VwGH vom 18.11.2003, 2000/14/0189
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Pfau, über die Beschwerde des Franz L in I, vertreten durch Dr. Gert Kastner, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Templstraße 32, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol vom , Zl. RV 239/1-T5/00, betreffend Abweisung eines Antrages auf Artfortschreibung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 381,90 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Eigentümer des Grundstückes EZ 2692 der KG X (im Folgenden kurz als "strittiges Grundstück" bezeichnet). Für diese Liegenschaft stellte das Finanzamt im Wege einer Nachfeststellung zum den Einheitswert fest und ordnete dabei die Liegenschaft der Vermögensart "Grundvermögen" (unbebautes Grundstück) zu.
Mit Eingabe vom beantragte der Beschwerdeführer das strittige Grundstück im Wege einer Artfortschreibung im Hinblick auf dessen landwirtschaftliche Nutzung als Schafweide dem landwirtschaftlichen Vermögen zuzuordnen.
Das Finanzamt wies diesen Antrag nach Durchführung eines Vorhalteverfahrens im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass das strittige Grundstück als Bauland gewidmet und direkt an der S-Gasse in Innsbruck gelegen sei. Die angrenzenden, ebenfalls an der S-Gasse liegenden Grundstücke seien bereits mit Wohnhäusern bebaut. Zudem seien in der näheren Umgebung mehrere Baugrundstücke (z. B. 1994 die Gp 1257 um 9.600 S/m2, 1996 die Gp 635 um
8.500 S/m2, 1997 die Gp 847/8 um 5.100 S/m2 und die Gp 1302/3 um 5.400 S pro m2) verkauft worden. Solcherart sprächen für eine in absehbarer Zeit mögliche nicht landwirtschaftliche Nutzung des strittigen Grundstückes sowohl die Baulandwidmung als auch die fortgeschrittene Verbauung in der Umgebung sowie die starke Nachfrage nach Baugrundstücken im betreffenden Stadtgebiet.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung, in der er darauf hinwies, dass an der landwirtschaftlichen Nutzung auch in Zukunft festgehalten werde. Das strittige Grundstück sei "für die Führung des landwirtschaftlichen Betriebes notwendig" und werde intensiv landwirtschaftlich genützt, wovon sich die Abgabenbehörde durch entsprechende Ermittlungen überzeugen möge.
Das Finanzamt gab der Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom keine Folge und führte nach Wiedergabe der Bestimmung des § 52 Abs. 2 Bewertungsgesetz 1955 (im Folgenden: BewG) begründend aus, dass es im gegebenen Zusammenhang auf die Absicht des jeweiligen Eigentümers, die Grundflächen weiterhin landwirtschaftlich zu nutzen, nicht entscheidend ankomme. Maßgebend seien vielmehr die zum Stichtag objektiv vorliegenden Verhältnisse, insbesondere auch die gegebene und in Zukunft zu erwartende Marktlage. Subjektive, insbesondere in der Person des Grundstückseigentümers gelegene Gründe, hätten demgegenüber zurückzutreten. Das direkt an der S-Gasse gelegene strittige Grundstück sei laut dem derzeit gültigen Flächenwidmungsplan der Stadtgemeinde Innsbruck zur Gänze als Bauland gewidmet, voll erschlossen und von Wohngebäuden umgeben. Auch seien in den letzten Jahren in der näheren Umgebung mehrere Grundstücke zu Baulandpreisen (neben den bereits erwähnten 1998 auch die Gp 1265/7 um 4.615 S/m2) veräußert worden. Die unstrittige landwirtschaftliche Nutzung des Grundstückes als Schafweide und der Umstand, dass eine Bebauung nicht beabsichtigt sei, stellten lediglich Ausdruck des subjektiven Willens des Grundeigentümers dar. Demgegenüber diene die Abgrenzungsvorschrift des § 52 Abs. 2 BewG dazu, die potentielle wirtschaftliche Kraft des Grundeigentümers zu erfassen. Entscheidend sei demnach die objektive Werterhöhung des Grundbesitzes auch dann, wenn der Eigentümer nicht beabsichtige, diese auszunützen.
In seinem Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz entgegnete der Beschwerdeführer, das strittige Grundstück grenze an der Südseite in seiner gesamten Ausdehnung an das landwirtschaftlich genutzte Grundstück seines Vaters, weshalb von einer mit Wohngebäuden bebauten Umgebung nicht ausgegangen werden könne. Das Grundstück 1257 sei bereits vor dem Krieg bebaut worden. Die weiters angeführten Grundstücke 1302/3 und 1265/7 befänden sich "zu weit außerhalb, um konkrete Rückschlüsse auf die örtliche Lage und Aufschließung des gegenständlichen Grundstückes geben zu können". Der Beschwerdeführer werde in den nächsten Jahren den Hof seines Vaters übernehmen. Als zukünftiger Bewirtschafter der angrenzenden Landwirtschaft sei er auf die landwirtschaftliche Nutzung des strittigen Grundstückes angewiesen. Die Struktur der Landwirtschaft in Tirol erlaube es nicht, zwangsläufig davon auszugehen, dass Nebenerwerbslandwirte nicht auf die ihnen gehörenden Grundflächen angewiesen wären.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies auch die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Das strittige Grundstück sei direkt an der S-Gasse zwischen den Häusern Nr. 83 und Nr. 87 in einem näher bezeichneten Innsbrucker Stadtteil gelegen und als Baugrund gewidmet. Auf der gegenüberliegenden Seite der S-Gasse befände sich ein terrassenartig bebautes Mietwohngrundstück. Diese Gegend zähle auf Grund ihrer ruhigen, sehr sonnigen und naturnahen Hanglage mit Blick auf die Stadt einerseits und der vorhandenen Infrastruktur andererseits zu den bevorzugtesten Wohngebieten in Innsbruck. Sowohl die Größe (rund 1.000 m2) als auch die Grundstücksform mit einer leichten Hangneigung nach Süden sowie die Anbindung an die nördlich verlaufende S-Gasse ließen das Grundstück des Beschwerdeführers als sehr gut geeignetes Baugrundstück für eine städtische Villa erscheinen, wobei auch die Errichtung eines Doppelhauses oder einer kleineren Eigentumswohnanlage (wie auf der westlich angrenzenden Parzelle 1257) nach Lage des Falles realisierbar wäre. Die Feststellung des Finanzamtes über die volle Erschließung des Grundstückes sei unwidersprochen geblieben. Zu ergänzen sei, dass sich in unmittelbarer Nähe auch eine Haltestelle für die in die Innenstadt führende Buslinie befinde. Das inmitten des bebauten Gebietes gelegene Grundstück stelle somit eine Baulücke dar, auch wenn an das untere südliche Ende des Grundstückshanges eine im Eigentum des Vaters des Beschwerdeführers stehende Wiesenfläche grenze, wodurch ein freier Ausblick nach Süden gewährleistet sei.
Der im Vorlageantrag erhobene Einwand, bei dem unmittelbar benachbarten Grundstück Nr. 1257 handle es sich um keinen Neubau, sei aktenwidrig. Tatsächlich sei dieses Grundstück nach dem Tod der Vorbesitzerin im Jahr 1994 von einem Bauträger zu einem m2- Preis von rund 9.600 S erworben und in weiterer Folge der Altbestand abgetragen und darauf eine Wohnanlage mit sechs Wohnungen samt Tiefgarage errichtet worden. Da der betreffende Abschnitt der S-Gasse mit Ausnahme der strittigen Liegenschaft in den letzten Jahren bzw. Jahrzehnten fast vollständig verbaut worden sei, könne daraus unbedenklich der Schluss gezogen werden, dass in dieser Gegend eine rege Nachfrage an Baugrundstücken bestehe und folglich auch die strittige Liegenschaft ohne weiteres als Bauland verwertet werden könnte. Dies zeigten auch die in der Berufungsvorentscheidung angeführten weiteren Grundstücksverkäufe und die im Lageplan ausgewiesenen Wohngebäude. Auf den weiteren Einwand im Vorlageantrag, es sei nicht geprüft worden, ob einer Verwertung der Liegenschaft als Bauland "öffentlich-rechtliche Hindernisse" entgegenstünden, sei zu erwidern, dass dafür kein Anhaltspunkt bestünde.
Zum zentralen Berufungsvorbringen, das Grundstück werde auch künftig als Schafweide genutzt und eine anderweitige Verwendung sei geradezu denkunmöglich, habe bereits das Finanzamt zutreffend darauf hingewiesen, dass für die Abgrenzungsvorschrift des § 52 Abs. 2 BewG die am Bewertungsstichtag gegebenen objektiven Verhältnisse maßgebend seien, wobei es nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auf die Absicht des Grundstückseigentümers, von der Möglichkeit der Verwendung für Bauzwecke keinen Gebrauch zu machen, nicht ankomme. Da die landwirtschaftliche Nutzung des Grundstückes zu den Tatbestandsvoraussetzungen des § 52 Abs. 2 BewG gehöre, komme den Ausführungen des Beschwerdeführers bezüglich der Struktur des künftig vom Vater zu übernehmenden land- und forstwirtschaftlichen Betriebes, welcher keine anderweitige Nutzung des strittigen Grundstückes erlaube, keine rechtliche Bedeutung zu. Die vom Finanzamt vorgenommene Zuordnung der Liegenschaft zum Grundvermögen entspräche daher der Rechtslage; die beantragte Artfortschreibung sei nicht vorzunehmen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 51 Abs. 1 BewG gehört zum Grundvermögen der Grund und Boden einschließlich der Bestandteile (insbesondere Gebäude) und des Zubehörs.
Gemäß § 52 Abs. 1 leg. cit. gehört zum Grundvermögen nicht Grundbesitz, der zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen gehört.
Nach Abs. 2 der letztzitierten Gesetzesstelle sind land- und forstwirtschaftlich genutzte Grundstücksflächen dem Grundvermögen zuzurechnen, wenn nach ihrer Lage und den sonstigen Verhältnissen, insbesondere mit Rücksicht auf die bestehenden Verwertungsmöglichkeiten, anzunehmen ist, dass sie in absehbarer Zeit anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienen werden, zum Beispiel, wenn sie hiernach als Bauland, Industrieland oder als Land für Verkehrszwecke anzusehen sind.
Wie der Beschwerdeführer zu Recht ausführt, rechtfertigt die Widmung eines Gebietes als Bauland für sich allein noch nicht, ein landwirtschaftlich genutztes Grundstück ohne weiteres dem Grundvermögen zuzurechnen. Ist jedoch auf Grund hinzutretender objektiver Umstände - insbesondere betreffend die örtliche Lage und Aufschließung des Grundstückes, die bauliche Entwicklung in der Umgebung sowie die zum Bewertungsstichtag gegebene und für die Zukunft zu erwartende Marktlage - aus dem Gesamtbild der Verhältnisse anzunehmen, dass das landwirtschaftlich genutzte Grundstück in absehbarer Zeit anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken dienen wird, so rechtfertigt dies, ohne dass es dabei auf die Absicht des Grundeigentümers ankommt, die Zuordnung des Grundstückes zum Grundvermögen. Ein aus objektiven Umständen sich ergebender Wahrscheinlichkeitsschluss für eine Verbauung in absehbarer Zeit ist insbesondere bei einer Flächenwidmung als Bauland, bei einer Aufschließung durch Strom, Wasser und Kanal führende öffentliche Straßen und auf Grund der baulichen Entwicklung angrenzender Grundstücke gerechtfertigt. Stellen die zu bewertenden Grundstücke Baulücken in einem sonst besiedelten Gebiet dar, so handelt es sich überhaupt um den typischen Anwendungsfall des § 52 Abs. 2 BewG (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 91/15/0089).
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Feststellung der belangten Behörde, die angeführten Grundstücksverkäufe und die Bautätigkeit in der betreffenden Gegend ließen es als wahrscheinlich erscheinen, dass in absehbarer Zeit auch eine Bebauung der Liegenschaft des Beschwerdeführers erfolgen werde. Die von der belangten Behörde erhobenen Grundstückspreise wiesen eine sinkende Tendenz auf, sodass davon auszugehen sei, dass Grundstücke in der betreffenden Gegend wenig nachgefragt würden. Auch sei bekannt, dass "nach vorsichtigen Schätzungen der Wohnbedarf in Innsbruck jedenfalls für die kommenden 15 Jahre abgedeckt" sei. Gegenwärtig stünden mehrere Tausend Wohnungen leer. Überdies gäbe es in Innsbruck auch - weil zentraler gelegen oder preisgünstiger - beliebtere Wohngegenden.
Mit diesen allgemeinen Ausführungen zum Innsbrucker Immobilienmarkt wird eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides schon deshalb nicht dargetan, weil die belangte Behörde trotz gesunkener Grundstückspreise die tatsächlich festgestellten Verkäufe als Indiz für eine nach wie vor bestehende Nachfrage nach Bauland in der betreffenden Gegend werten durfte. Der vom Beschwerdeführer angegebene (niedrigste) tatsächlich erzielte Preis von rund 4.600 S je m2 stellt im Übrigen einen Wert dar, der die Feststellung der belangten Behörde, bei der betreffenden Gegend handle es sich um eine Wohngegend nicht als unschlüssig erkennen lässt.
Ebenso wird mit dem Vorbringen, der angefochtene Bescheid weise lediglich auf verschiedene Bebauungsmöglichkeiten hin, ohne einen Bezug zum maßgeblichen Bebauungsplan herzustellen, ein relevanter Begründungsmangel nicht aufgezeigt. Die Bebaubarkeit der gegenständlichen Liegenschaft war im Verwaltungsverfahren nicht strittig und wird auch in der Beschwerde dem Grunde nach nicht in Abrede gestellt. Dass infolge der in der Beschwerde behaupteten starken (von der belangten Behörde als gering eingestuften) Hangneigung höhere Bebauungskosten entstehen können, steht einer Bewertung als Grundvermögen nach der Bestimmung des § 52 Abs. 2 BewG nicht entgegen.
Zur Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe sich im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht von der tatsächlichen Nutzung der gegenständlichen Liegenschaft für landwirtschaftliche Zwecke "überzeugt", ist zu sagen, dass die vom Beschwerdeführer geschilderte Nutzung als Schafweide ohnedies als gegeben der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde. Wie im angefochtenen Bescheid zu Recht ausgeführt wird, hat die Anwendung des § 52 Abs. 2 BewG zur tatbestandsmäßigen Voraussetzung, dass zum Bewertungsstichtag tatsächlich eine land- (und forst-) wirtschaftliche Nutzung vorliegt. Andernfalls hätte eine Zurechnung zum Grundvermögen bereits nach der Bestimmung des § 30 Abs. 1 BewG zu erfolgen.
In Anbetracht der unbestrittenen Tatsachen, dass die gegenständliche Liegenschaft als Bauland gewidmet, voll erschlossen und zur rechten und linken Seite sowie auf der gegenüber liegenden Seite von Wohnhäusern umgeben ist, und überdies auf der südlichen Seite durch die dem Vater des Beschwerdeführers gehörende Wiese über einen freien Fernblick auf Innsbruck verfügt, kann der belangten Behörde nicht mit Erfolg entgegen getreten werden, wenn sie die Liegenschaft dem Grundvermögen im Sinne des § 52 Abs. 2 BewG zugerechnet hat. Dass in der näheren Umgebung - wie in der Beschwerde ausgeführt wird - noch weitere unbebaute Grundstücksflächen vorhanden sind, vermag dem keinen Abbruch zu tun.
Was schließlich das erstmals in der Beschwerde angesprochene zu Gunsten des Vaters des Beschwerdeführers bestehende Belastungs- und Veräußerungsverbot anlangt, ist zu sagen, dass diesem Vorbringen schon im Hinblick auf das im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu beachtende Neuerungsverbot kein Erfolg zukommen kann. Davon abgesehen stehen die dem Vater eingeräumten dinglichen Rechte einer Nutzung der Liegenschaft als Bauland durch den Beschwerdeführer nicht entgegen.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am