VwGH vom 30.10.2001, 2000/14/0204
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Dr. Urtz, über die Beschwerde des Mag. Dr. W, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in A, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich (Berufungssenat I) vom , GZ RV 765/1-6/2000, betreffend Umsatzsteuer 1995, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
In seiner Umsatzsteuererklärung für 1995 wies der Beschwerdeführer neben steuerpflichtigen Umsätzen Vorsteuern im Ausmaß von rund S 63.000,-- aus der Errichtung eines Gebäudes aus. In einer gegen den erklärungsgemäß ergangenen Umsatzsteuerbescheid 1995 erhobenen Berufung wurde mitgeteilt, dass in der ursprünglichen Umsatzsteuererklärung nur "die Vorsteuern im Ausmaß des unternehmerisch genutzten Anteiles des Gebäudes" (laut einer weiteren Eingabe des Beschwerdeführers 19,74 %) geltend gemacht worden seien. Nach dem ("Lennartz") bestehe jedoch das Recht auf vollen Vorsteuerabzug. Der Beschwerdeführer beantragte die erklärungsgemäße Festsetzung der Umsatzsteuer für 1995 laut beiliegender berichtigter Erklärung. Darin war eine Vorsteuer von rund S 320.000,-- ausgewiesen.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Nach Wiedergabe der gesetzlichen Bestimmungen des § 12 Abs 1 Z 1 und § 12 Abs 2 Z 1 UStG 1994 in der für 1995 geltenden Fassung wies die belangte Behörde darauf hin, dass dem in der Berufung zitierten Urteil des Europäischen Gerichtshofes zu entnehmen sei, dass a) im Fall von Einlagen in den unternehmerischen Bereich ein (nachträglicher) Vorsteuerabzug bzw eine Vorsteuerkorrektur zu Gunsten des Unternehmers nicht zulässig sei und b) die Mitgliedstaaten grundsätzlich nicht befugt seien, den Vorsteuerabzug deswegen einzuschränken, weil die Gegenstände nicht in vollem Umfang für unternehmerische Zwecke verwendet würden. Selbst wenn die direkte Anwendbarkeit günstigerer EG-Richtlinienbestimmungen bejaht werde, sei damit für den Berufungsstandpunkt nichts gewonnen: Die angeführte Zuordnung erfolge nämlich dadurch, dass der Unternehmer in den entsprechenden Umsatzsteuerberechnungen bzw Voranmeldungen einen anteiligen oder vollen Vorsteuerabzug vornimmt. Der Berufungswerber habe nun weder Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben noch Umsatzsteuervorauszahlungen entrichtet. In der Jahreserklärung habe er nur einen anteiligen Vorsteuerabzug vorgenommen. Er habe sich somit ursprünglich für eine anteilige Zuordnung entschieden. Eine später (beispielsweise in der Berufung) vorgenommene volle Zuordnung sei als Einlage zu beurteilen, die jedoch - wie unter a) dargelegt nicht zum (nachträglichen) Vorsteuerabzug berechtige.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:
Der Beschwerdeführer rügt zunächst, dass seiner Berufung "in richtiger Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere betreffend die Bestimmungen des Umsatzsteuergesetzes" vollinhaltlich stattzugeben gewesen wäre. Er sei in seinem Recht auf "gesetzmäßige Besteuerung, insbesondere auf vollen Vorsteuerabzug" verletzt.
Dazu ist zunächst klarzustellen, dass der Beschwerdeführer durch die im Streitjahr 1995 geltenden gesetzlichen Bestimmungen des UStG 1994 im vorliegenden Fall einer unternehmerischen Nutzung des betreffenden Gebäudes von lediglich 19,74 % in seinem Recht auf "vollen Vorsteuerabzug" nicht verletzt wurde, weil die betreffenden gesetzlichen Bestimmungen in der vor dem Abgabenänderungsgesetz 1997 geltenden Fassung ein dementsprechendes Zuordnungswahlrecht nicht normieren.
Soweit sich der Beschwerdeführer aber erkennbar auf den Grundsatz der unmittelbaren Anwendbarkeit des Gemeinschaftsrechtes im Fall dessen unzulänglicher Umsetzung in innerstaatliches Recht beruft und in diesem Zusammenhang auf die ("Lennartz ") und vom in der Rechtssache C-291/92 ("Armbrecht") verweist, ist Folgendes zu sagen:
In der Rechtssache "Lennartz" hat der EuGH unter anderem folgende Aussagen getroffen:
"Nach Art 17 Abs 1 der 6. Richtlinie, der mit 'Entstehung und Umfang des Rechts auf Vorsteuerabzug' überschrieben ist, entsteht das Recht auf Vorsteuerabzug, wenn der Anspruch auf die abziehbare Steuer entsteht. Folglich hängt das Bestehen eines Rechts auf Vorsteuerabzug allein davon ab, in welcher Eigenschaft eine Person zu diesem Zeitpunkt handelt. Wie sich aus Art 17 Abs 2 ergibt, ist der Steuerpflichtige, soweit er als solcher die Gegenstände für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet, befugt, die geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für diese Gegenstände abzuziehen." (Rn 8)
"Dagegen entsteht kein Recht auf Vorsteuerabzug, wenn der Steuerpflichtige die Gegenstände nicht für Zwecke seiner wirtschaftlichen Tätigkeiten im Sinn von Art 4, sondern für seinen privaten Verbrauch verwendet." (Rn 9)
...
"Aus diesem Urteil" (Anmerkung: des , "Ropelmann") "ergibt sich, dass eine Person, die Gegenstände für Zwecke einer wirtschaftlichen Tätigkeit im Sinne von Art 4 erwirbt, dies auch dann als Steuerpflichtiger tut, wenn die Gegenstände nicht sofort für seine wirtschaftliche Tätigkeit verwendet werden." (Rn 14)
...
"Mit den ersten beiden Teilen der dritten Frage ersucht das vorlegende Gericht im Kern um Aufschluss über die Kriterien, nach denen sich bestimmt, ob eine Person Gegenstände als Steuerpflichtiger erwirbt, wenn sie sie nicht sofort ihren wirtschaftlichen Tätigkeiten zuordnet." (Rn 19).
"Die Beantwortung dieser Frage hängt von der Würdigung aller insoweit erheblichen Umstände ab, unter anderem von der Art der betreffenden Gegenstände und dem Zeitraum, der zwischen dem Erwerb der Gegenstände und ihrer Verwendung für die wirtschaftlichen Tätigkeiten des Steuerpflichtigen liegt. Die im Artikel 20 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Berichtigungszeiträume haben jedoch als solche nichts mit der Frage zu tun, ob die Gegenstände für Zwecke dieser wirtschaftlichen Tätigkeit erworben wurden."
(Rn 20)
"Daher ist auf die ersten beiden Teile der dritten Frage zu antworten, dass die Frage, ob ein Steuerpflichtiger im Einzelfall Gegenstände für Zwecke seiner wirtschaftlichen Tätigkeit im Sinne von Art 4 der 6. Richtlinie erworben hat, eine Tatfrage ist, die unter Berücksichtigung aller Gegebenheiten des Sachverhaltes, zu denen die Art der betreffenden Gegenstände und der zwischen dem Erwerb der Gegenstände und ihrer Verwendung für Zwecke der wirtschaftlichen Tätigkeiten des Steuerpflichtigen liegende Zeitraum gehören, zu beurteilen ist." (Rn 21)
...
"Dem vorlegenden Gericht ist daher zu antworten, dass ein Steuerpflichtiger, der Gegenstände für Zwecke einer wirtschaftlichen Tätigkeit verwendet, zum Zeitpunkt des Erwerbes dieser Gegenstände das Recht hat, die gezahlte Vorsteuer gemäß den Vorschriften des Art 17 abzuziehen, wie gering auch immer der Anteil der Verwendung für unternehmerische Zwecke sein mag." (Rn 35)
Im Fall "Armbrecht" hat der EuGH unter anderem folgende Aussage getroffen:
"Auf die zweite Frage ist daher zu antworten, dass, wenn ein Steuerpflichtiger einen Gegenstand verkauft, bei dessen Erwerb er sich dafür entschieden hatte, einen Teil davon nicht seinem Unternehmen zuzuordnen, bei der Anwendung des Art 17 Abs. 2 der Richtlinie nur der seinem Unternehmen zugeordnete Teil des Gegenstands zu berücksichtigen ist." (Rn 29)
In dem am in der Rechtssache C-415/98 ("Bakcsi") ergangenen Urteil des EuGH hat dieser die im Urteil "Lennartz" ausgesprochene Ansicht aufrecht erhalten (Rn 29).
Vor diesem Hintergrund ist festzustellen, dass es eine unter Berücksichtigung aller Gegebenheiten des Sachverhaltes, zu denen die Art der betreffenden Gegenstände und der zwischen dem Erwerb der Gegenstände und ihrer Verwendung für Zwecke der wirtschaftlichen Tätigkeiten des Steuerpflichtigen liegende Zeitraum gehören, zu beurteilenden Tatfrage ist, in welchem Ausmaß der Steuerpflichtige einen Gegenstand bei dessen Erwerb dem Unternehmen zugeordnet hat. Die belangte Behörde hat im gegenständlichen Fall in freier Beweiswürdigung die Feststellung getroffen, dass sich der Beschwerdeführer für eine mit 19,74 % anteilige Zuordnung entschieden hat. Diese Entscheidung ist dadurch dokumentiert, dass in der Umsatzsteuererklärung für 1995 eine Vorsteuer nur in diesem Ausmaß geltend gemacht worden war. Im Hinblick darauf hält die Beweiswürdigung der belangten Behörde der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle stand.
Das erstmals in der Beschwerde erstattete Vorbringen, die erstmalige Verwendung des Gebäudes sei erst 1996 erfolgt, weshalb "im Jahr 1995" auch nur eine vorläufige schätzungsweise und keinesfalls endgültige Aufteilung hätte vorgenommen werden können, muss schon im Hinblick auf das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot unbeachtet bleiben.
Soweit sich die Beschwerde auf Kommentarstellen und Literaturmeinungen zum UStG 1994 beruft, finden die darin vertretenen Ansichten, soweit sie nicht überhaupt ein anderes Wahlrecht (§ 6 Abs 2 leg cit) behandeln - abgesehen davon, dass sie nicht näher begründet werden - aus den oben angeführten Gründen in der einschlägigen Rechtsprechung des EuGH keine Deckung.
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl Nr 416/1994.
Wien, am