VwGH 27.02.1992, 92/02/0081
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssätze
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Normen | |
RS 1 | Erläßt die Berufungsbehörde einen auf § 52a Abs 1 VStG gestützten Bescheid, mit dem eine Neufassung des Bescheidspruches (umfassend alle Spruchelemente des § 44a VStG) erfolgt, so scheidet der erste Berufungsbescheid aus dem Rechtsbestand aus und wird durch den neuen (auf § 52a Abs 1 VStG gestützten) Bescheid ersetzt. Der neue Bescheid tritt an die Stelle des ursprünglichen. Ist mit dem neuen Bescheid der vom Besch angestrebte Rechtszustand nicht bewirkt worden, so ist er berechtigt, gegen den neuen Bescheid innerhalb der Frist des § 26 Abs 1 VwGG, gerechnet ab Zustellung des neuen Bescheides, Beschwerde an den VwGH zu erheben (Hinweis B , 89/03/0045). |
Normen | |
RS 2 | Ändert die Berufungsbehörde ihren Bescheid gem § 52a Abs 1 VStG insofern ab, als der erste Teil des drei gleichartige Verwaltungsübertretungen betreffenden Spruches aufgehoben wird, so scheidet der ursprüngliche Berufungsbescheid hinsichtlich dieser einen Verwaltungsübertretung aus dem Rechtsbestand aus, während er hinsichtlich der beiden übrigen Verwaltungsübertretungen unberührt bleibt. Es kann daher insoweit nicht davon ausgegangen werden, daß der gem § 52a Abs 1 VStG ergehende Bescheid, der nicht den gesamten ursprünglichen Bescheidspruch erfaßt, an seine Stelle trete. |
Normen | StVO 1960 §1 Abs1; StVO 1960 §82 Abs1; StVO 1960 §99 Abs3 litd; |
RS 3 | Weder im Bereich der Regelung des § 82 Abs 1 noch im Bereich des § 99 Abs 3 lit d StVO kommt es darauf an, ob es sich der Eigentumsverhältnissen nach um öffentliches Gut oder um einen Privatgrund (und der dazugehörigen Luftraum) handelt, entscheidend ist vielmehr, daß es sich um eine Straße mit öffentlichen Verkehr iSd § 1 StVO handelt. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 1601/77 E VS VwSlg 9940 A/1979 RS 2 |
Normen | StVO 1960 §1 Abs1; StVO 1960 §1 Abs2; |
RS 4 | Die Führung eines Grundstückes als öff Gut in den Aufzeichnungen des Grundamtes und die Bezeichnung als Weg im Grundbuch sind mit dem nach § 1 Abs 1 StVO maßgebenden Merkmal des äußeren Anscheins an Ort und Stelle, nämlich, daß eine Straße zur allgemeinen Benützung freisteht, nicht gleichzusetzen. |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie VwGH E 1990/09/19 89/03/0294 3 |
Normen | StVO 1960 §82 Abs1; StVO 1960 §99 Abs3 litd; VStG §22; VStG §31 Abs2; VwRallg; |
RS 5 | Die Verjährungsfrist ist bei Dauerdelikten von dem Zeitpunkt an zu berechnen, an dem das strafbare Verhalten aufgehört hat (Hinweis E , 88/05/0093). |
Entscheidungstext
Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung
verbunden):
92/02/0082
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Baumann als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kirchmayr, über die Beschwerde des S in P, vertreten durch Dr. X, Rechtsanwalt in L, gegen die Bescheide der Oberösterreichischen Landesregierung 1. vom ,
2. vom , beide Zl. VerkR-13.677/4-1991-II/Mi, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960,
Spruch
1. den Beschluß gefaßt:
Die Beschwerde gegen den Bescheid vom wird zurückgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 1.380,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
2. zu Recht erkannt:
Der Bescheid vom wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 5.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid vom wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe mindestens seit in Linz, und zwar in 1. G,
2. W, 3. R, Warenautomaten auf öffentlichem Gut aufgestellt, ohne im Besitz der hierfür erforderlichen straßenpolizeilichen Bewilligung zu sein. Er habe hiedurch Verwaltungsübertretungen nach § 99 Abs. 3 lit. d in Verbindung mit § 82 Abs. 1 StVO begangen. Es wurden Geldstrafen von S 500,-- je Standort, insgesamt S 1.500,-- (Ersatzfreiheitsstrafen je 12 Stunden, insgesamt 36 Stunden) verhängt.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom wurde der Bescheid vom gemäß § 52a Abs. 1 VStG insofern abgeändert, als der erste Teil des Spruches, der die Bestrafung für das Aufstellen eines Warenautomaten am Haus G in Höhe von S 500,-- aussprach, aufgehoben wurde.
Gegen diese beiden Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
1. ZUM BESCHEID VOM 18. JULI 1991
Erläßt die Berufungsbehörde einen auf § 52a Abs. 1 VStG gestützten Bescheid, mit dem eine Neufassung des Bescheidspruchs (umfassend alle Spruchelemente des § 44a VStG) erfolgt, so scheidet der erste Berufungsbescheid aus dem Rechtsbestand aus und wird durch den neuen (auf § 52a Abs. 1 VStG gestützten) Bescheid ersetzt. Der neue Bescheid tritt an die Stelle des ursprünglichen. Ist mit dem neuen Bescheid der vom Beschuldigten angestrebte Rechtszustand nicht bewirkt worden, so ist er berechtigt, gegen den neuen Bescheid innerhalb der Frist des § 26 Abs. 1 VwGG, gerechnet ab Zustellung des neuen Bescheides, Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben (vgl. das hg. Erkenntnis vom , Zl. 89/03/0045, sowie auch das hg. Erkenntnis vom , Zl. 91/03/0265).
Im Beschwerdefall ist allerdings zu beachten, daß der Beschwerdeführer im Bescheid vom zunächst wegen dreier gleichartiger Verwaltungsübertretungen bestraft wurde. Dieser Bescheid ist hinsichtlich einer Verwaltungsübertretung (Tatort G) durch den Bescheid vom aus dem Rechtsbestand ausgeschieden. Hinsichtlich der beiden übrigen Verwaltungsübertretungen blieb der Bescheid vom hingegen unberührt. Es kann daher insoweit nicht davon ausgegangen werden, daß der Bescheid vom , der nicht den gesamten ursprünglichen Bescheidspruch erfaßte, an seine Stelle getreten wäre (vgl. auch Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage, Seite 1054).
Wollte sich der Beschwerdeführer mit dem durch den Bescheid vom geschaffenen Rechtszustand nicht zufrieden geben, so konnte er hinsichtlich der beiden verbliebenen Verwaltungsübertretungen (Tatorte W und R) Beschwerde gegen den Bescheid vom erheben, was er gleichzeitig auch getan hat. Hingegen konnte er durch den Bescheid vom , der zu seinen Gunsten einen Spruch(teil), mit dem er einer Verwaltungsübertretung schuldig erkannt und hiefür bestraft worden war, aufhob, in seinen Rechten nicht verletzt werden. Die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde war somit gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG mangels Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde zurückzuweisen.
2. ZUM BESCHEID VOM 9. JULI 1991
Der angefochtene Bescheid ist entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers fristgerecht, d.h. innerhalb der Jahresfrist des § 51 Abs. 5 VStG in der für den Beschwerdefall maßgebenden Fassung vor der Novelle 1990 erlassen worden: Die Berufung des Beschwerdeführers langte bei der Erstbehörde am ein, der angefochtene Bescheid wurde am zugestellt.
Gemäß § 99 Abs. 3 lit. d StVO begeht eine Verwaltungsübertretung, wer Straßen ohne Bewilligung zu verkehrsfremden Zwecken (X. Abschnitt) benützt, insbesondere ohne Bewilligung eine nach § 82 bewilligungspflichtige Tätigkeit oder Herstellung vornimmt...
Gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 StVO ist für die Benützung von Straßen einschließlich des darüber befindlichen, für die Sicherheit des Straßenverkehrs in Betracht kommenden Luftraumes zu anderen Zwecken als zu solchen des Straßenverkehrs, zum Beispiel zu gewerblichen Zwecken und zur Werbung, unbeschadet sonstiger Rechtsvorschriften eine Bewilligung nach diesem Bundesgesetz erforderlich.
Weder im Bereich der Regelung des § 82 Abs. 1 noch im Bereich des § 99 Abs. 3 lit. d StVO kommt es darauf an, ob es sich den Eigentumsverhältnissen nach um öffentliches Gut oder um einen Privatgrund und den dazugehörigen Luftraum handelt. Entscheidend ist vielmehr, daß es sich um eine Straße mit öffentlichem Verkehr im Sinne des § 1 StVO, d.h. um eine Verkehrsfläche, die von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden kann, handelt (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Zl. 9940/A). Auch in seinem Erkenntnis vom , Zl. 89/03/0294, hat der Gerichtshof ausgesprochen, daß die Führung eines Grundstückes als öffentliches Gut in den Aufzeichnungen eines Grundamtes und die Bezeichnung als Weg im Grundbuch mit dem nach § 1 StVO maßgebenden Merkmal des äußeren Anscheins an Ort und Stelle nicht gleichzusetzen ist.
Indem die belangte Behörde auf die Benützung öffentlichen Gutes abstellte, verkannte sie die Rechtslage. Daß sie sich im Bescheidspruch hiebei nicht bloß im Ausdruck vergriffen hat, zeigt die Bescheidbegründung, in der sich die Behörde an Hand von Plänen des Vermessungsamtes sowie von Auszügen aus den Grundstücksverzeichnissen mit der Lage der Automaten auf öffentlichem Gut befaßte, während zu den tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten keine Feststellungen getroffen wurden, die eine Beurteilung hinsichtlich der Benützung von Straßen im Sinne des § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1 Z. 1 StVO erlauben würden. Auch im vorangegangenen Verwaltungsverfahren hat sich die Behörde im wesentlichen mit der Frage der Benützung öffentlichen Gutes auseinandergesetzt. Im Aktenvermerk der belangten Behörde vom - nach der Aktenlage ist zweifelhaft, ob dem Beschwerdeführer hiezu Parteiengehör gewährt wurde - wurde zwar das Ergebnis einer Besichtigung der Tatorte festgehalten. Der darin aufgeworfenen Frage, ob es sich bei der Zufahrt an der Westseite des Hauses R um eine Straße mit öffentlichem Verkehr handelt, ist die belangte Behörde aber nicht nachgegangen.
Der angefochtene Bescheid vom erweist sich somit als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 1 VwGG aufzuheben war.
Aus verfahrensökonomischen Gründen sei noch folgendes bemerkt:
Gegen die Tatumschreibung mit Straße und Hausnummer der Aufstellorte bestehen im Lichte des § 44a lit. a VStG keine Bedenken. Zur im angefochtenen Bescheid vorgenommenen Berichtigung eines bei der Ausfertigung des erstinstanzlichen Straferkenntnisses entstandenen Schreibfehlers (R2 statt richtig R) genügt vorerst der Hinweis, daß dem Beschwerdeführer die Aufstellung in der R bereits in der Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom angelastet wurde.
Was die Rüge, es sei kein Ende des Tatzeitraumes festgelegt worden, anlangt, so ist hierin eine Rechtswidrigkeit jedenfalls nicht zu erblicken, wenn das (allenfalls) strafbare Verhalten andauerte, d.h. die Automaten nicht entfernt wurden, was in der Beschwerde nicht behauptet wird. Allerdings ist auf das Berufungsvorbringen Bedacht zu nehmen, der Automat in der R2 (richtig R) wäre im Jahr 1989 ummontiert worden (vgl. auch das diesbezügliche Schreiben der belangten Behörde vom und des Tiefbauamtes vom sowie die betreffende Plandarstellung). Hierin könnte die Beseitigung eines rechtswidrigen Zustandes (Ende eines Tatzeitraumes) unter anschließender Setzung eines neuen Dauerdeliktes (Beginn eines neuen Tatzeitraumes) gelegen sein.
Zur Verjährungsfrage sei schließlich auf § 31 Abs. 2 VStG hingewiesen, wonach die Verjährungsfrist bei Dauerdelikten von dem Zeitpunkt zu berechnen ist, an dem das strafbare Verhalten aufgehört hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991 (vgl. zur Halbierung der Ansätze das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , Slg. Nr. 9901/A). Für die überzählige dritte Beschwerdeausfertigung ist kein Stempelgebührenersatz zuzusprechen. Gemäß § 28 Abs. 5 VwGG bedurfte es nur des Anschlusses je einer Ausfertigung (Kopie) der angefochtenen Bescheide, worauf Stempelgebühren von (zusammen) S 120,-- entfielen.
Zusatzinformationen
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Schlagworte | Spruch der Berufungsbehörde (siehe auch AVG §66 Abs4 Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides) Rechtsgrundsätze Verjährung im öffentlichen Recht VwRallg6/6 Maßgebender Bescheidinhalt Inhaltliche und zeitliche Erstreckung des Abspruches und der Rechtskraft Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Grundsätzliches zur Parteistellung vor dem VwGH Allgemein Spruch der Berufungsbehörde Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3 |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:1992:1992020081.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
EAAAE-31342