VwGH vom 13.12.1983, 83/05/0135
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Straßmann und die Hofräte Dr. Draxler, DDr. Hauer, Dr. Degischer und Dr. Domittner als Richter, im Beisein des Schriftführers Richter Mag. Dr. Walter, über die Beschwerde des AD in H, vertreten durch Dr. Rudolf Gürtler, Rechtsanwalt in Wien I, Seilergasse 3, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom , Zl. II/2- V-8025/1, betreffend die Versagung einer Baubewilligung und einen baupolizeilichen Beseitigungsauftrag (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde H, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Niederösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.435,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Aus einem Schreiben des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom geht hervor, dass seit dem Jahre 1969 auf den Grundstücken Nr. n1 und n2, KG G, ein "Schießplatz" betrieben wird.
Nach mehreren Beschwerden aus der Bevölkerung ersuchte der Hegering H mit Eingabe vom um die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung eines Tontauben- und eines Kugelschießstandes auf den genannten Grundstücken. Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens erteilte der Bürgermeister der Stadtgemeinde H mit Bescheid vom die angestrebte Baubewilligung. Die dagegen von Nachbarn erhobenen Berufungen wurden mit Bescheid des Gemeinderates vom als unbegründet abgewiesen. Der gegen diesen Berufungsbescheid von Nachbarn erhobenen Vorstellung gab die Niederösterreichische Landesregierung mit Bescheid vom statt und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der Stadtgemeinde H zurück. Die Gemeindeaufsichtsbehörde begründete ihre Entscheidung damit, dass das eingeholte schalltechnische Gutachten deshalb nicht ausreiche, weil die Frage, ob die Grenze der zumutbaren Lärmbelästigung nicht überschritten werde, in den Aufgabenbereich eines medizinischen Sachverständigen falle, der darzulegen habe, welche Einwirkungen die zu erwartenden Immissionen nach Art und Dauer auf den menschlichen Organismus auszuüben vermögen. Auch eine Ergänzung des schallschutztechnischen Gutachtens sei erforderlich. Der Sachverhalt sei sohin ergänzungsbedürftig geblieben.
Mit Eingabe vom richtete der mit Vollmacht ausgewiesene Vertreter des Beschwerdeführers an den Bürgermeister der Stadtgemeinde H als Baubehörde erster Instanz das Ansuchen um Erteilung der Baubewilligung zur Errichtung eines Kugel- und Tontaubenschießstandes. Im wesentlichen wurde ausgeführt, im bisherigen Verfahren sei den Behörden nicht aufgefallen, dass der Hegering nach den Satzungen des Niederösterreichischen Landesjagdverbandes keine Rechtspersönlichkeit besitze. Mit Übergabsvertrag vom hätten nunmehr der Beschwerdeführer und seine Gattin je zur Hälfte die Verfügungsgewalt über die gegenständlichen Grundstücke erhalten. Der Beschwerdeführer trete statt des bisherigen Bau- und Bewilligungswerbers Hegering H in das Bauverfahren ein. Im übrigen werde im Sinne des Bescheides der Landesregierung vom die umgehende Einholung eines Gutachtens eines ärztlichen Amtssachverständigen zum Beweis dafür beantragt, dass eine Gesundheitsgefährdung durch den ursprünglich bewilligten Schießstandbetrieb nicht vorliege.
Mit Anbringen vom urgierte der Vertreter des Beschwerdeführers die Anberaumung einer Bauverhandlung. Eine weitere schriftliche Urgenz erfolgte mit Eingabe vom . Beide Urgenzen wurden an den Bürgermeister der Stadtgemeinde H als Baubehörde erster Instanz gerichtet.
Mit Eingabe vom stellte der Verteter des Beschwerdeführers an den Gemeinderat der Stadtgemeinde H als Baubehörde zweiter Instanz den Antrag auf Übergang der Entscheidungspflicht gemäß § 73 AVG 1950. Darin wurde ausgeführt, dass er am bei der Baubehörde erster Instanz den Antrag auf Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung eines Kugel- und Tontaubenschießstandes gestellt habe, über welchen bisher nicht entschieden worden sei.
Im Akt erliegt sodann eine mit dem Beschwerdeführer persönlich aufgenommene Niederschrift vom , derzufolge der Gemeinderat am in einer nicht öffentlichen Sitzung einstimmig den Beschluss gefasst haben soll, wegen Rechtswidrigkeit und Verfahrensmängeln sämtliche Baubewilligungsbescheide der Stadtgemeinde H zu beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Bürgermeister als Baubehörde erster Instanz zurückzuverweisen. Gleichzeitig wurde dem Beschwerdeführer eine Stellungnahme des technischen Amtssachverständigen des Gebietsbauamtes III vom zur Kenntnis gebracht, wonach die Ausübung der Jagd zwar als Teil der landwirtschaftlichen Nutzung anzusehen sei, jedoch bauliche Maßnahmen zu diesem Zweck nicht unbedingt erforderlich seien. Festgehalten wurde, dass sich der Beschwerdeführer mit den Mitgliedern der Jagdgenossenschaft beraten werde, ob das Bauansuchen vom zurückgezogen werde. Hierüber werde er binnen acht Tagen dem Bürgermeister Bescheid geben.
Mit Eingabe vom wurde vom Vertreter des Beschwerdeführers neuerlich die Anberaumung einer Bauverhandlung urgiert.
Mit Bescheid des Bürgermeisters vom wurde das Ansuchen auf Errichtung eines Kugel- und Tontaubenschießstandes abgewiesen und gleichzeitig der Auftrag erteilt, der hölzerne Schießstand (Schützenstand) und die Zielverdeckung seien sofort, spätestens bis , wieder abzutragen. Aus der diesem Spruch vorangestellten Sachverhaltsdarstellung ergibt sich, dass nach Auffassung des Bürgermeisters der Gemeinderat in seiner Sitzung vom sämtliche Baubewilligungsbescheide der Stadtgemeinde H betreffend den Schießstand wegen Rechtswidrigkeit und Verfahrensmängeln behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Bürgermeister der Stadt H als Baubehörde erster Instanz zurückverwiesen habe. Dieser Bescheid wurde unmittelbar an den Beschwerdeführer zugestellt, nicht jedoch an seinen Anwalt, obwohl dieser seit dem Ansuchen vom im Akt als bevollmächtigter Vertreter des Beschwerdeführers ausgewiesen ist.
Die gegen diesen Bescheid vom Vertreter des Beschwerdeführers erhobene Berufung wies der Gemeinderat der Stadt H mit Bescheid vom als unbegründet ab. Der dagegen erhobenen Vorstellung gab die Niederösterreichische Landesregierung mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom keine Folge. Im wesentlichen wurde zur Begründung ausgeführt, der Beschwerdeführer habe mit Eingabe vom ein neues Ansuchen um Erteilung der baubehördlichen Bewilligung beim Bürgermeister als Baubehörde erster Instanz eingebracht, mit zwei weiteren Schriftsätzen beim Bürgermeister die Durchführung einer Bauverhandlung urgiert und schließlich einen Devolutionsantrag beim Gemeinderat gestellt. Daraus sei zu schließen, dass das im Jahre 1977 vom Hegering gestellte Bauansuchen nicht mehr Gegenstand dieses Verfahrens sei. Somit bestünde in diesem Verfahren auch keine Bindung an die den Spruch tragenden Ausführungen in der Begründung des Bescheides vom . Dadurch, dass die Erledigung des Devolutionsantrages unterlassen worden sei, sei der Einschreiter nur vorübergehend in einem Verfahrensrecht verletzt worden, da sich der Gemeinderat sodann auf Grund der Berufung mit der gegenständlichen Angelegenheit befasst habe. Dadurch erscheine der vorherige Verfahrensmangel saniert. Die Gemeindeaufsichtsbehörde vertrat sodann die Ansicht, dass die Ausübung der Jagd als Teil der landwirtschaftlichen Nutzung anzusehen sei, jedoch hiefür die gegenständlichen Schießstände nicht erforderlich seien.
In seiner Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt der Beschwerdeführer, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Gemäß § 26 Abs. 1 AVG 1950 in der für den vorliegenden Beschwerdefall maßgeblichen Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 199/1982 haben Zustellungen dann, wenn eine im Inland wohnende Person zum Empfang der für einen Beteiligten bestimmten Schriftstücke ermächtigt ist, an diese Person zu erfolgen. Der Verwaltungsgerichtshof hat diese Vorschrift des § 26 Abs. 1 AVG 1950 in ständiger Rechtsprechung dahin verstanden, dass dann, wenn eine Bevollmächtigung im Sinne der genannten Gesetzesstelle vorliegt, eine Zustellung an die Partei selbst keine Rechtswirkunge entfaltet (vgl. etwa das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom , 2253/63, Slg. N.F. Nr. 6634/A). Der Bescheid der Baubehörde erster Instanz vom hat sohin keine Rechtswirkungen entfaltet, zumal er ausschließlich an den Beschwerdeführer gerichtet war und eine Zustellung an andere Personen (Nachbarn) nicht erfolgte. Das bedeutet aber, dass die vom Verteter des Beschwerdeführers dagegen eingebrachte Berufung von der Baubehörde zweiter Instanz mangels Vorliegens eines erstinstanzlichen Bescheides (vgl. den Beschluss eines verstärkten Senates vom , 2942/79, Slg. N.F. Nr. 10327/A) als unzulässig hätte zurückgewiesen werden müssen. Dadurch, dass die Behörde zweiter Instanz eine Sachentscheidung fällte, hat sie eine ihr im Beschwerdefall gar nicht zustehende Zuständigkeit in Anspruch genommen, ein Umstand, den die belangte Behörde nicht erkannt hat. Schon aus diesem Grunde hätte aber die Gemeindeaufsichtsbehörde der Vorstellung des Beschwerdeführers stattgeben müssen. Dadurch, dass die Niederösterreichische Landesregierung diesen - in der Vorstellung allerdings nicht relevierten - Aufhebungsgrund nicht erkannte, hat sie ihren Bescheid mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet.
Der Beschwerdeführer macht darüber hinaus zutreffend geltend, dass auf Grund des Devolutionsantrages vom dem Bürgermeister eine Zuständigkeit zur Entscheidung über den Antrag auf Erteilung der baubehördlichen Bewilligung gar nicht mehr zukam und daher über diesen Antrag der Gemeinderat als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde im Sinne des § 73 AVG 1950 hätte entscheiden müssen. Zutreffend hat nämlich die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides dargelegt, dass die Eingabe vom als ein neues Bauansuchen zu werten war, zumal eine Eintrittserklärung in ein Verfahren, welches von jemandem eingeleitet wurde, dem Rechtspersönlichkeit nicht zukam, nicht in Betracht kommt. Wäre daher der erstinstanzliche Bescheid vom ordnungsgemäß an den Vertreter des Beschwerdeführers zugestellt worden, dann hätte der Gemeinderat als Baubehörde zweiter Instanz diesen Bescheid bezüglich seines Abspruches über das Baubewilligungsansuchen wegen Unzuständigkeit der Baubehörde erster Instanz aufheben müssen. Die in der Begründung des angefochtenen Bescheides vertretene Auffassung, durch das Unterlassen der Erledigung seines Devolutionsantrages sei der Beschwerdeführer nur vorübergehend in einem Verfahrensrecht verletzt worden, weil letztlich der Gemeinderat auf Grund der Berufung sich mit der gegenständlichen Angelegenheit befasst habe, dürfte den Umstand verkennen, dass mit der Stellung des Devolutionsantrages der Baubehörde erster Instanz eine Zuständigkeit bezüglich des Baubewilligungsansuchens nicht mehr zukam (vgl. etwa das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , Slg. 3011, sowie die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom , 1588/67, Slg. N.F. Nr. 7441/A, vom , 479/67, Slg. N.F. Nr. 7577/A, u.a.).
Auf Grund der dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG 1965 sowie die Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft Stempelgebühren für der Beschwerde angeschlossene, zur Rechtsverfolgung nicht erforderliche Beilagen.
Wien, am