das Verfahren gegen den Mitbeteiligten eingestellt. Die mitbeteiligte Partei habe für den gegenständlichen Zeitraum mit Vergnügungssteuererklärung vom Vergnügungssteuer in der Höhe von insgesamt 291.849,88 S erklärt. Auf dieser Erklärung finde sich ein handschriftlicher Vermerk :

"Kommt neue Berichtigung durch MA 4/2 Hr Gratzer, vorliegende Erkl. hinfällig, NZV".

Mit einer berichtigten Vergnügungssteuererklärung vom , eingelangt am , sei für den gegenständlichen Zeitraum Vergnügungssteuer in der Höhe von 527.618,85 S erklärt worden.

In weiterer Folge habe für den erwähnten Zeitraum am eine abgabenbehördliche Überprüfung der Vergnügungssteuer stattgefunden. Dabei sei eine Vergnügungssteuerschuld in Höhe von 530.094,71 S errechnet und somit ein nicht erklärter Betrag 2.476 S festgestellt worden.

Die vom Mitbeteiligten bereits am abgegebene berichtigte Vergnügungssteuererklärung, mit der die vergnügungssteuerpflichtigen Umsätze erklärt und dem richtigen Steuersatz unterzogen worden seien, sei der Sache nach als Anzeige im Sinne des § 108 WAO zu werten, welche, da sie ohne behördliche Aufforderung noch vor der verwaltungsbehördlichen Verfolgungshandlung erstattet worden sei, im Umfang der Erklärung einen Strafaufhebungsgrund bilde. Inwieweit die im Zuge der Revision abgegebenen Vergnügungssteuererklärung über den Betrag von 2.476 S ebenfalls einen Strafaufhebungsgrund bilde, könne dahingestellt bleiben, weil auf Grundlage der Revisionsniederschrift eine Zuordnung des Abgabenbetrages zu einem der verfahrensgegenständlichen Zeiträume nicht erfolgen und aus diesem Grunde ein ausreichend präzisierter Tatvorwurf nicht mehr erhoben werden könne.

In der gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde macht der Magistrat unter anderem die Unzuständigkeit der belangten Behörde geltend. Er führt diesbezüglich aus, die Berufung der mitbeteiligten Partei vom richte sich nur gegen die Strafhöhe. Hingegen sei mit der Berufung der Schuldspruch nicht bekämpft worden und somit in Rechtskraft erwachsen. Das Verfahren hätte daher nicht eingestellt werden dürfen.

Die belangte Behörde erklärt in Ihrer Gegenschrift, dass die strafbefreiende Selbstanzeige der strafrechtlichen Systematik nach einen Strafaufhebungsgrund bilde. Die Verhängung einer Strafe entfalle daher selbst dann, wenn die Strafbarkeit des tatbestandsmäßigen und schuldhaften Verhaltens bereits eingetreten sei. In der gegenständlichen Berufung sei im Übrigen auch ein Vorbringen hinsichtlich eines mangelnden Verschuldens wegen Rechtsirrtums erstattet worden, sodass keine bloße Berufung gegen das Strafausmaß vorliege.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zur Auslegung der Bestimmung des § 108 WAO hat die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zunächst auf die Rechtssprechung des Verfassungsgerichtshofs verwiesen, wonach eine vor einer strafbehördlichen Verfolgungshandlung erstattete ("Selbst"-) Anzeige einen Strafaufhebungsgrund in einer der Selbstanzeige im Anwendungsbereich des Finanzstrafgesetzes (§ 29 FinStrG) grundsätzlich gleichzustellenden Weise bilde (vgl. hierzu das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , B 552/94). Bei Vorliegen sämtlicher Voraussetzungen beseitigt die ("Selbst")Anzeige die (bereits eingetretene) Strafbarkeit wegen eines tatbestandmäßigen, rechtswidrigen und schuldhaften Verhaltens (vgl. hiezu Leitner, Österreichisches Finanzstrafrecht2, 89).

Die Berufungsbehörde hat, sofern sie eine Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückweist, in der Sache zu entscheiden. Sache ist die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterbehörde bildet, wobei im Verwaltungsstrafverfahren in diesem Rahmen sowohl der Ausspruch über die Strafbarkeit als auch der Ausspruch über die Strafbemessung für sich allein Sache der Berufungsentscheidung sein können (vgl. das hg. Erkenntnis vom , 81/04/0100, SlgNF 10.653/A). Im Rahmen der Berufung gegen die Strafbarkeit ist auch das Vorliegen eines Strafaufhebungsgrundes zu prüfen.

Bekämpft der Berufungswerber nur den Ausspruch über die Strafe, ist Gegenstand des Berufungsverfahrens nur die Frage der Strafbemessung. Hinsichtlich der Frage der Strafbarkeit ist diesfalls Teilsrechtskraft eingetreten (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , 2261, 2262/77, SlgNF 9828/A). Macht die Berufungsbehörde dennoch die Prüfung der Strafbarkeit zum Gegenstand ihrer Entscheidung, nimmt sie eine Zuständigkeit in Anspruch, die ihr nicht zukommt.

Gemäß § 63 Abs. 3 AVG iVm § 24 VStG hat die Berufung einen begründeten Antrag zu enthalten.

Der Mitbeteiligte führte in seiner Berufung vom 1. Februar aus, dass er, "nachdem" seine Rechtfertigung den falschen Steuersatz irrtümlich angewandt zu haben "nicht als Entschuldigung...hingenommen werden kann", Berufung einbringen und um eine Herabsetzung des Strafausmaßes ersuchen wolle. Lautete der Antrag des Mitbeteiligten somit unmissverständlich auf Herabsetzung der gegen ihn verhängten Strafe, so war Gegenstand des Berufungsverfahrens auch nur die Frage der Strafbemessung.

Der Hinweis auf einen Irrtum des Mitbeteiligten ist in diesem Zusammenhang entgegen der Ansicht der belangten Behörde als Schilderung des Vorbringens im Verfahren vor Ergehen des erstinstanzlichen Straferkenntnisses, nicht aber als Antrag zu verstehen, den angefochtenen Bescheid hinsichtlich seines Ausspruches über die Strafbarkeit aufzuheben.

Der Hinweis, dass keine Absicht zur Steuerhinterziehung bestanden habe, ist auf Grund der nach § 19 Abs. 2 VStG gebotenen Prüfung der dem Beschuldigten zur Last liegenden Schuldform Ermessensdeterminante im Rahmen der Strafbemessung (vgl. hierzu das hg. Erkenntnis vom , 94/17/0429). Das gilt entsprechend für das Vorbringen, dass der Fehlbetrag samt Säumniszuschlag nach Erkennen des Irrtums sofort und ohne Ratenansuchen eingezahlt worden sei.

Da sich die Berufung des Beschwerdeführers allein gegen die Strafbemessung gewandt hat, die belangte Behörde aber auch hinsichtlich der Strafbarkeit entschieden hat, ist der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde belastet. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG aufzuheben.

Eine Kostenentscheidung hatte mangels entsprechenden Antrages des beschwerdeführenden Magistrates zu entfallen.

Wien, am