VwGH 30.01.2004, 2000/02/0121
Entscheidungsart: Erkenntnis
Rechtssatz
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Normen | |
RS 1 | Es trifft zwar zu, dass der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Zl. 85/11/0230, ausgesprochen hat, dass eine telefonische Befragung an Stelle einer förmlichen Zeugeneinvernahme nach § 46 AVG als Beweismittel in Betracht komme, wenn sie zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des Falles zweckdienlich ist. Das zuletzt genannte Erfordernis wird von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nun dahingehend präzisiert, dass sich die Behörde in Fällen, die nicht weiter strittig sind, mit einer formlosen Befragung als Beweismittel begnügen kann. Wo aber widersprechende Beweisergebnisse vorliegen und der Beweiswürdigung besondere Bedeutung zukommt, ist es im Interesse der Erforschung der materiellen Wahrheit nicht zulässig, sich mit solchen Befragungen zu begnügen. Diesfalls hat die Behörde entsprechend dem Grundsatz der Amtswegigkeit des Verfahrens jene Personen, die zunächst nur formlos befragt wurden, als Zeugen niederschriftlich zu vernehmen (vgl. Walter/Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I, 2. Auflage, E. 20, zu § 48 AVG). Dies gilt insbesondere dann, wenn - wie hier - die Einvernahme dieser Personen als Zeugen von der Partei ausdrücklich beantragt wurde (vgl. Walter/Thienel, a.a.O., E. 26). |
Hinweis auf Stammrechtssatz | GRS wie 2001/12/0209 E RS 3
(Hier ohne den ersten und den letzten Satz, wobei eine formlose
Mitteilung an die Behörde einer formlosen Befragung im Sinne der
Judikatur gleichgestellt werden kann.) |
Entscheidungstext
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Beck und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel-Lanz, über die Beschwerde des FB in Graz, vertreten durch Dr. Reinhard Tögl Rechtsanwaltsgesellschaft m.b.H. in Graz, Schmiedgasse 31, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Steiermark vom , Zl. LGS600/ALV/1218/2000-Ze/Pa, betreffend Notstandshilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des AMS Graz vom wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 38 in Verbindung mit § 10 AlVG für den Zeitraum vom bis die Notstandshilfe versagt.
In der Begründung dieses Bescheides wird u.a. ausgeführt, der Beschwerdeführer habe vom AMS Graz eine zumutbare Beschäftigung nicht angenommen. Es seien keine berücksichtigungswürdigen Gründe für eine Nachsicht vorgelegen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung.
Mit Bescheid vom gab die belangte Behörde der Berufung nicht statt und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid.
In der Begründung dieses Bescheides wird u.a. ausgeführt, in seiner Berufung habe der Beschwerdeführer angegeben, es sei im Zuge des Vorstellungsgesprächs festgestellt worden, dass er in der Getränkebranche und in der Kundenakquisition zu wenig Praxis habe. Der näher genannte Dienstgeber habe ihm mitgeteilt, dass er sich noch um geeignetere Bewerber umsehen werde. "Laut Aussage der Firma H." vom hätte der Beschwerdeführer die Stelle als Fahrverkäufer bekommen. Er habe diese aber unter Hinweis auf seine Qualifikation abgelehnt.
Da die Angaben des Beschwerdeführers hinsichtlich des Nichtzustandekommens des Beschäftigungsverhältnisses im Widerspruch zu den Angaben "der Firma H." stünden und der Beschwerdeführer offensichtlich Stellen bevorzuge, die seinen früheren Tätigkeiten entsprächen, sei die belangte Behörde in freier Beweiswürdigung zum Schluss gekommen, dass die Aufnahme des Beschäftigungsverhältnisses durch sein Verschulden nicht zu Stande gekommen sei.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Der Beschwerdeführer wendet u.a. ein, es liege auch eine Rückmeldung der "Firma H." vom an das AMS Graz vor, in der ausdrücklich auf dem Formular angekreuzt worden sei, dass der Beschwerdeführer nicht eingestellt worden sei, weil ihm sowohl die Qualifikation als auch die Praxis fehle. Wäre die belangte Behörde tatsächlich schlüssig im Sinne der Denkgesetze vorgegangen, so hätte sie erkennen müssen, dass die Aussage des Dienstgebers H. vom nicht nur gegen die Aussagen des Beschwerdeführers, sondern auch gegen die von der "Firma Getränke H." selbst ausgefüllte Rückmeldung spreche. Warum der Dienstgeber H. am behauptet habe, dass der Beschwerdeführer die Stelle abgelehnt habe, sei nicht nachvollziehbar; dies könne aber durchaus auch auf einem Missverständnis zwischen dem Beschwerdeführer und dem Dienstgeber H. beruhen. Es sei davon auszugehen, dass die belangte Behörde die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nicht richtig berücksichtigt habe und es hätte die belangte Behörde entsprechend dem Grundsatz der materiellen Wahrheit den wirklichen entscheidungsrelevanten Sachverhalt feststellen müssen.
Wie aus den von der belangten Behörde teilweise vorgelegten Verwaltungsakten zu ersehen ist, liegt der vorgenommenen Beweiswürdigung eine formlose Information der "Fa. H." vom zu Grunde, wonach der Beschwerdeführer sich vorgestellt und über das Jobangebot nur gelacht habe. Er habe erzählt, wie hoch bzw. wie überqualifiziert er eigentlich sei. "Laut Frau H." hätte der Beschwerdeführer die Stelle von ihrem Mann bekommen.
Dieser Darstellung widersprach der Beschwerdeführer bereits in seiner Berufung und stellte darin auch klar, dass er seiner Meinung nach die Stelle mangels ausreichender Qualifikation nicht bekommen habe. In den vorgelegten Verwaltungsakten findet sich hingegen nicht die vom Beschwerdeführer in seiner Beschwerde erwähnte "Rückmeldung" des Dienstgebers vom , welche laut Behauptung des Beschwerdeführers im Widerspruch zur Mitteilung dieses Dienstgebers vom betreffend die Gründe der Nichteinstellung des Beschwerdeführers stehen soll. Auf dieses Vorbringen wird von der belangten Behörde in der erstatteten Gegenschrift nicht näher eingegangen.
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs kommen gemäß § 46 AVG als Beweismittel grundsätzlich auch formlose (mündliche oder fernmündliche) Befragungen in Betracht. Wo aber widersprechende Beweisergebnisse vorliegen und der Beweiswürdigung besondere Bedeutung zukommt, ist es im Interesse der Erforschung der materiellen Wahrheit nicht zulässig, sich mit formlosen Befragungen zu begnügen. In einem solchen Fall hat die Behörde gemäß § 39 Abs. 2 AVG die betreffende Person als Zeugen zu vernehmen (vgl. die bei Hauer/Leukauf, Handbuch des österr. Verwaltungsverfahrens, 6. Auflage, S. 545, unter E 34 zu § 46 AVG widergegebene Judikatur).
Im Beschwerdefall lag einerseits eine formlose Mitteilung vom über das Verhalten des Beschwerdeführers im Zuge des mit seinem potenziellen Dienstgeber geführten Vorstellungsgesprächs vor, aus welchem die belangte Behörde das Vorliegen einer Weigerung im Sinne des § 10 Abs. 1 (i.V.m. § 38) AlVG ableitete. Diese formlose Mitteilung an die Behörde kann einer formlosen Befragung im Sinne der vorgenannten Judikatur gleichgestellt werden.
Andererseits widersprach der Beschwerdeführer in seiner Berufung dieser Darstellung und wies ergänzend in der Beschwerde auf andere von diesem Dienstgeber gegenüber dem AMS Graz in einer "Rückmeldung" vom genannte Gründe betreffend die Nichteinstellung hin. Unter diesen Umständen wäre die Behörde im Lichte der vorzitierten Judikatur jedoch gehalten gewesen, etwa jene Person (oder Personen), die über das Verhalten des Beschwerdeführers in der formlosen Mitteilung vom berichteten, als Zeugen niederschriftlich zu vernehmen und dem Beschwerdeführer zum Ergebnis dieser ergänzenden Ermittlungen Parteiengehör zu gewähren.
Da keine Anhaltspunkte für diesbezügliche ergänzende Ermittlungen vorliegen, ist der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig geblieben, weshalb der angefochtene Bescheid schon aus diesem Grund wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 lit. b und c VwGG aufzuheben war. Es erübrigt sich daher auch, auf das weitere Beschwerdevorbringen näher einzugehen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Normen | |
Schlagworte | Beweismittel |
ECLI | ECLI:AT:VWGH:2004:2000020121.X00 |
Datenquelle |
Fundstelle(n):
RAAAE-31193